Protokoll der Sitzung vom 03.06.2016

Wir können also festhalten: Es gibt keine einheitliche fundierte Expertenmeinung zum Sinn oder Unsinn von Bargeldabschaffungen zur Bekämpfung von Terror und Kriminalität. Im Übrigen werden mit dieser Begründung, wie wir sie gerade gehört haben, auch pauschal alle Bürger unter einen Generalverdacht gestellt. Dies sollten wir nicht ganz unberücksichtigt lassen.

Auf der anderen Seite steht dafür aber eines fest: Die Abschaffung von Bargeldzahlungen und die völlige Umrüstung auf Überweisungsverkehr ermöglicht dem Staat ein lückenloses Nachverfolgen des gesamten, also auch privaten Zahlungsverkehrs, und ist ein weiterer Schritt in Richtung des totalen Überwachungsstaates und des gläsernen Bürgers. Dies lehnt die AfD aus ganzer Überzeugung ab.

(Beifall bei der AfD - Zuruf von Hendrik Lan- ge, DIE LINKE)

Nach unserer Erkenntnis wurden weite Teile der heutigen Finanzkriminalität bereits in den digitalen Bereich verlagert. Es geht darum, Sachsen-Anhalt sicher zu machen, ohne dass dafür die Freiheit der Sachsen-Anhalter eingeschränkt wird. Wir wollen harte Maßnahmen gegen Täter, wir wollen aber keine Kollektivhaftung, die jeden trifft, nur weil wenige gegen das Gesetz in diesem Fall verstoßen.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Den Satz mer- ken wir uns!)

- Merken Sie sich das, richtig. - Unverhohlen argumentieren die umstrittenen US-Ökonomen Larry Summers und Kenneth Rogoff, dass es darum gehe, auch private Ersparnisse mit Negativzinsen für Regierungen nutzbar zu machen.

Spanien hat bereits eine Sparersteuer auf vorhandene Guthaben eingeführt. Auch andere Länden liebäugeln bereits damit. Doch nun besteht das Hindernis, dass die zur Schröpfung freigegebenen Bürger ihr Geld einfach von der Bank abheben und zu Hause in bar aufbewahren könnten. Genau an dieser Stelle setzt aber das Bargeldverbot an. Gibt es keine Geldscheine mehr, liegt auch alles Geld immer auf einer Bank und kann jederzeit eingezogen werden.

Bargeld hat für die Menschen seit Jahrtausenden zwei Eigenschaften: Es ist Zahlungs- und auch Wertaufbewahrungsmittel. Letztere Funktion würde es bei dem Bargeldverbot allerdings völlig verlieren. - Herr Striegel, Sie haben zwar heute Geburtstag, aber hören Sie bitte trotzdem zu. - Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass Geld, welches auf ein Bankkonto eingezahlt wird, lediglich ein Kredit an die Bank ohne Sicherheiten für den Einzahler ist.

(Zustimmung bei der AfD)

Im schlimmsten Fall hat der Bankkunde nicht einmal mehr einen Anspruch auf Herausgabe des eingezahlten Geldes oder eine Möglichkeit dazu. Keine Partei und keine Fraktion hier im Parlament kann unter diesem Gesichtspunkt ernsthaft eine Bargeldabschaffung und Entmündigung unserer Bürger wollen.

(Eva Feußner, CDU: Das will doch auch niemand!)

Es fehlen zudem auch belastbare Erkenntnisse dazu, ob und warum ein Bargeldverbot in Sachsen-Anhalt tatsächlich einer möglichen Terrorbekämpfung oder der Austrocknung illegaler Finanzströme dienen könnte. Hierzu sind eingehende Untersuchungen und Auswertungen nötig.

Die AfD-Fraktion möchte die Landesregierung daher mit diesem Antrag zunächst beauftragen, entsprechende Erhebungen einzuleiten und Zahlen und Fakten zu ermitteln. Bis zu einer eindeutigen Klärung der Frage, ob und inwieweit ein Bargeldverbot für Sachsen-Anhalt tatsächlich Vorteile neben den beschriebenen massiven Nachteilen und Einschränkungen bringt, soll sich die Landesregierung vollumfänglich gegen eine Abschaffung von Bargeld einsetzen. Die Landesregierung soll daher mit diesem Antrag aufgefordert werden, sich im Bundesrat gegen politische Bestrebungen zur Abschaffung oder auch nur Einschränkung von Bargeldverkehr auszusprechen.

Verehrte Abgeordnete! Geld ist geprägte Freiheit, dies sagte schon Dostojewski, ein kluger rus

sischer Dichter, im Jahr 1821. Denken wir alle einmal darüber nach. Ich danke sehr für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit. - Danke.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Abg. Poggenburg. Sie können sich hinsetzen; es gibt keine Fragen.

(André Poggenburg, AfD: Fragen richten Sie bitte im Anschluss an unseren finanz- politischen Sprecher! - Cornelia Lüdde- mann, GRÜNE: Das geht nicht! - Siegfried Borgwardt, CDU: Das geht nicht! - Sebas- tian Striegel, GRÜNE: Sie müssen sich schon selbst Gedanken machen!)

Für die Landesregierung spricht nun der Minister für Inneres und Sport Herr Holger Stahlknecht. Bitte, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Tat so, dass bereits in zwölf EU-Staaten Regelungen bestehen, die den Bargeldverkehr ab einer gewissen Höhe einschränken. In Frankreich beispielsweise wurde die Grenze nach den Anschlägen auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ im Januar 2015 von 3 000 € auf 1 000 € reduziert. Hintergrund dieser Beschränkungen, eben nicht nur ausgehend von Deutschland und Frankreich, sondern in anderen Nationalstaaten der Europäischen Union vorhanden, ist die Verhinderung von Terroranschlägen, ist die Verhinderung von Geldwäsche.

Herr Poggenburg, in dem Punkt haben Sie zumindest insoweit recht: Selbstverständlich ist das nur ein Baustein innerhalb einer Sicherheitsarchitektur und wird allein und ausschließlich nicht Kriminalität und Terroranschläge verhindern.

Im Augenblick ist eine Beschränkung auf 5 000 € im Gespräch. Die derzeitigen 500-€-Noten werden eingezogen. Das ist aber kein Einstieg in den Ausstieg aus dem Bargeld. Die im Umlauf befindlichen 500-€-Noten behalten auf unbestimmte Zeit ihre Gültigkeit. - Das ist der Hintergrund.

Ein komplettes Verbot des Bargeldverkehrs, das Sie, Herr Poggenburg, aufgezeichnet haben, vermag ich in Deutschland nicht zu erkennen. Für den Fall, dass eine Bundesregierung und eine europäische Zentralbank dies beschließen sollte, werden wir in Sachsen-Anhalt eine eigene Währung einführen, weil wir das mit uns nicht machen lassen werden.

(Zustimmung von André Poggenburg, AfD - Olaf Meister, GRÜNE, lacht)

Zum Schluss, Herr Poggenburg: Sie haben zwei Dinge aufgezählt, die Geld seit Jahrhunderten anhaften, nämlich Wert und Zahlungsverkehr. Sie haben einen dritten Punkt vergessen, auch der ist historisch bedingt - ich übersetze ihn ins Deutsche: Geld stinkt nicht. - Herzlichen Dank.

(André Poggenburg, AfD: Kommt darauf an!)

Danke, Herr Minister Stahlknecht. - Wir kommen jetzt zur Debatte. Es ist eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion vorgesehen. Als Erster spricht für die SPD-Fraktion Herr Abg. Dr. Schmidt. Sie haben das Wort. Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Poggenburg, immer wenn Sie geredet haben, ist man in Versuchung, sein Manuskript wegzulegen und ein bisschen in Verzweiflung auszubrechen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Daniel Roi, AfD: Das glaube ich! - Heiter- keit bei der AfD)

Ich würde mir wünschen, dass wir im Verlauf der kommenden Jahre erreichen, dass wir sagen können: Politik ist auch ein bisschen ein ernsthaftes Geschäft.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Was Sie hier machen, ist eine Debatte aus der Geisterbahn. Der Bundesfinanzminister schlägt - und darum geht es - im Rahmen der Koordinierung von Obergrenzen für Bargeldverkehr, die es in etlichen europäischen Ländern längst gibt, vor, eine 5 000-€-Grenze einzuführen. Diese ist höher, als sie in etlichen Ländern bereits ist, in denen der Verdacht, dass die Freiheit der Bürger vernichtet wird, allgemein nicht besteht. Zwischen dem 3. und dem 12. Februar 2016 wird dazu in der Presse diskutiert - das können Sie googeln -, danach ist diese Geisterdebatte auch schon wieder vorbei. Insofern ist das ein bisschen alt, was sie diesbezüglich jetzt machen.

Niemand der Verantwortlichen sagt in diesem Zusammenhang - außer Ihnen -: Wir wollen das Bargeld abschaffen - niemand, die EZB nicht, der Bundesfinanzminister nicht, die Bundesbank nicht. Niemand kommt auf diese Idee.

(André Poggenburg, AfD: Wehret den An- fängen!)

Sie unterstellen das. Dann bauen Sie mit wenigen Handgriffen die verkehrte Welt auf und sagen: Weil wir das unterstellen, ist es auch so.

Das unterstellt auch, dass die Kolleginnen und Kollegen in der EZB, in den europäischen Finanzministerien und in den Finanzministerien der Länder nicht ernsthaft mit dem Bürger und der Materie umgehen, sondern nur versuchen, alle zu betrügen.

(Zustimmung bei der SPD)

Das erzählen Sie einmal in den nächsten Jahren konsequent Ihren Wählerinnen und Wählern. Hierzu muss ich Ihnen sagen: Verschwörungstheorien sind ja unausrottbar. Aber Verschwörungstheorien sind auf die Dauer auch kein Weg, um über die Fünfprozenthürde zu kommen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das ist ein wenig so wie bei den Menschen, die in jedes noch so kleine Glutnest pusten, bis richtig Feuer entsteht, und sich dann mit noch rußverschmierten Händen neben die Feuerwehr stellen und sagen: Es brennt, es brennt! - Herr Poggenburg, das machen Sie pausenlos. Wir haben es schon in den letzten Tagen erlebt. Das hier ist noch ein relativ harmloses Beispiel dieser Methoden.

Weil wir Ihnen - das haben Sie in den letzten Tagen sicherlich auch bemerkt - diese Methode des Angstverkaufens nicht durchgehen lassen, stellen wir einen Alternativantrag, mit dem wir klarstellen: Die Koalitionsfraktionen unterstützen diese Absichten nicht. So sie denn bestünden, würden die Koalitionsfraktionen im Land SachsenAnhalt die Absicht einer Abschaffung von Bargeld nicht unterstützen. Das tun wir deswegen, damit die Bürgerinnen und Bürger draußen nicht dieser Verunsicherung, die Sie versuchen zu streuen, erliegen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir sagen darüber hinaus, dass wir eine Begrenzung der Bargeldtransaktionen auf 5 000 € nicht für notwendig halten, und zwar nicht deswegen, weil das Thema nicht eine sachliche Debatte wert wäre, in der man mit ganz vernünftigen Gründen auf der einen oder auf der anderen Seite stehen kann und nicht einen Glaubensstreit um das Ende der freien Welt führt, sondern deswegen, weil wir sagen, die derzeitigen Regelungen des Geldwäschegesetzes sind ausreichend, um das zu tun.

Wenn wir das jetzt beschließen sollten, dann hoffe ich, dass dieses Feuerchen an dieser Stelle ausgetreten ist.

(Zurufe von der AfD)

Überlegen Sie sich wirklich, liebe Kolleginnen und Kollegen der AfD, ob Sie in den nächsten Jahren immer wieder mit dem kleinen Feuerchen kommen wollen oder ob Sie nicht irgendwann einmal

auch daran teilnehmen wollen, irgendetwas zusammen zu bauen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke, Herr Abg. Dr. Schmidt. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Abg. Heiß. Frau Heiß, Sie haben das Wort. Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn ich Sie bitten dürfte: Werfen Sie einmal einen Blick in Ihre Geldbörse und schauen Sie, ob sich dort vielleicht ein 500-€-Schein befindet. Zur Orientierung: Er ist lila.

Ich kann mir vorstellen, dass nicht allzu viele von Ihnen einen 500-€-Schein dabei haben werden. Das liegt daran, dass man den 500-€-Schein nicht so einfach bekommt. Den gibt es nämlich nicht am Automaten, sondern man muss extra an einen Bankschalter gehen, einen Auszahlungsschein ausfüllen und bekommt dann das Geld.