Protokoll der Sitzung vom 03.06.2016

Eine Kurzintervention, Herr Präsident. - Punkt 1. Wir haben den Antrag der AfD geprüft und haben festgestellt, dass er für die Sache nicht zielführend ist, was die Frage des Bundesverfassungsgerichts angeht. Denn zu dem Zeitpunkt, zu dem wir ein Moratorium beschließen, müssen wir Bezug nehmen auf ein anhängiges Verfahren. Es ist kein Verfahren in der Sache beim Bundesverfassungsgericht anhängig.

(Zuruf von Robert Farle, AfD)

Punkt 2. Wie der Abg. Herr Farle in seiner Rede selbst erwähnt hat, gibt es eine Vielzahl von Bürgerinnen und Bürgern, die die Beitragsbescheide, die sie erhalten haben, bezahlt haben und in den Widerspruch gegangen sind. Die Null-ZinsRegelung würde nach unserer Auffassung - denn wir gehen davon aus, dass die strittige Vorschrift das Normenkontrollverfahren des Landesverfassungsgerichts nicht übersteht - dazu führen, dass die Bürger, die bisher in der Zahlungsverpflichtung waren, von der Zinsverpflichtung befreit werden, aber die Bürger, die gezahlt haben, keinen billigen Ersatz in Form der Zinsen bekämen, wenn sie die Beiträge zurückerstattet bekommen.

Aus diesem Grund wäre das ein Betrug an den Bürgern, die bereits gezahlt haben. Wir halten diese Null-Zins-Regelung für falsch. Daher haben wir Ihnen den Änderungsantrag vorgelegt, der auf die Zinsregelung der Koalitionsfraktionen abzielt. - Vielen Dank, Herr Präsident.

(Beifall bei der LINKEN)

Okay. Jetzt ist mir doch tatsächlich das Gleiche passiert wie dem Herrn Präsidenten vorhin. Mir als Oppositionsvertreter darf man das aber verzeihen. Ich habe die Landesregierung vergessen zu fragen, wann sie reden möchte.

(Minister Holger Stahlknecht: Ich verzichte!)

- Als hätte ich es geahnt, Herr Innenminister. - Die Landesregierung verzichtet also auf einen Debattenbeitrag. Dann fahren wir in unserer Debatte fort. Als Nächste spricht Frau Schindler für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, auch ich war gestern draußen bei der Demonstration. Normalerweise hätte ich heute der Begründung zur nochmaligen Beratung zum Kommunalabgabengesetz nicht viel mehr hinzufügen können als das, was ich in der Beratung am Dienstag schon gesagt habe. Aber die gestrige Diskussion hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, darauf noch einmal einzugehen.

Insbesondere bei der gestrigen Demonstration vor dem Landtag ist deutlich geworden, dass man auch allen Bürgern, die sich gegen Bescheide wehren, in der Diskussion ehrlich gegenübertreten muss und auch bis zum letzten Punkt ehrlich bleiben muss.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn immer wieder - auch von Ihnen, Herr Farle - in diesem Haus gesagt wird, dass die Bürger für Investitionen bezahlen müssten, bei denen es sich um Anschlüsse aus der Zeit vor 1990 handelt, dann muss man insoweit aufklären und richtigstellen, dass es dabei immer um Investitionen nach dem Jahr 1991 geht. Man kann nicht immer wieder das Argument bringen: Sie sollen für die Kanäle, die sie selbst geschachtet haben, heute bezahlen. Das passiert nirgendwo.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Was mir in der gestrigen Diskussion auch deutlich geworden ist - das habe ich den Bürgern auch gesagt -: Dieses Problem, welches gestern angesprochen worden ist, ist ein sehr spezielles, ein örtliches Problem. Es gibt immer wieder Diskussionen im Land über Fehler, die vor Ort passiert sind - das will ich einräumen -, wo die Bescheide vielleicht nicht rechtmäßig sind. Dafür gibt es dann diese Rechtsmittel, mit denen gegen fehlerhafte Bescheide vorgegangen werden kann.

Aber: Dieser Fehler geht nicht auf das Kommunalabgabengesetz zurück. Das, was geschildert worden ist, der spezielle Fall Weißenfels, geht auf eine Regelung zurück, die vor Ort getroffen worden ist und nichts mit der speziellen Regelung

im Kommunalabgabengesetz zu tun hat. Wenn davon gesprochen wird, dass die Aufteilung der Kosten im Verhältnis 70 : 30 vorgenommen worden ist, zuungunsten der Bürger und zugunsten der Wirtschaft, dann ist das eine Regelung, die wir im Kommunalabgabengesetz so nicht vorgeschrieben haben.

Wenn dann Vertreter von Haus & Grund auftreten und gesagt wird, man hätte sich nicht vorstellen können, dass Vertreter von Haus & Grund einer Bürgerinitiative beitreten und mit dieser einer Meinung sind - - Natürlich, bei Haus & Grund geht es vordergründig um die Hauseigentümer. Alles, was jetzt in der Gesetzgebung vorgeschlagen wird - -

Wir diskutieren auch darüber, ob man in Zukunft die Beitragspflicht öffnet. Das bedeutet dann aber immer eine Verlagerung hin zu den Gebühren. Ich habe gestern höchstwahrscheinlich nicht einen Weißenfelser Mieter gesehen; denn die Belastung würde dann auf die Gebühren und auf die Mieter kommen.

Wenn es nach dem Vorschlag der LINKEN ginge, dass das, was mit der Aussetzung verbunden ist, und die finanziellen Aufwendungen durch das Land erstattet werden - wer bezahlt es denn dann zum Schluss? - Alle Bürger. Der Steuerzahler.

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Für das Ver- fahren! Es geht nicht um die 125 Millio- nen €! Für diese muss eine gesetzgeberi- sche Lösung gefunden werden!)

- Genau, aber trotzdem - -

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Zitieren Sie hier nicht falsche Dinge! Es geht um Ver- fahrenskosten!)

- Ich zitiere hier keine falschen - -

(Zuruf von Swen Knöchel, DIE LINKE)

- Sie zielen aber darauf ab, dass auch weitere Erstattungen vorgenommen werden,

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Für das Ver- fahren!)

auch das habe ich gestern in der Diskussion verfolgt. Dazu sage ich: Das ist eine Verlagerung hin zu Steuern. Und Steuern bedeuten wieder eine Belastung für alle Bürger. Das Kommunalabgabengesetz sagt: verursachergerecht und vorteilsgerecht sollte das verlagert werden.

Ich kann nur unseren Gesetzentwurf nochmals verteidigen und sagen, dass diese Regelung dem entspricht, was jetzt verfolgt werden soll, dass die Möglichkeiten bis zum Abschluss des Moratoriums, bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichts ausgenutzt werden sollen, dass diese

Möglichkeit vor Ort genutzt werden soll, um Erleichterung zu erreichen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Ich habe wieder eine Wortmeldung von Herrn Knöchel. Sie haben das Wort.

Ich habe das zwar schon dazwischengerufen, dennoch auch an dieser Stelle wieder eine Kurzintervention. Da sowohl in der vorangegangenen Debatte als auch in dieser behauptet worden ist, DIE LINKE fordere die Erstattung der 125 Millionen € aus dem Landeshaushalt, möchte ich klarstellen: Die Kostenerstattungsregelung, die in unserem Gesetzentwurf steht, bezieht sich auf die Verfahrenskosten des Moratoriums.

Sie sagen, wir wollten hiermit Fehler von Kommunen auf die Landesebene und die Steuerzahler verlagern; dem muss ich widersprechen. Strittig ist eine Regelung zu einem Gesetz, das in diesem Hause entstanden ist. Ich kann Ihnen die Rede von Herrn Abg. Grünert noch einmal heraussuchen. Sie haben das sehenden Auges beschlossen. Und wenn Sie sehenden Auges ein falsches Gesetz beschließen, das jetzt beklagt wird, dann sollten Sie auch bereit sein, dafür die Verantwortung zu übernehmen, und die Kosten, die durch Ihren Fehler entstanden sind, tragen.

Das war wieder eine Zwischenintervention. - Es gibt noch eine Wortmeldung. Bezieht sich das auf den Redebeitrag von Frau Schindler? Davon gehe ich jetzt einmal aus, Herr Borgwardt. Oder wollen Sie als Fraktionsvorsitzender reden?

(Siegfried Borgwardt, CDU: Ich wollte gern entgegnen!)

- Dann haben Sie nur die Chance, als Fraktionsvorsitzender zu reden. Dann würde ich Sie bitten, nach vorn zu kommen.

Herr Präsident, ich wollte eigentlich nur kurz sprechen, aber dann muss ich das Verfahren so wählen. In der Grundintention sind wir gar nicht auseinander, sehr geehrter Herr Kollege. Aber eines ist auch Fakt: Teilen Sie unseren Grundsatz, dass, wenn das Gericht entschieden hat - -

(Zuruf von Swen Knöchel, DIE LINKE)

- Nein, Sie wollen das ja jetzt. Sie wollen es vor der Entscheidung des Gerichts. Sie wollen das jetzt mit diesem Antrag. Wir vertreten natürlich den Punkt, dass wir zuerst das Gericht entschei

den lassen. Sollte das Gericht so entscheiden, werden wir das natürlich tun müssen.

Aber es wäre ja nahezu paradox: Wir haben ein Gerichtsverfahren noch nicht abgeschlossen und machen schon vorher etwas. Dann können wir das ganze Verfahren doch lassen. Genau aus diesem Grund tun wir es nicht.

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Sie kennen aber den Begriff Moratorium? - Zuruf von Siegfried Borgwardt, CDU - Unruhe)

Herr Borgwardt! Herr Knöchel! Ich würde den folgenden Vorschlag machen: Vielleicht hören wir erst einmal die Debattenrednerinnen der einzelnen Fraktionen und dann können die Fraktionsvorsitzenden all das sagen, was die eigenen Debattenredner noch nicht gesagt haben. Dann bekommen wir die Dinge hier vielleicht zu einem Ende.

Das trifft sich ganz hervorragend; denn als nächste Debattenrednerin spricht für DIE LINKE Frau Eisenreich. Frau Eisenreich, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nun haben das Wasser und das Abwasser schon gewaltige Wellen hier im Lande geschlagen. Auch gestern haben wir gesehen, dass die Bürgerinnen und Bürger - zu Recht - ihrer Wut auf der Straße Ausdruck verleihen. Ich finde das ausgesprochen gut. Ich denke, das sollte uns hier im Hause nach wie vor verstärkt zum Nachdenken anregen.

Ich möchte noch einmal darauf eingehen. Ja, ich bin froh, dass wir diese unverzügliche außerordentliche Sitzung und damit auch die zweite Beratung heute hier im Hause durchführen konnten. Das zeigt, dass der Wille da ist.

Ich möchte aber auch darauf eingehen, dass mit dieser Kann-Regelung, die hier im Koalitionsentwurf vorgeschlagen wird, die Verantwortung wieder komplett auf die Verbände und Kommunen abgewälzt wird. Sie müssen jetzt vor Ort entscheiden, ob unser Normenkontrollantrag erfolgreich werden wird oder nicht. Was ist das eigentlich für eine Verantwortung, die wir hier übernehmen? - Das ist keine. Wir müssen dazu kommen, dass eine verbindliche Regelung die Kommunen und die Verbände in die Lage versetzt, auch verbindlich zu agieren.

(Beifall bei der LINKEN, bei den GRÜNEN und bei der AfD)

Man kann diese Entscheidung den Verbänden nicht in diesem Sinne überlassen. Sie müssten Gutachten erstellen: Kann ich die Beiträge ziehen

oder muss ich sie nicht ziehen? Kann ich Vergleiche anstreben oder kann ich dies nicht tun? - Das funktioniert einfach nicht.

Deshalb sind wir mit unserem Antrag für die verbindliche Regelung des Moratoriums. Wir sind dafür zu sagen: Solange dieses Normkontrollverfahren anhängig ist, bis zu dessen Entscheidung ist die Vollziehung aller streitigen Angelegenheiten auszusetzen.