Protokoll der Sitzung vom 22.11.2018

(Zustimmung bei der CDU)

Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Herrn Krull für die Ausführungen. - Für die AfD-Fraktion spricht der Abg. Herr Siegmund. Herr Siegmund, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich möchte direkt an die Ausführungen der Ministerin anschließen; Sie haben eigentlich den Nagel auf den Kopf getroffen. Die grundsätzliche Idee klingt wie allzu oft überhaupt nicht verkehrt, aber wir sind es aus den vergangenen zwei Jahren gewohnt, wohlklingende Anträge der Fraktion der LINKEN erst einmal

genauer anschauen zu müssen, bevor wir uns ein Urteil erlauben können.

Wenn man sich mit der aktuellen Situation rund um die Befreiung von der Kostenheranziehung bzw. - wie man es im Gesetz eigentlich nennt - Kostenbeteiligung beschäftigt, dann stellt sich bei mir doch die eine oder andere Nachfrage.

Meines Wissens ist die Zahl derjenigen, die darunter wirklich finanziell leiden, extrem überschaubar. Ich würde gern erst einmal ganz in Ruhe prüfen wollen, wie viele Personen und vor allem auch in welchem finanziellen Umfang genau betroffen sind.

Die nächste Frage bezieht sich auf die entsprechenden Leistungen. Welche machen denn eigentlich den größten Anteil aus? - Wenn man sich einmal anschaut, was in § 91 SGB VIII wirklich alles geregelt ist, dann sieht man, wie umfangreich es ist. Es würde mich interessieren, ist es eher die Vollzeitpflege oder das betreute Wohnen. Die einzelnen Bestandteile sollte man einzeln beleuchten.

Weiter muss man beachten, dass bereits jetzt von einer Kostenbeteiligung in den allermeisten Fällen praktisch abgesehen wird, wenn das Ziel und der Zweck der Leistung gefährdet wären.

Außerdem kann auch von einer Kostenbeteiligung abgesehen werden, wenn der bürokratische Aufwand in keinem Verhältnis zu den entsprechenden Kosten steht. Das ist natürlich gut so.

Nach den entsprechenden Fachgesprächen, die ich in der Kürze zu diesem Antrag machen konnte, stelle ich mir daher die Frage, ob wir in der praktischen Umsetzung nicht bereits jetzt von einer Beitragsfreiheit sprechen können. Ich lasse mich aber gern vom Gegenteil überzeugen. Deswegen mein Vorschlag - darin stimme ich mit der Ministerin überein -: Überweisung an den Ausschuss. Lassen Sie uns gern die offenen Fragen klären. Ich würde die Zahlen wirklich einmal wissen wollen. Dann kann man sich gern, natürlich gemeinsam in sachlicher Zusammenarbeit, ein Urteil erlauben.

Wenn es wirklich einen anderen Umfang hat, dann steht dem natürlich nichts im Wege, aber in aller Ruhe im Ausschuss. Deswegen plädieren auch wir für die Überweisung. - Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Ich sehe keine Fragen, dann danke ich Herrn Siegmund für die Ausführungen.

Bevor wir in der Debatte fortfahren, habe ich die ehrenvolle Aufgabe, Schülerinnen und Schüler der berufsbildenden Schule Halberstadt-Böhns

hausen in unserem Hause begrüßen zu dürfen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Für die Fraktion der GRÜNEN spricht die Abg. Frau Lüddemann. Frau Lüddemann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Verehrte LINKE! Die Problematik der Heranziehung von Kindern und Jugendlichen in Form von Eigenbeteiligung beispielsweise beim Heimaufenthalt ist in diesem Hohen Hause meiner Kenntnis nach bisher nicht problematisiert worden. Es ist also gut, dass Sie dieses Thema hier aufwerfen. Das soll auch nicht heißen, dass es kein Problem darstellt. Das will ich gleich vorneweg sagen.

Auch ich meine aber, dass die Faktenlage noch zu dünn ist, um tatsächlich gleich Entscheidungen treffen zu können, insbesondere was die Verwaltungspraxis in diesem Land angeht.

Zentral dürfte doch die Frage sein, wie oft und in wie vielen Fällen die Träger der örtlichen Jugendhilfe die seit dem Jahr 2013 bestehende gesetzliche Möglichkeit nutzen und weniger als 75 % des Einkommens der jungen Menschen überhaupt heranziehen, und natürlich auch, wie gut die jungen Menschen über diese Möglichkeit informiert sind und entsprechende Anträge auf Freistellung von der Kostenheranziehung stellen.

Mir ist das jedenfalls nicht bekannt. Offensichtlich ist es so auch im Ministerium noch nicht aufgetreten.

Die Frage, wie das in Rede stehende Gesetz administriert wird, ist nicht ganz unwichtig, um tatsächlich sachgerecht handeln zu können.

Wenn man sich weiter zu dem Thema umschaut, dann fällt einem diesbezüglich durchaus auf, dass Sachsen-Anhalt mit einer gewissen Abwesenheit glänzt. Weder war Sachsen-Anhalt bei den gemeinsamen Empfehlungen für die Heranziehung zu den Kosten nach §§ 90 ff. SGB VIII vom November 2014 von zahlreichen Landesjugendämtern, unter anderem Sachsen und Thüringen, vertreten, noch war Sachsen-Anhalt bei den gemeinsamen Empfehlungen zur Kostenbeteiligung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai dieses Jahres als Akteur angeführt.

Vielleicht war auch dies einer der Gründe dafür, den Antrag hier einzubringen - möglicherweise -, um das Thema im Land überhaupt einmal ins Gespräch zu bringen. Das ist aus meiner Sicht sinnvoll.

Ich denke, infolge der bereits beantragten Überweisung sollten wir dazu im Ausschuss ein Fachgespräch führen, um die Situation im Land herauszuarbeiten.

Die Faktenlage kann dazu dienen. Das kann das Ministerium beisteuern, aber es ist sicherlich auch angemessen, einmal ein Jugendamt dazu zu hören, wie es in der Praxis gehandhabt wird, oder jemanden, der im Heim mit solch einer Situation konfrontiert ist.

Zum Schluss noch einmal grundsätzlich zur Kostenheranziehung. Ja, verehrte Kolleginnen der LINKEN, Sie haben natürlich recht, dass die jungen Menschen überwiegend für ihren Heimaufenthalt nicht verantwortlich sind. Daher ist es in den meisten Fällen, so vermute ich, ungerecht, dass sie zu diesen Kosten herangezogen werden.

Allerdings muss man auch in Betracht ziehen, dass sie ansonsten ebenfalls Kosten hätten, dass im Elternhaus möglicherweise auch etwas zum Haushaltseinkommen beigesteuert werden müsste, wenn die Jugendlichen Einkommen erzielen. Komplett ungerecht finde ich diese Kostenheranziehung nicht.

(Eva von Angern, DIE LINKE: Aber das fin- den Sie doch nicht gut, oder?)

Das spricht eher dafür, dass man das im Einzelfall prüfen muss. Auch diesen Aspekt können wir dann im Fachgespräch grundsätzlich diskutieren. Ich meine, dass das tatsächlich ein Thema ist, das einer fachlichen Betrachtung bedarf. Deswegen finde ich das Wort „Fachgespräch“ an dieser Stelle wirklich sinnvoll.

Wenn wir mit den Haushaltsberatungen durch sind - was auch bald geschehen wird -, sollten wir uns das für den Jahresanfang vornehmen. Das wäre mein Vorschlag.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Der ist gut!)

Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Frau Lüddemann für die Ausführungen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die SPD spricht die Abg. Frau Dr. Späthe. Frau Dr. Späthe, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Bundesweit leben knapp 240 000 Kinder und Jugendliche nicht bei ihren leiblichen Eltern, sondern bei Pflegefamilien oder in anderen Einrichtungen der Jugendhilfe.

Die Kosten dafür - das wissen die, die in Kreistagen unterwegs sind - sind nicht unerheblich und

durch den örtlichen Träger der Jugendhilfe zu übernehmen. Das heißt, im Endeffekt zahlen alle dafür, wenn Kinder aus den verschiedensten Gründen nicht in ihren Familien leben können.

Die Jugendämter - das haben wir gehört - verfügen über das Instrument der Heranziehung der Pflegekinder, um sie an der Finanzierung ihrer Pflegschaft zu beteiligen. Statistische Erhebungen, wie viele Pfleglinge einer Kostenheranziehung unterliegen, gibt es nicht. Das hat bisher keiner erfasst.

Seit Dezember 2013, mit dem damals in Kraft getretenen Kinder- und Jugendhilfeverwaltungsvereinfachungsgesetz, gibt es für die Jugendämter rechtliche Spielräume bei der Festlegung der Heranziehung.

Aber auf Antrag müssen die Jugendämter in pflichtgemäßem Ermessen des Einzelfalls prüfen, ob und in welchem Umfang von der Heranziehung abgesehen werden kann. Der Antragsteller kann Widerspruch und gegebenenfalls Klage einreichen. Das war damals ein Fortschritt.

Aber es ist dennoch eine Stigmatisierung, wenn man erst Anträge, Begründungen und Widersprüche schreiben muss. Das ist auch ein gutes Beispiel, wo ombudschaftliche Beratung erforderlich sein kann - ein Punkt, über den wir morgen beraten werden.

Diskutieren muss man nicht nur darüber, ob es wirklich 75 % der Einnahmen sein müssen, sondern auch darüber, ob überhaupt beim Lehrlingsentgelt zugegriffen werden muss.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Das ist für mich völlig unverständlich. Was untermauert das Ziel einer Pflegschaft im Sinne der Hilfe zur Erziehung - nämlich verantwortungsbewusste und selbstständige Menschen zu erziehen - mehr und nachhaltiger als das Erlernen eines Berufes?

Aber Sie wissen, liebe LINKE, dass das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz, welches diesen Änderungsbedarf bereits aufgreift, immer noch im Bundesrat liegt, und dass es das Bundesfamilienministerium selbst so sieht, dass man da noch einmal heran muss. Deshalb lassen Sie uns uns erst sachkundig machen und uns im Ausschuss darüber beraten. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Frau Dr. Späthe für die Ausführungen.

Bevor ich Frau Hohmann noch einmal das Wort erteile, habe ich die ehrenvolle Aufgabe, Damen

und Herren der städtischen Volkshochschule Magdeburg in unserem Hohen Hause begrüßen zu dürfen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Haus)