In unserem Haus - ich nehme einmal das Finanzministerium - war im Jahr 1990 - das konnte gar nicht anders sein - die Führungspositionen zu 100 % mit Wessis besetzt. Im Jahr 1998 waren es 19 % Ostdeutsche - nach Ihrer Statistik und Zählweise -, also 80 % Westdeutsche. Aktuell, im Jahr 2018, ist ein Drittel der Führungskräfte nach Ihrer Statistik ostdeutsch. Erst einmal stimmt also die Richtung.
Aber was es so ermüdend macht, ist die Abgrenzung. Ich bin dieses Klagelied einfach leid. Sie fragen Statistiken ab, die Statistik ist mehr als fragwürdig. Ich meine, wir haben nun geklärt, wie die Zählweise ist. Was ist mit Wossis? Was ist mit dem Geburtsort? - Das ist eine fragwürdige Statistik. Aber Sie fragen Zahlen ab, und dann sagen Sie: Was machen wir jetzt damit? - Die Landesregierung soll einmal sagen, was sie damit vorhat. Das ist natürlich überhaupt nicht zielführend.
Wir brauchen solide Qualifikation und Ausbildung. Sie sagen selbst, es wächst sich aus. Dann fragen Sie und bieten kein Rezept an und bedienen letztlich das Klagelied derjenigen, die sich nach der Wiedervereinigung bis heute zu kurz gekommen sehen. Das bringt uns überhaupt nicht weiter.
- Ich weiß, Sie haben immer die Gabe, eine ganz kleine Frage anzukündigen und eine ganz große Frage zu stellen. Sie können noch eine kurze Nachfrage stellen.
- Lassen Sie mich bitte erst ausreden. Ansonsten dauert es umso länger. - Sie können noch eine kurze Nachfrage stellen. Dann sollten wir überhaupt erst einmal in die Debatte hineinkommen. Bitte, Frau Heiß.
Frau Heiß, ich biete Ihnen an, ich beantworte Ihnen die Frage gern, wenn sie Ihnen wieder eingefallen ist.
Herr Schröder, das war jetzt keine Anfrage. - Frau Heiß, es tut mir leid, dass ich das bewirkt habe. - Es ist Ihnen wieder eingefallen?
Ja. - Ich habe genau zwei Vorschläge gemacht, Herr Schröder. Ich habe die Diversität genannt und ich habe die anonymisierte Bewerbung genannt. Das sind zwei Vorschläge. Die hätte ich nicht zu machen brauchen. Ich bin gespannt auf Ihre Vorschläge.
Ich habe Ihnen gerade die Vorschläge gemacht. Ich habe Ihnen das Gegenbeispiel gesagt: Wenn man ein Auslandssemester oder Privatschulbesuche angibt, dann kann man das anonymisiert
tun, und es kann als weicher Faktor bei der Auswahl für eine Führungsposition sehr wohl eine Rolle spielen. Das ist ein Beispiel dafür, wo es überhaupt nicht tauglich ist, mit diesem Rezept zu arbeiten.
Herr Schröder, es gibt eine weitere Anfrage. Sie sind noch nicht so weit, dass Sie wieder zum Platz gehen können.
Es ist eine Kurzintervention. - Herr Schröder, ich will das mit dem Klagelied, weil Sie das jetzt so exponiert gesagt haben, ausdrücklich zurückweisen. Das ist eine selektive Wahrnehmung. Das geben weder der Text noch die Begründung des Antrags irgendwie her. Wir nehmen Bezug auf die Kleine Anfrage und auf den Ministerpräsidenten und sagen, es ist uns zu wenig, dass das von ihm festgestellt wird - nicht von uns, von ihm -, auch völlig zu Recht. Das wurde auch gesagt. Und dann hat man das Gefühl, dass man außer der Feststellung wieder nichts dazu erfährt, was dafür getan wird. Mehr steht nicht in dem Antrag. Das hat mit einem Klagelied nichts zu tun.
Der zweite Hinweis: Ich glaube, hier im Raum sind entweder alle oder zumindest sehr viele, die eine Vorstellung von Ausschreibungen und Auswahlverfahren haben und von Eignung, Befähigung und Leistung. Wenn das immer so einfach auf den Punkt zu bringen wäre, wie es hier dargestellt wurde, dann hätten wir nicht diese Fülle von Konkurrentenklagen. Sie wissen selbst, wie groß der Ermessensspielraum ist. Es gibt durchaus die Wahrnehmung, dass es darauf ankommt, wer die Bewerbungsgespräche führt und wer wen eben auch nachzieht. Das steht durchaus im Raum und damit muss man sich auseinandersetzen.
Genauso ist es. Deshalb war der Vorwurf, die Landesregierung würde dem Leistungsprinzip nicht Rechnung tragen, falsch. Denn die Ermessensfehlerfreiheit einer Auswahlentscheidung ist notfalls durch Gerichte prüfbar. Die Landesregierung will es ja, aber selbst wenn sie es anders wollte, hätte sie dafür in diesem Rechtsstaat kei
nen Raum. Dass es einen Spielraum gibt, der aber hinterfragbar ist, ist genau der Grund dafür, dass der Vorwurf aus der Rede von Frau Heiß nicht zutrifft.
Der Ministerpräsident hat Sensibilität angemahnt. Ich erwähne einmal Artikel 36 des Grundgesetzes, Länderproporz in Bundesbehörden. Das ist übrigens unabhängig von Ihren Anträgen; das ist Verfassungslage. Solche Dinge spielen eine Rolle. Sensibilität, Qualifikation, Leistungsprinzip und vor allen Dingen Mut und Selbstbewusstsein - das ist unser Rezept. Sie fragten ja nach unserem Rezept. Ihr Antrag passt nicht zu dem Mut und zu dem Selbstbewusstsein, das die Ostdeutschen brauchen, um sich für Führungspositionen für geeignet und befähigt zu halten und sich in einer Konkurrenzsituation durchzusetzen.
Ich meine, dass dieser Antrag letztlich in der Beschreibung eines Defizits nur hilft, ein Klischee zu bedienen. Er führt aber nicht zu dem Mut und dem Selbstbewusstsein, die wir aus unserer Sicht brauchen. Denn von der Leistung her sehe ich die Ostdeutschen allemal als befähigt an, egal wie strittig die Zählweise ist, die Sie vorgeschlagen haben.
Vielen Dank. Es gibt keine weiteren Anfragen. - Herr Kurze, ich bitte Sie, noch einmal nach vorn zu kommen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bevor wir in die Dreiminutendebatte eintreten, habe ich eine Information.
Ich bitte darum zuzuhören, nicht dass hinterher wieder jemand sagt: Ich habe es nicht verstanden. - Alle Fraktionen haben untereinander vereinbart, die Tagesordnungspunkte 25, 16 und 28 von der Tagesordnung zu nehmen und auf die Tagesordnung für die Sitzungsperiode im Dezember zu setzen. Das heißt, von der Tagesordnung für die heutige Sitzung werden die Tagesordnungspunkte 25 und 16 gestrichen und von der für die morgige Sitzung der Tagesordnungspunkt 28. Der ursprünglich ebenfalls für die heutige Sitzung vorgesehene Tagesordnungspunkt 17 soll in der morgigen Sitzung als erster Tagesordnungspunkt nach der Mittagspause behandelt werden, anstelle des TOP 28.
Ein kleiner Hinweis sei mir noch gestattet: Bitte achten Sie auf Ihre Redezeit. Wir haben den Zeitplan schon weit überschritten. Ich bitte die Abge
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es scheint eine einfache Sache zu sein: Im Landesdienst sind zu wenige ostdeutsche Führungskräfte. Die Regierung soll daran etwas ändern. Das ist nicht mit einem Kabinettsbeschluss getan, aber man kann sich das handlungsleitend, mit Maßnahmen untersetzt, vorstellen.
In Wahrheit ist es aber viel mehr. Das haben wir jetzt in der Debatte gemerkt. Der Antrag berührt einen Schmerzpunkt des Lebens im gesamten Osten, weit über den öffentlichen Dienst und Zahlen hinaus. Es geht um die Lebensläufe von mindestens zwei Generationen Ostdeutscher und das Gefühl, im Zug der Zeit nur einen Platz in der zweiten Klasse gefunden zu haben. Es geht aber auch um Menschen aus der alten Bundesrepublik, die zum Teil fast drei Jahrzehnte und damit mehr als die Hälfte ihres Lebens im Osten gelebt haben und sich jetzt fragen, wann man damit aufhört, von „hier“ und von „drüben“ zu reden.
Es geht auch um die Frage, wie wir auf dem Weg zu der Zeitachse 40 Jahre DDR - 40 Jahre danach ost- und westdeutsche Sozialisation für uns klären und die Frage danach beantworten. In drei Minuten ist das schwierig. Deshalb in Stichworten drei Bestandsaufnahmen:
Erstens. Die Ostdeutschen sind in Führungspositionen im Landes- und im Bundesdienst unterrepräsentiert. Die klassischen Regeln der Rekrutierung und des Aufstiegs im öffentlichen Dienst haben für Übergang und Neuaufbau der Verwaltung nicht funktioniert.
Zweitens. Viele Führungskräfte mit Westherkunft, wie man so schön sagt, leben seit Jahrzehnten im Osten, oft als überzeugte Lokalpatrioten, manche, wie gesagt, bereits mehr als die Hälfte ihres Lebens, und trotzdem ist der Bahnsteig in Richtung Uelzen und Hannover am Nachmittag gut gefüllt.
Drittens. Die Jüngeren sind vielleicht im Osten und im Westen unterschiedlich sozialisiert, aber sie empfinden das eher nicht mehr als Problem. Bei ihnen ist die Leidenschaft dann viel geringer.
Drei Thesen: Erstens. Ostdeutschen eine reale Chance auf einen angemessenen Anteil an Führungspositionen im öffentlichen Dienst zu geben, ist vielfach misslungen. Das hat Potenziale ver
Zweitens. Sozialisation, in einem weiteren Sinne jedenfalls, endet eben nicht mit der Kindheit. Das gilt für die Lebensläufe Ostdeutscher nach der DDR genauso wie für die Westdeutscher hier im Osten.
Drittens. Vererbung von Sozialisation aus der DDR und der Bundesrepublik auf die Generationen danach ist Unsinn. Punkt.
Drei Aufgaben: Erstens. Wir brauchen eine Diskussion, die weit über die Frage nach Führungskräften im Landesdienst hinaus zwischen den unterschiedlich oder manchmal vielleicht auch nicht so unterschiedlich Sozialisierten stattfindet. Das kann den Horizont sehr erweitern. Ich habe das in vielen kleinen Gesprächen in Vorbereitung meiner Rede mit vielen, ganz schnell ganz angefassten Leuten bemerkt.
Zweitens. Wir brauchen konkrete Maßnahmen für diejenigen ostdeutscher Herkunft, die zwischen 40 und 50 Jahren alt und im Landesdienst sind und jetzt in Führungspositionen nachrücken können. Wir brauchen vielleicht auch ein Nachdenken, Herr Finanzminister, über die Fixierung der öffentlichen Verwaltung auf das Berufsbild des Juristen und auf die Aufstiegsregeln, die eben so sind, wie sie sind. Sie haben - ich sage das hier und hoffe auf Nachfragen - mit Leistung relativ wenig zu tun.