Protokoll der Sitzung vom 22.11.2018

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der LINKEN)

Wir brauchen für die Zukunft mehr Führungspositionen im Osten.

Herr Dr. Schmidt, Ihre Redezeit ist zu Ende. Ich habe darum gebeten, die drei Minuten einzuhalten.

(Zurufe)

Ein letzter Satz sei Ihnen noch gegönnt.

Mehr Führungspositionen im Osten in Form von gut bezahlten, sicheren, unbefristeten Arbeitsplätzen - das ist der einzige Weg, wie der Bahnsteig nach Hannover leerer wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Herr Dr. Schmidt, Sie haben die Gelegenheit, jetzt noch etwas zu sagen, denn Frau Heiß hat eine Frage an Sie. - Bitte, Frau Heiß.

Ich würde Ihren Worten gern weiter lauschen, Herr Schmidt. Zwei Dinge: Zum einen - das habe ich mehrfach in meiner Rede zitiert - scheint ein Teil der Landesregierung durchaus der Meinung zu sein, dass das Problem noch nicht gelöst ist. Der Ministerpräsident hat - das ist mir massiv aufgefallen - vor dem Bundestagswahlkampf im Jahr 2017 sehr oft angesprochen, welche Probleme es auf allen Ebenen gibt. Das ist nicht nur in der Verwaltung so, das ist in der Wirtschaft genauso, was die DAX-Unternehmen angeht usw. Das ist kein Problem, das wir als LINKE besonders für uns erkannt haben, sondern das geht, glaube ich, darüber hinaus.

Zum Zweiten, was Regelungen angeht, wie man darüber redet und wann etwas passiert. Ich will nur an das Thema Mindestlohn erinnern. Es wurde verteufelt: Das geht alles nicht, das kann man nicht machen, das ist alles ganz schlimm! Dann kam das Gesetz, und ich habe nicht gehört, dass in Deutschland etwas ganz Schlimmes passiert ist. Vielleicht ist es mit solchen Dingen, was Ostbelange angeht, ähnlich.

Herr Dr. Schmidt.

Ich habe nichts gehört, worauf ich jetzt antworten sollte.

(Zuruf von Kristin Heiß, DIE LINKE)

Wie der Ministerpräsident als Vorsitzender eines Kollegialorgans von Behördenleitern - wenn man das einmal so unjuristisch ausdrücken will - diese Aufgabe angehen will, das weiß ich nicht. Das kann man mich auch ganz schwer fragen, weil ich nicht der Ministerpräsident bin. Das müssen Sie ihn fragen.

(Zuruf von Kristin Heiß, DIE LINKE)

Wir werden diesen Antrag in den Finanzausschuss überweisen, den die Koalition zum führungskräftepolitischen Ausschuss erkoren hat. Dort werden wir dann vielleicht Gelegenheit bekommen, ausführlich darüber zu reden. Aber nach den Möglichkeiten, Grenzen, Intentionen und Plänen des Ministerpräsidenten können Sie mich nicht fragen.

Vielen Dank, Herr Dr. Schmidt. Es gibt eine weitere Frage. - Herr Bommersbach, bitte.

Herr Dr. Schmidt, ich mache es relativ kurz. Sie haben uns viel erzählt; man kann den Dingen fast

nur zustimmen. Wie stehen Sie zur Residenzpflicht?

(Heiterkeit)

Herr Dr. Schmidt.

Lieber Herr Bommersbach, die Residenzpflicht ist eine heikle Sache. Wir haben das Problem in Halle schon immer gehabt: Nette Menschen in Führungspositionen in der halleschen Stadtverwaltung wohnen im Saalekreis.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Als ob das ein Problem wäre!)

Das kommt in Halle nicht nur gut an. Wenn man das bespricht, dann stehen dahinter ein Lebenslauf, der Erwerb von Wohneigentum und Kinder, die nicht umgesetzt werden können - lauter solche Sachen. Ich glaube nicht, dass das über eine Pflicht zu lösen ist. Ich sage es noch einmal: Wir brauchen nicht so sehr eine Debatte über Führungskräfte aus Ostdeutschland im Landesdienst, sondern vielmehr eine Debatte über mehr Führungsstellen in Ostdeutschland.

Wenn wir eine Debatte über die Zerlegung der Gewerbesteuer führen würden,

(Zustimmung bei der CDU)

dann könnten wir das immer ganz leicht machen, wenn wir sagen: nicht nach Lohnsumme, sondern nach Wertschöpfung. Warum? - Weil die Krawattenbunker, in denen die großen Gehälter verdient werden, natürlich alle im Westen liegen.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich halte es für ein viel gravierenderes Problem, dass wir so wenige Führungsstellen im Osten haben und daher so wenige gute Stellen zur Verfügung stellen können, auf denen wir Leute zu Ostdeutschen machen können, die dann hier bleiben, hier leben, weil ihre Stellen nicht befristet sind, weil sie nicht sagen: Na, vielleicht bin ich doch in zwei Jahren wieder München. Das ist, finde ich, eigentlich ein viel stärkerer Hebel, als zu versuchen, das mit einer Residenzpflicht, mit der man wahrscheinlich auch juristisch nicht weit kommt, aufzuhebeln.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Schmidt. Ich sehe keine weiteren Fragen. - Wir kommen zum nächsten Debattenredner, Herrn Daniel Rausch. Bitte, Herr Rausch, Sie haben das Wort.

Werte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Werte Frau Heiß, Sie nehmen in Ihrem Antrag die Aussage des Ministerpräsidenten Haseloff zum Anlass, um über die Herkunft verschiedener Menschen in Führungspositionen zu diskutieren. Es ist klar: Man kann feststellen, dass Ostdeutsche in Führungspositionen unterrepräsentiert sind. Man kann auch feststellen, dass zum Beispiel in der Keniakoalition von zehn Ministern nur vier mit einer ostdeutschen Biografie sind und dass unter den zwölf Staatssekretären nur vier Ostdeutsche sind. Das ist der Stand vom November 2016.

Ja, eine Studie über die neuen Bundesländer belegt, dass von 1 099 Elitenangehörigen nur 249 ostdeutscher Herkunft sind. Das sind 23 %.

Aber ich weiß, ehrlich gesagt, nicht, meine Damen und Herren, ob man darüber diskutieren sollte, ob es eine gläserne Decke ist oder ob es westdeutsche Netzwerke sind, die angeblich den Aufstieg der Ostdeutschen in Führungspositionen verhindern. Ich glaube, 28 Jahre nach der Wende sollte die Herkunft keine Rolle mehr spielen.

(Beifall bei der AfD und bei der CDU)

Ich bin mir sicher, dass in den Landesbehörden oder in den Ministerien die Auswahl der Mitarbeiter und Führungskräfte nach strengen Regeln abläuft. Wer hat die geforderte Qualifikation, wer hat das Können und wer kann was leisten?

Sie sprechen davon, dass es an diesem oben beschriebenen Umstand liegt, ob das Vertrauen in demokratische Institutionen bewahrt oder wieder zurückgewonnen werden kann. Das ist, ehrlich gesagt, völliger Unsinn. Der Vertrauensverlust ergibt sich aus der fehlgeleiteten Politik.

Wir sollten die Sache historisch betrachten. Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik mussten neue, unbekannte und ungeübte Strukturen aufgebaut werden. Weite Teile der staatlichen Strukturen der DDR wurden überflüssig. Es erfolgte ein beispielloser Elitentransfer. Die mit den Verhältnissen Vertrauten standen in Westdeutschland hinreichend zur Verfügung.

Die logische Folge daraus war, dass diese Eliten die Schlüsselpositionen besetzten und das Land nach ihren Vorstellungen prägten. Durch ihre mittelbare und unmittelbare gesamtgesellschaftliche Wirkungsweise verfügen sie über die wesentliche Steuerungskompetenz und haben oftmals das letzte Wort bei entscheidenden Handlungssituationen. Das heißt aber auf gar keinen Fall, dass diese Leute nicht im Sinne ihres Dienstherrn arbeiten und entscheiden.

Werte LINKE, ich halte Ihren Antrag für eine billige Stimmungsmache. Sie wollen Menschen in Führungspositionen nach ihrer Herkunft fördern.

Ehrlich gesagt wundere ich mich - aber das ist auch schon angeklungen -, dass Sie keine Quotenregelung wollen. Ob ein Bewerber eine ostdeutsche oder eine westdeutsche Herkunft oder Sozialisation hat, spielt für mich überhaupt keine Rolle. Wir lehnen Ihren Antrag ab. - Danke.

(Beifall bei der AfD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Abg. Rausch. Es gibt keine Fragen. - Somit kommen wir zum nächsten Debattenredner. Herr Abg. Meister spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin Ossi und ein großer Freund ostdeutscher Interessen. Aber eine ostdeutsche Quote in der Landesverwaltung - meine Güte! Und das 30 Jahre nach der Wende und der Herstellung der deutschen Einheit.

Die Äußerungen des Ministerpräsidenten, auf die der Antrag abstellt, zielen auf eine Beteiligung der ostdeutschen Länder und ihrer Menschen am bundesdeutschen Wirtschafts- und Gesellschaftsleben ab. Das ist auch sinnvoll. Das nun aber auf unsere eigene ostdeutsche Verwaltung mit der Forderung nach einer Quote - so kommt es in der Begründung herüber - zu beziehen, ist so was von 90er-Jahre. Unglaublich!

(Zustimmung bei der CDU)

Anfang/Mitte der 90er-Jahre hätte der Antrag einen gewissen Sinn gehabt. Ich fand es immer sehr befremdlich, wenn zum Beispiel ein erheblicher Teil des Amtsgerichts Magdeburg morgens mit dem Zug aus Helmstedt anreiste und am Nachmittag fluchtartig die gefühlte sowjetische Besatzungszone wieder in Richtung gelobter Westen verließ. Ich überspitze das ein wenig.

(Zustimmung - Zurufe)

Die Ursache bei der Justiz ist letztlich klar; es ist verständlich, wie es dazu kam. Ähnliches fand sich aber auch - darüber besteht Konsens - bei anderen Verwaltungen und war nachteilig für die Identifikation der Menschen mit ihren Institutionen.

Dieses Befremden ist weniger eine Frage von landsmannschaftlicher Stellung oder Ähnlichem, sondern entsprang der gemeinsamen Lebenserfahrung. Das Prägende für uns Ostdeutsche in dieser Zeit war die gemeinsame Erfahrung eines Lebens in einer Diktatur mit all ihren Schattierungen, ihre friedliche Überwindung und das Erleben und Erleiden dramatischer Umbrüche in allen Lebensbereichen. Ja, das ist so.

Menschen mit diesem Erfahrungshorizont waren damals tatsächlich in den Verwaltungen unterrepräsentiert, zumindest an der Spitze war das so. Aber seitdem ist ein Vierteljahrhundert vergangen. Ich weiß, dass dies noch nachhallt. Sie sagten selbst, dass das auswächst. Man sieht das an den Geburtsorten. Diese Menschen sind damals gekommen und hier geblieben. Das wächst sich jetzt langsam aus.