Protokoll der Sitzung vom 22.11.2018

Menschen mit diesem Erfahrungshorizont waren damals tatsächlich in den Verwaltungen unterrepräsentiert, zumindest an der Spitze war das so. Aber seitdem ist ein Vierteljahrhundert vergangen. Ich weiß, dass dies noch nachhallt. Sie sagten selbst, dass das auswächst. Man sieht das an den Geburtsorten. Diese Menschen sind damals gekommen und hier geblieben. Das wächst sich jetzt langsam aus.

Wir können jetzt doch nicht ernsthaft ein Programm - das wäre letztlich die Konsequenz - zur Anwerbung 50-Jähriger starten, um die seit Jahrzehnten bei uns Lebenden und Arbeitenden wegen eines missliebigen Geburtsortes auszutauschen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Nur dann würden Sie das ja erreichen. Wir müssen es doch abwarten. Ich bitte Sie!

Wir brauchen zum Beispiel aktuell eine Chefin oder einen Chef für das BLSA. Dabei ist es mir völlig schnuppe, wo dieser geboren worden ist. Das will ich doch gar nicht wissen.

(Beifall bei der CDU)

Wollen Sie bei Neueinstellungen - das sind die zukünftigen Führungskräfte - ernsthaft danach unterscheiden, ob jemand in Frankfurt am Main oder in Frankfurt an der Oder geboren worden ist? - Viele sind erst in den 1990er-Jahren geboren worden; für diese greift diese Kategorie so gar nicht mehr.

Sollen wir bei den Berlinerinnen und Berlinern - so war es in Ihrer Anfrage - in den Stadtplan schauen, ob sie noch als Ossis durchgehen? - Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Kann man den Status als Ostdeutscher nach einem längeren Leben bei uns erwerben? - Ich meine, ja, natürlich. Wenn jemand im Jahr 1991 oder 1992 zu uns kam, wieso soll ich den denn jetzt noch als Westdeutschen bezeichnen?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Neulich war ich bei der Begrüßung von neuen Professorinnen und Professoren. Dort waren auch Menschen aus der Ukraine, aus Russland, aus Frankreich etc. dabei. Gehen Osteuropäer zumindest ehrenhalber als Ostdeutsche durch?

(Heiterkeit bei der CDU)

Eine Quote nach Geburtsort ist, finde ich, eine wirklich skurrile Forderung.

(Zustimmung bei der CDU)

Sie steht auch diametral unseren Ansprüchen entgegen, junge motivierte Menschen nach Sachsen-Anhalt und für unsere Verwaltungen zu gewinnen. Was ist das für ein Signal, wenn ich den

Leuten sage: Komm her, aber Karriere ist nicht, weil du in Bad Pyrmont oder so geboren wurdest.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende. Aber Sie haben die Möglichkeit, diese zu verlängern; denn Frau Kollegin Heiß hat eine Frage.

Ich danke Ihnen.

(Heiterkeit und Zustimmung bei den GRÜ- NEN und bei der CDU)

Sie haben das Wort, Frau Heiß.

Herr Meister, ich habe bei Ihnen ein wenig den Eindruck wie bei Herrn Schröder. Sie haben erwartet, dass wir eine Quote fordern. So etwas haben wir nicht gefordert. Ich habe überhaupt keine Quote gefordert. Wer von meiner Fraktion hat heute in diesem Haus eine Quote gefordert?

Ich kann Ihnen sagen, wie ich zu dieser Aussage mit der Quote komme. Ich habe Ihre Begründung gelesen, und dort ist von der gläsernen Decke die Rede. Wenn man von der gläsernen Decke spricht, dann hat das eine bestimmte Bedeutung. Das ist nämlich die Begründung dafür, dass wir völlig zu Recht sagen: In Gender-Fragen machen wir eine Quote. Deswegen gibt es diese. Wenn Sie in dieser Ossi-Wessi-Frage mit einer gläsernen Decke argumentieren, dann ist das für mich die logische Konsequenz. Dem entnehme ich das mit der Quote. Wenn Sie sagen, dass Sie das nicht wollen, dann stellt sich bei Ihrem Antrag ein bisschen die Frage nach dem Sinn.

Auch die gläserne Decke halte ich nicht für real. Wenn ich mir die fünf ostdeutschen Ministerpräsidenten anschaue, dann haben wir eine Ostquote von 80 %. Die gläserne Decke müsste ja spätestens dort ansetzen. Die 20 %, die die Quote versauen, gehen dann zurück auf die LINKE in Thüringen mit einem Wessi.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU)

Alles okay, nichts gegen Herrn Ramelow, aber er reißt nun einmal die Quote runter.

Wenn es aber überhaupt keine gläserne Decke gibt, dann kann es doch so sein, dass wir tatsächlich die Situation haben: Sehr viele Menschen sind in der Wendezeit hergekommen, habe hier Funktionen übernommen und wachsen in den

Verwaltungen auf. Das ist doch klar. Wenn wir in 30 Jahren noch einmal schauen, werden wir feststellen, dass niemand mehr diese Diskussion führt - das hoffe ich zumindest -, und wir werden auch die Geburtsorte in einer ganz anderen Richtung haben. Interessieren wird uns das dann nicht mehr.

(Frank Scheurell, CDU: Oh!)

- Das meine ich, hoffe ich.

(Zurufe von der CDU)

Ich werde zuerst Herrn Philipp das Wort erteilen, er hat sich zuerst gemeldet, und danach noch einmal Frau Heiß. - Bitte, Herr Philipp.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Meister, für mich persönlich - ich möchte Sie fragen, ob Sie den Eindruck teilen - ist diese Debatte ein Stück weit diskriminierend und fast rassistisch.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Ach, Leute, jetzt aber!)

Würden Sie diese Einschätzung teilen?

Nein, so weit würde ich nicht gehen. Zum Beispiel mein Kollege Aldag - ich weiß nicht genau, wann er nach Halle gekommen ist, es war, glaube ich, Anfang der 90er - tat mir jetzt schon ein wenig leid, dass ihm das hier so abgesprochen wird.

(Heiterkeit bei der CDU)

- Doch, so ein wenig wird es einem ja abgesprochen, dass man dazugehört. - Wenn er jetzt eine Funktion hätte, dann würde man sagen: Du stehst auf der falschen Seite dieser Quote, dich müsste man abziehen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Bei jemandem mit ausländischen Wurzeln wird es dann ganz dramatisch, weil ich dann sage: Diese ostdeutsche Quote ist eine Quote, die alle anderen, die außerhalb der Ex-DDR sozialisiert sind, nicht erfasst. Dann wird die Forderung ganz merkwürdig. Deswegen komme ich mit dieser Forderung nicht so richtig klar. Ich verstehe auch nicht, warum wir den Antrag überweisen sollen.

(Zuruf von der CDU)

Aber gut, wenn das so ist, dann wird sich der Finanzausschuss auch dem Ostthema widmen. Wieso nicht?

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Herr Meister, Frau Abg. Heiß hatte noch eine Frage. Aber jetzt bitte eine ganz kurze Nachfrage.

Zum Ersten: Herr Meister, Sie waren jetzt derjenige, der am meisten über die Quote geredet hat.

Zum Zweiten: Sie haben vorhin gesagt, Sie hätten es verstanden, wenn ein solcher Antrag fünf Jahre nach der Wende gekommen wäre. Die Frage ist: Was hätte man denn dann gemacht, fünf Jahre nach der Wende? Wie hätte die Strategie Landesregierung damals, fünf Jahre nach Wende, aussehen sollen?

Das ist jetzt sehr geschichtlich. Ich weiß nicht, was man hätte machen sollen. Bei der Justiz bestand zum Beispiel der Wunsch, eine politisch unbelastete Justiz zu haben. Weil man in dieser Situation war und noch keinen eigenen unbelasteten ostdeutschen Nachwuchs hatte, wurden halt Einstellungen in diesen Größenordnungen vorgenommen. Dann aber den Menschen zu sagen: „Jetzt geh aber wieder rüber“, das macht niemand. Deswegen haben wir diese Situation. Das konnte ich auch nachvollziehen.

Bei anderen Sachen in der Verwaltung hätte ich mir vorstellen können, dass man bestimmte ostdeutsche Biografien vielleicht mehr wertgeschätzt hätte. Das hätte ich mir vorstellen können.

Aber diejenigen jetzt rauszu - - Das ist ja Ihre Forderung. Die müssten jetzt rausgehen.

(Zuruf von Kristin Heiß, DIE LINKE)

Man müsste ja sagen: Pass auf, du bist jetzt Mitte 50 und hast 20 Jahre in der Landesverwaltung gearbeitet, jetzt ist es aber genug; du gehst dahin zurück, wo du hergekommen bist, und wir nehmen jetzt einen Ossi. - Das ist doch unrealistisch.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Das will doch auch niemand.