Die Grundrechte stärken heißt auch, sie besser durchsetzbar zu machen. Bereits zum Jahresbeginn haben wir ein wichtiges Koalitionsvorhaben umgesetzt und die Kompetenzen des Landesverfassungsgerichtes um die sogenannte Urteilsverfassungsbeschwerde erweitert. Damit können Bürgerinnen und Bürger seit Jahresbeginn nicht nur in Karlsruhe, sondern auch vor dem Landesverfassungsgericht in Dessau-Roßlau geltend machen, durch eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung in ihren landesrechtlich verbürgten Grundrechten verletzt zu sein.
Den erweiterten Grundrechtsschutz sehe ich dabei auch als einen wichtigen Beitrag, um das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger für unsere Landesverfassung zu stärken. Gleichwohl stellt die Verfassungsbeschwerde ein Instrument dar, welches nur in Ausnahmefällen als Korrektiv zum Zuge kommt. Auch alle anderen Gerichtsbarkeiten sollen den Bürgerinnen und Bürgern effektiven Rechtsschutz gewähren können. Dazu benötigen wir moderne Prozessordnungen, die eine ebenso zügige wie gründliche Bearbeitung von Verfahren miteinander in Einklang bringen.
Das ist keine leichte Aufgabe; denn unsere Prozessordnungen gelten bundesweit und blicken auf eine zum Teil mehr als 140-jährige Geschichte zurück. Nicht jeder Gesetzentwurf, der eine praxistaugliche Ausgestaltung zum Ziel hat, enthält auch geeignete Regelungen. So ist es im vergangenen Jahr gelungen - das war notwendig -, im Bundesrat gemeinsam mit einigen anderen Ländern den recht umständlichen Entwurf eines Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens so zu ändern, dass er seinem Namen gerecht wird.
Meine Damen und Herren! Trotz aller Bemühungen gestaltet sich die Anwendung des geltenden Rechtes mitunter komplex. Zu den schutzbedürftigen Adressaten unserer Rechtsordnung gehören die Opfer von Straftaten.
Daher haben wir als Justizressort die Federführung in der interministeriellen Arbeitsgruppe zur Einrichtung eines Landesopferschutzbeauftragten übernommen. Die Arbeitsgruppe wird dem Kabinett vorschlagen, den Beauftragten auszugestalten als Ansprechpartner, Vermittler und Sprachrohr für die Opfer und deren Angehörige bei Terrorismus und bei auf Straftaten beruhenden Großschadenslagen. Im Ergebnis sollen der Beauftragte und eine zentrale Anlaufstelle den Betroffenen zur Seite stehen.
Gleichzeitig wollen wir für die Opfer von Straftaten einen Fonds auflegen, der bestehende Hilfen ergänzen soll. Zu diesem Zweck diskutieren wir gegenwärtig über die Gründung einer öffentlichrechtlichen Opferhilfestiftung.
Ein drittes Element der Opferhilfe wird die Verbesserung der vertraulichen Spurensicherung sein. Wer Opfer eines Sexualdeliktes geworden ist, aber nicht die Kraft hat, sich unmittelbar an die Polizei zu wenden und Anzeige zu erstatten, dem soll vertrauliche Hilfe angeboten werden. Es geht darum, die Tatspuren zu sichern, um sie für ein mögliches Strafverfahren als Beweismittel verwerten zu können. Derzeit prüfen wir, wie die vertrauliche Spurensicherung in unserem Land
Bereits erfolgreich etabliert ist die psychosoziale Prozessbegleitung, mit der geschädigte Zeuginnen und Zeugen im Strafverfahren individuell unterstützt werden können. In Sachsen-Anhalt sind derzeit zehn Prozessbegleiterinnen tätig, sechs davon sind Beschäftigte des Sozialen Dienstes der Justiz.
Meine Damen und Herren! Nicht nur im Umgang mit Opfern von Straftaten, sondern in allen rechtlichen Angelegenheiten gehört es zu den vornehmsten Aufgaben der Justiz, Rechtsfrieden zu stiften. Dazu gehört es, dass man miteinander im Gespräch bleibt und bestenfalls eine Einigung erzielt.
Schon früh hat sich Sachsen-Anhalt mit einem Modellprojekt für die Förderung der Mediation geöffnet. Diese voraussehende Vorgehensweise kommt uns nun zugute; denn heute steht uns mit 105 ausgebildeten Richterinnen und Richtern eine Vielzahl an hoch qualifizierten Mediatoren zur Verfügung. Diesen hohen Standard werden wir auch zukünftig beibehalten.
Ebenso wichtig für die Herstellung von Rechtsfrieden ist die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an Entscheidungen der Justiz. Um das ehrenamtliche Engagement von Schiedspersonen, Schöffen, Handels- und Landwirtschaftsrichtern und allen anderen ehrenamtlichen Richtern, aber auch in Gefangenenbeiräten und Bewährungshilfevereinen zu würdigen, haben wir im vergangenen Jahr am Landgericht Halle eine zentrale Festveranstaltung durchgeführt. Außerdem werden wir in diesem Jahr erneut dezentrale Veranstaltungen fördern, um unsere Wertschätzung für ehrenamtliches Engagement in der Justiz zum Ausdruck zu bringen.
Meine Damen und Herren! Zuverlässig, zeitgemäß und zugewandt - unter diesen drei Begriffen habe ich Ihnen die wichtigsten personellen, sachlichen und inhaltlichen Herausforderungen für die Justiz des Landes Sachsen-Anhalt vorgestellt. Zugleich habe ich Ihnen aufgezeigt, wie die Landesregierung diesen Herausforderungen begegnet. Bei der Umsetzung der angestoßenen Vorhaben setze ich wie bisher auf Ihre Unterstützung und bedanke mich schon im Voraus dafür, ebenso wie für Ihre geduldige Aufmerksamkeit. - Vielen Dank.
Frau Ministerin, ich habe eine Nachfrage zum Thema Einführung der elektronischen Akte. Sie haben diese jetzt für das Jahr 2026 in Aussicht gestellt. Ich kann mich daran erinnern, dass wir hier im Land diesbezüglich schon einmal weiter waren, das war ursprünglich für das Jahr 2020 geplant.
Ich kann mich auch daran erinnern, dass uns von der damaligen Justizministerin im Rechtsausschuss berichtet worden ist, dass es Arbeitsgruppen gab, die innerhalb der Justiz auch für mehr Akzeptanz für die elektronische Akte sowie für eine gute Anwendbarkeit sorgen sollten. Dies ist seit dem Beginn der laufenden Wahlperiode eingeschlafen.
Sie mahnten heute auch noch einmal die aktive Mitarbeit der Landesbediensteten an. Ja, es ist richtig, selbst wenn man etwas eingeführt hat, kann so etwas unter Umständen an mangelnder Akzeptanz bei den Landesbediensteten scheitern. Deswegen meine zwei Nachfragen.
In welcher Form planen Sie, die derzeitige Motivation - aus meiner Sicht eher Demotivation - bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu steigern? Welche Maßnahmen planen Sie, um die Aktivitäten und die Bereitschaft zur Mitarbeit wieder zu steigern?
Und: Sind Sie bereit, dem Landtag einen konkreten Zeitplan und auch darin enthaltene Meilensteine für die Einführung der elektronischen Akte vorzulegen in dem Wissen, dass andere Länder uns auch dabei voraus sind?
Ich habe das Jahr 2026 genannt, aber nicht als Ziel für Sachsen-Anhalt, sondern als gesetzlichen Auftrag und gesetzliche Vorgabe. Zum 1. Januar 2026 müssen wir fertig sein; das ist durch ein Bundesgesetz so vorgegeben.
Ich habe auch referiert, dass wir die elektronische Akte in einzelnen Länderverbünden entwickelt haben und dass man sich im September 2017 entschlossen hat - alle Länder zusammen; dafür bin ich sehr dankbar -, das gemeinsam zu entwickeln und auch gemeinsam fortzuführen, und zwar durch die Entwicklung eines gemeinsamen Fachverfahrens. Darin sind diese bisherigen Arbeitsgruppen aufgegangen. Man wird eine ganze Reihe neu aufsetzen müssen.
Damit kommt auch zum Tragen, dass wir die Arbeitsgruppen, die bestanden haben, im Augenblick nicht weiterführen können bzw. nicht weiter mit Informationen versorgen können; denn die Entwicklung eines gemeinsamen Fachverfahrens muss zuerst einmal weiter voranschreiten, um die Arbeitsgruppen im Land dann mit zuverlässigen Informationen versorgen zu können. Es hat keinen Zweck zu sagen: Es könnte so sein, vielleicht aber auch anders oder möglicherweise auch so. Das machen wir alle, aber dafür braucht man keine Arbeitsgruppen in den Dienststellen; denn dort muss ich sagen, wie es konkret werden soll.
Genau aus diesem Grund kann ich Ihnen auch keine Meilensteine vorlegen; denn diese Entwicklung mit den anderen Ländern läuft im Augenblick noch.
Wir im Land haben im Augenblick noch ein ganz anderes Problem; darauf habe ich schon Bezug genommen. Ich bin dem Finanzminister außerordentlich dankbar dafür, dass er uns in der Justiz dabei unterstützt, und zwar bei der Anbindung an das ITN-XT. Ohne ITN-XT, ohne Landesdatennetz, ohne ausreichende Kapazitäten bei der Datenübermittlung brauchen wir uns über einzelne Dinge im Augenblick überhaupt keine Gedanken zu machen. Das können wir auch gar nicht, wenn wir nicht sichergestellt haben, dass jede einzelne Dienststelle an das ITN-XT angeschlossen wird.
Danke schön. - Sehr geehrte Frau Ministerin, ich habe eine Frage zu dem qualifizierten Nachwuchspersonal bzw. zur Aufstockung. Ich begrüße, dass das in den verschiedensten Bereichen jetzt explizit gefördert wird. Die Frage ist: Wie viele möchten Sie wann in welchen Bereichen einstellen und inwieweit ist das durch das Land finanzierbar?
Wir haben dem Landtag im letzten Jahr ein Feinkonzept vorgelegt, das Sie dann freundlicherweise auch beschlossen haben. Dieses haben wir bei der Aufstellung des Haushaltsplanentwurfs für das Jahr 2019 herangezogen und es ist in dem beschlossenen Haushaltsplan für das Jahr 2019 auch berücksichtigt worden. Wir wollen es auch in die Haushaltsplanaufstellung für die Jahre 2020 und 2021 einbeziehen.
Wir haben zum ersten Mal wieder mehr Vollzeitäquivalente. Wir haben den Abbaupfad nicht nur verlassen und sind jetzt auf der Talsohle angelangt, sondern wir werden im Jahr 2019 75 Vollzeitäquivalente mehr zur Verfügung haben als zum 31. Dezember 2018. Es ist geplant, dass auch in den nächsten beiden Jahren wiederum mit einem Mehr von über 70 Vollzeitäquivalenten gearbeitet werden kann.
Diese 75 Vollzeitäquivalente in diesem Jahr - ich habe es ausgeführt - wollen wir zunächst dafür nutzen, insbesondere Richter und Richterinnen einzustellen. Das liegt daran, dass wir in den letzten Jahren im mittleren Dienst schon sehr viel mehr Anwärter eingestellt haben; diese Anwärter und Anwärterinnen werden wir übernehmen können. Aber hinsichtlich zusätzlicher Richter und Richterinnen ergibt sich jetzt erstmals diese Möglichkeit, mit Ausnahme derjenigen Richter und Richterinnen, die wir schon für die Verwaltungsgerichte zusätzlich eingestellt haben.
Diese 50 - das müssen wir auch deswegen machen, weil wir nicht nur auf die Absolventen des Referendariats setzen können. Wir bilden im Jahr 70 Assessoren heran. Die 50 in diesem Jahr werde ich nicht allein aus diesen Assessoren generieren können; vielmehr richten wir uns durchaus auch an junge Kollegen und Kolleginnen, die in den letzten Jahren keine Möglichkeiten hatten, als Richter und Richterinnen eingestellt zu werden, und wollen auch ihnen dieses Angebot machen.
(Zustimmung von Angela Gorr, CDU, von Tobias Krull, CDU, von Silke Schindler, SPD, und von Andreas Steppuhn, SPD)
Frau Ministerin, meine Frage betrifft insbesondere die Arbeitsgerichte. Recht haben und Recht bekommen ist auch in Sachsen-Anhalt vielerorts schwierig, und das gerade in Arbeitsgerichtsprozessen aufgrund der Zeitfrage. Ich mache das einmal an einem Beispiel fest.
Einem Arbeitnehmer wird gekündigt, fristlos oder nicht; das ist egal. Er geht vor das Arbeitsgericht und klagt dagegen bzw. in dem Fall auf Wiedereinstellung. Er erhält einen ersten Termin für die Güteverhandlung, der noch relativ zeitnah ist. Dann gibt es, wenn man sich nicht einig wird, den ersten Gerichtstermin. Dieser kann bis zu einem Jahr danach liegen. Wenn er in die zweite Instanz geht, dann kann es bis zu drei Jahre dauern, bevor es zu einem Urteil kommt, bevor der Arbeit
Dies birgt auch für den Unternehmer unwahrscheinliche Risiken. Das gilt gerade für Kleinbetriebe. Wenn es drei Jahre lang dauert, ehe ein Kleinunternehmer weiß, ob er Recht bekommt, also ob seine Kündigung rechtens war, dann kann es passieren, dass er drei Jahre rückwirkend den Lohn bezahlen muss. Das sind bei einem Kleinunternehmen locker etwa 120 000 € bis 150 000 €. Das kann das Kleinunternehmen letztlich in den Ruin treiben.
Wie gedenken Sie, dieses Problem zu lösen, das sich nicht erst in letzten zehn Jahren gestellt hat, sondern sich bereits mehr als 20 Jahre so darstellt? Wie wollen Sie also Prozesse beschleunigen? Wie kann dieser Vorgang geklärt werden?
Das Problem stellt sich insbesondere in der zweiten Instanz beim Landesarbeitsgericht. Sie haben durchaus zutreffend moniert, dass lange Arbeitsgerichtsverfahren für beide Parteien sehr viele Risiken bergen und unbefriedigend sind. Wir wollen die zusätzlichen Stellen für Richter und Richterinnen auch dafür verwenden, um der Arbeitsgerichtsbarkeit wieder jüngere Kollegen zuzuführen.
Frau Ministerin, Sie sprachen an, dass wir in der Justiz den Personalabbaupfad verlassen haben und nun wieder eine Verbesserung der Ausstattung sämtlicher Dienststellen in dem Ressortbereich anpeilen und erste Maßnahmen bereits Früchte tragen. Das ist erfreulich. Aber es gibt noch eine Reihe von Maßnahmen, die dazu beitragen sollen, die Effizienz zu steigern und die Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Jetzt komme ich auf den Strafvollzug zu sprechen. Sie haben in der Regierungserklärung das Drei-Standorte-Prinzip oder -Modell erwähnt. Damit sollten die Arbeitsbedingungen für die Vollzugsbediensteten verbessert werden,
das Personal effizienter eingesetzt werden. Das ist eine Säule. Die andere Säule geht aber auf die Annahme zurück, dass die Zahl der Strafgefangenen zurückgeht. Nun haben wir, wenn dies stimmt, im Januar 2019 eine Rekordzahl zu verzeichnen, sodass die Justizvollzugsanstalten in Sachsen-Anhalt an der Kapazitätsgrenze angelangt sind, Aufstockungen erforderlich sind, Doppelstockbetten wieder hervorgekramt werden und vieles andere mehr.
Wenn wir jetzt auch im Bereich der Polizei- und Ermittlungsbehörden einen Personalaufwuchs zu verzeichnen haben und die Bediensteten alle ausgebildet ihren Dienst tun, müssen wir dann nicht damit rechnen, dass noch mehr Haftbefehle vollstreckt werden, dass Straftaten dementsprechend auch anders verfolgt werden und dass infolgedessen die Zahl der Strafgefangenen vielleicht noch einmal neu bemessen und nach oben korrigiert werden muss?