Ach so, in Ordnung. Wir sehen gerade, dass die Redereihenfolge der Debattenredner anders aufgeschrieben worden ist als die Redereihenfolge der Fraktionen. Das verwirrte mich an der Stelle. - Aber wenn Sie jetzt schon einmal vorn stehen, Frau Pähle, dann legen Sie los. Bitte.
- Live und in Farbe, genau! - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir ist zu Beginn meiner Ausführungen eine Feststellung wichtig. Mit Blick
auf den Beschluss der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ ist nicht nur wichtig, was dort beschlossen wurde. Es ist vielmehr ein großer Erfolg, d a s s etwas beschlossen wurde und vor allem mit welcher großen Mehrheit dies geschehen ist.
Denn zum Wesen und zum Erfolgsrezept der Demokratie gehört, dass sie zu beidem in der Lage ist: einerseits zur Mehrheitsfindung und zur klaren Richtungsentscheidung, andererseits zum Kompromiss und zur Bildung breiter gesellschaftlicher Konsense. Genau das hat die Kommission gezeigt.
Der Beschluss zum ersten Ausstieg aus der Atomenergie war ein Beispiel für eine eindeutige Richtungsentscheidung. Sie war notwendig und unumgänglich. Sie war trotz der kurzen Rolle rückwärts der Beginn der Energiewende in unserem Land. Was die sogenannte Kohlekommission jetzt geschafft hat, ist die Basis für die nächste Etappe dieser Energiewende, die von einem breiten Konsens in unserer Gesellschaft getragen wird. Er bietet die Chance für einen wirksamen Interessenausgleich bei der Bewältigung dieser großen Aufgabe, die vor uns liegt.
Was sind unsere Anforderungen und unsere Interessen als Land in diesem Prozess? Wie sieht die Zwischenbilanz nach dem Beschluss der Kommission aus? - Aus sozialdemokratischer Sicht möchte ich vier Punkte nennen.
Erstens den Klimaschutz voranbringen. SachsenAnhalt ist ein traditionelles Kohleland. Was wir aber ganz bestimmt nicht sind und nicht sein wollen, ist ein „Bremserland“. Die mitteldeutsche Industrieregion, die heute Sachsen-Anhalt heißt, ist seit jeher ein Motor für wissenschaftlichen, technologischen und industriellen Fortschritt.
Die Offenheit für Innovation hat die Chemieregion im Süden und Südosten unseres Landes ebenso groß gemacht wie den Maschinenbau in Magdeburg und die moderne Landwirtschaft in der Börde. Innovation gehört zu unserer Geschichte und ist die Basis für unsere Zukunft. Heute müssen wir diese Innovationskraft stärken und darauf bauen, um unsere Lebens- und Produktionsgrundlagen zu erhalten.
Klimaschutz ist der Schlüssel für nachhaltige Entwicklungsstrategien. Dafür ist der Kompromiss der Kohlekommission ein Meilenstein, weil er den Ausstieg aus der Kohle verbindlich festschreibt und damit auch die Anreize und Vorgaben für den weiteren Umbau in Richtung erneuerbarer Energien setzt. Für diese Entwicklung in SachsenAnhalt als dem Land der erneuerbaren Energien sind wir gut aufgestellt.
Das zweite Ziel für die Arbeit der Kommission war, den Strukturwandel zu bewältigen und zu gestalten. Hierfür hat die Kommission aus unserer Sicht eine gute Grundlage geschaffen. Aber der Bericht ist nicht das letzte Wort. Als Begleitmusik zur Arbeit der Kommission wurden viele Milliardensummen durch die Gegend jongliert. Was jetzt in den Beschluss aufgenommen wurde, ist hilfreich, wenn es in konkreten Gesetzen, Maßnahmengesetzen, verlässlichen Verträgen und ordentlichen Haushaltsbeschlüssen umgesetzt wird.
Das nimmt in erster Linie die Bundesregierung in die Pflicht. Wir setzen darauf, dass in Berlin die Empfehlungen der Kommission so schnell wie möglich umgesetzt und die entsprechenden Vorhaben auf den Weg gebracht werden. Denn die Menschen und die Wirtschaft in den Kohlerevieren brauchen jetzt vor allem Planbarkeit und Verlässlichkeit.
Das dritte Ziel heißt aus unserer Sicht ganz klar: Das mitteldeutsche Revier darf nicht zwischen den Interessen der Lausitz und des rheinischen Reviers zerrieben werden. Man darf heute eindeutig feststellen, dass es Sachsen-Anhalt erkennbar geglückt ist, mit der kleinsten noch aktiven Kohleabbauregion dennoch sichtbar und unüberhörbar zu sein.
Das vierte Ziel ist: Die Anschlussperspektive muss für die Menschen in der Region erkennbar werden. Neue Perspektiven für Arbeitsplätze und zukunftsfähige wirtschaftliche Strukturen darf es nicht erst im Jahr 2038 geben. Sie müssen j e t z t aufgezeigt werden.
In dieser Hinsicht, muss ich sagen, bleibt noch viel zu tun. Dabei richtet sich die Erwartung nicht nur nach außen, beispielsweise an die Bundesregierung. Es sind auch noch viele eigene Hausaufgaben im Land zu erledigen.
Meine Damen und Herren! Als Anlage ist dem Beschluss der Kohlekommission eine Reihe langer Listen beigefügt. Es sind Projektlisten der Länder. Sie sind auf 200 eng bedruckten Seiten mit insgesamt 1 400 Einzelprojekten zu finden. In den letzten Tagen konnte man manche Zeitungsartikel so lesen, als seien diese 1 400 Projekte beschlossen Sache und würden ab morgen umgesetzt.
Auf die Gefahr hin, Wasser in den Wein zu gießen, sage ich: Das ist nicht der Fall. Wir befinden uns auf der Ebene von Vorschlägen. Die Sammlung dieser Vorschläge war eine wichtige Voraussetzung, um bei den Verhandlungen in der Kommission deutlich zu machen, welche Dimension die Herausforderung in den Kohlerevieren hat und wie ehrgeizig die Länder diese Herausforderung angehen wollen und müssen.
Ich muss aber jedenfalls für unser Land feststellen, dass die in der Liste enthaltenen Vorschläge im Land nicht erörtert, geschweige denn ausdiskutiert sind. Wie hätte das denn im Rahmen des engen Zeitplans auch geschehen sollen? - Auch in den betroffenen Regionen war dies nicht der Fall. Ein Strukturwandel auf Zuruf wird aber nicht funktionieren.
Meine Damen und Herren! Mein Kollege Rüdiger Erben hat in dieser Woche zu Recht gesagt - ich zitiere -:
„Die Menschen im Mitteldeutschen Revier […] wollen in Werkhallen, Laboren und Büros arbeiten und nicht in Luftschlössern.“ Er fügte hinzu: „Gradmesser sind neue Arbeitsplätze, wirtschaftlicher Erfolg und eine strukturelle Stärkung der Region.“
Es kommt jetzt also darauf an, für die betroffene Region konkret zu beschreiben, welche Branchen wir mit welchen Förderinstrumenten ansiedeln wollen, welche Rolle Forschung und Entwicklung dabei spielen und wie das Zusammenwirken zwischen der traditionellen Industrieregion und den wissenschaftlichen Potenzialen im Raum HalleMerseburg organisiert und gestärkt werden kann. Es kommt auch darauf an zu beschreiben, wie die Verkehrserschließung und die Dateninfrastruktur den Erfordernissen einer neuen Wirtschaftsstruktur gerecht werden können.
Meine Damen und Herren! Bei der Kohleförderung und Kohleverstromung im mitteldeutschen Revier wird überdurchschnittlich oft mit hochqualifizierten Arbeitskräften gearbeitet. Unser Anspruch muss es sein, dass wir diese Qualifikation nutzen und erhalten. Die heutige Braunkohleregion muss „Hochqualifizierungsland“ bleiben. Deshalb wird ein branchenübergreifendes Management von Ausbildung und Weiterbildung eine wichtige Aufgabe des Übergangsprozesses sein.
Unsere Erwartung an die Landesregierung ist, dass sie die Konkretisierung der vorgeschlagenen Projekte in enger Abstimmung mit der Region, mit Unternehmen und Gewerkschaften, mit Hochschulen, mit Kommunalpolitikern und nicht zuletzt mit dem Landtag voranbringt.
heit des Bundes im Raum Halle-Leipzig angesiedelt werden soll. Wir dürfen selbstbewusst davon ausgehen, dass die Bundesregierung nicht nur dem Prinzip gefolgt ist, der Osten müsse einmal etwas abbekommen. Vielmehr ist es die Qualität des wissenschaftlichen und technologischen Umfeldes, die für diese Standortentscheidung gesorgt hat.
Nun ist der Begriff „Raum Halle-Leipzig“ - auch wenn manche Bundestagsabgeordnete gern so tun, als wäre die Entscheidung für Halle schon gefallen; ich glaube, das ist nicht so - noch recht unbestimmt. Ob die Ansiedlung auf das Konto des Strukturwandels im mitteldeutschen Revier gebucht werden kann, wird von der eigentlichen Standortwahl abhängen. Für Sachsen-Anhalt macht es schon einen erheblichen Unterschied, in welchem Bundesland die Einrichtung schließlich angesiedelt wird.
Meine Damen und Herren! Das Bild SachsenAnhalts in der Welt wird in der jüngsten Zeit vor allem von seiner Geschichte geprägt. Ob Reformation oder Bauhaus - es sind Bilder von Dynamik und von Aufbruch in die Moderne, die die Menschen von hier mitnehmen.
Die Industriegesellschaften stehen jetzt am Beginn eines neuen Abschnitts der Moderne, in dem industrielle Produktion nur noch funktionieren wird, wenn sie nachhaltig organisiert ist. Es wäre ein lohnendes Ziel, das Land Sachsen-Anhalt auch diesmal als ein Labor der Moderne zu begreifen. Dieses Labor wird aber nicht im Elfenbeinturm entstehen. Es muss in der wirtschaftlichen Realität wachsen und Bestand haben. Vor allem: Es muss Menschen Arbeit und Lebensgrundlage geben. An diesem Ziel wollen wir gemeinsam arbeiten.
Danke an die Rednerin. Ich sehe keine Nachfragen. Dann können wir in der Debatte fortfahren. Für die AfD-Fraktion spricht der Abg. Herr Farle.
(Zuruf von der AfD: Jetzt! - Dr. Hans-Tho- mas Tillschneider, AfD: Robert! - Dr. Hans- Thomas Tillschneider, AfD, trommelt mit den Fingern auf sein Pult)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Beginn meines Beitrags eine kleine Feststellung treffen: Der Kohlekompromiss ist ein Triumph planwirtschaftlicher Überlegungen über marktwirtschaft
Warum ist es ein Schritt in die Planwirtschaft? - Die aberwitzige Vorstellung, dass durch eine CO2Reduzierung in Deutschland tatsächlich irgendein messbarer Einfluss positiver Art auf das Klima stattfinden könnte, dieser messbare Einfluss - in positiver Hinsicht - auf eine geringere Erderwärmung ist eine reine Fiktion und Illusion. Das ist aber der messbare Zweck dieses Kohlekompromisses, nämlich die CO2-Reduktion. Es wird nicht ein Milligramm weniger CO2 produziert werden. Warum? - Weil wir den Strom in einigen Jahren, wenn die Atomkraftwerke dicht sind und die Erneuerbaren zugenommen haben, aus Nachbarstaaten beziehen werden, die gerade allesamt weitere Kohlekraftwerke bauen
und dafür auch die Zertifikate benutzen, von denen mein Kollege gerade gesprochen hat. Das ist Polen, wo neue Kohlekraftwerke entstehen, das ist Tschechien, wo sie entstehen, das ist in den Niederlanden, wo sie entstehen. In China wird jeden Tag ein neues Kohlekraftwerk ans Netz gebracht. In Indien werden neue Kohlekraftwerke ans Netz gebracht. Die USA haben die Kohle wiederentdeckt. Aber wir retten die Welt in Deutschland, indem wir unsere heimische Energiequelle kaputt machen und aufgeben.
Das ist ein fataler Fehler, der zur Deindustrialisierung unseres Landes führt und speziell zum Schaden Sachsen-Anhalts gemacht wird.
In der Folge werden Tausende Arbeitsplätze wegfallen. Vor allem werden die Strompreise weiter steigen, die Versorgungssicherheit wird abnehmen und der deutsche Steuerzahler wird mit Milliardensummen für die soziale Abfederung in die Pflicht genommen werden, die gar nicht notwendig sein würde.