Protokoll der Sitzung vom 01.02.2019

(Wolfgang Aldag, GRÜNE: Nein! - Lydia Funke, AfD: Und es gibt auch keine Evolu- tion, nein? - Weitere Zurufe von der AfD)

ist Ihre Ideologie völlig weltfremd. Den Kindern und den Jugendlichen wird gar nichts vorenthalten. Im Gegenteil, es wird vielen Jugendlichen, die in diesen Regionen leben, etwas vorenthalten, sodass sie keine Entwicklungsperspektiven haben.

Ich sage Ihnen heute schon voraus: Wenn wir Pech haben - ich will so eine Entwicklung nicht -, werden wir in diesen Regionen, die jetzt noch eine starke industrielle Basis haben, in einigen Jahren erleben, dass die ausbluten, ausdünnen. Wir haben das schon an vielen Stellen erlebt. Dann werden das Armutsregionen, die wir im Übrigen im Westen schon ewig kennen, ob das das Saargebiet oder ob das mittlerweile das Ruhrgebiet ist.

Genau das wollen wir nicht. Die ostdeutschen Menschen haben schon genug Entbehrungen und genug Ärger gehabt, die brauchen es jetzt nicht auch noch,

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Wir kriegen auf der ganzen Welt ein Problem, wenn wir den Klimawandel nicht endlich bekämpfen!)

dass ihnen die letzte Industrie weggenommen wird.

(Beifall bei der AfD)

So, nun können wir weiter vorankommen. Der Abg. Herr Zimmer hat jetzt für die CDU-Fraktion das Wort. Bitte.

(Volker Olenicak, AfD: Nicht unbeliebt ma- chen bei den Koalitionsfraktionen!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin fast geneigt, zu sagen: Zurück zur sachlichen Debatte, die das ganze Thema auch verdient hat.

Die Reaktionen auf den sogenannten Kohlekompromiss vom zurückliegenden Wochenende - das muss auch festgestellt werden - könnten unterschiedlicher nicht sein. Während die Ministerpräsidenten, die Energieerzeuger, aber auch die Gewerkschaften von einem Erfolg sprechen, hagelt es Kritik von Braunkohleunternehmen, von Umweltverbänden, von der Wissenschaft oder auch umgekehrt. Die differenzierten Meinungen zeigen, dass es offenbar nicht möglich ist, in der Frage der künftigen Energiegewinnung auf einen Nenner zu kommen.

Das ist schon bemerkenswert; denn am Tisch der Kohlekommission saß ein breites Spektrum von Aufgabenträgern aus Wirtschaft, Kohleindustrie, Politik, Umweltverbänden, Gewerkschaftsvertretern und Wissenschaft.

Kurzum: Man muss feststellen, dass die Zufriedenheit sehr diffizil ist und je nach Standpunkt der eigenen Betroffenheit variiert. Auch das verwundert zunächst, da, wie wir heute gehört haben, das Ganze bei nur einer Gegenstimme zustande gekommen ist.

Zunächst einmal muss man feststellen, dass der Kohleausstieg für die betroffenen Regionen durchaus eine positive Perspektive vorsieht. Genau das unterscheidet uns eben auch voneinander, dass wir positiv, konstruktiv in die Zukunft schauen und nicht nur rückwärtsgewandt argumentieren wie Sie.

(Zustimmung von Bernhard Daldrup, CDU)

Unser Ministerpräsident hat die Eckwerte bereits mitgeteilt. Das jetzige positive Ergebnis ist zweifellos auch sein maßgeblicher Verdienst; denn er war es, der im zurückliegenden Halbjahr immer wieder mit großer Vehemenz darauf hingewiesen hat, dass ein erneuter Strukturwandel nicht zulasten der neuen Länder gehen darf.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Genau!)

40 Milliarden € stehen zur Verfügung.

(Volker Olenicak, AfD: Steuergelder!)

Das sind durchaus enorme und - das betone ich - zusätzliche Summen, die für strukturarme Regionen wie die Lausitz, das Helmstedter Revier oder das mitteldeutsche Revier im Süden unseres Bundeslandes durchaus sehr hilfreich sein können.

Bei den Kraftwerken soll es so sein, dass die letzte Einheit spätestens im Jahr 2038 abgeschaltet werden soll. Unsere beiden Kraftwerke - damit meine ich jene, die uns am nächsten stehen: Lippendorf und Schkopau - sind zwei hochmoderne Anlagen mit hohen Wirkungsgraden. Es ist schon allein aus diesem Grund sinnvoll, diese Anlagen bis zu dem derzeit vorgesehenen Ende der Kohleverstromung weiterhin zu betreiben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind in diesen Tagen Zeitzeugen einer Entwicklung, die Deutschlands - ich benutze das Wort jetzt -

(Volker Olenicak, AfD: Zurückwerfen wird!)

Deindustrialisierung weiter vorantreibt. Vor Weihnachten wurde der Steinkohlebergbau beendet, ein einst sehr stolzer Industriezweig. Viele meiner Bergkameradinnen und Bergkameraden haben diese Feierstunde nicht so ganz als Feierstunde gesehen, sondern eher mit einem feuchten Auge betrachtet.

Die deutsche Steinkohle war über Jahrzehnte hinweg nicht nur ein gefragter Brennstoff, sie war der zentrale heimische Rohstoff für eine leistungsfähige Montanindustrie und eine stabile und unabhängige Energieerzeugung. All das haben wir innerhalb weniger Jahre einfach aufgegeben.

Jetzt sind wir an einem Punkt angekommen, wo wir eines der leistungsfähigsten und besten Energiesysteme der Welt gefährden, indem wir eine Wette abschließen, eine Wette, die nichts anderes ist als eine Hoffnung der Politik darauf, dass wir im Jahr 2038 Technologien haben werden, die Deutschlands Grundlast, in welcher Form auch immer, absichern.

(Zustimmung von Uwe Harms, CDU)

Es dürfte ein einmaliger Vorgang in der Weltpolitik sein, dass man, ohne technologische Alternativen zu haben, die energetische Versorgungssicherheit eines ganzen Landes aus einem einzigen Grund infrage stellt:

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Die Nieder- lande machen das auch!)

wegen des Klimaschutzes.

(Zustimmung von Ulrich Thomas, CDU, von Uwe Harms, CDU, und von Robert Farle, AfD)

Das ist ohne Frage ein existenzielles und wichtiges Thema. Ich bin meinem Kollegen Uli Thomas sehr dankbar; denn er ist in den letzten Wochen und Monaten für unsere Fraktion unermüdlich im gesamten Bundesgebiet unterwegs gewesen

(Silke Schindler, SPD: Ach!)

und hat in einer Vielzahl von Gremien, bei Institutionen und auch in der Politik vor eben dieser Entwicklung gewarnt. Ebenso stolz bin ich auch auf meine Fraktion;

(Zuruf von Daniel Roi, AfD)

denn sie hat diesen rein ideologisch motivierten Kohleausstieg stets kritisiert. Und dabei bleiben wir auch.

(Zustimmung von Siegfried Borgwardt, CDU, und von Ulrich Thomas, CDU)

Eine unserer Forderungen war nämlich, dass man spätestens im Jahr 2030 den Kohleausstieg auf dem aktuellen Stand der Technik novelliert. Das heißt nichts anderes, als dass man prüft, ob sich die politischen Hoffnungen des Kohleausstieges mit der dann vorhandenen oder eben auch nicht vorhandenen Technik umsetzen lassen.

Das ist ein entscheidender Punkt, der in den Diskussionen auch lange Zeit überhaupt keine Rolle gespielt hat. Deshalb - noch einmal - bin ich froh über die Bemühungen meines Kollegen Uli Thomas und unseres Ministerpräsidenten, die am Ende erfolgreich waren,

(Zustimmung von Siegfried Borgwardt, CDU, und von Uwe Harms, CDU)

sodass man eine Novellierung des Kohleausstieges in den Jahren 2023, 2026, 2029 und 2032 festgeschrieben hat.

(Zustimmung von Uwe Harms, CDU - Sieg- fried Borgwardt, CDU: So ist es!)

Damit ich hier nicht bewusst missverstanden werde: Ich wünsche mir, dass die Operation am offenen Herzen der deutschen Energieversorgung gelingt. Ich möchte aber auch dafür sorgen, dass wir im Jahr 2038 nicht erleben, dass künftige Generationen feststellen, dass das, was wir heute beschließen und diskutieren, ein Rohrkrepierer war.

(Robert Farle, AfD: Genau!)

Wenn das Ergebnis im Jahr 2038 bedeutet, dass sich die Energiepreise verdoppelt haben, dass unser Energiesystem permanent kollabiert, dass die Wirtschaftsleistung unseres Landes aufgrund hoher Stromkosten kaum noch international wettbewerbsfähig ist, dass wir die Arbeitsplätze in der Braunkohle und Energieerzeugung abgebaut haben, uns aber gleichzeitig in energiepolitische Ab

hängigkeiten von Nachbarstaaten, politisch fragilen Ländern - manche sagen, von Schurkenstaaten - begeben, dann haben wir genau das Gegenteil von dem erreicht, was wir eigentlich erreichen wollen, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU und von Robert Farle, AfD)

Allein in Europa entsteht schon in den nächsten Jahren deutlich mehr an zusätzlicher Kraftwerksleistung, als wir in der Gesamtheit abschalten. Wem nutzt das? - Das sei hier als Frage gestellt. Dabei rede ich noch nicht einmal von den Schwellenländern, wo quasi im Vierteljahrestakt neue Kohle- und Kernkraftwerke ans Netz gehen. Doch auch das müssen wir wissen, auch das müssen Sie wissen, wenn Sie über Klimaschutz reden.

Ich habe in meiner Rede vor Weihnachten bereits ausführlich darauf hingewiesen, dass die deutsche Energiewende, international betrachtet, nicht gerade der große Exportschlager ist. Daher möchte ich Sie an dieser Stelle nicht mit weiteren Fakten in Bezug auf die Aufgabe des Know-hows im Kraftwerksbau, auf die Aufgabe ganzer Industrien, auf die Risiken für die Grundlastsicherung oder auf sonstige gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Zusammenhänge langweilen. All das können Sie den Protokollen entnehmen.

Jetzt gilt es - und dafür stehen wir - in der Tat, nach vorn zu schauen. Wir wollen nicht den Status quo einfrieren, wir wollen eine vernünftige Zukunft gestalten mit einem Sowohl-als-Auch. Die durchaus gute Förderung muss gezielt in die Braunkohleregionen gehen und eben nicht in Gegenden, wo man von der Kohleförderung allenfalls mal etwas gehört hat. Wir haben hier die einmalige Chance, den Süden Sachsen-Anhalts zu einer neuen Innovations- und Zukunftsregion zu entwickeln.

Uns alle sollte der politische Gedanke beseelen, dass wir diesen Strukturwandel mit einem Mehr an Arbeitsplätzen, mit einem Mehr an Lebensqualität und mit einem Mehr an nachhaltiger Wirtschaftsleistung in den betroffenen Regionen abschließen. Dies gilt vor allem auch für die Nachhaltigkeit der Investitionen. Wir müssen - das sage ich in aller Deutlichkeit - die im Kohlekompromiss vereinbarten Einzelprojekte dringend auch auf ihre Sinnhaftigkeit überprüfen. Dazu im Einzelnen vielleicht unter dem nächsten Tagesordnungspunkt noch etwas.