Uns alle sollte der politische Gedanke beseelen, dass wir diesen Strukturwandel mit einem Mehr an Arbeitsplätzen, mit einem Mehr an Lebensqualität und mit einem Mehr an nachhaltiger Wirtschaftsleistung in den betroffenen Regionen abschließen. Dies gilt vor allem auch für die Nachhaltigkeit der Investitionen. Wir müssen - das sage ich in aller Deutlichkeit - die im Kohlekompromiss vereinbarten Einzelprojekte dringend auch auf ihre Sinnhaftigkeit überprüfen. Dazu im Einzelnen vielleicht unter dem nächsten Tagesordnungspunkt noch etwas.
Meine Damen und Herren! Es muss uns gelingen, fließend, mit der Förderpolitik der Gießkanne, die wir zunächst brauchen, das Herausbilden von Leuchttürmen zu initiieren. Darum fordert meine Fraktion vom Bund schon lange ein Planungsbeschleunigungsgesetz für Infrastrukturprojekte
im Bereich der Straße, im Bereich der Schiene, bei den Wasserstraßen, im Energiesektor und für den Ausbau des Mobilfunknetzes.
Wir brauchen Forschung und Entwicklung nicht nur in staatlichen Bereichen wie den Hochschulen, nein, wir brauchen es vor allem für den privaten Sektor. Unsere Industrie und unsere Unternehmen sind enorm leistungsfähig, und wir müssen dafür sorgen, dass wir die Wirtschaft bei der Finanzierung neuer Innovationen mehr denn je fördern. Das sind wir den Menschen in Mitteldeutschland schuldig.
Die Zustimmung zur Energiewende ist in Ostdeutschland nicht besonders hoch. Die Politik hat es jetzt in der Hand, wir alle haben es jetzt in der Hand, diese Skepsis zu zerstreuen. Ich hoffe sehr, dass unsere Nachfolger in diesem Hohen Hause, in diesem Plenum im Jahr 2038 sagen werden: Ja, wir haben es geschafft, dank der guten und positiven Weichenstellung unserer Vorgänger.
In diesem Sinne komme ich noch einmal zurück auf die Überschrift der heutigen Debatte. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der einbringen Fraktion, von den GRÜNEN, wir haben uns die Mühe gemacht, das, was Sie hier geschrieben haben, einmal zu übersetzen:
(Zustimmung bei der CDU - Cornelia Lüd- demann, GRÜNE: Wenn Sie mir zugehört haben, wissen Sie das!)
Vielen Dank. - In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit mache ich es auch kurz. - Herr Zimmer, ich habe Ihnen aufmerksam zugehört. Sie haben auch kritisiert, dass offenbar kein Konzept hinter der Energiewende steht. Deswegen frage ich Sie jetzt konkret: Sind Sie für den Kohleausstieg, ja oder nein? Und wenn ja, wann soll er denn kommen?
Herr Roi, wenn Sie mir richtig zugehört hätten, dann wüssten Sie, dass ich nicht eine Konzeptionslosigkeit kritisiert habe. Vielmehr habe ich ganz deutlich gemacht, dass sich der Ausstieg aus einer Technologie am Stand der weiterführenden Technik zu orientieren hat. Daran hat sich auch ein Kohleausstieg zu orientieren. Deswegen kann niemand von uns irgendwelche Zeiten nennen.
Dann sind wir am Ende dieses Debattenbeitrages angekommen. Zum Abschluss der Debatte spricht jetzt Frau Eisenreich für die Fraktion DIE LINKE. Bitte sehr.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit dem vergangenen Wochenende liegt nun der Bericht der Kohlekommission vor. Endlich, möchte man sagen, ist auch fixiert, dass der Kohleausstieg kommt, obwohl dies gerade hier in Sachsen-Anhalt, glaube ich, längst schon klar gewesen sein sollte. Er ist klimapolitisch absolut dringend und notwendig.
Endlich liegt auch ein gewisser Fahrplan vor. Der finanzielle Rahmen mit 40 Milliarden € vom Bund auf 20 Jahre, also 2 Milliarden € pro Jahr, für Strukturhilfen und Beschäftigungssicherung in den betroffenen Regionen ist ein positives Signal für die Menschen in allen Revieren, so auch im mitteldeutschen Revier.
Angesichts mutmaßlicher Strompreissteigerungen ist die Entlastung der Verbraucherinnen und Verbraucher durch die Abschaffung der Stromsteuer und durch eine Reduzierung der Netzentgelte ein richtiges und wichtiges Zeichen. Das sind übrigens zwei Aspekte, die wir als LINKE schon lange fordern.
Jetzt gilt es, die Vorgaben des Berichtes auf Bundesebene zügig in Gesetze zu gießen und vertraglich auszugestalten.
Allerdings ist zu diesem Bericht auch reichlich Grundsatzkritik angebracht. Erstens. Klimapolitisch beginnt der Ausstieg mit einem schwachen Einstieg. Die angekündigten Abschaltungen von Kohlekraftwerken führen nicht einmal im Ansatz dazu, die Ziele bei der CO2-Reduzierung zu erreichen.
bis 2020 bzw. 2022 gestellt haben, bei Weitem nicht erreichen. Wir müssten 22 GW abschalten, um einigermaßen auf dem Pfad der CO2-Reduzierung zu bleiben. Davon werden wir weit entfernt sein; denn wir erreichen diesen Pfad erst im Jahr 2030.
Mit dem Jahr 2038 liegt das Enddatum für den Kohleausstieg übrigens auch hinter dem Datum, das DIE LINKE bereits im Jahr 2015 in ihrem Wahlprogramm mit 2035 fixiert hatte. Damit wird Deutschland dem Klimaschutz, aber auch dem Gesundheitsschutz, das heißt den Hauptgründen für den Ausstieg aus der Kohleverstromung, nicht gerecht.
Wir bleiben dabei: Im Interesse des Klimaschutzes dürfen die Ziele zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen nicht aufgegeben werden.
Zweitens. Die Kohlekommission sieht für Kraftwerksbetreiber Entschädigungen und Stilllegungsprämien vor, selbst für Anlagen mit einer Laufzeit von mehr als 25 Jahren, die damit bereits abgeschrieben sind. Nachdem also Kraftwerksbetreiber viele Jahre lang direkt oder indirekt subventioniert worden sind, soll ihnen nun erneut Steuergeld hinterhergeworfen werden. Das ist absolut unverständlich und ein verheerendes Zeichen für andere Branchen.
Denn das bedeutet, wir können leistungslos die Hände aufhalten, falls wir vor einem Strukturwandel stehen. Dabei haben zahlreiche Rechtsgutachten festgestellt, dass die Stilllegungen auch ohne derartige Transferzahlungen möglich sind. Wir fordern, dass mit den Transferzahlungen grundsätzlich der Strukturwandel in den betroffenen Regionen unterstützt und die Beschäftigten sozial abgesichert werden.
Drittens. Nach dem Bundesberggesetz gilt, dass die Bergbauunternehmen für die Folgekosten des Kohleabbaus aufzukommen haben. Es gilt also das Verursacherprinzip, und zu diesem bekennt sich auch die Kohlekommission. Aber hinlänglich bekannt ist, dass die dazu erforderlichen bilanziellen Rückstellungen zu gering sind und nicht liquide vorliegen, wo sie notwendig sind.
Was passiert dann? - Die mit Steuergeldern finanzierten Stilllegungsprämien und Entschädigungen werden zur Rekultivierung aufgewendet. Und wieder sind es faktisch die Steuerzahler, die
gesamte Gesellschaft, die dafür aufkommen müssen, dass die jahrzehntelang subventionierten Kohleunternehmen ihrer Verantwortung nicht gerecht werden.
Viertens. Energieintensive Industrien werden dauerhaft entlastet. Das kritisieren wir seit Langem. Diese Entlastung beträgt aktuell 300 Millionen € pro Jahr. So profitieren sie nun zusätzlich ebenfalls von sinkenden Netzentgelten und der abgeschafften Stromsteuer.
Damit wird die nicht sachgerechte Privilegierung dieser Industrien bei Umlagen und Abgaben verstetigt. Dies ist aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt und führt künftig auch dazu, dass die Energiekosten ungleich zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher umgelegt werden.
Fünftens. Die Kohlekommission regt die stoffliche Nutzung von Braunkohle jenseits bisheriger Spezialanwendungen zur Herstellung von Montanwachsen und Aktivkohle an. Dabei sollen allerdings wie in der Vergangenheit Brenn- und Treibstoffe sowie Chemikalien hergestellt werden. Das ist aus unserer Sicht kein gangbarer Weg, weil der CO2-Ausstoß gleich bleibt und damit Klimaschutz und Effizienz konterkariert werden.
An dieser Stelle wären andere Ansätze notwendig, zum Beispiel die Herstellung von Grundstoffen und darauf basierenden chemischen Produkten aus CO2. Dazu sollten vor allem die in der Region bereits vorhandenen Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Zusammenarbeit mit den Chemiestandorten in Mitteldeutschland Forschung und Entwicklung betreiben.
Das ist eine der großen Chancen für die Region, die zugleich Arbeitsplätze und damit Perspektiven für künftige Generationen schaffen können.
Richtig und begrüßenswert ist, dass sich die Kommission auch mit der Versorgungssicherheit beschäftigt hat. Investitionsanreize und beschleunigte Genehmigungsverfahren für Gaskraftwerke auch an den Standorten alter Kohlekraftwerke sowie die Förderung von Forschung und Entwicklung mittels sogenannter Reallabore für Langzeitspeicher sind gerade für das mitteldeutsche Revier wichtige Perspektiven, die unbedingt genutzt werden müssen.
Mit diesen und vielen anderen Maßnahmen kann die Region zur Innovationsregion werden. Dies ist eine große Herausforderung, aber eben auch eine riesige Chance.
Die Frage sei erlaubt: Warum sollte es nicht möglich sein, dass im Land vorhandene Kohlekraftwerke, die zwar zu den modernsten gehören und erst spät abgeschaltet werden sollen, bereits früher den Schritt zur Umwandlung in ein Gaskraftwerk gehen? - Das haben übrigens kommunale Unternehmen auch geschafft. Ich denke dabei an das Beispiel der Stadtwerke Dessau, die bereits zum Ende des ersten Quartals dieses Jahres aus der Kohleverbrennung aussteigen.
Zugleich soll laut Bericht die Zubaumenge erneuerbarer Energien erhöht werden. Auch dies ist für Sachsen-Anhalt ein gutes Signal, leiden wir doch seit einiger Zeit unter den zurückgehenden Ausschreibungsmengen für Ökostromanlagen. Damit kann nicht nur der vom Strukturwandel betroffene Landessüden profitieren, sondern die gesamte Branche der erneuerbaren Energien, die in den letzten Jahren unter den verschlechterten Ausbaubedingungen gelitten hat.