Protokoll der Sitzung vom 01.02.2019

Ohne sehr viel Unsinn geht das gemeinhin nicht. In aller Regel handelt es sich bei den heutigen Studierenden um freundliche, hilfsbereite und wissbegierige junge Menschen, die den berechtigten Anspruch haben, die Welt von heute mitzugestalten.

Es mag auch unter Studierenden den einen oder anderen geben, der auch einmal in Worten oder Taten über das Ziel hinausschießt. Aber das unterscheidet sie von keiner anderen gesellschaftlichen Gruppe, natürlich mit Ausnahme der stets auf vornehmen sprachlichen Ausdruck und auf zurückhaltendes Auftreten bedachten Vertreter der antragstellenden Alternative.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Zustim- mung bei der CDU)

Es ist kein modernistischer Quatsch, sondern sachlich begründet, dass die Vertreter der Studierenden in manchen Fragen, zum Beispiel bei der Akkreditierung von Studiengängen, eine herausgehobene Rolle haben. Ich habe es nie - ich greife zurück auf meine frühere berufliche Erfahrung - als Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit gesehen, sondern vielmehr als rechtzeitigen Hinweis, wenn gerade Studierende darauf aufmerksam machen, dass sich das, was sich Professorinnen und Professoren ausgedacht haben, vielleicht großartig anhört, aber so einfach nicht studierbar ist.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ja, Studierende oder Studenten - das ist bestimmt nicht mein Hauptaspekt, solange es noch Studentenwerke gibt, in denen auch Studentinnen ohne jedwedes Diskriminierungsgefühl in die Mensa gehen - sollen studieren. Aber zu diesem Studium gehört etwa mehr als lernen für die nächste Prüfung. ECTS-Punkte sind nicht der einzige Maßstab für die weitere Entwicklung einer vernünftigen Persönlichkeit.

Herr Tillschneider, kurzum: Der Antrag der AfDFraktion ist an Absurdität nicht zu überbieten.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Dass dieser Antrag keinen Eingang in die laufenden Überarbeitungspläne für unser Hochschulgesetz finden kann, versteht sich von selbst. Meines Erachtens gehört er schlichtweg abgelehnt.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Danke, Herr Minister. Ich sehe keine Fragen. - Dann können wir auch in die Debatte der Fraktionen einsteigen. Für die Fraktion der CDU spricht der Abg. Herr Philipp.

Bevor Herr Philipp das Wort ergreift, begrüßen wir auf unserer Zuschauertribüne ganz herzlich Schülerinnen und Schüler des Geschwister-SchollGymnasiums aus Gardelegen. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im ganzen Hause)

Es geht los.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Studenten sollen studieren - Schluss mit der politischen Agitation an unseren Hochschulen“ - so lautet der Titel des Antrags der AfD. Das halte ich für eine, mit Verlaub gesagt, ziemlich steile These. Er impliziert indirekt, dass Studenten an unseren Hochschulen hauptsächlich der politischen Agitation frönen würden und eines vor allem nicht tun würden, und zwar studieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! An den Hochschulen unseres Landes studieren momentan ca. 53 000 Studenten. Viele Tausend Studenten - im Jahr 2017 waren es etwas über 9 000 Studenten - schließen in jedem Jahr ihr Studium sehr erfolgreich ab. Viele Tausend gehen danach in die freie Wirtschaft, ergreifen Berufe und gründen Unternehmen. Kurzum: Sie sind erfolgreiche Mitglieder unserer Gesellschaft, sie sind Leistungsträger und sind Vorbilder.

Ich stelle also fest - meine Damen, meine Herren, vielleicht können Sie das sogar mit mir zusammen tun -, Studenten an unseren Hochschulen machen vor allem eines: sie studieren. Mit Blick auf den Titel des Antrages der AfD könnte ich meinen Redebeitrag eigentlich an dieser Stelle beenden.

Aufgrund der Fünfminutendebatte, die wir uns zu diesem Thema gegönnt haben, möchte ich das eine oder andere doch noch sagen.

Der Minister hat ja zum Thema Studierendenschaft schon sehr viel ausgeführt. Richtig ist natürlich, dass die Studierendenschaft die Möglichkeit für die Studenten ist, ihre Belange in einem demokratischen Hochschulsystem selbst und eigenverantwortlich zu regeln. Studierende

sollen demnach ihre Interessen oder die Interessen aller Studierenden gegenüber der Hochschule vertreten. So steht es jedenfalls in § 65 Abs. 2 des Hochschulgesetzes. Um diese Aufgaben in einem demokratischen Hochschulsystem wahrnehmen und ihnen nachkommen zu können, sitzen die Vertreter der Studierendenschaft nun einmal in den Organen der Hochschule.

Apropos demokratische Hochschule bzw. Demokratie an Hochschulen. Das war ja so Ihre Grundkritik, die ich aus Ihrem Antrag herauslesen kann. Da möchte ich Ihnen vehement widersprechen. Die Installation von demokratischen Strukturen ist eine Notwendigkeit für die Hochschulautonomie, und die Hochschulautonomie wiederum - so sehe ich das - ist notwendig, um die in unserem Grundgesetz und in unserer Landesverfassung festgeschriebene Freiheit von Wissenschaft grundlegend zu ermöglichen. Daher kann ich Ihren Argumenten, die Sie hier vorgebracht haben, nur noch einmal widersprechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In § 65 Abs. 4 sind weitere Aufgaben der Studierendenschaft geregelt, darunter die politische Bildung, die Förderung des staatsbürgerlichen Verantwortungsbewusstseins, die Förderung der Bereitschaft der Mitglieder zur aktiven Toleranz - darüber haben wir gerade ausgiebig diskutiert - und das Eintreten für die Grund- und Menschenrechte. Kann man das schlecht finden?

(Olaf Meister, GRÜNE: Immer!)

- In einer Demokratie kann man das. - Muss man das schlecht finden? Sollte man das abschaffen, so wie es in dem Antrag der AfD gefordert wird? - Nein, das denke ich nicht.

Meine Damen, meine Herren! Eine kritische Anmerkung sei mir dann doch noch gegönnt. § 65 Abs. 4 setzt dann aber auch eine neutrale Haltung der Verantwortungsträger der Studierendenschaft voraus. Es ist darauf zu achten, dass individuelle Meinungen oder die Meinungen weniger nicht zur generellen Haltung der Studierendenschaft befördert wird.

Ob das immer so gewährleistet ist, darüber lässt sich sicherlich streiten. Ob zum Beispiel die Mitorganisation einer Demonstration gegen die Innenministerkonferenz, wie hier zuletzt in Magdeburg, auch eine Aufgabe der Studierendenschaft ist, am Rande derer auch wieder Sachbeschädigungen an privatem und öffentlichem Eigentum verzeichnet wurden,

(Zustimmung bei der CDU)

darüber lässt sich auch streiten. Ich glaube das nicht.

Sehr geehrte Kollegen der AfD, ich habe eine gute Nachricht für Sie. Wir werden in Kürze, wie es

von Ihnen gefordert wird, eine Novelle des Hochschulgesetzes für Sachsen-Anhalt vorstellen. Ob wir die von Ihnen geforderten Punkte in diese Gesetzesnovelle migrieren, daran habe ich so meine Zweifel.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Die Antwort lautet nein! - Heiterkeit bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine Damen, meine Herren! Die CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt lehnt Ihren Antrag ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt der Abg. Herr Lange. Herr Lange, Sie haben das Wort.

(Unruhe - Sebastian Striegel, GRÜNE: Ich muss doch deutlich werden!)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Eigentlich wollte ich mich zu Anträgen der AfD, die so vollkommen aus der Welt gerückt sind, nicht mehr äußern; denn was will Herr Tillschneider? - Die Studenten sollen die Klappe halten, es sei denn, sie schließen sich seinen rechtsextremen Vorstellungen an, sie sind Freunde seiner rechtsextremen IB oder sie organisieren sich in Männerbünden und hauen sich mit dem Säbel ins Gesicht.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Damit wäre dazu genug gesagt.

Reden wir über etwas Vernünftiges, nämlich über die Demokratie an den Hochschulen. Demokratie ist für DIE LINKE ein Wert an sich; denn demokratische Mitbestimmung sichert Teilhabe an Prozessen, die das eigene Leben unmittelbar beeinflussen. Deswegen setzen wir nicht nur auf die Demokratie als Staatsform, sondern auch auf demokratische Verfasstheit staatlicher Bildungsinstitutionen, seien es die Schulen oder eben die Hochschulen.

Meine Damen und Herren! In der Universitas, der Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden, gab es immer Aushandlungsprozesse, wie diese Gemeinschaft funktionieren soll, wer in welchem Maße die Richtung vorgibt und welche Mitbestimmungsinstrumente geschaffen werden. Der Schritt von der verstaubten Ordinarienuniversität oder von der verstaubten Ordinarienhochschule hin zur Gruppenhochschule mit Entscheidungsrecht für alle Gruppen war sicher eine wichtige Etappe für die Hochschuldemokratie in der Bundesrepublik.

Gleichwohl konservierte das Verfassungsgericht die Mehrheit der Professoren, was immer wieder als Defizit im demokratischen Sinne wahrgenommen wird; denn diese Gruppe ist ja bekanntlich die Kleinste. Und das verfassungsmäßig verbriefte Recht der Freiheit von Forschung und Lehre allein an das Amt des Professors zu binden - das ist sicherlich fraglich und in meinen Augen auch nicht mehr zeitgemäß.

(Zustimmung bei der LINKEN)

DIE LINKE fordert daher die Viertelparität in den Gremien. Perspektivisch ist es für uns auch denkbar, dass jeder jeden wählen kann oder jede jede wählen kann und somit tatsächlich Mehrheiten gesucht werden müssen. Das ist aber echte Zukunftsmusik.

Fakt ist es für DIE LINKE auch, dass die Gleichstellungsbeauftragten mit Sitz und Stimme in die Gremien der akademischen Selbstverwaltung gehören. Wir haben großartige Gleichstellungsbeauftragte,

(Zustimmung bei der LINKEN)

ohne die viele Errungenschaften nicht verankert wären. Ihnen gebühren unser Dank und die Zusage, dass wir ihre Rechte stärken wollen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Und um den Anforderungen der Inklusion gerecht zu werden, sollten auch die Behindertenbeauftragten einen Sitz und eine Stimme in den Gremien bekommen.

(Zustimmung bei der LINKEN - Dagmar Zoschke, DIE LINKE: Ja!)

Gleichwohl, wie man die demokratische Verfasstheit beurteilt, die Mitglieder der Hochschulgremien engagieren sich genauso wie die Studierenden in den Studierendenschaften in der studentischen Selbstverwaltung. Dafür gebührt ihnen unser Dank.

(Zustimmung bei der LINKEN)