Protokoll der Sitzung vom 28.02.2019

Das Land Sachsen-Anhalt hat sich an der Länderarbeitsgemeinschaft „Digitale Agenda für das Straf- und Strafverfahrensrecht“ beteiligt. Diese beschäftigt sich unter anderem mit der Entwicklung von Instrumentarien zur wirksamen Bekämpfung von Kinderpornografie im unregulierten Bereich des Internets, dem sogenannten Darknet, und unterbreitet dem Bundesgesetzgeber mögliche Verbesserungsvorschläge.

Auf der Landesebene gilt es zudem, die zuständigen Stellen sowohl im präventiven als auch im repressiven Bereich zu stärken und mit qualifiziertem Personal auszustatten, was sowohl mit einer weiteren Umsetzung des Feinkonzeptes zur Per

sonalstrategie in der Justiz als auch mit der weiteren Erhöhung der Polizeistärke einhergeht.

Meine Damen und Herren! In dieser Hinsicht ist die Landesregierung weiterhin auf die wohlwollende Unterstützung des Landtags angewiesen. Es geht darum, das gemeinsame Ziel zu erreichen und die Bekämpfung von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen insbesondere durch Unterstützung und Stärkung von Präventionsarbeit, Strafverfolgung und Opferbetreuung zu verbessern.

Für eine weitere Erörterung der Thematik fehlt heute die Zeit. Das wäre jedoch in den entsprechenden Ausschüssen möglich. Ich bin gern dazu bereit.

Ich sehe keine Fragen an die Ministerin. Damit ist der Diskussionsbeitrag beendet und wir kommen nunmehr zur Debatte der Fraktionen. Zunächst spricht für die SPD-Fraktion die Abg. Frau Schindler. Frau Schindler, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Fakt ist: Sexueller Missbrauch an Schutzbefohlenen oder Unschuldigen, sexueller Missbrauch von Kindern ist eine besonders verheerende Form, Gewalt auszuüben. Die Opfer leiden eine lange Zeit ihres Lebens unter den Folgen und oftmals bekennen sie sich nicht zu ihrem Opfersein.

Fakt ist auch, dass es ein ganz sensibles Thema ist, bei dem man nicht mit raschen Antworten und einfachen Lösungen daherkommen kann. Es ist schnell der Ruf nach Strafverschärfung und entsprechenden Sanktionen zu hören. Der Rechtsstaat hat in diesem Zusammenhang zwei Funktionen: einmal natürlich das Interesse der Gesellschaft an einer Sicherung vor gefährlichen Wiederholungstätern, aber auch das Sozialstaatsprinzip des Resozialisierungsanspruches. Beidem müssen wir gerecht werden. Deshalb ist es auch eine Frage der Wahrnehmung, mit welcher Häufigkeit wir Erfahrungen mit Opfern sexuellen Missbrauchs haben.

Die mediale Darstellung ist natürlich sehr prägnant und erweckt den Eindruck, dass die Anzahl der Fälle exorbitant gestiegen wäre. Häufig wird dieser Eindruck auch durch soziale Medien verstärkt. Aber Gott sei Dank ist das Gegenteil der Fall, wie ein gerade erst veröffentlichtes Gutachten des Kriminologen Prof. Pfeiffer zeigt. Man muss nicht immer seine Meinung teilen, aber im letzten Jahr hat er im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren und Frauen ein Gutachten erstellt, in dem die aktuellen Zahlen nachlesbar sind.

(Zuruf von Mario Lehmann, AfD)

Es ist erkennbar, dass die Zahl der Fälle erfreulicherweise zurückgeht. Das liegt jedoch nicht an dem erhöhten Strafmaß und auch nicht an der geringeren Anzeigebereitschaft, sondern diese ist, im Gegenteil - das ist in dem Gutachten ebenfalls nachzulesen -, sogar gestiegen. Der Rückgang wird mit dem Erfolg von Präventionsbemühungen und der zunehmenden gesellschaftlichen Ächtung der Gewalttaten begründet. Daran wollen wir verstärkt ansetzen.

Das ist der Ansporn für uns, die Präventionsbemühungen und die Strafverfolgung zu verstärken. So verstehen wir auch den Alternativantrag der Koalitionsfraktionen. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Alternativantrag. - Vielen Dank.

(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD - Unruhe auf der Regierungsbank)

Ich sehe auch hierzu keine Fragen. Bevor Frau von Angern für die Fraktion DIE LINKE ans Rednerpult tritt, wiederhole ich zum dritten Mal meine Bitte an die Regierungsbank.

(Unruhe auf der Regierungsbank)

- Ich wiederhole zum dritten Mal meine Bitte an die Regierungsbank! Wenn hier vorn Redner stehen, stellen Sie bitte die Gespräche dort hinten ein. Das irritiert extrem. - Danke.

(Zustimmung von Hagen Kohl, AfD)

Bitte, Frau von Angern.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich danke zunächst den Koalitionsfraktionen, die den aus meiner Sicht sachlich sinnvollen Weg gehen und bei einem sehr heiklen und in der Öffentlichkeit mit großem Interesse verfolgten Thema zunächst eine sachliche Analyse der Landesregierung einfordern. Diesem Ansinnen werden wir uns als Fraktion anschließen und Ihrem Alternativantrag zustimmen.

Sexueller Missbrauch von Kindern ist ein schreckliches Verbrechen mit kaum zu ermessenden Folgen für die Betroffenen. Umso wichtiger ist es, dass der Staat alle rechtsstaatlichen Mittel ausschöpft, um solche Taten zu ermitteln, zu verfolgen und präventiv zu verhindern. Jede Tat zu verhindern wird leider auch in Zukunft nicht möglich sein. Und wer glaubt, dass gerade bei diesem Straftatbestand härtere, längere Strafen abschrecken, der irrt und der vermittelt ein irreleitendes Sicherheitsgefühl. Das wiederum haben zahlreiche Studien, auch Täterstudien bewiesen.

Wir brauchen verlässliche Maßnahmen und Angebote im Interesse des Kinderschutzes und parallel dazu eine therapeutische Begleitung für Täter und Täterinnen. Opferschutz ohne Täterarbeit macht keinen Sinn; diese Aspekte gehören zwingend zusammen. Es gibt in Deutschland bereits die rechtlichen Normen, die dem Schutz der Kinder und Jugendlichen dienen und die in ihrer Wirkung auch von uns zu kontrollieren sind. Dabei fallen mir aber nicht zuallererst die Normen im Strafgesetzbuch ein; diese schützen nicht.

Meine Kollegin Frau Heiß erwähnte bereits aus Anlass einer anderen Debatte die bestehenden Lücken im SGB VIII. In § 72a etwa wird geregelt, dass Träger der öffentlichen Jugendhilfe keine Personen beschäftigen dürfen, die vorbestraft sind. Auch ehrenamtlich Tätige müssen, wenn sie mit Kindern und Jugendlichen umgehen, ein Führungszeugnis vorlegen. All diese Regelungen gelten aber nicht für kommerzielle Anbieter wie Unternehmen, die Klassenfahrten anbieten, Indoor-Spielplatzbetreiber oder Möbelhäuser - das werden Sie vielleicht auch kennen -, die Kinderbetreuung anbieten. Hier sehen wir dringenden Nachholbedarf. Nur wenn alle verpflichtet sind, einen entsprechenden Nachweis zu erbringen, sind die Kinder tatsächlich umfänglich geschützt.

Auch das Bundeskinderschutzgesetz ist noch nicht flächendeckend umgesetzt; auch hierbei müssen wir nacharbeiten. Gerade im Sportbereich ist dies besonders nötig; denn dort besteht nicht nur eine emotionale Nähe zu Trainern und Übungsleitern, sondern auch eine körperliche.

Auch hinsichtlich des Erkennens von sexuellem Missbrauch bei Kindern und Jugendlichen

herrscht große Unsicherheit, da die Symptome oft nicht eindeutig sind, sondern sich vielmehr auf der Verhaltensebene ausdrücken. So reagieren Mädchen anders als Jungen auf sexuellen Missbrauch.

Ich finde, der Leitfaden zur Früherkennung von Gewalt an Kindern und Jugendlichen, den wir hier im Land haben, ist ein gutes Arbeitsmittel für pädagogische Fachkräfte. Es ist gut, dass das Bildungsministerium gemeinsam mit dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung aktiv geworden ist und an einer Überarbeitung dieses Leitfadens gearbeitet und diese bereits veröffentlicht hat.

Ich finde es auch gut, dass wir mit den Dunkelfeldstudien, die im nächsten Jahr vom Innenministerium organisiert werden, weiter in die Materie einsteigen und versuchen, uns mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

Ich denke, das Weitere werden wir in dem entsprechenden Ausschuss tun. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sehe auch hierzu keine Fragen. Nun spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abg. Herr Striegel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Herren von der AfD-Fraktion! Mit Blick auf diesen Antrag muss man sagen: Sie waren schon einmal weiter. Im vergangenen Jahr hat sich der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration auf einen Selbstbefassungsantrag Ihrer Fraktionen hin zweimal mit sexualisierter Gewalt an Kindern befasst. Ihr damaliger Antrag zielte auf eine Ausweitung der Präventionsarbeit und eine größere Unterstützung des Projekts „Kein Täter werden“. - Das ging in die richtige Richtung.

Wenn Sie nun vor allem höhere Strafen für sexualisierte Gewalt zum Nachteil von Kindern fordern, betreiben Sie populistische Symbolpolitik. § 176 StGB sieht einen Strafrahmen von bis zu zehn Jahren vor. Es mangelt also nicht an einer rigiden Strafandrohung. Die von Ihnen behauptete generalpräventive Wirkung höherer Strafen ist zudem nicht belegt. Oder gehen Sie ernsthaft davon aus, dass sich ein pädophiler Straftäter von einer um sechs Monate erhöhten Mindeststrafe von seiner Tat abhalten lassen würde?

Niemand bestreitet, dass sexualisierte Gewalt hart bestraft werden muss. Aber der Schwerpunkt unserer Bemühungen muss auf der Prävention liegen. Das bedeutet, dass diejenigen, die an sich selbst eine gefährliche Neigung erkennen und nicht zum Täter werden wollen, die nötige Unterstützung und entsprechende Angebote bekommen.

(Hagen Kohl, AfD: Genau!)

Ob in Sachsen-Anhalt hierbei noch Nachsteuerungsbedarf besteht, werden wir anhand des folgenden Berichts der Landesregierung im Ausschuss kritisch unter die Lupe nehmen.

An anderen Stellen kann man durchaus die Frage stellen, ob die bestehenden Schutzmechanismen ausreichend sind. Natürlich muss nach Möglichkeit sichergestellt werden, dass keine verurteilten Sexualstraftäter unerkannt in Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit beschäftigt sind. Deshalb sieht etwa § 72a SGB VIII ein explizites Beschäftigungsverbot für die öffentlichen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe vor. Den zusätz

lichen Bedarf nannte die Kollegin von Angern gerade. Um dies sicherzustellen, sind auch regelmäßig polizeiliche Führungszeugnisse vorzulegen. Auch hierzu wird die Landesregierung nochmals zum Verbesserungsbedarf ausführen, denke ich.

Besonders wichtig scheint mir persönlich, dass dort genau hingeschaut wird, wo Strukturen sexualisierte Gewalt begünstigen können. Als Katholik empfinde ich Scham und Abscheu, dass meine Kirche hierbei in einem großen Ausmaß Schuld auf sich geladen hat.

(Zustimmung von Frank Scheurell, CDU)

Hier haben Machtstrukturen und eine Kultur des Wegsehens der Gewalt und dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.

(Zuruf von der AfD)

Es gibt vorsichtigen Grund zur Hoffnung, dass hier ein Wandel und ein Umdenken eingesetzt haben. Aber das Problem ist nicht auf die katholische Kirche beschränkt, es ist ein gesamtgesellschaftliches. Wir alle müssen hinschauen und dort intervenieren, wo dies möglich ist.

Ich will ganz zum Schluss noch einen Satz sagen. Herr Kohl, bitte verschonen Sie uns zukünftig mit dem Wort „Kinderschänder“.

(Eva von Angern, DIE LINKE: Ja!)

Es geht nicht um Schande.

(Eva von Angern, DIE LINKE: Ja!)

Niemand, der Opfer sexualisierter Gewalt geworden ist, lebt in Schande, sondern es sind die Täter, die sexualisierte Gewalt anwenden, und das müssen wir als Problem benennen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Zustimmung bei der CDU)

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu dem Alternativantrag.

Ich sehe auch hierzu keine Fragen, deswegen können wir in der Debatte fortfahren. Für die CDU-Fraktion spricht der Abg. Herr Kolze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der uns vorliegende Antrag der AfD sieht im Wesentlichen drei Punkte vor: Eine Erhöhung des Strafmaßes bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, eine Änderung des Passgesetzes sowie eine Ergänzung des SOG bzw. eine präventive polizeiliche Regelung zum Zwecke der Gefahrenabwehr.