Protokoll der Sitzung vom 01.03.2019

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich habe übrigens tatsächlich versucht nachzuschauen. Mir ist nicht erinnerlich, dass wir an dieser Stelle, in diesem Landtag schon einmal einen Antrag zu diesem Thema beschlossen hätten. Das ist insofern interessant, als es hierbei nicht nur um ein Thema geht, das die Lebensrealität von Millionen Menschen beeinflusst, sondern es geht auch um einen Bereich, der inzwischen eine Marktposition hat, die vergleichbar ist mit der von den Deutschen so geliebten Autoindustrie. Das sind die Dimensionen, um die es hierbei geht.

Nur, weder in den etablierten Medien - diese haben übrigens einen ganz besonderen Grund dafür - noch in den politischen Gremien der Parlamente haben wir bisher eine adäquate intensive Debatte dazu geführt. Dort findet das Thema noch

immer am Rande statt. Und - das muss ich leider sagen - die meisten von uns haben einfach keine Ahnung.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei der AfD)

Eines sage ich auch mit aller Deutlichkeit: Das ist ein Legitimationsproblem für die gesamte etablierte politische Landschaft. Eine ganze Generation oder zumindest große Teile der jüngeren Generation haben den Eindruck, dass hierbei politische Akteure, die von der Sache einfach keine Ahnung haben, über ihre Lebensrealität entscheiden. Das führt zu einem massiven Legitimationsdefizit auch solcher Institutionen.

Vergleichen wir einmal die Bedeutung der Debatte um den Urheberrechtsschutz mit der realen Problematik der Wolfsdichte in Sachsen-Anhalt. Vergleichen wir einmal, wie die Debatte um die Wölfe hier geführt worden ist, damit, wie die Debatte um die Uploadfilter hier geführt worden ist. Dabei wird eine substanzielle Differenz deutlich zwischen den realen Problemen gerade junger Leute und dem, worüber wir hier diskutieren. Wir müssen uns nicht wundern, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir eine sinkende Wahlbeteiligung haben und dass wir ein sinkendes Ansehen in der Bevölkerung haben, gerade bei jüngeren Leuten.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Also kommen wir doch einmal zur Sache. Worum geht es hierbei? - Es geht hierbei um ein riesiges Stück vom Kuchen der Wertschöpfung und es geht um massive Interessen. Formal geht es offensichtlich um den Widerstreit der Interessen der alten Riesen der Medienbranche gegen die Interessen der neuen Riesen der Medienbranche, also um Verlage wie Springer, Funke, Bertelsmann usw. auf der einen Seite und um Google, Facebook, Microsoft, Amazon und Ähnliche auf der anderen Seite.

Es geht um viele Milliarden. Und wenn es um viele Milliarden geht und viele Leute keine Ahnung haben, dann werden Interessen artikuliert, indem man Informations- oder, besser gesagt, Desinformationskampagnen startet und versucht, die Dinge so darzustellen, wie man sie gern hätte. Allerdings - das muss ich klar sagen - sind solche Verfahren bisher weitestgehend schief gegangen.

Ein Beispiel. Im Europäischen Parlament gibt es eine Gruppe, und zwar die Gruppe der CDU/CSUAbgeordneten. Diese haben einen Twitter-Kanal. Dieser Twitter-Kanal hat eine bescheidene Reichweite von 3 600 Followern. - Na ja, wir wollen nicht meckern.

Auf diesem Twitter-Kanal gab es eine Umfrage, und zwar zu eben diesem hier in Rede stehenden

Leistungsschutzrecht und dem entsprechenden Urheberrechtsschutz. Dort ist gefragt worden: Wer soll in erster Linie an den Werken von Künstlerinnen, Musikern und Kreativen verdienen - a) die Urheber der Werke oder b) Facebook, Google und Co.? Die Fragestellung ist in etwa so wie früher zu DDR-Zeiten: Bist du für oder gegen den Frieden?

(Zustimmung bei der LINKEN - Olaf Meis- ter, GRÜNE: Genau!)

Damit dürften die Antworten auch eigentlich relativ eindeutig sein. Diese Umfrage hat einen Riesenerfolg gehabt. 33 000 Menschen haben sich an dieser Umfrage beteiligt. Es gab sage und schreibe 2 000 reale Reaktionen darauf; wer sich diese durchliest, der merkt, es sind keine Bots. Und was war das Ergebnis? - 76 % dieser 33 000 Menschen machen ihr Kreuz bei Facebook, Google und Co. Eigenartigerweise haben die Kollegen aus der CDU/CSU-Gruppe diese Umfrage in ihrer Argumentation später nicht mehr verwendet.

Allerdings stellt sich die Frage: Was ist da passiert? - Die Leute haben einfach mitbekommen, dass sie auf gut Deutsch veräppelt werden sollten. Ihnen ist eine Frage gestellt worden, die völlig an der Realität vorbeigeht. Ihnen ist nämlich suggeriert worden: Wenn ihr gegen die relative Freiheit seid, die es jetzt im Internet gibt und die auch von den großen Vier in diesem Bereich genutzt wird, dann seid ihr für Künstler, dann seid ihr für die Kreativen.

Die Leute, die abgestimmt haben, haben gewusst, dass das nicht stimmt. Denn dann vertreten sie die Interessen der großen Verlagskonzerne und Verwertungsgesellschaften. Es sind gerade massenhaft die Künstler und die Kreativen, die sich radikal gegen diesen Artikel 13 der Urheberrechtsschutzrichtlinie der Europäischen Union wenden. Diese gilt es zu unterstützen, liebe Kollegen. Man sollte nicht auf solche Dinge hereinfallen.

(Beifall bei der LINKEN)

Lassen Sie mich ein zweites Beispiel nennen. Es gibt einen Musikproduzenten Micki Meuser. Er ist eine relativ große Nummer, spricht sich ausdrücklich für diese Urheberrechtsschutzrichtlinie aus, arbeitet übrigens seit zwei Jahren daran mit und sagt: Wenn die kommt, dann bekommen die Kreativen echt Geld.

Dies ist übrigens von der gleichen CDU/CSUGruppe veröffentlicht worden. Daraufhin reagierte der Sprecher einer Organisation, die sich C-Netz nennt - das ist eine CDU-nahe netzpolitische Organisation -, und sagte: Spätestens mit diesem Lügenbeitrag ist die CDU bei der Europawahl für ihn unwählbar geworden - und das als aktives CDU-Mitglied.

Worum geht es bei dieser ganzen Geschichte? - Es geht im Grunde genommen darum, dass hier tatsächlich so viel gelogen wird, dass sich die Balken nicht mehr biegen, sondern brechen. So wird erzählt, der einzelne Nutzer, der sich zum Beispiel von einer solchen Internetplattform Inhalte herunterlädt, würde nach dieser Urheberrechtsreform total risikolos leben. Er würde sozusagen keine Gefahr mehr eingehen, dass gegen ihn vorgegangen wird. - Das stimmt nicht. Das ist einfach falsch. Das steht darin nicht.

Wenn diese Internetplattformen jetzt verpflichtet werden sollen sicherzustellen, dass die Inhalte, die sie anbieten, nicht gegen Lizenzen und Urheberrechte verstoßen, dann bedeutet das nicht, dass sie Uploadfilter, sprich: Algorithmen, einsetzen müssen. - Nein, das müssen sie auch nicht. Sascha Lobo hat das etwa so beschrieben: Klar, du verpflichtest jemanden, innerhalb von zehn Stunden von London nach New York zu kommen, aber du schreibst ihm nicht vor, dass er ein Flugzeug nehmen muss.

Natürlich geht das nicht anders. Wenn die Plattformen dazu verpflichtet werden, schon überhaupt keine urheberrechtlich geschützten Inhalte aufzuspielen, dann kommen sie an solchen Uploadfiltern bzw. Algorithmen gar nicht vorbei. Diese Dinge passieren übrigens zum Teil schon jetzt. Google hat sage und schreibe 100 Millionen € dafür ausgegeben, solche Filter zu realisieren - und sie arbeiten extrem schlecht. Sie können nämlich in Wahrheit nicht zwischen Urheber, Verarbeitung, Ursache bzw. Herkunft unterscheiden. Das, was mit diesen Uploadfiltern über diese EURichtlinie eingeführt wird, ist die Zensur des Internets.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt mag es in der Debatte noch um eine Geschäftsposition gehen. China zeigt uns, dass man diese Filter, einmal eingeführt, ruckzuck zu politischen Zwecken einsetzen kann. Glauben Sie doch nicht, dass ein Orbán, ein Kaczynski oder ein Salvini nicht längst darauf warten, das Internet mit solchen Filtern so zensieren zu können wie in China.

(Zustimmung bei der LINKEN - Oliver Kirch- ner, AfD: Und noch ganz andere! - Weitere Zurufe von der AfD)

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, brauchen wir andere Modelle. Deswegen ist es wichtig, sich im Interesse der Meinungsfreiheit, im Interesse der Kunstfreiheit gegen solche vermeintlichen Urheberrechtsschutzvarianten zu

wenden und vernünftige Modelle zu verfolgen, die wirklich dazu in der Lage sind, Kreative mit den entsprechenden Mitteln auszustatten.

Dazu gibt es seit vielen, vielen Jahren Vorschläge. Man könnte zum Beispiel die seit Ewigkeiten diskutierte Digitalsteuer einführen. Dann könnte man nämlich die Werbeeinnahmen der großen Vier real besteuern, und dann hätte die öffentliche Hand, wie sie es übrigens auch schon in anderen Fällen tut, die Möglichkeit, Kreative und Künstler zu unterstützen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Perspektive. Dafür müssen wir uns in der öffentlichen Debatte einsetzen. Dafür brauchen wir die öffentliche Debatte. Diese Entscheidung fällt Ende März 2019 endgültig im Europäischen Parlament. Wir haben bis dahin wenige Wochen Zeit, um sie zu gestalten.

Sehr geehrter Herr Kollege Gallert, Ihre Redezeit ist längst abgelaufen.

Das ist ja ein Ding! Na, gut. - Lassen Sie uns im Interesse der Meinungsfreiheit, im Interesse der jungen Generation, im Interesse von Urhebern und Künstlern für die Meinungsfreiheit und gegen die Urheberrechtsrichtlinie der Europäischen

Union streiten. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. Es gibt keine Fragen. - An dieser Stelle wird für die Landesregierung der Staats- und Kulturminister Herr Robra sprechen. Sie haben das Wort, bitte.

Herzlichen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 13. Februar 2019 - das ist also weiß Gott nicht lange her - haben sich das Europäische Parlament, der Rat der Europäischen Union und die Kommission im sogenannten Trilog vorläufig über eine Reform des EU-Urheberrechts geeinigt. Diese Einigung stellt grundsätzlich einen Ausgleich zwischen vielfältigen Interessen dar und muss in den kommenden Wochen sowohl vom Europäischen Parlament als auch vom Rat der Europäischen Union bestätigt werden.

Am 26. Februar 2019 hat der JURI-Ausschuss des Europäischen Parlaments - das will ich als Information gern beisteuern; das ist der zuständige Ausschuss - mit 16 : 9 : 0 Stimmen für den Entwurf gestimmt. Das Plenum des Parlaments wird

sich - Herr Gallert hat es schon gesagt - voraussichtlich Ende März 2019 mit dem Entwurf befassen. Danach - das ist noch nicht terminiert - folgt der Ministerrat.

Meine Damen und Herren! Grundsätzlich bedarf der urheberrechtliche Rechtsrahmen auf der europäischen Ebene einer Aktualisierung, um ihn an die aktuellen technischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen anzupassen, die insbesondere durch die Digitalisierung, die Vernetzung und den mobilen Zugriff auf geschützte Inhalte ausgelöst worden sind.

Das geistige Eigentum ist seit Jahrhunderten Deutschlands Kapital. Es ist Voraussetzung dafür, dass Kunst, Kultur und Medien lebendig bleiben. In Form von Patenten begründet es in einem Land ohne großartige Bodenschätze unsere wirtschaftliche Stärke. Gleichzeitig sollen durch eine Modernisierung des Urheberrechts der digitale Binnenmarkt gestärkt und die grenzüberschreitende Verfügbarkeit von digitalen Angeboten verbessert werden.

So zielt der Entwurf der Richtlinie im Wesentlichen darauf ab, dass schöpferische Leistungen auch im digitalen Kontext geschützt werden. Urheber sollen angemessen an der digitalen Nutzung ihrer Werke partizipieren. Zudem sollen - auch das ist Gegenstand der Richtlinie - wichtige öffentliche Interessen, wie beispielsweise Wissenschaft, Bildung und die Sicherung der Bestände von Gedächtniseinrichtungen, unter anderem durch verbindliche Ausnahmeregelungen Berücksichtigung finden.

Zugleich bleiben den Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht in vielen Vorschriften Spielräume für Entscheidungen erhalten. All das ist, wie gesagt, nach schwierigsten Verhandlungen im Trilog mit der Stimme Deutschlands und mit knapper Mehrheit verabschiedet worden. Grundsätzlich gilt - ich denke, zumindest darin besteht Einvernehmen -, dass geistiges Eigentum und Freiheit des Internets kein Widerspruch sein dürfen, sondern sie müssen in gegenseitiger Rücksichtnahme zu, wie es im Verfassungsrecht immer so schön heißt, praktischer Konkordanz geführt werden.

Überaus kontrovers diskutiert werden insbesondere Fragen zur Umsetzung eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger - das ist Artikel 11 - und die Verantwortlichkeit und Haftung der Plattformbetreiber - Artikel 13. Das ging in der Einbringung eben nach meinem Eindruck etwas durcheinander. Artikel 11, das Leistungsschutzrecht des Presseverlegers, orientiert sich am deutschen Leistungsschutzrecht, es findet jedoch auf alle Internetseiten Anwendung und erfasst damit nicht nur Suchmaschinen und Presseaggregatoren.

Das Ergebnis der Trilogeinigung beinhaltet folgende Kompromisslinien: Die private oder nichtgewerbliche Nutzung durch einzelne Anwender fällt aus dem Anwendungsbereich heraus. Die reine Verlinkung ist ausdrücklich nicht geschützt. Ebenfalls nicht geschützt ist die Verwendung einzelner Wörter oder sehr kurzer Auszüge, wie es zum Beispiel Praxis von Google News ist. Die Dauer des Schutzrechts wird auch nur auf zwei Jahre ab Beginn des Folgejahres der Veröffentlichung festgesetzt, gilt also nicht beliebig lange. Und eine Rückwirkung vor den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie wird es ausdrücklich nicht geben.

Bei Artikel 13, der jetzt im Mittelpunkt der Aktuellen Debatte steht, geht es um die Verantwortlichkeit von Plattformen. Ich möchte gern das Gesamtsystem, das etwas umfänglicher ist und mehr enthält als nur die Upload-Problematik, kurz darstellen. Im Trilog einigte man sich zunächst darauf, dass die Mitgliedsstaaten die Bereitstellung von geschützten Inhalten durch die erfassten Plattformen als „öffentliche Wiedergabe“ ausgestalten müssen.

Damit entfällt das bisherige Haftungsprivileg für Plattformen nach Artikel 14 der E-CommerceRichtlinie. Damit beginnt das eigentliche Problem erst: Plattformen werden demzufolge künftig grundsätzlich verpflichtet sein, sich eine Lizenz für alle urheberrechtlich geschützten Inhalte, die vom Nutzer hochgeladen werden, zu verschaffen. Das ist sozusagen der erste Appell. Ihre Haftung für Urheberrechtsverletzungen entfällt, wenn sie

nachweisen können, dass sie alle Anstrengungen unternommen haben, um eine Autorisierung zu erhalten, und nach Benachrichtigung durch die Rechteinhaber umgehend Schritte unternommen haben, um die entsprechenden Inhalte zu entfernen. Soweit ich sehe, wird dies allseits akzeptiert und stellt sozusagen die zweite Stufe des Rechtsgüterschutzes dar.

Nun kommen wir zu den technischen Lösungen. Die Haftung entfällt auch, wenn der Nachweis ernsthafter Anstrengungen gelingt, die Verfügbarkeit geschützten Materials durch technische Einrichtungen bereits beim Hochladen zu verhindern, für die sich der in der Richtlinie so nicht erwähnte Begriff Uploadfilter eingebürgert hat. Große Plattformbetreiber - wir haben es eben gehört - setzen sie mit allen technischen Abstrichen, die man machen muss, bereits ein.

Das kaskadenartige System des Artikels 13 beruht auf der Überlegung, dass die Gewinne aus der Nutzung geschützter Werke möglichst ausgewogen zwischen den Plattformbetreibern einerseits und den Urhebern und Rechteinhabern andererseits geteilt werden.

Die bisherige Regelung führte dazu, dass die Gewinne im Wesentlichen beim Plattformbetreiber