Protokoll der Sitzung vom 02.04.2019

sungswidrigkeit gleichlautender Wahlrechtsausschlüsse im Bundesrecht ist es erforderlich, auf diese aktuelle Entwicklung zügig zu reagieren.

Der vorliegende Entschließungsantrag soll dem dann auch auf Landesebene Rechnung tragen

und gleichzeitig soll der Zugang zu Wahlen für alle Wählerinnen und Wähler erleichtert werden. Die Wahlen inklusiver zu machen, ist ein wichtiges politisches Signal.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD)

Es ist an der Zeit, gleichberechtigte Teilhabe am Wahlrecht zu ermöglichen. Das entspricht dem Leitbild einer wirklich inklusiven Gesellschaft. Betreuung bedeutet, dass Menschen Unterstützung brauchen, um Entscheidungen zu treffen, und eben nicht, wie man ihnen mit den pauschalisierten Wahlrechtausschlüssen unterstellt, dass sie entscheidungsunfähig sind.

DIE LINKE setzt sich seit Jahren dafür ein, Selbstbestimmung als dominierendes Prinzip in der Behindertenpolitik zu verankern. Chancengerechtigkeit ist herzustellen und Barrieren müssen abgebaut werden. Gerade deshalb ist es umso wichtiger, Menschen mit Unterstützungs- und Betreuungsbedarf in angemessener Zeit vor einer anstehenden Wahl über deren Inhalte und die damit verbundenen Optionen zu informieren.

Oftmals reichen die Angebote in leichter oder einfacher Sprache oder andere Formen barrierefreier Kommunikation nicht aus, da Betroffene in vielerlei Hinsicht eingeschränkt sein können. Daher ist es umso wichtiger, dass individuelle Beratungsangebote bzw. Assistenzleistungen zur Verfügung stehen, um Betroffenen eine adäquate Meinungsbildung zu ermöglichen und ihnen darüber hinaus das Gefühl zu geben, dass sie als Wähler bzw. Wählerinnen ernst genommen werden.

Diese Menschen sind Teil unserer Gesellschaft, und sie haben ein Recht darauf, diese in ihrem Sinne mitzugestalten. Deshalb stimmt meine Fraktion dem vorliegenden Gesetzentwurf und dem Entschließungsantrag zu.

Meine Damen und Herren! Das Wahlrecht ist ein Bürgerrecht. Es steht auch Menschen in gesetzlicher Vollbetreuung und in Unterbringung zu. DIE LINKE hat bereits seit Jahren darauf hingewiesen, dass die bestehenden gesetzlichen Wahlrechtsausschlüsse willkürlich sind und eine unzulässige Diskriminierung darstellen. Mit einem gemeinsamen Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bundestag im Juni 2017 wurde dazu aufgerufen, die bestehenden Wahlrechtsausschlüsse noch vor der Bundestagswahl im September 2017 abzuschaffen, da sie im Widerspruch zu den Zielen der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen stehen, die seit 2009 bereits geltendes Recht in Deutschland sind.

Jetzt, nachdem das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, dass die Vorgaben im Bundes

wahlgesetz gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl und das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung verstoßen, ist eine Wahlrechtsreform geboten.

Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein haben bereits 2016 die Wahlrechtsausschlüsse für Menschen mit Behinderungen aus ihren Wahlgesetzen gestrichen. Berlin, Brandenburg, Bremen und Hamburg sind diesem Beispiel noch vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes gefolgt. Thüringen hat kurz zuvor ein entsprechendes Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht. Diese Bundesländer waren eifriger und fortschrittlicher und haben ohne höchstrichterliche Entscheidung rechtssicheren Wahlen in ihren Bundesländern den Weg geebnet.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Nunmehr ist es wichtig, in den Kommunen dafür Sorge zu tragen, dass sich bisher von der Wahl ausgeschlossene Personen an den bevorstehenden Kommunalwahlen beteiligen können, selbst wenn sie noch nicht in das Wählerverzeichnis eingetragen sind oder nachgetragen worden sind. Es ist wichtig, dass mit allen möglichen Mitteln die Ausübung des Wahlrechts unterstützt und dem in dem Entschließungsantrag geforderten Abbau von Barrieren bereits jetzt durch ein Angebot von Assistenzleistungen Rechnung getragen wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Abg. Buchheim. Ich sehe auch hierzu keine Fragen. - Wir kommen zum nächsten Debattenredner. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN spricht der Abg. Herr Striegel. Sie haben das Wort. Bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 29. Januar 2019 deutlich gemacht, dass der Wahlausschluss in allen Angelegenheiten Betreuter gegen das Grundgesetz verstößt. Die Gründe dafür sind umfänglich dargestellt worden. Dass das Land Sachsen-Anhalt, der Bund und viele andere Bundesländer sich erst von einem Gericht zur Wahrung der Rechte von Behinderten auffordern lassen mussten und heute eine Sondersitzung zur zügigen verfassungskonformen Anpassung des Kommunalwahlrechts notwendig ist, zeigt auf, dass Deutschland von dem Ziel der Gleichberechtigung und Inklusion von Menschen mit Behinderungen noch ein gutes Stück entfernt ist. Unser Land setzt die einge

gangenen Verpflichtungen leider nicht mit der gebotenen Konsequenz um.

Dem Thema wird schlichtweg nicht die Aufmerksamkeit zuteil, die es verdient. Beim Wahlrecht, der DNA der Demokratie, dem edelsten Recht aller Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, war man bereit, ohne viel Federlesen Tausende Menschen willkürlich auszuschließen. Die Mühe einer differenzierenden Betrachtungsweise hat man sich dabei nicht gemacht.

Die Bundesrepublik Deutschland - Vorrednerinnen und Vorredner haben es gesagt - hat bereits 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet. In der Folge wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass Regelungen zum Wahlausschluss gegen diese Konvention verstoßen.

Bereits im Mai 2017 hat die Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gemeinsam mit der Fraktion der Linkspartei einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, der die Abschaffung des § 13 Nr. 2 des Bundeswahlgesetzes forderte, allerdings ohne Erfolg.

Auf der Ebene der Länder haben NordrheinWestfalen und Schleswig-Holstein bereits im Jahr 2016 den Anfang gemacht. Seitdem haben insgesamt sechs Bundesländer die Regelung gestrichen.

Unsere Bündnisgrünen-Fraktion hat im Jahr 2017 einen Gesetzentwurf zur Stärkung der Barrierefreiheit und Inklusion in Sachsen-Anhalt koalitionsintern vorgelegt. Dieser beinhaltete unter anderem auch die Streichung von § 23 Abs. 1 Nr. 2 des Kommunalverfassungsgesetzes. Leider konnten wir uns damals innerhalb der Koalition nicht auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf einigen. Die Quittung dafür ist nun die vom Verfassungsgericht getroffene Entscheidung und die Notwendigkeit, sie in kürzester Zeit umzusetzen.

Dabei müssen wir, so das Gericht - ich zitiere -: „den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl“ und die „Sicherung des Charakters der Wahl als eines Integrationsvorgangs bei der politischen Willensbildung des Volkes“ zum Ausgleich bringen.

Heute erfüllen wir also nur den ersten Teil der vor uns liegenden Aufgabe. Es verbleibt als Aufgabe bei der Landesregierung, bis Ende des Jahres einen verfassungsrechtlich sauberen Gesetzentwurf vorzulegen, der auch für die Landesebene die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes umsetzt.

Der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist es aber ein wichtiges Anliegen, dass wir uns über das heutige Thema hinaus für mehr Barrierefreiheit und Inklusion im Wahlrecht engagieren und dafür sorgen. Diesem Anliegen trägt der vorliegende Entschließungsantrag Rechnung.

Meine Damen und Herren! Wir brauchen in Sachsen-Anhalt mehr barrierefreie Wahlräume. Es darf nicht sein, dass Menschen in Sachsen-Anhalt aufgrund einer Mobilitätseinschränkung ihr Wahlrecht nicht ausüben können. Dies stellt ein nicht hinnehmbares Versagen des Landes dar, wenn es darum geht, die demokratischen Rechte der Bürgerinnen und Bürger zu schützen und zu fördern, zumal in einer älter werdenden Gesellschaft.

Darüber hinaus müssen wir sicherstellen, dass alle Menschen, die fähig und willens sind, am demokratischen Prozess teilzunehmen, dies auch tun können. Informationen in einfacher Sprache und in Gebärdensprache sind aus meiner Sicht ein gangbarer Weg, um allen Menschen eine Beteiligung an Wahlen zu ermöglichen.

Außerdem sollte die Landesregierung prüfen, wie die Barrierefreiheit von Wahlvorschlägen erhöht werden kann. Der politische Prozess beinhaltet viele Formen der Übersetzungsarbeit. In diesem Zusammenhang sind mit Sicherheit noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Ich erinnere tatsächlich an die Logos der Parteien oder auch an die Frage der Gestaltung von Wahlzetteln, an denen typografisch wie gestalterisch noch das eine oder andere durchaus verbessert und optimiert werden kann.

Es bleibt mir zum Schluss die Ansage, dass das Wahlrecht allen Menschen zukommt, die unter gemeinsamer politischer Herrschaft leben und von Entscheidungen betroffen sind. Nicht die Teilnahme an Wahlen, sondern der Ausschluss von Wahlhandlungen ist begründungsbedürftig.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden deshalb weiter dafür kämpfen, dass alle Menschen sich an Wahlen beteiligen können. Deshalb fordern wir das Wahlrecht ab 14 Jahre und für alle Menschen, unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abg. Striegel. Auch hierzu sehe ich keine Wortmeldungen. - Wir kommen zu dem letzten Debattenredner. Für die CDU-Fraktion spricht der Abg. Herr Krull. Sie haben das Wort, bitte.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich zu dem eigentlichen Inhalt des Gesetzentwurfes komme, nur ein kurzer Hinweis: Ich möchte zu dem Gesetzentwurf reden und nicht Kommunalwahlkampf machen. Wer die Kommunalwahlpartei in Sachsen-Anhalt ist, das sieht man an dem Wahlergebnis am Sonntag der letzten Woche in

Zörbig, wo der CDU-Kandidat Matthias Egert den Einzug als Bürgermeister in der Direktwahl nur knapp nicht geschafft hat, während der AfDKandidat nicht einmal in die Stichwahl gekommen ist.

Am 29. Januar dieses Jahres fällte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes das Urteil, dass die Wahlrechtsausschlüsse für Betreute in allen Angelegenheiten und für wegen Schuldunfähigkeit untergebrachte Straftäter verfassungswidrig sind. Das Urteil bezog sich also auf das Bundeswahlgesetz. In der Urteilsbegründung wird ausgiebig erklärt, warum die bisherigen Regelungen, welche sich inhaltsgleich in § 23 Abs. 2 Nr. 2 des Kommunalverfassungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt wiederfinden, verfassungswidrig sind.

Während der Bund von Änderungen des Wahlrechts zur anstehenden Europawahl Abstand genommen hat, vielleicht in der Annahme, dass sie nicht entsprechend mandatsrelevant sind, wollen wir als regierungstragende Fraktionen das Kommunalwahlrecht, wie heute mehrfach geschildert, noch vor dem 26. Mai 2019, dem Termin der Kommunalwahl, ändern.

Auch wenn der betroffene Personenkreis nach Schätzungen nur 2 500 Menschen in SachsenAnhalt umfasst, wird es in einzelnen Gemeinden durchaus mandatsrelevant sein. Zum Beispiel dort, wo es Einrichtungen wie in Uchtspringe gibt, oder wenn entsprechende Heime sich in einem Kommunalwahlbereich konzentrieren.

Auch andere Bundesländer planen die Änderung der entsprechenden Wahlgesetze zur Kommunalwahl am 26. Mai 2019, zum Beispiel unser Nachbarland Mecklenburg-Vorpommern.

Mit der Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts in Landesrecht schaffen wir nicht nur demokratische Beteiligungsmöglichkeiten für die bisher vom Wahlrecht Ausgeschlossenen, sondern kommen auch langjährigen Forderungen aus dem Bereich der Behindertenverbände bzw. von deren Interessensvertretern nach. Ich gebe meinen Vorrednern darin recht: Es steht noch viel Arbeit vor uns, um zum Beispiel das Bundesteilhabegesetz in Sachsen-Anhalt auch tatsächlich mit Leben zu erfüllen. Aber man sollte die Situation auch nicht schlechter reden, als sie ist. Wir sind schon viele Schritte in die richtige Richtung gegangen.

Bereits im Vorfeld der Gesetzesänderung gab und gibt es Gespräche mit den zuständigen Wahlleiterinnen und Wahlleitern, damit die Ergänzung der Wählerverzeichnisse entsprechend vorbereitet werden kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktionen der CDU, der SPD und des BÜND

NIS 90/DIE GRÜNEN haben die Gelegenheit genutzt, um in einem Entschließungsantrag deutlich zu machen, wie wir uns die Weiterentwicklung des Wahlrechts in Sachsen-Anhalt an dieser Stelle vorstellen. Dazu gehört auch, dass wir § 3 des Landeswahlgesetzes vor der nächsten Landtagswahl an die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen anpassen.

Die Gemeinden in unserem Land haben in der Vergangenheit und in der Gegenwart große Anstrengungen unternommen, um die Anzahl von barrierefreien Wahllokalen zu erhöhen. Wir unterstützen diese Bemühungen ausdrücklich und setzen darauf, dass die Gemeinden dies auch weiterhin tun.

Hinsichtlich der Verwendung der einfachen Sprache bei der Erstellung von Informationen rund um das Thema Wahl und zu unseren Wahlprogrammen sind wir sicherlich noch nicht am Ende der Fahnenstange angekommen bzw. haben wir noch entsprechende Reserven. Auch Menschen mit anderen Sinneseinschränkungen soll die Möglichkeit gegeben werden, entsprechende Informationen zu erhalten.

Bezüglich der Verwendung von Symbolen und Logos auf Wahlzetteln muss eine genaue Prüfung dazu erfolgen, wie dies praktisch umgesetzt werden kann, gerade weil zum Beispiel Einzelkandidaten im Regelfall nicht über ein solches Logo verfügen.

Ich bitte um eine Überweisung des Gesetzentwurfs in den Ausschuss für Inneres und Sport mit dem klaren Ziel, dass wir noch in dieser Woche die Gesetzesänderung beschließen können und damit den Weg freimachen für mehr demokratische Teilhabe auch für diese Menschen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU)

Vielen Dank, Herr Abg. Krull. Auch hierzu sehe ich keine Wortmeldung. - Damit ist die Debatte beendet und wir steigen in das Abstimmungsverfahren zu der Drs. 7/4125 und zu der Drs. 7/4156 ein. Meines Erachtens nach können wir über beide Gegenstände in einem Abstimmungsvorgang befinden, obwohl sich die Entscheidung zu einer Ausschussüberweisung des Gesetzentwurfes und des Entschließungsantrages nach unterschiedlichen Regularien in unserer Geschäftsordnung bestimmt. Spricht ein Mitglied des Landtages dagegen? - Das sehe ich nicht. Dann können wir so verfahren.

Wir stimmen über beide Gegenstände ab. Ich habe einen Antrag auf eine Überweisung in den Ausschuss für Inneres und Sport vernommen; eine Überweisung in einen weiteren Ausschuss

wurde nicht beantragt. Wer mit der Überweisung einverstanden ist, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Ich sehe, das sind alle Fraktionen, auch wenn das etwas zögerlich ist. Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Damit sind die beiden Beratungsgegenstände in den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen worden.