Protokoll der Sitzung vom 02.04.2019

Bei den Aufgaben bis 2021 - wer kann es mir verdenken? - steht die Bewältigung des Brexit, wie immer er auch ausfallen wird, im Vordergrund. Wir sind europapolitisch gut aufgestellt, aber natürlich auch immer wieder herausgefordert, gerade auch mit dem Brexit umzugehen.

Wir haben hier im Landtag ein Gesetz verabschiedet, rein vorsorglich. Ob es jemals in Kraft treten wird, hängt von der weiteren Entwicklung in Großbritannien ab, die wir alle im Moment nicht abschätzen können. Aber dass das gewaltige Auswirkungen haben wird, ist schon jetzt unübersehbar. Wir sind auf die verschiedenen Austrittsszenarien vorbereitet. Ich konnte auch den Ausschuss in der letzten Woche noch einmal darüber unterrichten, welche Maßnahmen die Ressorts schon unternommen haben, sodass es in den unterschiedlichsten Bereichen nicht zu größeren Problemen kommt. Aber wenn man bedenkt, dass Großbritannien für uns der zweitwichtigste Handelspartner ist und an fast 100 Unternehmen im Land britische Eigentümer beteiligt sind, kann man sich vorstellen, dass es doch eine erhebliche Unruhe auch in die Wirtschaft hineinträgt.

Die zweite Großbaustelle - ich habe es schon angedeutet - ist die Vorbereitung der Förderperiode 2021 bis 2027. Die Begleitung der europäischen Rechtsetzungsprozesse ist wichtig und ist schwierig. Das wird jetzt auch in gewisser Weise durch die Neukonstituierung des Europäischen Parlamentes und der Europäischen Kommission überlagert.

Manche der Entwicklungen dort beunruhigen uns. Ich würde es begrüßen, wenn wir uns im Plenum oder vielleicht auch in dem zuständigen Ausschuss noch vertiefter damit befassen könnten, auch auf der Grundlage des Kabinetts

beschlusses für den Beginn der Programmierung für die nächste Fondsperiode und auf der Grundlage der Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenzen.

Die Ministerpräsidentenkonferenz Ost wird morgen stattfinden und wird sich auch noch einmal dazu verhalten. Es geht wirklich um die Wurst; es geht ums Eingemachte. Es geht darum, ob wir eine erhebliche Einbuße erleiden und am Ende die westdeutschen Bundesländer profitieren oder ob wir unsere Interessen sowohl gegenüber der Bundesregierung als auch gegenüber dem Europäischen Parlament durchsetzen können.

Das Stichwort, das ich schon hier in die Debatte einbringen möchte, heißt regionales Sicherheitsnetz. Dieses soll sicherstellen, dass wir in keinem Fall, wie auch immer die europäischen Szenarien sind, unter eine Mindestausstattung der europäischen Strukturfonds fallen.

Zu den Programmen, auf die wir uns vorbereiten, gehören neben der EU-Förderperiode insgesamt die sogenannten EU-Aktionsprogramme außerhalb der Fonds - einige Ergebnisse der Fonds habe ich eben schon referiert -, deren Bedeutung für das Land angesichts zurückgehender Strukturfondsmittel immer größer wird. Dazu gehört dann auch die Förderung der EU-Beratungsstellen. Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir im vorvergangenen Jahr eine weitere EU-Beratungsstelle bekommen haben.

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU)

Aber wir haben auch ein hohes Interesse daran, dass die EU-Beratungsstellen, das EU-Hochschulnetzwerk der Universitäten und die EUService-Agentur bei der IB für die Kommunen bis hin zum europäischen Jugendkompetenzzentrum „GoEurope“ weiterhin auch von der europäischen Seite her eine solide Ausfinanzierung bekommen, um ihre Aufgabe hier im Lande wahrnehmen zu können.

Für uns ist vor den Wahlen das Bekenntnis zu Europa wichtig. Wenn der Befund stimmt, dass die Europäische Union die wichtigste internationale Bedingung für eine erfolgreiche Entwicklung unseres Landes darstellt, dann muss es unser ureigenes Interesse sein, uns auch in Zukunft für eine starke und handlungsfähige Europäische Union einzusetzen. Dazu bedarf es einer offenen politischen und gesellschaftlichen Debatte.

Wir sollten uns auf das unmittelbar Gemeinsame und Verbindende rückbesinnen, nämlich die europäischen Werte und die Verträge. Sie sind ein Abbild der Übereinstimmung zwischen den Mitgliedstaaten und sie bilden das solide Fundament für ein gemeinsames Voranschreiten. Insbesondere in Zeiten von Populismus und Euroskeptizismus in ganz Europa

(Hannes Loth, AfD: Ah!)

ist es angezeigt und wichtig, diese Werte konsequent zu verteidigen und durchzusetzen. Ebenso wie die gemeinsamen Werte müssen die geschlossenen Verträge den Rahmen unseres gemeinsamen Handelns bestimmen.

Die Krisen machen den Reformbedarf deutlich, und die Europäische Union muss zweifellos auch nach innen und außen handlungsfähiger werden.

Wir gehen davon aus, dass es nicht, wie von Präsident Macron gefordert, eines Neubeginns oder einer neuartigen Europakonferenz bedarf, sondern dass es um die konsequente Umsetzung aller bisherigen Vereinbarungen geht. Dazu gehört - das habe ich von dieser Stelle aus schon wiederholt hervorgehoben - die strikte Wahrung des Subsidiaritätsprinzips auf der europäischen Ebene. Das heißt, den Regionen, den Mitgliedstaaten die Kompetenzen zu belassen, die sie gut und wirksam wahrnehmen können und die nicht unbedingt auf europäischer Ebene entschieden werden müssen.

Ob ein europäischer Konvent gemäß Artikel 48 des EU-Vertrags sinnvoll wäre, der langfristig unter Einbeziehung der nationalen Parlamente, zum Beispiel über die COSAC, berät, wird zu debattieren sein. Warten wir ab, welche Initiativen dazu in Brüssel bzw. von den mitgliedsstaatlichen Regierungen ergriffen werden.

Die Landesregierung wird im Rahmen ihrer Möglichkeiten den Reformprozess der EU aktiv mitgestalten. Der Vorabend der Wahlen zum Europäischen Parlament ist uns dabei Anlass und Verpflichtung zugleich, den Dialog über Europas Zukunft intensiv weiterzuführen.

Deshalb haben wir in den letzten Wochen gemeinsam mit der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland an sechs verschiedenen Orten Bürgerdialogveranstaltungen mit insgesamt mehr als 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchgeführt. Diese Veranstaltungen haben gezeigt, dass bei uns im Land nach wie vor ein hohes und konstruktives Interesse an europäischen Fragestellungen besteht und dass die grundsätzlich positive Stimmung gegenüber der Europäischen Union überwiegt.

Ich war gelegentlich selbst überrascht, wie wenig elementare Kritik geübt wurde. An dieser positiven Grundstimmung wollen wir anknüpfen, aber auch die Sorgen und Kritiken der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen, um so einen konstruktiven Beitrag zur europäischen Zukunftsdebatte zu leisten.

Die nächste Etappe wird die Europawoche sein, die in der ersten Maidekade stattfindet. Zwischen dem 25. April und dem 16. Mai finden mehr als

60 Veranstaltungen statt, die sich mit verschiedenen Facetten der europäischen Integration befassen und eine Plattform zum Austausch bieten. Das Programm habe ich dem Ausschuss übergeben. Ich bin ausdrücklich daran interessiert und bitte auch darum, dass sich die Abgeordneten dieses Parlaments daran engagiert beteiligen.

Im Rahmen der Europawoche werden wir auch die Gelegenheit nutzen, verdiente europäisch engagierte Bürgerinnen und Bürger mit der Ehrennadel des Landes Sachsen-Anhalt auszuzeichnen; denn es ist wichtig, dass das Ehrenamt, das auf diesem Feld aktiv dabei ist, gewürdigt und geehrt wird. Dies soll nicht zuletzt eine Anerkennung für all diejenigen sein, die durch ihr persönliches Engagement für die europäische Idee Europa im wahrsten Sinne leben und praktizieren.

Meine Damen und Herren! Es gibt Politikerinnen und Politiker, die die bevorstehenden Wahlen als Schicksalswahl für Europa bezeichnen. Das ist ein großer Begriff. Vom Ausgang der bevorstehenden Wahlen hängt ohne Zweifel ab, wie die Mehrheiten im Europäischen Parlament aussehen und welche Grundideen sie verkörpern werden.

Selbst wenn man einwendet, dass dies bei jeder Wahl so sei, muss doch allen, denen die Handlungsfähigkeit und die Gestaltungskraft Europas am Herzen liegen, die Stimmabgabe für ein starkes Europäisches Parlament ein besonderes Anliegen sein.

Lassen Sie uns, meine Damen und Herren, deshalb am 26. Mai im ureigenen Interesse unseres Landes und im persönlichen Interesse jeder Bürgerin und jedes Bürgers gewährleisten, dass all diejenigen, die das Wahlrecht haben, tatsächlich hingehen und Europa wählen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Robra. Es gibt zwei Wortmeldungen. Als Erster spricht der Abg. Herr Poggenburg und dann der Abg. Herr Roi. - Sie haben das Wort, Herr Poggenburg.

Sehr geehrter Herr Minister Robra, ich habe Ihren Ausführungen entnommen, dass Sie es bis heute nicht verstanden haben.

(Oh! bei der LINKEN)

Europa ist nicht die EU. Die EU ist nicht Europa. Wer gegen die EU ist, ist nicht automatisch gegen Europa. Wer für Europa ist, ist nicht automatisch für die EU. Das eine, Minister Robra, ist ein geo

grafischer und kultureller Fakt. Das andere ist ein virtuelles Konstrukt,

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Es ist ziem- lich real!)

das total versagt hat. Ich kann den Briten nur immer wieder zu dem mutigen Schritt des Brexit gratulieren.

(Zustimmung bei der AfD)

Wir als Deutschland sollten dem folgen. - Danke.

Herr Minister Robra, bitte.

Ich will dazu inhaltlich jetzt nicht allzu viel sagen. Die Überschrift meiner Regierungserklärung lautet aus gegebenem Anlass, wie hoffentlich nicht unbemerkt geblieben ist, „Für SachsenAnhalt: Europa wählen!“ und bezieht sich auf die Europawahl. Es ist der Kern der heutigen Debatte, vom Landtag aus in das Land hinein zu wirken und daran zu erinnern, was am 26. Mai zur Wahl steht. Das ist eine Wahl in der Europäischen Union zum Europäischen Parlament und nicht zum Europarat oder anderen Gremien, bei denen diese Debatte dann sicherlich sinnvoll wäre.

Herr Abg. Roi, bitte.

Vielen Dank. - Herr Robra, nach Ihrer flammenden Rede für Europa bleibt für mich nur eine Frage: Wie steht die Landesregierung Sachsen-Anhalts zu einer europäischen Armee?

Herr Minister Robra.

Die Landesregierung Sachsen-Anhalts hat sich noch nicht mit der Fragestellung, ob es einer europäischen Armee bedarf, befasst. Es fällt zunächst auch nicht in die Zuständigkeit der Landesregierung von Sachsen-Anhalt, im Rahmen ihrer verfassungsgemäßen Kompetenzen, die sich aus der Landesverfassung ergeben, dazu Stellung zu nehmen.

Dies ist ein politischer Diskurs, der eine gesellschaftliche Bedeutung hat, der auch engagiert in den Medien ausgetragen wird, aber der Aufgabenbereich der Landesregierung erstreckt sich darauf nicht.

Es gibt eine weitere Wortmeldung vom Abg. Herrn Gallert. - Sie haben das Wort, Herr Gallert.

Herr Robra, ich habe eine Frage zu einem Detail. Sie sprachen davon, dass mit der Wojewodschaft Kujawien-Pommern gegenwärtig im Ergebnis des Besuches des Ministerpräsidenten mit Marschall Całbecki eine engere Kooperation zwischen beiden Regionen geprüft wird. Nun besteht bereits eine regionale Partnerschaft mit Masowien und mit der Region Centre in Frankreich. Das haben Sie gesagt. Überlegt die Landesregierung, neben Masowien eine zweite polnische Region zur Partnerregion zu machen? - Das hörte sich jetzt so an.

Herr Minister Robra, bitte.

Die Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen. Kujawien-Pommern war auf uns im Zusammenhang mit den neuen Finanzierungsinstrumenten im Rahmen der Europäischen Union zugegangen, also mit Blick auf die Entwicklung von Darlehensfinanzierungen und revolvierenden Fonds bei uns in den vergangenen Jahren. Im Zuge der Kontaktaufnahme hat sich gezeigt, dass KujawienPommern in vielerlei Hinsicht vergleichbar ist mit Sachsen-Anhalt.

Masowien hat sich als die Region rund um Warschau sehr positiv entwickelt. Mittlerweile hat sie aber eine ganze Reihe von Problemen, die nicht so sehr ihre ländlichen Räume betreffen, sondern typische Probleme des Umfeldes großer Städte sind. Wir arbeiten mit Masowien in Fachfragen weiterhin sehr, sehr gut zusammen, auch im Europäischen Parlament und im AdR.

Wenn das Interesse in Kujawien-Pommern an einer vertieften Zusammenarbeit besteht und sich in unseren Ministerien weitere Projekte ergeben sollten, dann wären wir durchaus daran interessiert, uns zu weiteren Verabredungen mit KujawienPommern zu treffen.

Vielen Dank, Herr Minister Robra. Es gibt eine weitere Wortmeldung. - Herr Abg. Raue, bitte.

Vielleicht nehmen Sie zur Kenntnis, dass die Euro-Rettungsmaßnahmen im Zuge der Schwie