Protokoll der Sitzung vom 05.04.2019

Frau Kollegin Funke, ich habe eine Frage an Sie. Sie haben darauf verwiesen, dass es vermeintlich oder tatsächlich Linksextreme gegeben habe, die an solchen Fridays-for-Future-Demos teilgenommen hätten, und dass das ganz furchtbar sei. Wird die AfD denn zukünftig darauf verzichten, an gemeinsamen Veranstaltungen mit Herrn Höcke, der bekanntlich hinsichtlich des „Flügels“ vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall geführt wird, oder an Veranstaltungen der Jungen Alternative teilzunehmen?

(Zurufe von der AfD)

Die Frage wird im Raum stehen bleiben; denn auch hierzu sehe ich keine Reaktionen. Damit ist der Redebeitrag von Frau Funke beendet. - Wir fahren in der Debatte fort. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht nunmehr die Abg. Frau Lüddemann. Frau Lüddemann Sie haben das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich finde es großartig, was die jungen Leute von Fridays for Future geschafft haben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

- Es kommt erst noch. - Sie haben nämlich erreicht, dass Klimaschutz, die zentrale Frage des 21. Jahrhunderts, in aller Munde ist.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Zurufe von der AfD)

Das haben diese jungen Leute erreicht - das habe ich auch in vielen Gesprächen persönlich erlebt -, weil sie aufgrund unserer guten Bildung, aufgrund unserer auch guten Schule und Erziehung verstanden haben, dass die Zeit bis zum nächsten Kipppunkt beim Klima viel zu kurz ist, als dass sie auf das Ende ihrer Schulzeit, auf das Ende ihrer Praktika, auf das Ende ihrer Ausbildung warten könnten.

Sie haben leider auch verstanden, dass die Menschheit in den vergangenen Jahrzehnten, vorsichtig ausgedrückt, wenig lernfähig war. Die Industrieländer, die durch den CO2-Ausstoß maßgeblich für die Klimakatastrophe verantwortlich sind, haben nichts getan, um diese Klimakatastrophe tatsächlich ernsthaft aufzuhalten.

Ich habe zu Hause gelernt: Fang bei dir selber an! Deutschland ist die viertreichste Industrienation dieser Welt.

(Zuruf von der AfD: Hört, hört!)

Als ein solch starkes Land haben wir die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, Vorreiter zu sein.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von der AfD)

Und was machen wir? - Nach Aussage der Bundesregierung werden wir es nicht schaffen, die selbst gesteckten und 30 Jahre zu spät kommenden Klimaziele von Paris zu erreichen. Vor dem Hintergrund - ich finde, das ist ein guter Grund für die jungen Leute, wirklich wütend zu sein -, dass der Club of Rome den Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ bereits im Jahr 1972 vorgelegt hat, kann niemand sagen, er hätte nicht gewusst, in welche Richtung die Reise geht.

Aber, Kolleginnen und Kollegen, was mich wirklich fassungslos macht: Es sind nicht irgendwelche jungen Leute, die draußen auf dem Domplatz stehen. Das sind - übertragen oder echt - unsere Kinder, unsere Enkel.

(Zurufe von der AfD)

Sie setzen sich für unser aller Zukunft ein, für die Erde, die wir von diesen Kindern nur geborgt haben.

Herr Ministerpräsident, wenn Sie sagen, dass Sie Politik für Ihre fünf Enkel machen, dann kann ich das gut verstehen. Aber ich würde es noch besser finden, wenn wir dann auch mutig voranschreiten

(Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff: Mache ich doch!)

oder wenigstens den Ländern, die schon mehr tun, mutig hinterherschreiten.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Ich darf Ihnen an dieser Stelle noch einmal versichern: Wir sind an Ihrer Seite, wenn es darum geht, Energiealternativen schneller und besser voranzubringen. Wir sind an Ihrer Seite, wenn es darum geht, Einkommensalternativen zu entwickeln.

(Zuruf von der AfD)

Und wir sind auch an Ihrer Seite, Herr Ministerpräsident, wenn es um neue Mobilität geht. Sie haben das am Sonntag ein bisschen anders ausgedrückt. Sie haben gesagt: Der Verkehrssektor muss sich ändern; sonst schaffen wir die Klimaziele nie.

Dazu kann ich nur sagen: Wir GRÜNE arbeiten seit mehr als 30 Jahren, seitdem wir uns gegründet haben, - das war der essenzielle Punkt - an den Konzepten, um die Klimakatastrophe aufzuhalten.

(Zuruf von Jan Wenzel Schmidt, AfD)

Nutzen Sie die Chance, einen grünen Koalitionspartner zu haben, um mit uns gemeinsam auch in Sachsen-Anhalt endlich etwas Wirkungsvolles zu tun; wir können sofort, von mir aus auch gern im Verkehrssektor, beginnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir können auch gern gemeinsam im Bund gegen Herrn Minister Scheuer ein bisschen Druck machen. Es ist doch peinlich, dass wir autofreundliche Minimalpapiere vorlegen, statt über die Dinge zu reden, mit denen man wirklich etwas gegen die Klimakatastrophe tun kann.

Lassen Sie uns über Spritsteuer, über Tempolimits, über Kerosinsteuer, über alternative Antriebe reden. Ich kann wirklich verstehen, dass die jungen Leute sauer sind, wenn sie sehen, dass die Verantwortlichen seit Jahrzehnten das alles wissen können, aber die Augen verschließen und nichts tun.

Kolleginnen und Kollegen! Die Klimafrage ist auch d i e große soziale Frage dieses Jahrhunderts. Wie oft haben wir auch in diesem Haus schon über Klimaflüchtlinge gesprochen? Wie oft haben wir schon über Menschen mit geringem Einkommen gesprochen, denen es jetzt schwerfällt, zu agieren und die Strompreise zu bezahlen?

(Lars-Jörn Zimmer, CDU: Dann erklären Sie ihnen, dass sie 5 € für einen Liter Ben- zin zahlen sollen!)

Das liegt auch daran, dass wir jetzt endlich etwas tun müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Denn ansonsten muss die nächste Generation nicht mehr überlegen, wie sie gut leben kann. Dann muss die nächste Generation überlegen, wie sie überhaupt noch leben kann.

Ganz ehrlich - eine Randbemerkung -: Wenn es um solche großen existenziellen Fragen der Menschheit geht, dann muss man sich in unserer medialen Gesellschaft auch um maximale Aufmerksamkeit bemühen. Lehrer werden auch nicht gefragt, ob sie am Samstag streiken. Die Stahlarbeiter werden auch nicht gefragt, ob sie nicht vielleicht in ihrem Sommerurlaub ihre soziale Lage verbessern wollen. Das ist doch alles Quatsch.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Wenn wir als Verantwortliche wirklich etwas tun, dann brauchen die jungen Leute auch nicht mehr auf die Straßen zu gehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es geht in der Debatte um Wahrhaftigkeit. Es geht um Glaubwürdigkeit. Es geht um Wahrheit und um Fakten. Ich bin dankbar dafür, dass diese jungen Leute uns allen in dieser Frage, um mit den Worten unseres Parteichefs zu reden, in den Arsch treten. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Erwartungsgemäß gibt es eine Reihe von Fragen. Ich habe schon drei Wortmeldungen aus der Fraktion der AfD vorliegen, und zwar von Herrn Farle, von Herrn Lieschke und von Herrn Raue. Zwei haben die Chance dranzukommen. Ich gebe ihnen die Gelegenheit, demokratisch untereinander auszuwürfeln, wer das ist.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Ob sie das nicht überfordert?)

Bis sie das getan haben, hat Herr Daldrup die Chance.

Frau Lüddemann, Sie haben vollmundig gesagt, wir stehen hinter Ihnen. Ja klar, Sie stehen hinter dem Klimaschutz. Sie stehen hinter der Frage von kostenfreien Kindergärten, von Grundrente, von maximalem Umweltschutz, von allen möglichen Dingen, die wünschenswert sind und hinter denen wir ideell vielleicht auch stehen. Aber es geht immer um die Frage: Wie kann man das auch gesellschaftlich akzeptabel umsetzen?

Allein die Tatsache, dass Frau Frederking die erneuerbaren Energien vorbringt, zeigt sehr deutlich

die Zielkonflikte innerhalb Ihrer eigenen Fraktion. Auf der einen Seite haben wir Windkraft; auf der anderen Seite haben wir Vogelschützer und Insektenschützer.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Das bekommt man zusammen! - Siegfried Borgwardt, CDU: Nein, das funktioniert nicht richtig!)

Mit Blick auf die Richtlinie zum Umgang mit Artenschutz an Windkraftanlagen ist es der Ministerin ja sehr schwer gefallen, diesen Konflikt vernünftig zu lösen. Diese Konflikte gibt es und die gibt es überall. Die gibt es im Bereich des Klimaschutzes und bei anderen Dingen.

Mich stört an dieser Debatte, dass das Thema Klimaschutz im Moment so gehypt wird, als wenn es nichts anderes mehr gäbe.

(Zustimmung bei der CDU und bei der AfD - Dorothea Frederking, GRÜNE: So ist es!)