Protokoll der Sitzung vom 23.05.2019

(Detlef Gürth, CDU: Da macht doch die LINKE kräftig mit!)

Strategien gegen den neoliberalen Geist sind dabei weder neu noch eine Erfindung sozialistischer Ideologen, wie ein Blick auf das Amerika der 1930er-Jahre zeigt, wo Franklin D. Roosevelt durch seine Reformen des Wirtschafts-, Sozial- und Finanzsystems das Land stabilisiert und eben nicht wie zeitlich parallel in Deutschland den Faschisten überlassen hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist die Konsequenz, wenn Politik versagt: der Ruf nach dem starken Mann. Diese Gefahr ist auch heute nicht gebannt. Trotzdem werden die Debatten über einen New Deal, wie es damals in Amerika hieß, als Klassenkampf diffamiert. Doch heute kämpfen immer größere Teile der Bevölkerung gegen eine immer kleinere Schar von Großkonzernen, Personengesellschaften und Banken, die an den Finanzmärkten den Reichtum verzocken, der von den abhängig Beschäftigten, aber auch von kleinen und mittelständischen Unternehmen geschaffen wird.

Es ist der Kampf gegen die marktradikalen Vorstellungen aus den Gehirnwäschefabriken der Mont Pèlerin Society wie des Vereins „Neue Soziale Marktwirtschaft“. Es ist die Auseinandersetzung über reale Änderungen der Verteilungsverhältnisse, über die Rückeroberung der Handlungs- und Steuerungsfähigkeit des Staates und über die Sicherung der sozialen Basis unserer Demokratie.

Dass genügend Geld vorhanden ist, das sehen wir gerade beim Strukturwandel. Die Bundesregierung gießt ein 40-Milliarden-€-Füllhorn über uns aus, ohne dass bislang überhaupt klar ist, was damit gemacht werden soll. Wer also nicht weiterhin vor jedem Haushaltsabschluss angstvoll auf die Konjunkturprognosen und die Steuerschätzungen schauen will, wer Armut wirksam bekämpfen und die öffentlichen Haushalte nachhaltig sanieren will, der muss unsere Vorschläge ernst nehmen

(Detlef Gürth, CDU: Welche denn? - Oliver Kirchner, AfD: Ja!)

und darüber diskutieren. Sozialer Friede und demokratische Stabilität brauchen eine wirtschaftliche und finanzielle Basis, und diese wird nicht an den Börsen geschaffen.

(Daniel Rausch, AfD: Volkseigentum!)

Herr Abg. Lippmann, Ihrer Redezeit ist zu Ende.

Ich bin sofort fertig.

Den letzten Satz, bitte.

Jawohl. - Das ist die Herausforderung für die Politik. Dafür werden wir gewählt, und nicht als Klub von Lobbyisten. - Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der LINKEN)

Es gibt drei Wortmeldungen. Herr Loth hat sich als Erster gemeldet, danach Herr Büttner und dann Herr Gürth.

Die Ideen der Linkspartei zur Haushaltssanierung sehen dann so aus wie im Jahr 2013 in Dresden, wo 48 000 Wohnungen und 3 300 Gewerbeeinheiten an einen privaten Investor verkauft wurden, um soziale Projekte zu fördern, ja? - Wunderbar. Machen Sie das weiter! Das ist genau das, was Sie hier sagen. Unglaublich!

(Guido Henke, DIE LINKE: Das war 2006! - Heiterkeit bei der LINKEN - Wulf Gallert, DIE LINKE: Das war ein Fehler!)

Das ist keine Frage gewesen. Sie können aber darauf erwidern, Herr Lippmann.

(Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Da gab es DIE LINKE noch nicht, Thomas!)

Sie müssen es aber nicht. Es ist Ihnen freigestellt.

Herr Loth, wir sind von unserem ökonomischen Grundverständnis her offenbar so weit auseinander, dass wir noch nicht einmal sozusagen verbal in der Lage sind, uns gegenseitig zu folgen; denn das, was ich gesagt habe, ist das glatte Gegenteil davon. Wenn kommunales Eigentum verkauft wird, wie zum Beispiel in Dresden, dann geht es nicht darum, kommunales Eigentum zu verkaufen, um soziale Wohltaten zu finanzieren, sondern es geht darum, endlich insgesamt in den öffentlichen Haushalten eine deutlich erhöhte Einnahmensituation zu schaffen, damit solche kommunalen Verkäufe - es sind nicht nur Woh

nungen; ich habe auch Krankenhäuser erwähnt - gar nicht notwendig sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Staat ist ausgehungert worden. Der Staat ist entreichert worden, und das ist nicht einfach so passiert, sondern es sind Entscheidungen von Menschen. Durch die Entscheidungen von Politikern, die Steuergesetze gemacht haben, und zwar nicht in den letzten fünf oder zehn Jahren, sondern über einen viel längeren Zeitraum, ist eine systematische Entreicherung des Staates passiert, damit die Kommunen und die Länder unter Druck kommen, ihr Eigentum zu veräußern. Das ist genau das Gegenteil von dem, was wir wollen. Die Kommunen sollen ihre Sachen behalten und ihre Aufgaben, und zwar nicht nur die Pflichtaufgaben, sondern auch die freiwilligen Aufgaben, endlich vernünftig erledigen können.

(Beifall bei der LINKEN - Daniel Rausch, AfD: Was macht denn Berlin?)

Herr Büttner, Sie sind der nächste Fragesteller oder haben eine Kurzintervention. Bitte, Herr Büttner.

Danke, Frau Präsidentin. - Ich möchte zu Beginn kurz ausführen, wie witzig ich es immer finde, wenn LINKE solche Reden wie Sie halten. Dass Ihre Politik und Ihre Ansätze irre sind - ich muss es einmal so sagen -, sieht man zum Beispiel in Berlin. Ihre Partei setzt sich dafür ein, dass zwei Millionen Menschen in das Land kommen, die dann auch irgendwo wohnen müssen. Anschließend gehen Ihre Genossen auf die Straße und demonstrieren, weil es keine Wohnungen gibt. Das ist ein Witz.

Aber um darauf zurückzukommen: Ich habe in Ihren Ausführungen gehört, dass Sie dafür sind, ein Azubi-Ticket einzuführen. Das finde ich sehr gut. Meine Frage ist: Wir haben diesbezüglich heute einen Antrag auf der Tagesordnung. Werden Sie unserem Antrag zustimmen

(Doreen Hildebrandt, DIE LINKE: Ganz si- cher nicht!)

oder war das jetzt alles bloß Redeblase und viel Blabla, aber nichts dahinter?

(Guido Henke, DIE LINKE: Haben Sie beim letzten Plenum gepennt?)

Herr Lippmann.

Das beantworten wir selbstverständlich.

(Daniel Rausch, AfD: Sie sind dagegen! Ganz klar!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frage richtete sich an den Abg. Herrn Lippmann. Ich denke, wenn Sie eine Frage stellen, dann möchten Sie diese sicherlich auch beantwortet wissen. - Bitte, Herr Lippmann.

Wir müssen nicht versuchen, uns mit solchen Plattitüden immer gegenseitig zu überholen. Wir führen nachher die Debatte. Sie sollten wissen, dass wir uns zum Azubi-Ticket mit eigenen Anträgen schon längst geäußert haben. Unsere Rednerin wird nachher die Antwort darauf geben; diese nehme ich jetzt nicht vorweg.

(Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)

Sie signalisieren eine Nachfrage?

Ich habe noch eine Frage; denn es ist mir in Ihren Ausführungen nicht zur Kenntnis gelangt, wie Sie diese ganzen Dinge, die Sie angekreidet haben, ändern wollen. Meine Frage ist diesbezüglich, weil ich es von vielen LINKEN weiß: Wollen Sie die Einkommensteuer in Deutschland erhöhen und, wenn ja, auf welche Höhe?

Herr Lippmann.

Das haben Sie mich bei einer vorhergehenden Gelegenheit vor ein paar Monaten schon einmal gefragt. Ich habe gesagt, dass wir es zur Verfügung stellen. Dafür waren die zehn Minuten zu kurz. Ansonsten wäre ich darauf eingegangen. Ich will die Zeit jetzt aber auch nicht ausweiten.

Es geht nicht vordergründig um die Einkommensteuer. Das spielt auch eine Rolle, es ist aber eine ganze Reihe von Steuervorschlägen, die übrigens schon ziemlich alt sind. Sie sind inzwischen fast zehn Jahre alt und werden weitgehend auch von den Gewerkschaften getragen. Es geht um ein Gesamtvolumen. Es geht vor allem um Finanzprodukte. Es geht um die Unternehmensbesteue

rung und um viele andere Geschichten, um ein Volumen von ungefähr 180 Milliarden € pro Jahr, in der Gesamtwirtschaft.

(Matthias Büttner, AfD: Wo finde ich das?)

- Das kriegen Sie von mir. Das schicke ich Ihnen zu.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Ja, klar. Also, das mache ich sogar sehr gern.

(Eva von Angern, DIE LINKE: www.die- linke.de!)

Herr Abg. Gürth, Sie haben jetzt die Möglichkeit, Ihre Frage zu stellen oder eine Kurzintervention zu machen. Bitte.

Verehrter Kollege Lippmann, ich habe in Ihrer Rede etwas vermisst. Ich habe eine ganz klare Distanzierung von Ihren Genossen in Berlin vermisst.