- Wenn Sie noch nicht so weit sind, dass wir unsere Sitzung fortsetzen können, kann ich noch eine Minute warten.
- Sie müssen nur Bescheid sagen, wenn Sie noch Austauschbedarf haben, dann kann ich die Sitzung kurz unterbrechen. Dann können Sie sich in Ihren Fraktionen austauschen. Ich habe Zeit. - Vielen Dank.
Einbringerin wird die Abg. Frau Lüddemann sein. Jetzt, Frau Lüddemann, haben Sie, denke ich, die nötige Aufmerksamkeit. Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir alle sind aufgerufen, den Verkehr von morgen zu entwickeln. Dieser muss ökologisch, effizient und bezahlbar sein.
Dafür brauchen wir mehr ÖPNV mit belastbaren und engen Taktungen sowie günstige Preise für die Mitfahrenden.
Es braucht aber diese klare Vision, um den Modal Split, also die Aufteilung der unterschiedlichen Verkehrsträger untereinander, hin zum ÖPNV zu verändern. Dabei hilft in der Tat jeder Baustein. Wir GRÜNE sind bestrebt, in diesem Prozess dem Fahrrad einen deutlich höheren Stellenwert zu verschaffen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt wohl wenige technische Erfindungen, die 200 Jahre nach ihrem ersten Auftreten noch immer aktuell sind, aktueller denn je. Das Fahrrad gehört zu diesen seltenen genialen Erfindungen, die über Generationen hinweg ihre Anwendung finden, und das völlig zu Recht; denn Radfahren ist die effizi
enteste Form der Fortbewegung. Das Fahrrad mit Pedalantrieb, Kette und Schaltung hat einen Wirkungsgrad von 90 bis 98 %. Der Gelenkbewegungswirkungsgrad des Menschen, also wenn wir uns aus uns selbst heraus bewegen, wenn wir gehen, liegt bei 84 %.
Die erfolgreiche Bewegungsenergie von 0,6 Joule pro Gramm und Kilometer ist bei keiner Fortbewegungsart - weder bei Mensch noch Tier - so niedrig wie beim Fahrradfahren. Man kommt also mit dem Rad am leichtesten von A nach B.
Das bekannte Zitat von Adam Opel trifft es exakt: „Bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden wie beim Fahrrad.“
Neue Modelle wie E-Bikes und Pedelecs erweitern das Sortiment und erschließen neue Kundenkreise für diese Form der Mobilität.
Im Jahr 2017 sind in Deutschland 720 000 E-Bikes verkauft worden. Im Jahr 2018, nur ein Jahr später, waren es bereits 980 000. Der Gesamtumsatz der Branche betrug im letzten Jahr rund 6 Milliarden €. Mit insgesamt mehr als vier Millionen verkauften Fahrrädern im letzten Jahr liegt das Fahrrad auch vor den Neuzulassungen von Pkw. Es läuft also gut für die Fahrradwirtschaft.
Radschnellwege und etwa Protected Bike Lanes sind als neue Radinfrastruktur vielerorts bereits Realität. Dass wir damit in Sachsen-Anhalt noch ein bisschen hinterherhängen, das behandeln wir einmal in einem anderen Antrag. Heute geht es um das, was auf den Radwegen fahren soll.
Das Dienstfahrrad wurde immerhin ermöglicht, Bike-Sharing-Angebote haben sich etabliert. Hier kann man tatsächlich Mobilitätswende live erleben. Denn das Rad ist nicht nur effizient, sondern es ist auch das ökologischste Fortbewegungsmittel.
Diese Aufwertung des Radverkehrs zeigt sich auch in der Landespolitik. War der vorherige Radverkehrsplan noch stark auf Radtouristik orientiert, versteht der neue Radverkehrsplan dieses Fortbewegungsmittel als integralen Bestandteil der Alltagsmobilität von Menschen; so soll es auch sein. Die Autozentriertheit der deutschen Politik schwindet. Daran war meine Partei nicht ganz unbeteiligt.
Grüne Impulse für mehr Radverkehr gerade in den Bundesländern haben dieses Thema nach oben gebracht. Einen solchen Impuls setzen wir auch heute, und zwar in Bezug auf Lastenräder.
Mit dem Fahrrad Lasten zu transportieren war lange völlig normal. Erst mit der Verbreitung des Automobils, besonders nach dem Zweiten Weltkrieg, begann die Beliebtheit von Lastenrädern als Transportmittel für Waren und Dienstleistungen aller Art deutlich zu schwinden.
Aber seit einigen Jahren erleben wir eine Renaissance. Seit dem Jahr 2017 untersucht etwa das Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in einer dreijährigen Studie die Nutzerakzeptanz und die Umwelteffekte von Transporträdern.
Am 13. April 2018 wiederum gründete sich in Berlin der Radlogistik Verband Deutschland als Teil der Europäischen Fahrradlogistik-Föderation. Auch gibt es in Deutschland das Forum Freie Lastenräder, ein Zusammenschluss von aktuell mehr als 70 Initiativen, die sich vor Ort für kostenfreie Ausleihmöglichkeiten von Lastenrädern einsetzen. Auch in Sachsen-Anhalt gibt es zwei derartige Initiativen: hier in Magdeburg und in Dessau.
Gerade im Bereich der Lastenräder ist die Varianz groß. Es reicht von zwei-, drei- und vierrädrigen Lastenrädern über Front- und Hinterlader bis hin zu Rädern mit mittlerweile elektrischer Unterstützung; die Produktpalette ist riesig. Das Lastenrad eignet sich daher für Transporte im Privatbereich ebenso wie in der Kurier-Express-Paket-Logistik, der sogenannten KEP. Dort kann man Lasten mit einem Gewicht bis zu 300 kg auch mit dem Fahrrad transportieren.
Wie könnte also die Mobilität der Zukunft mit dem Lastenrad als Teil von motorisiertem Verkehr, ÖPNV und allen anderen Verkehrsträgern aussehen? - Morgens werden die Kinder vorn ins Lastenrad gesetzt und zur Kita gefahren. Statt also hinten im Auto festgeschnallt zu sein und nicht mehr als die Rückseite des Vordersitzes zu sehen, sausen die lieben Kleinen mit frischem Fahrtwind im Gesicht und einem freien Blick durch die Welt. Danach geht es via Lastenrad weiter ins Büro, wo es im Radkeller des Unternehmens wieder aufgeladen wird. Im Büro kommt die tägliche Lieferung, Päckchen und Briefe, per Lastenrad an. Der Lkw mit der Post kann am Stadtrand halten und die Post wird dann mittels Lastenrädern verteilt.
Der Techniker, der am Nachmittag die Telefonanlage im Büro repariert, bringt sein Werkzeug auch via Lastenrad mit. Die Blumen vom Empfang erreichen natürlich ebenfalls per Lastenrad die Empfängerin und den Empfänger. Zurück vom
Büro wird das Lastenrad in der standardmäßigen Radabstellanlage am Wohnhaus samt Ladeinfrastruktur sicher geparkt. Abends wird zu Hause Pizza bestellt, die dann selbstverständlich ebenfalls per Lastenrad geliefert wird. - So könnte es aussehen. Man braucht dazu eigentlich überhaupt keine Fantasie; denn an vielen Stellen in Deutschland und Europa ist das schon gelebte Realität.
Etwas allgemeiner gesagt: Die Zunahme der KEP-Logistik, der zunehmende Lkw- und Transportverkehr in den Städten, der Mangel an Parkplätzen, die Debatten um Luftverschmutzung und Lärmbelästigung durch motorisierten Verkehr und natürlich die zentrale Klimakrise machen ein Umschwenken im Bereich der Mobilität unumgänglich. Aber auch der Wunsch von Menschen nach gesunder Fortbewegung, nach einer schnellen, günstigen und unkomplizierten Form der Mobilität trägt zum Akzeptanzgewinn des Lastenrades bei.
Nach 200 Jahren Erfolgsgeschichte heißt es nun zum Beginn des 21. Jahrhunderts: Auf zwei oder drei Rädern in die Zukunft! Das Fahrrad ist tragende Säule einer zukunftsfesten Mobilität. Diese positive Entwicklung müssen wir unterstützen. Wir wollen den Radverkehr und heute insbesondere den Lastenradverkehr stärken. Grundsätzlich wollen wir damit den Modal Split hin zum Radverkehr verändern - wohlgemerkt: für alle, die wollen, und für die Zwecke, für die es geeignet ist.
In anderen Bundesländern wie Berlin oder BadenWürtemberg, die schon länger grün regiert werden, gab es bereits erfolgreiche Förderprogramme. In Berlin beispielsweise war bereits am ersten Tag das gesamte Budget ausgebucht.
Sehr geehrte Kollegin, warten Sie bitte einen kleinen Moment. - Es ist sehr schwierig, die Worte richtig zu verstehen. Ich bitte Sie, auch im Interesse unserer Mitarbeiterin hier, dieser wirklich die Chance zu geben, alles mitzuschreiben. Denn Sie selbst legen doch Wert darauf, dass Ihre Reden ordentlich erfasst werden. Deswegen bitte ich darum, den Geräuschpegel etwas zu senken. - Sie haben jetzt wieder das Wort, Frau Lüddemann.
Vielen Dank für diese Unterstützung, Frau Präsidentin. - Unser Förderprogramm wird das Programm des Bundes, das es auch gibt, ergänzen. Damit werden nämlich nur Lastenräder mit einem Transportvolumen von mindestens 1 m³ gefördert. Für Unternehmen ist das attraktiv - ich habe einige Beispiele genannt -, für andere Einsatzmöglichkeiten eher nicht.
Diese Förderlücke des Bundes schließen wir mit unserem heute auf den Weg zu bringenden Förderprogramm für Lastenräder. Die Erfolge der genannten Landesprogramme zeigen deutlich: Die Bevölkerung will mehr Lastenräder. Das zeigen auch die Ausleihzahlen der beiden genannten Stellen in Magdeburg und Dessau.
Unser Bundesland ist dafür ziemlich gut geeignet. Es gibt nicht so viele Berge. Für den Harz und den ländlichen Raum gibt es eben die elektrische Unterstützung, wodurch sich auch etwas längere Wege absolvieren lassen. Wenn der Supermarkt am Rand der Kleinstadt liegt, bietet das Lastenrad eine echte Alternative. Man bewegt sich und das Spritgeld wird auch eingespart.
Ich wünsche mir, dass unsere Finanzspritze es auch jungen Familien mit etwas geringeren finanziellen Möglichkeiten ermöglicht, sich diese Form der Fortbewegung für das Elterntaxi und den Transport zu leisten.
Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig. Deswegen machen wir bei möglichen Antragstellern und Antragstellerinnen auch wenige Vorgaben. Wenn beim Fußballspiel noch eine Kiste Wasser oder Bier fehlt, braucht es ja nicht unbedingt einen Führerschein. Das könnte natürlich auch eine ganz neue Möglichkeit des Aufwärmens sein. Auch Pflegeheime, Apotheken oder Kommunen können mitmachen. Auch hier gibt es Güter, die über Distanzen zu transportieren sind, wofür es nicht unbedingt einen Pkw braucht.
An die Autofahrerinnen und Autofahrer unter Ihnen gerichtet: Jedes Lastenrad, das ein Auto ersetzt, steht vor Ihnen nicht im Stau und nimmt Ihnen nicht den Parkplatz weg. Das sollte auch größere Autofans dazu motivieren, unser Programm zu unterstützen.