Protokoll der Sitzung vom 28.08.2019

Was tun Sie für von Gewalt und Stalking betroffene ältere Menschen? - Die Antwort im Rahmen der Großen Anfrage - Zitat -:

„Es sind keine Maßnahmen durchgeführt worden.“

Sie haben also nichts getan, obwohl die häusliche Gewalt gegen ältere Menschen seit 2014 zugenommen hat. Lediglich ein Flyer wurde im Jahr 2018 entwickelt. Welche Reichweite haben Sie mit diesem Instrument erzielt? Das, was in diesem Bereich getan wird, ist uns zu wenig. Wir fordern Sie auf, auch in diesem Bereich tätig zu werden. Tun Sie etwas! Gemeinsam mit dem Innenministerium und dem Sozialministerium sollte doch ein Interventionsprogramm möglich sein.

Wo ist das erarbeitete Geriatriekonzept? - Bereits im Rahmen des ersten Seniorenforums am 21. April 1999 wurden die Forderungen nach einer besseren Koordination und dem Ausbau der geriatrischen Versorgung in Sachsen-Anhalt aufgestellt. Diese Forderung fand auch Einfluss in den Maßnahmenkatalog; denn darin steht: Eine Projektgruppe erarbeitet ein neues Geriatriekonzept.

Die Antwort auf die Frage, ob ein solches Konzept durch die Projektgruppe erarbeitet worden ist, lautet ganz kurz: Nein. Der Grund der Landesregierung für die Nichterarbeitung ist für uns keinesfalls hinnehmbar. Man wolle neue Erkenntnisse und bundespolitische Entwicklungen mit in das Konzept einfließen lassen, die noch abgewartet werden müssen. - Wie lange wollen Sie denn noch warten? Wir sind doch ein Arbeitsparlament und sollen die Rahmenbedingungen für die Menschen schaffen, die uns bei der Wahl ihre Stimme gegeben haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben uns vertraut, dass wir Lösungen schaffen. Untätigkeit ist hierbei fehl am Platz, meine Damen und Herren Abgeordneten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir fordern Sie auf: Setzen Sie bis zum Ende der Laufzeit des Programms im Jahr 2020 die Forderung nach dem Geriatriekonzept für SachsenAnhalt um. Denn sonst wären auch die eingesetzten finanziellen Mittel für die bereits erstellte Studie, welche Grundlage für dieses Konzept sein soll, verbrannte Scheine. Wie wollen Sie das den Bürgerinnen und Bürgern erklären?

Wie sieht es mit der weiteren Förderung des Verbraucherschutzes aus? Klares Ziel war die Stärkung des Verbraucherschutzes mit der Förderung der Verbraucherzentralen Sachsen-Anhalts. Wir haben nachgefragt. Die Antwort war: Seit 2013 hat sich das Netz der Beratungsstellen nicht wesentlich verändert. - Dass seit sechs Jahren keine Veränderung zu verzeichnen ist, hat doch nichts mit der Stärkung des Verbraucherschutzes zu tun. Auch an dieser Stelle sehen wir Handlungsbedarf.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben gefragt: Wie sieht es mit der Umsetzung der Barrierefreiheit im öffentlichen Per

sonennahverkehr aus? Die Antwort hat mich sehr verwundert - Zitat -:

„Hierzu wird auf den Wortlaut von § 8 Abs. 3 PBefG verwiesen, wonach bei der Aufstellung des Nahverkehrsplans das ‚Ziel zu berücksichtigen‘ ist, bis zum 1. Januar 2022 ‚für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs eine vollständige Barrierefreiheit zu erreichen.‘

Damit wird nach Einschätzung der Adhoc-Arbeitsgruppe und der Landesregierung die Verpflichtung ausgesprochen, im Rahmen der Nahverkehrsplanung und bei den nachfolgenden Umsetzungsmaßnahmen das Ziel zu verfolgen, bis 2022 eine vollständige Barrierefreiheit zu erreichen. Dies bedeutet nicht, dass die Aufgabenträger die bestehenden Barrieren bis zu diesem Zeitpunkt auch vollständig beseitigt haben müssen. Der Gesetzgeber hat lediglich die Erwartung, dass dieses Ziel im Rahmen der Planungen und üblichen Modernisierungszyklen bereits bis 2022 zu erreichen ist.“

So kann man Gesetzgebung der EU selbstverständlich auch auslegen. Das ist doch aber nicht Ihr Ernst; das geht so nicht. Wir können uns doch nicht jedes Mal mit irgendwelchen Ausreden aus der Affäre ziehen, wenn es anstrengend wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir fordern ganz klar die Umsetzung der Barrierefreiheit im ÖPNV. Die Haushaltsverhandlungen bieten jetzt die Chance, Gelder umzulenken, um diese klare Forderung umzusetzen.

„Welche Strategien verfolgt das Land im Rahmen der Seniorenpolitik, um die Problemlagen Altersarmut, demografischer Wandel und Teilhabe in der Gesellschaft für Seniorinnen und Senioren in Sachsen-Anhalt zu gewährleisten?“, haben wir gefragt. Die Antwort war für mich erschütternd - ich zitiere -:

„Die Landesregierung kann keine eigene Einkommenspolitik für Ältere betreiben …“

Nur der Dialog darüber ist uns als LINKE zu wenig,

(Beifall bei der LINKEN)

zumal Ihr Koalitionsvertrag etwas anderes besagt. Ich zitiere auch hierzu:

„Mehr als 25 Jahre nach der Deutschen Einheit müssen die Unterschiede im Rentenrecht endlich abgeschafft und noch bestehende Ungerechtigkeiten gegenüber Ost-Rentnern beseitigt werden.“

Wie wollen Sie das denn tun, wenn Sie keine eigenen Strategien verfolgen wollen, frage ich Sie. - Auch hierzu kann ich sagen, dass die Untätigkeit der Landesregierung und der Koalition für uns unerträglich ist. Es gab in den letzten Monaten genug Anträge unserer Fraktion, die einen ersten Schritt signalisiert hätten, um Rentenungerechtigkeit abzubauen und die Altersarmut abzumildern.

Was haben Sie getan? - Anträge abgelehnt oder in den Ausschuss überwiesen. Wenn die Anträge dann im Sozialausschuss behandelt werden sollen, kommt aus den Reihen der Koalition der Antrag auf Verschiebung des Themas auf eine der folgenden Sitzungen mit der Begründung, man wolle abwarten, was der Bund in Sachen Grundrente regele.

Genau das wollten wir mit unseren Anträgen erreichen: dass aus dem Land Sachsen-Anhalt an die Bundesebene ein klares Ziel und ein klares Signal der Forderung nach Abbau der Rentenungerechtigkeit ergehen. Was wird getan? - Nichts.

(Beifall bei der LINKEN)

Das kann nicht sein, liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete. Wie ernst nehmen Sie denn das Thema „Altersarmut“ in Sachsen-Anhalt? Ganz spontan würden mir Maßnahmen einfallen, die eine finanzielle Entlastung vieler Seniorinnen und Senioren mit sich bringen könnten. Seniorentickets landesweit oder Investitionen in den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor zum Beispiel.

Aber ich möchte nicht nur kritisieren, sondern auch anmerken: Es gab in den Antworten auch Positives zu berichten. So die Entwicklung der Hospizarbeit, die weiter vorangetrieben werden muss. Auch die Ablösung des Bundesheimgesetzes wurde umgesetzt. Na ja, immerhin.

Fazit unsererseits ist: Die Landesregierung Sachsen-Anhalts betreibt eine unzureichende Politik für Seniorinnen und Senioren. Dies will die LINKE ändern und wird als Fortschreibung bzw. Alternative zu den bisherigen seniorenpolitischen Programmen - da Sie auch hierzu sagten, dass Sie noch nicht wissen, wie es damit weitergehen soll - einen seniorenpolitischen Maßnahmenplan in den Landtag einbringen.

Andere Bundesländer zeigen uns schon heute, wie es gehen kann und wie umfangreich die Möglichkeit zur Ausgestaltung einer nachhaltigen Seniorenpolitik sein kann. Dem müssen wir uns anschließen, um der älteren Generation die Wertschätzung entgegenzubringen, die es braucht, um die Lebensleistung dieser Menschen zu honorieren und ihnen ein würdevolles Leben

im Alter inmitten unserer Gesellschaft zu garantieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Frau Ministerin Grimm-Benne, noch einige Worte an Sie. Ich hoffe, Sie nehmen die harsche Kritik nicht persönlich. Denn ich muss sagen, man kann nur das umsetzen, wofür man auch die finanziellen Mittel hat. Diesbezüglich sehe ich das Manko nicht bei Ihnen, sondern ganz klar beim Finanzministerium, welches dem Sozialen in diesem Land nicht die notwendige Bedeutung beimisst, die es haben sollte. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sehe keine Fragen. Ich danke Frau Bahlmann für die einführenden Worte. - Wir fahren in der Debatte fort. Für die Landesregierung spricht Ministerin Frau Grimm-Benne. Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Herzlichen Dank, Herr Vizepräsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sehr geehrte Frau Abg. Bahlmann, vor nunmehr elf Jahren hat das Sozialministerium ein seniorenpolitisches Programm mit dem Namen „,Aktiv und selbstbestimmt‘ - Altenhilfe und Pflege im Land Sachsen-Anhalt bis zum Jahr 2020“ veröffentlicht. Es war im Jahr 2008 sicher sehr ambitioniert, ein Konzept für das Land bis zum Jahr 2020 zu beschreiben. Seitdem haben sich - Sie haben es schon erwähnt - nicht nur auf Bundesseite, sondern auch im Land die Rahmenbedingungen erheblich verändert.

Dieses seniorenpolitische Programm hat Ihre Fraktion bereits im Jahr 2013 zum Thema einer Großen Anfrage an die Landesregierung gemacht. Auch schon mein Vorgänger Herr Minister a. D. Norbert Bischoff hat darauf hingewiesen, dass das Programm von vornherein kein Maßnahmenkatalog der Landesregierung ist und war, der Punkt für Punkt abzuarbeiten ist. Er hat damals gesagt, das Programm formuliert vielmehr vorrangig Leitlinien für die Gestaltung der Seniorenpolitik, der Altenhilfe und Pflege und versteht eine zukunftsorientierte Seniorenpolitik in erster Linie als Querschnittsaufgabe verschiedener Politikbereiche.

Denn Seniorenpolitik liegt in der Verantwortung verschiedener Ebenen unter Einbeziehung einer Vielzahl von Akteuren. Seniorenpolitik findet zuallererst in den Kommunen vor Ort statt und liegt damit vorrangig in der kommunalen Zuständigkeit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Aufgabe des seniorenpolitischen Programms war und ist es, für alle Akteure im Land neue Wege aufzuzeigen, wie wir von einer ausschließlich vorsorgenden Sicherungspolitik zu einer umfassenden Nutzung der vielfältigen Potenziale des Alterns kommen.

Sie haben mir gesagt, dass ich mit der Landesseniorenvertretung zumindest einen Dialog führe. Ich darf einmal die Vorsitzende der Landesseniorenvertretung zitieren. Sie hat gesagt: Es geht in der Seniorenpolitik nicht nur um Rente oder Pflege. Es geht um die aktive und selbstbestimmte Gestaltung des Lebens im Alter.

Darauf hat sie besonders aufmerksam gemacht. Sie wollte sich nicht nur auf geriatrische Versorgung, Pflege und Altenhilfe reduziert wissen, sondern es ging im Wesentlichen darum, eine selbstbestimmte Gestaltung des Lebens im Alter hinzubekommen.

Ich sage immer: Beides schließt einander nicht aus. So sind beispielsweise stationäre Pflegeeinrichtungen als Wohnform für viele ältere Menschen zwar gesonderte Einrichtungen, sie sind aber nach wie vor für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen notwendig. Es muss eben auch dafür Sorge getragen werden, dass diese Einrichtungen nicht separiert vor Ort bestehen, sondern in das Leben der Gemeinschaft vor Ort integriert sind. Das Land kann die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dies zu ermöglichen.

Frau Bahlmann, dass Sie die runden Tische zur Pflege, die wir in jeder Region durchführen und zu denen wir alle Seniorenvertretungen vor Ort einladen, in Ihrem Beitrag ausgenommen haben, zeigt mir, dass Sie den Dialog, den wir als Landesregierung und Koalition neu führen, entweder nicht verstehen wollen oder ihn einfach ausgeblendet haben.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Aktiv zu leben heißt für ältere Menschen, sich mitgestaltend in die Gesellschaft einbringen zu können. In dieser Phase des Lebens, in der das Berufsleben immer weniger eine Rolle spielt, bietet sich das Ehrenamt wieder und erstmals besonders dafür an.

Sie haben es erwähnt, mit Modellprojekten wie Kinder-Eltern-Zentren, Familienpaten oder Engagementlotsen ist es gelungen, das ehrenamtliche Potenzial von älteren Menschen zu fördern und örtliche Netzwerkstrukturen zu schaffen, die nachbarschaftliche Hilfe und Unterstützung ermöglichen.

Mit dem Engagement von Seniorinnen und Senioren kann auch dem steigenden Beratungs- und

Unterstützungsbedarf älterer Menschen begegnet werden.

Beratung und Unterstützung nicht nur älterer Menschen ist Aufgabe des Verbraucherschutzes; Sie haben es erwähnt. Der Verbraucherschutz wurde in der Pressemitteilung der Fraktion DIE LINKE richtigerweise als eines der wichtigsten Themen für viele Seniorinnen und Senioren identifiziert. DIE LINKE stellt fest - das haben Sie auch in Ihrem Redebeitrag getan -, dass seit 2013 keine Verstärkung des Verbraucherschutzes stattgefunden hat. Das möchte ich in keiner Weise so stehen lassen.