Wenn wir nicht seit Jahren über ein Azubi-Ticket und über Berufsschulstandorte im Land reden würden, würde ich dem Bildungsministerium nur unterstellen, sich keine Gedanken über die Auswirkungen der Richtlinie gerade im ländlichen Raum gemacht zu haben. Ich muss aber davon ausgehen, dass diese Richtlinie im vollen Bewusstsein der damit einhergehenden Ungerechtigkeiten geschrieben wurde, allein aus Kostengründen und wegen des Geschachers um das Azubi-Ticket.
Herr Tullner, denken Sie bei Ihren Entscheidungen irgendwann einmal an die jungen Menschen hier im Land? - Wir sprechen über Fachkräftemangel. Die Kammern mahnen an, dass Betriebe gerade im Handwerk viel mehr Aufträge annehmen könnten, wenn sie das Personal dafür hätten, und hier im Landtag interessieren die Kosten mehr als die Entwicklung unserer Jugend.
Ich weiß, dass Sie nachher genau mit den Kosten argumentieren werden. Sie haben ja im Bildungsausschuss den „Dritten Teilbericht zur Entwicklung eines an die demografischen Entwicklungen angepassten Berufsschulnetzes“ vorgestellt. In neun Varianten hat das Bildungsministerium durchgerechnet, wie mit den in den Haushalt eingestellten Mitteln in Höhe von 3 Millionen € hinzukommen wäre.
Ich würde trotzdem jede Wette eingehen, dass diese 3 Millionen € in diesem Jahr nicht abfließen werden. Die Rückwirkung zum 1. Februar 2019 wird kaum greifen, wenn nicht das Bildungsministerium eine Werbekampagne in den Berufsschulen startet. Denn wer erwartet denn im zweiten Ausbildungsjahr noch Geld aus einer Regelung, die es gerade neu gibt und die nur für Auszubildende im ersten Ausbildungsjahr gilt?
In der aktuellen Ausgabe der IHK-Zeitung gibt es eine ganze Seite Informationen zu den Neuregelungen dieser Richtlinie mit der Überschrift „RabAz für Azubis“ - klasse geschrieben -, darin wird auf die Möglichkeit der rückwirkenden Beantragung aber nicht ausdrücklich hingewiesen.
Bei der ganzen Hin- und Herrechnerei und den neun Varianten hat das Bildungsministerium anderweitige gesetzliche Regelungen, zum Beispiel einen möglichen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe, völlig ignoriert. Die Jugendlichen bekommen nämlich in der Berufsausbildung die Fahrtkosten vom Bund erstattet.
Wenig durchdacht, ungerecht, niemandem auf der Straße zu erklären - so darf eine Richtlinie nicht aussehen, die ursprünglich dafür sorgen sollte, Jugendlichen den Weg ins Berufsleben zu erleichtern. Wir wollen die Fahrtkostenmittel in Höhe von 3 Millionen € gerechter aufteilen. Darum stellen wir den vorliegenden Antrag. Ich fasse noch einmal zusammen:
Erstens. Lassen Sie uns das Wort „auswärtige“ komplett aus der Richtlinie streichen, sodass alle betrieblichen Auszubildenden die Fahrtkostenerstattung bekommen.
Zweitens. Streichen wir Punkt 4.2 aus der Richtlinie, damit auch die Auszubildenden im zweiten, dritten und vierten Ausbildungsjahr nicht schlechter gestellt werden.
Sehr geehrte Damen und Herren! Stimmen Sie unserem Antrag zu und fahren Sie nachher in dem Bewusstsein nach Hause, die Welt damit ein bisschen gerechter gemacht zu haben. - Vielen Dank.
Ich sehe keine Fragen. Damit danke ich Frau Hildebrandt für die Einbringung des Antrages. - In der Debatte ist eine Redezeit von drei Minuten je Fraktion vorgesehen. Für die Landesregierung spricht Herr Minister Tullner. Herr Tullner, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Blick auf den Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 15. Mai 2018 mit dem Titel “Landesweites Azubi-Ticket einführen - Gerechtigkeit bei Fahrtkosten für alle Auszubildenden und Studierenden“ verwundert mich der nun vorliegende Antrag schon sehr.
In der Begründung zum Antrag forderten Sie die Landesregierung damals auf, kurzfristig die Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen für Auszubildende zu den Kosten der auswärtigen Unterbringung sowie zu Fahrtkosten aus Anlass des Besuchs einer auswärtigen Berufsschule anzupassen und finanziell aufzustocken, um mehr Gerechtigkeit herzustellen.
Mit der Inkraftsetzung der überarbeiteten Förderrichtlinie zum 1. Februar 2019 - - Ich erinnere daran, dass Sie mich hier einmal „auf dem heißen Stuhl gegrillt haben“. Ich habe extra noch nachgesehen, dass es rückwirkend war. Man kann es im Plenarprotokoll nachlesen; deshalb ist die Öffent
lichkeit, glaube ich, an dieser Stelle wohlinformiert. - Jetzt habe ich meinen Faden verloren, einen Moment.
Mit der Inkraftsetzung der überarbeiteten Förderrichtlinie zum 1. Februar 2019 wurde der Aufforderung des Landtags entsprochen, bei einem verpflichtenden Besuch einer auswärtigen Berufsschule und der Unterbringung die Mehrkosten der Auszubildenden ausreichend auszugleichen.
Der Kostenrahmen wurde von zuvor 120 000 auf 3 Millionen € erhöht. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel im ersten Ausbildungsjahr eine Fahrtkostenpauschale zu erhalten, wenn eine auswärtige Berufsschule ohne Übernachtung besucht werden muss.
Vor Veröffentlichung - ich betone: vor Veröffentlichung - der neuen Förderrichtlinie wurde diese im Rahmen des Konzepts „Berufsschulen als Motoren des dualen Systems weiter stärken“ im Februar 2019 dem Ausschuss für Bildung und Kultur des Hohen Hauses vorgestellt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir die Niederschrift über die 31. Sitzung mit Blick auf den vorliegenden Antrag noch einmal genau angeschaut und bin doch sehr erstaunt. Von den Mitgliedern des Ausschusses einschließlich der Fraktion der LINKEN sprach keiner, aber auch keiner von einer ungerechten Förderung. Das Konzept wurde mit Förderrichtlinie vom Ausschuss bestätigt. Vor diesem Hintergrund überlasse ich Ihnen die Bewertung des jetzigen Aufschreies ganz allein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Antrag will die Fraktion DIE LINKE die Berufsschulrichtlinie zu einem Azubi-Ticket umwandeln. So einfach geht dies jedoch nicht. Die Förderrichtlinie hat eine ganz andere Ausrichtung als das Azubi-Ticket. Mein Kollege Herr Webel hat Ihnen den Preis für die Einführung des AzubiTickets für die ca. 27 000 Auszubildenden genannt, nachzulesen im Stenografischen Bericht über die Sitzung des Landtags am 23. Mai dieses Jahres.
Die Argumente zum Azubi-Ticket sind hinreichend ausgetauscht worden, letztmalig in der 23. Sitzung des Landtags am besagten 23. Mai, als sich das Hohe Haus mit dem Antrag der AfD-Fraktion zur kurzfristigen und zeitnahen Einführung eines Azubi-Tickets befasste. Dieser Antrag wurde abgelehnt, auch von der Fraktion DIE LINKE.
Die Vorteile eines Azubi-Tickets und die Positionen der Fraktionen sind allen bekannt. Mit der überarbeiteten Förderrichtlinie hat die Landesregierung den ersten Schritt zur finanziellen Entlastung von jungen Menschen getan. Derzeit befasst sich eine interministerielle Arbeitsgruppe
unter Federführung des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr mit der Verbesserung der Mobilität von Auszubildenden in SachsenAnhalt. Die Ergebnisse liegen jedoch noch nicht vor.
Ihr eingangs erwähnter Antrag vom 15. August 2018 wird in den Ausschüssen für Arbeit, Soziales und Integration, für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung, für Landesentwicklung und Verkehr sowie für Bildung und Kultur nunmehr diskutiert. Die inhaltliche Auseinandersetzung braucht Zeit; denn es reicht nicht, das eine oder andere Wort in der Richtlinie zu streichen. - Vielen Dank.
Herr Minister, ich möchte nur etwas richtigstellen, damit es nicht den Verdacht gibt, dass wir uns im Ausschuss nicht intensiv damit beschäftigt hätten. Ich kann mich entsinnen, dass in diesem dritten Bericht mehrere Vorschläge standen, wie es Frau Hildebrandt gesagt hat. Wir haben diese neun verschiedenen Varianten nicht diskutiert, weil wir noch keine Richtlinie vorliegen hatten. Demzufolge konnten wir uns auch nicht dazu positionieren, was Sie in Ihre Richtlinie aufnehmen werden.
Die Richtlinie haben wir erst in der Sommerpause erhalten, deshalb konnten wir uns auch jetzt erst dazu äußern. Also, ich möchte nicht, dass der Verdacht vorhanden ist, dass wir uns nicht mit diesem Thema auseinandergesetzt hätten. Es ging vielmehr lediglich darum, dass es neun Varianten seien und geprüft werden sollte, welche die optimale ist. Dass dies nun wahrscheinlich nicht die optimale ist, hat Frau Hildebrandt an ihrem Beispiel erläutert.
Das war eigentlich keine Frage, aber ich nehme trotzdem die Gelegenheit wahr, darauf zu reagieren. - Wir können uns jetzt nicht unterstellen lassen, was wir nicht gemacht haben. Das möchte ich ausdrücklich auch nicht tun. Aber ich muss schon sagen, man kann immer Handlungen und Formulierungen der Landesregierung kritisch hinterfragen, zumal als Opposition.
Aber ich darf auch sagen, ich finde es ein wenig ungerecht. Der Wille des Hohen Hauses, sich beim Thema Azubi-Ticket etwas einfallen zu las
sen, ist ja nun klar und deutlich dokumentiert. Nun bin ich Teil der Landesregierung, die in Vorleistung gegangen ist, um hierbei einen ersten Schritt zu machen. Ich habe keine jubelnden Begeisterungsstürme von Ihnen erwartet. Aber dass es nun in Bausch und Bogen verurteilt wird - -
Wenn man sich nochmals die Ausführungen von Herrn Gallert in Erinnerung ruft, so hätte es auch ein bisschen weniger und eine Rede ohne den moralischen Ton des Abscheus und der Empörung getan. Denn ich glaube, dass die Richtlinie vielleicht nicht allen hilft, aber sie ist ein attraktives Angebot, und ich bin überzeugt davon, sie wird auch angenommen. - Vielen Dank.
Ich sehe keine weiteren Fragen. Damit danke ich Herrn Minister Tullner für die Stellungnahme der Landesregierung. - Für die SPD-Fraktion hat nun der Abg. Herr Steppuhn das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin mit meiner Fraktion auch schon ein wenig erstaunt darüber, was Herr Minister Tullner hier vorträgt. Mir ist auch nicht bekannt, dass Landtagsausschüsse Richtlinien wie die Fahrtkostenrichtlinie, die ja eine Verordnung ist, bestätigen oder beschließen müssen. Das ist immer noch Aufgabe des zuständigen Ministeriums.
Ich mache auch keinen Hehl daraus, dass uns als SPD-Fraktion die Richtlinie, wie sie gestrickt ist, auch nicht gefällt, insbesondere der Tatbestand, dass das zweite und dritte Ausbildungsjahr völlig leer ausgehen.
Herr Minister Tullner, diese Richtlinie ist auch Bestandteil einer Kleinen Anfrage, die die Kollegin Angela Kolb mit mir zusammen gestellt hat, in der es auch um den Mittelabfluss gemäß dieser Richtlinie geht. Ich sage Ihnen: Wenn diese Anfrage so ausgeht, dass diese 3 Millionen € weitestgehend nicht abfließen, dann bekommen wir in diesem Haus miteinander mächtigen Ärger.
Dies ist Geld, das den jungen Menschen zusteht, um ihre Ausbildung und ihre Fahrtkosten zu bestreiten, und wir möchten, dass es auch ankommt; denn es hat etwas damit zu tun, dass Berufsausbildung attraktiv ist.
Ich denke, die Weichen sind gestellt. Die Aufgabe bei den Haushaltsberatungen wird es sein, hierfür die entsprechenden Mittel in den Haushalt einzustellen. Ich glaube, gerade das Thema „Attrakti
vität der Berufsausbildung“ und die Fahrtkosten, die in diesem Zusammenhang bestritten werden müssen, sind ein Beispiel für die mit der Ausbildung im Zusammenhang stehenden Probleme.
Mir ist erst dieser Tage ein Beispiel genannt worden. Ein auszubildender Landwirt aus Körbelitz, unweit von hier, wird von seinem Arbeitgeber für vier Wochen für eine außerbetriebliche Berufsausbildung nach Iden entsandt. Dort muss er untergebracht werden und ihm entstehen Fahrtkosten. Dies muss er mit einer Ausbildungsvergütung in Höhe von 300 € bestreiten, meine Damen und Herren.
Es gibt also nicht nur die Beispiele, die Kollegin Hildebrandt genannt hat, sondern viele andere Beispiele, die uns im Land bekannt sind. Diese Beispiele machen deutlich, dass wir nicht nur eine Fahrtkostenrichtlinie brauchen, die gut ausgestattet ist und die für alle gilt und für alle greift, sondern auch das Azubi-Ticket. Die Auszubildenden haben einen Anspruch darauf, dass wir sie unterstützen.
Ich denke, die Beschlusslage des Landtages hierzu ist sehr eindeutig. Deshalb erwarten wir von den zuständigen Ministern, also von der Landesregierung, dass diese möglichst gut umgesetzt wird. Weil das so ist, haben wir uns dazu entschlossen, diesen Antrag nicht abzulehnen, sondern ihn an den Bildungsausschuss zu überweisen, damit darüber im Detail geredet werden kann. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Steppuhn, es gibt eine Frage. Herr Tullner hat sich auf einen Abgeordnetenstuhl gesetzt und hat jetzt eine Frage.