Protokoll der Sitzung vom 02.09.2016

Wenn ich mich recht entsinne, haben zwei der drei Koalitionsparteien vor der Wahl eine Senkung des Wahlalters gefordert.

Aber gut, ich will Ihnen versichern: Wir können uns an Ihre früheren Forderungen erinnern und werden die Forderung, die sich auch in unserem Wahlprogramm findet, gern zu passender Gelegenheit anbringen.

Jetzt zum Beispiel: Die einfachste Art, junge Menschen zu beteiligen, ist, ihnen die Möglichkeit zu geben, mitzubestimmen, wer sie in den Parlamenten vertritt, zu entscheiden, wem sie zutrauen, ihre Interessen zu vertreten, wen sie verstehen und wer sie versteht. Das Schöne ist, es kostet gar nicht viel Geld, aber man braucht einen ehrlichen Willen, echtes Interesse und Durchhaltevermögen. Ich glaube, das wollen Sie gar nicht.

Zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch zum Highlight des Antrages: ein Preis für vorbildliche Kinder- und Jugendbeteiligung. Ich glaube zu wissen, welche Fraktion diese Idee eingebracht hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Land braucht keinen weiteren Preis. Nicht noch eine kurz gedachte Förderung, nicht noch mehr Konkurrenz, Konzeptgeschreibe, Bewerbungen, kurzfristige kleine Finanzspritzen. Jugendbeteiligung braucht Strukturen, Menschen und Verlässlichkeit.

Vieles im Koalitionsvertrag wird sicher der Finanzknappheit des Landes zum Opfer fallen. Wenn darunter der Wettbewerb ist, dann bin ich nicht böse.

Vielleicht können Sie sich in der Koalition so einigen, dass diejenigen, die Ahnung von Jugend haben, dazu sprechen, und die anderen machen halt irgendetwas anderes. Das würde uns auf jeden Fall weiterbringen und erspart uns viel Geld und Kraft.

Da Frau Lüddemann und auch die Ministerin schon gesagt haben, sie würden gern weiter darüber diskutieren, würde ich gern den Antrag stellen, dass beide Anträge an den Sozialausschuss überwiesen werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Frau Heiß. Es gibt auch hierzu keine Nachfragen. - Es geht gleich weiter. Für die SPDFraktion spricht Frau Dr. Späthe.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Der vorliegende Antrag greift folgende Passage unseres Koalitionsvertrags auf:

„Junge Menschen sind nicht nur die Zukunft und nicht nur die Fachkräfte von morgen, sondern stets vollwertige Mitglieder unseres politischen Gemeinwesens. Das kinder- und jugendpolitische Programm des Landes ist in Zusammenarbeit mit dem Kinder- und Jugendring Sachsen-Anhalt und den jungen Menschen gemeinsam weiterzuentwickeln. Wir empfehlen den Kommunen, eine Beteiligung junger Menschen bei Vorhaben, die deren Interessen und Lebenswelt betreffen, zu ermöglichen.“

Genau das wollen wir nunmehr umsetzen. Dabei ist uns bewusst, dass das Einstellen finanzieller Mittel allein nicht reicht. Bereits in der letzten Legislaturperiode - es wurde schon erwähnt - wurde der Landeskinder- und Jugendring bei der Durchführung der Projekte „Jugendpolitisches Programm“ und „Jugend macht Zukunft“ gefördert.

Dazu sind zwei Anmerkungen zu machen. Erstens begreifen wir das Erarbeiten eines jugendpolitischen Programms als fortwährenden Prozess, der, wie in den letzten Jahren schon begonnen, im intensiven Dialog mit jungen Menschen erfolgen muss. Der Landeskinder- und Jugendring ist hierbei ein wichtiger Partner, dessen Präsenz aber in allen Landkreisen Sachsen-Anhalts erreicht und spürbar werden muss.

Zweitens. Unser Ziel ist es, die politische Mitwirkung der jungen Generation zu erhöhen. Das heißt, nicht nur die Möglichkeiten sind zu erweitern, sondern vor allem deren Inanspruchnahme durch die Jugendlichen. Und das ist nicht mit Geld zu kaufen.

Politisches Mitwirken setzt voraus, dass die Menschen bereit und dazu in der Lage sind. Die Vermittlung demokratischer Strukturen und Spielregeln sollte deshalb in der Tat in der frühsten Jugend beginnen, damit sich Kinder bewusst werden, dass sie Akteure sein können und nicht bloß Gehorchende. Das ist für alle Beteiligten sehr anstrengend und wird auch oft sehr skeptisch betrachtet. Ich sage nur: Demokratiebildung in der Krabbelgruppe.

(Minister Marco Tullner: Oh, das ist aber früh!)

Bildung in den Kindertagesstätten ist die Basis für den Bestand der demokratischen Kultur, schrieb schon 2006 die Sozialministerin von SchleswigHolstein. Sie haben dort ein Landesprojekt aufgelegt, das den Namen trug: „Die Kinderstube der Demokratie“.

Kindliche Partizipation legt die Grundlage für gesellschaftliche Teilhabe und Mitwirkung. Dass in Sachsen-Anhalt durchaus noch Handlungsbedarf besteht, zeigen uns die Erfolge bzw. Nichterfolge

der Bemühungen in der Praxis. Ich möchte das an einem Beispiel darlegen.

Im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben“ wird das Projekt „Jugendforum“ gefördert. Träger dieses Projekts in unserem Landkreis, im Saalekreis, ist in Merseburg die Geschichtswerkstatt. Zeitgleich zu meiner Rede läuft im dritten Anlauf in Merseburg die Jugendkonferenz „Jugend engagiert im Saalekreis“ mit einer immer noch ausbaufähigen Resonanz. Ich sage nicht ohne Absicht: im dritten Anlauf.

Der erste Versuch zur Einberufung einer Jugendkonferenz im Jahr 2015 blieb fast ohne jegliche Resonanz und damit erfolglos. Im Frühjahr dieses Jahres versuchte die Geschichtswerkstatt mit einem anderen Format, Kinder und Jugendliche für die Mitwirkung zu interessieren. Dezentrale Veranstaltungen an verschiedenen Orten, Informationen durch Flyer und über soziale Netzwerke wurden angeboten. Die Resonanz blieb aus.

Nunmehr im dritten Anlauf haben die Organisatoren in Kooperation mit der regionalen Koordinierungsstelle „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ gezielt Schulen und Verbände angesprochen, die sich bereits engagieren. Der Anmeldungsstand gestern war angemessen.

Das bedeutet aber, dass in Schulen und Einrichtungen, wo Jugendliche bereits die Erfahrungen von Mitwirkung und Teilhabe machen konnten, das Interesse am Engagement größer ist. Wir brauchen aber interessierte Kinder und Jugendliche; denn es ist nun einmal so: Sie sind unsere Zukunft.

Deshalb brauchen wir die Unterstützung für Kommunen, Vereine und Verbände beim Schaffen von Erfahrungswelten und Strukturen, in denen Kinder und Jugendliche sich aktiv und erfolgreich in die Mitgestaltung ihres Umfeldes einmischen können, auch wenn das für das Umfeld von Eltern, Großeltern, Erziehern, Lehrern usw. sehr anstrengend sein kann.

Deshalb brauchen wir ein landesweites und professionell agierendes Kompetenzzentrum, das als eine große Aufgabe die Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung für dieses Thema vor sich haben wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank. - Zum Abschluss der Debatte spricht noch einmal Frau Lüddemann zu uns.

Vielen Dank. - Ich habe überlegt, ob ich auf den ersten Beitrag in dieser Debatte noch einmal eingehe. Aber ich will ganz klar - das ist mir ein Be

dürfnis - noch einmal sagen: Teil der Willensbildung in diesem Land sind durchaus auch Verbände, Vereine und Kirchen. Solange sie sich auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen, ist es nicht an uns als Politiker zu bewerten, wer jetzt welche Aufgabe übernimmt.

Ideologie in Kitas, so wie Sie es beschrieben haben, kann ich nicht erkennen. Ich kann erkennen, dass wir ein bundesweit anerkanntes, bundesweit hochgelobtes Bildungsprogramm haben, welches von der Martin-Luther-Universität entwickelt wurde.

Insgesamt, muss ich sagen, mache ich mir so ein bisschen Sorgen über Ihre Paranoia dem Kinder- und Jugendring gegenüber; anders kann ich das gar nicht mehr bewerten. Angst vor freier Meinungsäußerung

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

müssen Sie da nicht haben, und dass die Kinder und Jugendlichen eine freie Meinungsbildung in Ihre Richtung entwickeln könnten - - Ich verstehe es nicht. Das ist besorgniserregend, was Sie da ablassen.

(Beifall bei den GRÜNEN - André Poggen- burg, AfD: Haben Sie doch aber auch!)

Sie scheinen nur mit Kinder- und Jugendverbänden umgehen zu können, die einen klar strukturierten Auftrag haben. Wenn es einmal darum geht, dass Kinder und Jugendliche sich tatsächlich frei äußern, dann haben Sie immer Probleme.

(André Poggenburg, AfD: Nein! Das kennen wir woanders her!)

Grundsätzlich kann ich versichern, dass wir natürlich - das habe ich vorhin auch schon gesagt - auf dem Bestehenden aufbauen werden, weil wir sehr wertschätzen, was in der Vergangenheit gelaufen ist. Deswegen habe ich auch explizit noch einmal erwähnt, dass wir Strukturen natürlich sichern müssen.

Kollegin Heiß, Sie haben aber auch gesagt, dass es vieles gibt, was keiner kennt, was keiner weiß, was noch nicht in dem Maße genutzt wird, wie es sinnvoll wäre, wie es nötig wäre, dass es noch besser koordiniert werden müsste. Genau deswegen glauben wir, dass das alles in einem Kompetenzzentrum gebündelt werden kann. In der Weise, dass dieses Kompetenzzentrum nicht alles selber machen soll, dass dieses Kompetenzzentrum aber vernetzen soll, verteilen soll, Beispiele geben soll, diese Beispiele verbreiten soll, insbesondere auch für die Kommunen.

Da freue ich mich, dass jetzt Herr Theel wieder oben auf der Tribüne ist. Sie wurden vorhin schon vermisst, weil wir gesagt haben: Es wäre schön,

wenn die kommunalen Spitzenverbände sich nicht nur dem Thema KiFöG, sondern auch dem, was das Land in anderen Bereichen zur Verfügung stellt, widmen. Schön, dass Sie den Teil der Debatte doch noch mitbekommen konnten.

(Beifall bei den GRÜNEN - Minister Marco Tullner: Keine Zwiesprache mit dem Publi- kum! Das ist nicht erlaubt!)

Damit wären wir erst einmal am Ende der Debatte. Ich will die Kollegin Lüddemann darauf hinweisen, dass die Begrüßung von Gästen auf unseren Tribünen ausschließlich von diesem Platz hier vorne zu erfolgen hat, aber wir sind ja alle noch in einem gewissen Lernprozess.

Jetzt frage ich einmal: Ich weiß nicht, möglicherweise habe ich es überhört, aber ich habe bisher noch keinen Überweisungs - -

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Doch, von der Fraktion DIE LINKE! Liegt vor!)

Frau Heiß, ich habe schon die ganze Zeit überlegt, ob ich Sie vorhin dafür kritisiere, dass Sie so leise gesprochen haben. Ich habe es eben nicht verstanden.

(Kristin Heiß, DIE LINKE: Entschuldigung, Herr Gallert!)

- Gut. Offensichtlich haben wir einen Überweisungsantrag. Der Überweisungsantrag würde sich beziehen auf den Ursprungsantrag und den Alternativantrag. Welcher Ausschuss soll es werden?

(Kristin Heiß, DIE LINKE: Soziales!)

- Der Sozialausschuss. Darin steckt eine gewisse Logik.

Dann würde ich über diesen Überweisungsantrag zuerst abstimmen lassen. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um sein Kartenzeichen. - Wer ist dagegen? - Das ist offensichtlich nicht so. Das heißt, ausschließlich die Fraktion DIE LINKE hat dem Überweisungsantrag zugestimmt. Die Koalition und, ich glaube, auch die AfD-Fraktion sind dagegen.

Damit kommen wir in die Direktabstimmung. Zuerst stimmen wir über den Ursprungsantrag der Koalitionsfraktionen ab. Wer dem seine Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um sein Kartenzeichen. - Das sind die drei Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das ist die AfD-Fraktion. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Damit ist der Ursprungsantrag der Koalitionsfraktionen angenommen worden und der Alternativantrag der Fraktion DIE LINKE ist hinfällig.