Protokoll der Sitzung vom 02.09.2016

Wir haben damit aber unsere Forderungen, die öffentlichen Haushalte zukünftig gemeinsam zu decken und nicht den einen Haushalt auf Kosten der anderen Haushalte auszugleichen, Gestalt gegeben.

Wir wissen, dass es in der nächsten Zeit noch weitere Schritte zur Umsetzung der ambitionierten Vorgaben des Koalitionsvertrages bevorstehen. Neben weiteren Finanzmitteln müssen wir noch den Anreiz zur Eigenkonsolidierung der kommunalen Haushalte stärken und finanzschwache Kommunen - Herr Knöchel sprach es an - in das System implementieren. Der Koalitionsvertrag gibt da einige Ausblicke.

Auch diese Schritte werden, zumindest was die Finanzen angeht, nicht leicht, weil wir eben nicht nur Allgemeinplätze formuliert haben, sondern - so vielfältig die Koalition auch ist - mit einem eigenen engagierten gemeinsamen Gestaltungswillen gestartet sind.

So selbstbewusst ich als GRÜNER sage, dass wir hier die landespolitische Kurskorrektur vollziehen, die wir Bündnisgründen in der vergange

nen Legislaturperiode eingefordert haben, so deutlich muss man auch sagen, dass diese millionenschwere Kraftanstrengung nur möglich ist, weil sie gemeinsam von allen drei Koalitionären als wichtige und notwendige Weichenstellung verstanden, eingefordert, mitgetragen und durchgesetzt wird.

Wenn man dann nach diesen ganzen Kraftanstrengungen schweißnass als braver Koalitionär in der Öffentlichkeit die Einschätzung lesen muss, es sei noch nichts passiert - so war aus den Reihen der Opposition zu hören -, muss ich sagen, diese Koalition hat für die kommunale Finanzausstattung in der ersten Sommerpause mehr erreicht als andere in ganzen Legislaturperioden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der CDU und bei der SPD)

Aber richtig ist, es liegt noch eine ganze Menge Arbeit vor uns. Lassen Sie uns heute den ersten Schritt gehen. Ich bitte um Zustimmung.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der CDU und bei der SPD)

Ich sehe keine Wortmeldungen mehr. Deswegen können wir sofort in die Beschlussfassung eintreten. Ich stelle den Gesetzentwurf in der Drs. 7/273 zur Abstimmung, den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes. Ich würde in einer Abstimmung über alle selbstständigen Bestimmungen und Überschriften abstimmen lassen. Gibt es dagegen Einwände? - Das ist nicht der Fall.

Wer dieser Beschlussempfehlung zustimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Somit ist der Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung einstimmig angenommen worden.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

- Wir lassen natürlich auch Zeit für Beifall. - Damit ist der Tagesordnungspunkt 10 abgeschlossen.

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 20

Erste Beratung

Sonn- und Feiertagsarbeit darf nicht Normalität werden

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/263

Alternativantrag Fraktionen CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 7/303

Einbringer dieses Antrages ist der Abg. Herr Höppner für die Fraktion DIE LINKE. Herr Höppner, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Einige Ältere unter Ihnen oder vor allem die Gewerkschafter erinnern sich noch an den Spruch „Am Samstag gehört der Vati mir!“.

In den 50er-Jahren gab es für die Arbeitnehmer keinen freien Samstag. Arbeiter, Angestellte und Beamte arbeiteten sechs Tage in der Woche täglich acht Stunden und mehr. Mit dem Slogan kämpften sie ab dato für eine Arbeitszeitverkürzung, für eine bessere Verteilung der Arbeitszeit, letztlich für humanere Arbeitszeiten und vor allem für freie Wochenenden.

Jetzt, mehr als 60 Jahre danach, haben die Beschäftigten wieder ein anderes, ein großes Problem auf dem Tisch, das Problem, dass es mittlerweile leider in vielen Branchen Normalität geworden ist, an Sonn- und Feiertagen arbeiten zu müssen, obwohl eigentlich auch das Grundgesetz den Sonn- und Feiertagsschutz garantiert.

Damals ging es um den freien Samstag und um die Fünftagewoche. Heute sind wir leider auf dem Weg in die Rund-um-die-Uhr-Arbeit einer Siebentagewoche. Der Samstag ist nahezu zum Regelarbeitstag geworden, und scheinbar sind jetzt auch die Sonn- und Feiertage daran, ihrerseits Regelarbeitstage zu werden.

Jetzt werden sicher einige gleich rufen oder denken, das stimmt doch so nicht; wir haben doch trotzdem die Fünftagewoche, nur dass eben auch an Sonn- und Feiertagen gearbeitet wird, dafür aber an einem anderen Wochentag frei ist. Es ist doch eigentlich egal, wann man frei hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist es eben nicht. Es hilft nämlich überhaupt nicht, wenn zum Beispiel die Kinder am Wochenende zu Hause sind, der Vater jedoch erst Dienstag oder die Mutter am Mittwoch frei hat. Das, meine Damen und Herren, widerspricht dem Grundsatz der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei der AfD)

Noch schwieriger ist das Ganze übrigens für Alleinerziehende. Sie benötigen für ihre Kinder, mit denen sie den Sonn- oder Feiertag wegen Arbeit gerade nicht genießen können, auch noch eine Betreuungsmöglichkeit; denn Kitas, Schule oder Hort haben ja bekanntlich sonntags zu.

Auch aus den Bereichen Sport und Kultur oder beispielsweise von den freiwilligen Feuerwehren ist immer öfter zu hören, dass immer weniger Erwachsene ihre Kinder an Wochenenden zu

Turnieren, Spielen oder Wettkämpfen fahren können, weil sie sonntags arbeiten müssen.

Wir brauchen also einen gemeinsamen, einen gesamtgesellschaftlichen Konsens für einen freien Tag, und das kann nun einmal, auch aus geschichtlicher Sicht bzw. auch aus unseren Traditionen heraus, nur der Sonntag sein.

Mittlerweile muss jede bzw. jeder Vierte in Sachsen-Anhalt an Sonn- und Feiertagen arbeiten. Wer sich mit den negativen Auswirkungen bzw. den physischen und psychischen Folgen intensiv befassen will, der sei auf die medizinischen und psychologischen Datenbanken verwiesen. Die negativen Folgen sind mittlerweile gut untersucht.

Übrigens hat es durchaus auch gute Gründe, dass in den Branchen, in denen in Schichten sowie sonn- und feiertags gearbeitet wird, Zuschläge gezahlt werden. Neben den langfristig entstehenden psychischen und physischen Schäden gehört zu diesen Gründen nicht umsonst eine erhebliche Einschränkung des Privatlebens bzw. der gesellschaftlichen Teilhabe, die für die Betroffenen leider nicht folgenlos bleibt.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die negativen Auswirkungen der Sonn- und Feiertagsarbeit werden auch sichtbar in den steigenden Fehl- bzw. Krankentagen durch Burnout. Im Jahr 2004 gab es lediglich 4,6 Krankheitstage je 1 000 Beschäftigte durch Burnout. Im Jahr 2012 dagegen waren es schon 87,5 Krankheitstage. Wir reden hier also von einer Steigerung um über 2 000 %, meine Damen und Herren.

Sicher ist die Ursache von Burnout nicht allein die zunehmende Sonn- und Feiertagsarbeit. Sie gehört aber mit zu den vielfältigen Belastungen von Beschäftigten innerhalb der Entgrenzung von Arbeit und Privatleben.

Das Sonn- und Feiertagsarbeitsverbot wurde in den letzten Jahren insbesondere mit dem Verweis auf ausländische Konkurrenz immer mehr aufgeweicht. Das ursprüngliche Anliegen des Arbeitszeitgesetzes, Sonntagsarbeit nur zuzulassen, wenn es wirklich unvermeidlich ist, weil diese Arbeiten etwa nicht an Werktagen erledigt werden können, rückt immer mehr in den Hintergrund.

Bei der Begründung und Erteilung von Ausnahmegenehmigungen spielen die Arbeitszeitbedingungen von ausländischen Konkurrenten eine Hauptrolle. Der Nachweis längerer Betriebszeiten in den ausländischen Konkurrenzbetrieben ist aber meist sehr schwierig zu erbringen.

Die pauschale Darlegung eines Betriebes, dass er nicht konkurrenzfähig ist, wenn er die gesetzlich vorgeschriebene Sonn- und Feiertagsruhe einhält, und dass ohne Sonn- und Feiertagsarbeit Arbeitsplätze verlorengehen könnten, führt im

Regelfall dazu, dass dem Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung stattgegeben wird.

Das Landesamt für Verbraucherschutz, das in Sachsen-Anhalt für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen zuständig ist, kann daher lediglich eine Prüfung vornehmen, die sich überwiegend an formalen Kriterien orientiert. Die Anforderungen an die inhaltlichen Begründungen sind in den Antragsunterlagen nach § 13 des Arbeitszeitgesetzes daher auch eher allgemein formuliert.

Sonn- und Feiertagsarbeit findet in Sachsen-Anhalt längst nicht mehr nur im Bereich der Daseinsvorsorge statt. Es sind auch oder gerade große Bereiche des produzierenden bzw. verarbeitenden Gewerbes davon betroffen. Mit dem Argument der Unternehmen, dass man sich geänderten ökonomischen Bedürfnissen anpassen müsste, wird Sonn- und Feiertagsarbeit auch in Sachsen-Anhalt durch immer neue Ausnahmen mehr und mehr zur Regel.

Natürlich gibt es Sonn- und Feiertagsarbeit, die wichtig ist, etwa in den Krankenhäusern, bei den Pflegediensten, bei der Polizei, bei der Feuerwehr und bei den Rettungsdiensten. Doch wir sollten genau prüfen, welche Sonn- und Feiertagsarbeit gesellschaftlich wirklich notwendig ist.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei der AfD)

Bei Ausnahmegenehmigungen und Regelungen müssen somit auch entsprechend hohe Maßstäbe angelegt werden. Der wirtschaftliche Nutzen der Unternehmen muss intensiver mit den vielen Nachteilen für die Beschäftigten abgewogen werden.

Bei dieser Entscheidungsfindung ist es uns wichtig, dass die Sozialpartner und Interessenvertreter, also diejenigen, die die Branche, das wirtschaftliche Umfeld, das Unternehmen genau kennen, mit in die Entscheidungsfindung zur Sonn- und Feiertagsarbeit einbezogen werden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Das heißt also, die jeweils zuständige Gewerkschaft und auch die IHK oder Handwerkskammern bzw. die Arbeitgeberverbände sollen vor einer Genehmigungsentscheidung zur Sonn- und Feiertagsarbeit ihre Stellungnahme abgeben können. Ihr Votum soll mit in die Entscheidungsfindung der zuständigen Aufsichtsbehörde einfließen.

Gewerkschaften, Kirchen, Familienverbände und Nichtregierungsorganisationen haben sich übrigens im letzten Jahr nun auch hier in SachsenAnhalt in der landesweiten Initiative „Allianz für den freien Sonntag“ zusammengetan. Sie ist auf der Bundesebene sowie in anderen Bundesländern bereits stark verankert und aktiv.

Sie verstehen sich als politisch unparteiischer Zusammenschluss im Engagement für einen arbeitsfreien Sonntag. Ich bin nicht nur überzeugt, dass der freie Sonntag eine so breite Allianz verdient hat; ich bin auch davon überzeugt, dass es nur gemeinsam gelingen kann, den Sonntag als freien Tag zu retten bzw. zurückzugewinnen.

Doch gemeinsam ist allen Sonn- und Feiertagsschützern, dass wir in unserer Gesellschaft gemeinsame Ruhetage benötigen, dass der Sonntag und die Feiertage etwas Besonderes sind, dass Menschen keine Maschinen sind und so auch nicht behandelt werden dürfen.