Protokoll der Sitzung vom 02.09.2016

Sie kennen doch sicherlich das Sprichwort: Viele Köche verderben den Brei. Und Sie sind doch auch immer eine Fraktion, die die Trägheit bemängelt, mit der zum Teil Entscheidungen gefasst werden. Wenn wir von vornherein alle an diesem Verhandlungstisch sitzen würden, dann - davon gehe ich einmal aus - würde die Zeit bis zum ersten Vertragsentwurf immens länger sein, als sie es jetzt sein kann. Ich vertraue diesem Verfahren grundlegend, weil unsere Parlamente, unsere Kammern dem dann zustimmen müssen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD - Siegfried Borgwardt, CDU: Genau!)

Ich würde jetzt die letzte Frage zulassen, die von Herrn Poggenburg, und dann gehen wir weiter in der Debatte. Herr Poggenburg, bitte.

Sehr geehrter Abg. Philipp, Sie haben gerade unsere Positionierung zum Thema Russland-Sanktionen mit unserer Position, unserer Anti-Haltung zum TTIP verglichen und haben dann einen Widerspruch für sich erkannt. Ich muss sagen: Es gibt da keinen Widerspruch.

(Siegfried Borgwardt, CDU, lacht)

Das sind zwei völlig verschiedene Dinge.

Guter Freihandel - schlechter Freihandel.

Das eine, worüber wir bei diesem Tagesordnungspunkt gerade sprechen, ist ein Abkommen, das in Hinterzimmern konspirativ erarbeitet wird,

(Unruhe bei der SPD)

bei dem mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass uns dadurch ganz große Nachteile generiert werden. Wir sagen, das allein reicht eben schon aus, um nein zu sagen. Beim Russland-Abkommen geht es ganz einfach darum, dass normaler Handel sanktioniert wird. Wir würden auch ein sogenanntes TTIP mit Russland ablehnen. Das ist eine völlig andere Sache und Sie können das nicht oberflächlich miteinander vergleichen. - Danke.

(Zustimmung bei der AfD)

Herr Philipp, bitte.

War das eine Frage oder eine Intervention?

Keine Frage, okay. Vielen Dank. - Der nächste Debattenredner ist der Abg. Herr Gallert von der Fraktion DIE LINKE. Sie haben das Wort, Herr Gallert.

Liebe Kolleginnen und Kolleginnen! Sowohl die Antragslage als auch die Debattenlage zu diesem Thema verraten einige Konfusion im Haus - um es einmal vorsichtig und zurückhaltend zu formulieren.

Erstens. Es ist noch keine drei Monate her, da stellt die Fraktion DIE LINKE einen Antrag zu den beiden Themen TTIP und CETA, die sich von der Struktur her tatsächlich ein bisschen von TiSA abheben, weil dabei die Akteure andere sind. TiSA hat einen eher globalen Aspekt. TTIP ist das Freihandelsabkommen zwischen den Staaten der Europäischen Union - um es genauer zu formulieren: nicht der Union, sondern den Staaten der Europäischen Union - und den USA. CETA ist das Freihandelsabkommen zwischen den Staaten der Europäischen Union und Kanada. TiSA hat noch einen anderen Charakter.

Wir haben diesen Antrag zu TTIP und CETA vorgelegt. All die Argumente, die wir heute hören, sind auch damals schon ausgetauscht worden. Was mich allerdings überrascht hat, außerordentlich überrascht hat: Wenn das denn alles so wäre, wie Sie es dargelegt haben, dann frage ich: Warum haben Sie eigentlich letztes Mal unserem Antrag nicht ausdrücklich zugestimmt? - Das hätten Sie tun können.

(Zuruf von der AfD: Haben wir!)

Er ist jetzt im Ausschuss. Aber Sie haben an dem Ding herumgemeckert. Ich weiß, ehrlich gesagt, nicht mehr so richtig, mit welcher Argumentation.

(André Poggenburg, AfD: Wir hätten zuge- stimmt!)

Es gibt übrigens eine Argumentation, mit der Sie an unserem Antrag herummeckern können. Das ist tatsächlich Folgendes: Es ist das Beispiel, das der Kollege Farle uns in seinen berühmten Koreferaten zu dem jeweiligen AfD-Redner eben auch noch einmal hat zukommen lassen: das Beispiel VW und Strafzahlungen in den USA.

Also: Als Ergebnis - das ist das System von TTIP und CETA - würde nicht etwa eine entsprechende

Schlechterbehandlung von VW in den USA stehen bzw. würden die Dinge sozusagen zuungunsten der Deutschen an sich realisiert werden. Am Ende von TTIP würde etwas ganz anderes passieren. Am Ende von TTIP hätte VW für seine Schlamperei bei seinen Dieselmotoren in den USA genauso wenig zu befürchten wie in der Europäischen Union. Das ist das Wesen von TTIP.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Herr Philipp, wenn Sie denn meinen, dass das alles so ohne wäre, dass das alles völlig easy wäre, dass wir überhaupt keine Probleme hätten - - Ich habe Ihnen beim letzten Mal das Beispiel genannt. Was sagen Anlegergemeinschaften, was sagen Kapitalmarktexperten zu BayerAktien und zu Monsanto-Aktien? Sie sagen: Es ist ein gefährlicher Deal, den Bayer macht, aber er könnte aufgehen und es käme mit der MonsantoÜbernahme zu super Gewinnen, aber nur unter einer Bedingung, und zwar dass TTIP kommt; ansonsten sind Chemikalien und all das, was in diesem Verbund gemacht wird, nicht marktfähig in Europa. Das heißt also Glyphosat.

(Zuruf von Detlef Gürth, CDU)

Die Rentabilität von Monsanto und sein Produkt Glyphosat entscheiden, ob TTIP zustande kommt. Das sagen Kapitalanlageexperten. Die kennen TTIP, die kennen die Verhandlungen und die wissen genau, mit wie vielen Milliarden man dort reingeht.

Ich habe es Ihnen beim letzten Mal gesagt: Man überlegt bei Bayer, 60 Milliarden US-Dollar in diesen Deal zu geben für einen Konzern, Monsanto, der mit 40 Milliarden US-Dollar bewertet wird. Denken Sie, die schieben 25 Milliarden € über dem Marktwert hinein, wenn sie nicht genau wüssten, was TTIP ist? - Die wissen das ganz genau. Daran erkennt man den Charakter, der dahintersteht.

Deswegen sage ich es noch einmal ganz klar; glauben Sie mir: Mit solch einer Blauäugigkeit heranzugehen, ist in dem Kontext falsch. Das haben inzwischen ganz viele erkannt, unter anderem auch Herr Gabriel. Dass es Herr Felgner nicht getan hat, wundert mich außerordentlich. Ich dachte, dass die Kommunikation innerhalb der Sozialdemokratie besser ist. Aber das ist der Stand der Dinge.

(Minister Marco Tullner: Keine Polemik!)

- Wir sind dazu da, um Polemik zu realisieren. Herr Tullner, Sie sollten mit einem solchen Vorwurf ganz vorsichtig sein.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der LIN- KEN - Frank Scheurell, CDU, klatscht in die Hände)

Werte Kollegen der AfD, aus einer Nummer kommen Sie hier nicht heraus. Ich habe mir die Rede des Kollegen Rausch angehört. Sie war erwartungsgemäß, übrigens auch was das Verhältnis von Nationalstaat und Europäischer Union betrifft.

Ich lese in der Begründung Ihres Antrages:

„Freier Handel ist eine wesentliche Grundlage unseres Wohlstands. Der europäische Binnenmarkt ist ein überzeugendes Beispiel dafür.“

Ich habe mal in Ihrem Parteiprogramm und in Ihrem Wahlprogramm geschaut, was dort zur Europäischen Union steht: der europäische Moloch, Brüssel usw. rauben uns die nationale Identität usw.

(André Poggenburg, AfD: Jawohl!)

Und dann schreiben Sie, der europäische Binnenmarkt sei ein überzeugendes Beispiel dafür, wie das super funktioniere.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Früher war das Dialektik!)

Das, was Sie beklagen, ist genau die Organisation des Binnenmarktes, und was daran zu beklagen ist, ist, dass die Europäische Union nicht bereit ist, die politischen Regularien und die sozialökonomischen Regularien für den Binnenmarkt mit zu verhandeln. Das ist das Problem.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kollege Gallert, Sie haben Ihre Redezeit bereits überschritten.

Frau Präsidentin, ich bemerke es zu meiner Überraschung auch gerade. - Deswegen sage ich ganz deutlich: Das, was Sie hier von sich geben, ist entweder links oder rechts oder oben oder unten. Aber das ist in sich überhaupt nicht konsistent.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Das ist genau wie heute Morgen: Es seien Ungebildete, die kommen, oder die geistige Elite, oder beides in einem. Deswegen können wir solche Dinge von Ihnen nicht wirklich ernst nehmen. Die Koalition will es in den Ausschüssen beraten. Das nehmen wir mit Interesse zur Kenntnis und sagen: Wenn ihr noch Beratungsbedarf habt, meinetwegen. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kollege Gallert, es gibt zwei Nachfragen. Herr Philipp ist zuerst dran und dann Herr Poggenburg. - Herr Philipp.

Es ist keine Nachfrage, sondern eine Intervention. Das Beispiel mit VW gefällt mir äußerst gut. Aber der Grund, warum Volkswagen in Europa nicht weniger bezahlt, ist nicht der, dass es gut verhandelt ist, sondern der, dass die Abgasstandards in Europa andere sind als in Amerika. Ergo: Mit TTIP hätten wir ähnliche Abgasstandards, und zwar ähnlich scharf wie in Amerika. Deswegen ist das ein äußerst gutes Beispiel für TTIP und nicht gegen TTIP, Herr Gallert.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Er meint etwas anderes!)

Ich höre mal auf Ihren Fraktionsvorsitzenden, der sagte, ich habe etwas anderes gemeint als Sie. Das müssen wir jetzt nicht diskutieren; dafür ist es schon zu spät. Noch eine Wortmeldung?

Herr Poggenburg.