Protokoll der Sitzung vom 26.09.2019

Die Landesregierung und bis vor Kurzem auch noch der Innenminister haben wiederholt darauf

verwiesen, dass die Finanzausgleichsmasse auf Wunsch der Kommunen für fünf Jahre festgeschrieben wurde und die Kommunen dadurch echte Mehreinnahmen erzielen könnten, weil steigende Steuereinnahmen nicht mehr zu einer Absenkung der Finanzausgleichsmasse führen.

Diese pauschale Schlussfolgerung kann von uns nicht geteilt werden; denn der Minister zitiert Planungssicherheit. Schauen wir doch einfach einmal in die Kommunen; denn Planungssicherheit heißt nicht, dass vor Ort tatsächlich alles in Ordnung ist. Ich verweise an dieser Stelle nur auf die kreisfreie Stadt Halle, die eine erhebliche Verschuldung aufweist.

Ich war jüngst in Könnern. Der Bürgermeister erzählte mir, dass die Stadt nicht einmal mehr in der Lage sei, die Kreisumlage zu zahlen. In den Kommunen gibt es also erhebliche Probleme; denn nicht alle Kommunen - das muss man immer wieder anführen - profitieren tatsächlich von steigenden Steuereinnahmen.

Nicht zu vergessen ist, dass die Kommunen und Landkreise mit steigenden Kosten konfrontiert sind; sei es für das Personal oder durch die Kostensteigerungen beim Unterhaltsvorschuss. Auch das ist hier bereits angeführt worden. Es gibt neue finanzielle Belastungen und Mindereinnahmen, mit denen die Kommunen zu kämpfen haben.

Die Landesregierung hat weiterhin ausgeführt, dass sie es nicht für erforderlich halte, Änderungen im Finanzausgleichsgesetz vorzunehmen. Wir sind insoweit anderer Auffassung. Wir fordern seit Jahr und Tag eine auskömmliche Finanzierung der Kommunen. Ich erinnere noch einmal daran, dass wir diejenigen waren, die die vollständige Weiterleitung der vom Bund beschlossenen Kommunalentlastung an die Kommunen gefordert haben. Ich erinnere auch an den Antrag unserer Fraktion mit dem Titel „Bundesentlastung an die Kommunen weiterleiten“. Es wird immer wieder zu Recht von den Kommunen kritisiert, dass diese nicht erfolgt.

(Beifall bei der LINKEN)

In jedem Fall gilt für uns die Einhaltung der Konnexität; denn auch an dieser Stelle gibt es immer wieder Probleme. Die Kommunen dürfen in unseren Augen nicht allein gelassen werden, wenn die Kosten für Pflichtaufgaben steigen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Fragen sehe ich nicht, dann danke ich Frau Buchheim für das Schlusswort. - Die Aussprache

zur Großen Anfrage ist damit beendet und ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf.

(Thomas Lippmann, DIE LINKE, meldet sich zu Wort)

Sie möchten als Fraktionsvorsitzender sprechen? - Dann haben Sie jetzt das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe zwei kurze kritische Anmerkungen in Richtung unserer Landesregierung.

Erstens. Im Ältestenrat sind für die heutige und für die morgige Sitzung vier Mitglieder der Landesregierung abgemeldet worden. Das ist schon eine Menge, aber das war zu akzeptieren. Die Gründe dafür sind vorgetragen worden. Ich habe aber heute im Laufe dieses Tages über lange Strecken höchstens zwei oder drei Mitglieder der Landesregierung, wie jetzt auch, gesehen.

(Tobias Krull, CDU: Es sind vier Mitglieder!)

Ich fordere die Landesregierung auf, die Debatten im Landtag etwas ernster zu nehmen und sicherzustellen, dass die Mitglieder, die nicht entschuldigt sind, auch an der Sitzung teilnehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens. Wir haben das eben schon ein wenig deutlich gemacht. Seit gestern beschäftigen uns die geplatzten Haushaltsverhandlungen. Diese beschäftigen aber nicht nur uns, denn es ist unser Arbeitsfeld, sondern sie beschäftigen auch die Kommunen und die Träger usw. Wir erwarten, dass wir spätestens morgen von der Landesregierung, vom Ministerpräsidenten, etwas über den weiteren Fahrplan zum Haushalt erfahren - nicht dass wir auseinandergehen und in den nächsten Wochen alles aus der Zeitung erfahren müssen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich danke Herrn Lippmann für den Beitrag. - Herr Borgwardt, Sie haben als Fraktionsvorsitzender das Wort.

Vielleicht einmal zum Selbstverständnis, bevor sich hier Legenden festsetzen, sehr geehrter Kollege Lippmann. Die Landesregierung hat, wie Ihre Finanzer und auch Sie wissen, wenn Sie das Haushaltsgesetz kennen, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Den ausgeglichenen Haushalt hat sie bisher nicht vorgelegt; sonst hätte sie ihn auch eingebracht. Das zur Sachlage.

Das Einzige, was passiert ist, ist, dass wir - von der Gewaltenteilung halte ich sehr viel - im Vorfeld, als die Eckwerte genannt wurden, gesagt haben, dass wir Probleme hätten, den Haushaltsplan mit diesen Eckwerten anzunehmen, weil wir im Koalitionsausschuss einiges ausgeschlossen hatten. Das ist der ganze Vorgang. Das heißt, auch wir haben noch keine andere Information und keinen Haushaltsplan. Die Regierung wird Ihnen also morgen gar nichts anderes sagen können.

(Zuruf von Dagmar Zoschke, DIE LINKE)

Es ist nicht so, dass irgendwie gesagt wird, da ist etwas. Nein, die Regierung hat einen Haushaltsplanentwurf vorzulegen und das wird sie auch tun. Das wird sie aber mit Sicherheit nicht morgen tun und das wird sie auch nicht in diesem Monat tun. Das ist doch völlig klar, wenn man die Zeitkette verfolgt. Ich muss die Regierung nicht verteidigen. Ich wollte nur die Sachlage darstellen.

(Zustimmung bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Um nichts weiter ging es. Ich wollte nur einer Legendenbildung vorbeugen.

Dann danke ich Herrn Borgwardt für den Redebeitrag. - Jetzt bitte keine Zwiegespräche.

Ich rufe nunmehr auf den

Tagesordnungspunkt 4

a) Engagement- und Demokratieförderung

Große Anfrage Fraktion SPD - Drs. 7/3933

Antwort Landesregierung - Drs. 7/4371

Unterrichtungen Landtagspräsidentin - Drs. 7/4428, Drs. 7/4464 und Drs. 7/4811

b) Bürgerschaftliches Engagement stärken,

Engagementstrategie auf den Weg bringen

Antrag Fraktionen CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 7/4947

Für die Aussprache zur Großen Anfrage wurde die Debattenstruktur „D“, also eine 45-MinutenDebatte vereinbart. Eine gesonderte Einbringung des Antrages ist nicht vorgesehen. Reihenfolge der Fraktionen und ihre Redezeiten: AfD acht Minuten, CDU zwölf Minuten, LINKE sechs Minuten, GRÜNE zwei Minuten und SPD fünf Minuten.

Zunächst erteile ich Frau Dr. Pähle als Vertreterin der Fragestellerin das Wort. Frau Dr. Pähle, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren! Ich möchte mit einem Auszug aus der „Mitteldeutschen Zeitung“ vom 18. August 2019 beginnen:

Fatima Alshamseni lebt seit vier Jahren in Deutschland - und spricht sehr gut Deutsch. Die 34-jährige Syrerin möchte eigentlich ihren Hauptschulabschluss nachholen, aber es ist schwer, dafür einen Platz zu bekommen. „Deswegen mache ich seit März einen Bundesfreiwilligendienst im Welcome-Treff“, sagt sie, „und das läuft sehr gut.“ Die junge Syrerin hat selbst keine Kinder und daher viel Zeit, erzählt sie. Uns so begleitet sie Frauen bei Arzt- oder bei Behördenbesuchen, dolmetscht für sie und ruft für sie an. „Als Bundesfreiwillige kann ich so meine Sprache auch noch weiter verbessern und ich möchte mich auch für die Gesellschaft einsetzen.“

Frau Alshamseni ist kein Einzelfall. Allein 35 Freiwillige, meist mit Migrationshintergrund, sind im Welcome-Treff aktiv, dazu zehn Bundesfreiwillige. Darüber hinaus gibt es 80 Paten und Lotsen, ebenfalls mit Migrationshintergrund, für Geflüchtete, die Menschen bei der Integration unterstützen. - Ende des Zitats.

Meine Damen und Herren! Wer den WelcomeTreff in Halle besucht und die vielen Engagierten in ganz verschiedenen Lebenslagen trifft, bekommt ein Gefühl dafür, auf welch vielfältige Weise Engagement einen konkreten Mehrwert für den Einzelnen, aber auch für die Gesellschaft insgesamt schafft. Solch bürgerschaftliches Engagement in seinen vielfältigen Formen trägt zentral zur Stärkung unseres Gemeinwesens bei. Gemeinwohlorientiertes freiwilliges Engagement ist eine wesentliche Säule unseres Zusammenlebens und auch unserer Demokratie.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Gerade im aktuellen gesellschaftlichen Klima bietet Engagement die Möglichkeit, eine Polarisierung zu vermeiden und Entfremdungstendenzen umzukehren. Engagement schafft ein großes Vertrauen untereinander, lässt das soziale Kapital wachsen und ermöglicht individuelle Lebenserlebnisse und Kompetenzerwerb für den Einzelnen.

Wer sich engagiert, steigert so auch die eigene Lebensqualität und Identifikation mit der Gesellschaft. Man vernetzt sich, tauscht sich aus, startet gemeinsam im Miteinander etwas Neues.

Es geht also an dieser Stelle auch um Teilhabe. Gerade Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, finden wieder Räume des Austausches und erfüllende Tätigkeiten.

Meine Damen und Herren! Die Formen und Bereiche des Engagements sind so vielfältig wie das

Leben selbst: vom Engagement im Jugendsport, in der Seniorenhilfe, in der Nachbarschaft, in der freiwilligen Feuerwehr, im Gemeinderat, in der Bürgerinitiative oder eben im Welcome-Treff. Die Liste kann quasi beliebig erweitert werden, und wir alle haben, glaube ich, vor Ort einen guten Einblick darin, was bürgerschaftliches Engagement in der Breite tatsächlich tut.

So unterschiedlich das Engagement sein mag, es braucht immer fördernde Rahmenbedingungen, Ansprache, Anlaufpunkte, Freiräume, helfende Hände, feste Strukturen. Ich bin mir sicher, ich wiederhole an dieser Stelle eine Binsenweisheit: Ehrenamt braucht eben Hauptamt, damit es funktionieren kann.

(Befall bei der SPD)