Meine Damen und Herren! Über „Wehret den Anfängen“ sind wir doch lange hinaus. Alle Demokratinnen und Demokraten müssen jetzt zusammenstehen, damit nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg auch weiterhin unser reales und glaubhaftes Ziel ist.
Es ist in diesem Land nicht genug getan worden, um die Grundwerte unseres Landes wirklich ernsthaft zu schützen. Zu oft ist weggeschaut, verharmlost oder nivelliert worden. - So wird Deutschland seiner historischen Verantwortung nicht gerecht.
Was ist jetzt zu tun? - Wir müssen uns zuvorderst und zuallererst schützend vor unsere jüdischen Mitmenschen stellen. Die Synagogen des Landes müssen polizeilich und durch bauliche Maßnahmen geschützt werden. Der Ansprechpartner für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus muss gestärkt werden, zum Beispiel durch Hauptamtlichkeit. Die Verfolgung von Straftaten mit antisemitischem Hintergrund muss deutlich intensiviert und konsequenter durchgeführt werden.
Hierbei kann es keine Einstellung wegen Geringfügigkeit der Tat mehr geben. Wer Hass verbreitet und damit die Fundamente unserer Gesellschaft angreift, muss eine klare und deutliche Antwort des Rechtsstaates bekommen.
Besondere Bedeutung kommt aber einem Bereich zu, den wir leider sträflich vernachlässigt haben, der aber Kern jeder Prävention ist: der politischen und historischen Bildung.
Polizistinnen und Polizisten können einen Angreifer körperlich abwehren. Wichtiger noch für die Zukunft ist es aber, die geistigen Abwehrkräfte der Gesellschaft zu stärken. Der Kampf gegen antisemitisches, rassistisches und antifeministisches
Gedankengut muss in allen Bildungsangeboten dieses Landes tief verankert sein, ob das in der Kita oder Schule, in der Jugend- oder Erwachsenenbildung ist, in der Ausbildung von Sicherheitskräften oder Lehrerinnen und Lehrern.
Meine Fraktion hat in der vergangenen Woche einen umfassenden Aktionsplan gegen Antisemitismus und Hasskriminalität vorgelegt, wo Sie unsere konkreten Vorschläge auf elf Seiten nachlesen können. Dies alles muss flankiert werden von einem Demokratieförderungsgesetz auf Bundesebene, damit endlich Rechtssicherheit für diejenigen besteht, die oft an vorderster Front gegen rechte Tendenzen aufstehen und Bildung vorantreiben.
Zur Aufarbeitung der Ereignisse gehört aber auch, über geistige und moralische Verantwortung zu sprechen. Und da ist ungeschminkt festzustellen, dass sich Radikalisierung der rechten Szene stärker entwickelt, seit sie einen politischen und parlamentarischen Arm gefunden hat, seit es eine Partei gibt, die die Sprache des Dritten Reiches in die Öffentlichkeit und die Parlamente trägt.
Ja, die AfD gehört mit zu den geistigen Brandstiftern dieser Gesellschaft, die Judenhass befeuern, starke Frauen verunglimpfen und gegen alles hetzen, was nicht ihrem selbstdefinierten Mainstream des weißen Mannes entspricht.
Da ist es mehr als durchsichtig, sich verbal an die Seite des Judentums zu stellen und so zu tun, als sei der muslimische Antisemitismus das einzige und zudem noch importierte Problem.
Ja, es gibt Antisemitismus, Antifeminismus und Rassismus in vielen Ausprägungen. Aber dieser Ihr Trick ist allzu billig. Und Halle hat gezeigt, dass sich diese Form der Schuldabwehr selbst entlarvt.
Der Kampf gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Hass beginnt in den Köpfen und mit Worten. Jede und jeder ist gefordert, dagegenzuhalten und nicht zu schweigen. Ich weiß selbst, wie schwer das ist, wenn in der Regionalbahn antisemitische Sprüche geklopft werden. Was passiert, wenn ich mich einmische?
Aber nur, wenn immer mehr Menschen genau dies tun, können wir den Kampf um die Grundwerte unserer Bundesrepublik Deutschland gewinnen, die bunt, vielfältig und offen für alle Religionen ist. Es muss klar und deutlich widersprochen werden.
Gedenken wir den Opfern, indem wir uns geistig rüsten für den demokratischen Kampf gegen den antisemitischen und rechtsextremen Ungeist, indem wir uns praktisch rüsten für mehr Zivilcourage und Solidarität. Wir müssen klar und deutlich bekunden: Nie wieder! Alle Demokratinnen und Demokraten müssen Antifaschisten sein. - Vielen Dank.
Danke, Frau Lüddemann. Ich sehe hierzu keine Fragen, deswegen spricht jetzt für - - Herr Poggenburg, Ihre Wortmeldung hatte ich leider übersehen. Dann können Sie jetzt Ihre Frage stellen.
Sehr geehrte Frau Lüddemann, Sie beklagten gerade die Verwendung der Sprache aus der NSZeit in Parlamenten. Ich denke, Sie meinen damit die deutsche Sprache. Sollen in der deutschen Sprache solche Begriffe wie Autobahn etc. nicht mehr benutzt werden können,
weil sie auch von Verbrechern genutzt wurden? Soll die deutsche Sprache abgeschafft werden? Oder wie darf ich Sie verstehen bei dieser Angelegenheit?
Deswegen können wir jetzt in der Debatte der Fraktionen fortfahren. Herr Borgwardt, Sie haben nun für die Fraktion der CDU das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Angesichts der mir zur Verfügung stehenden Zeit erlaube ich mir einige Vorbemerkungen. Ich bin Frau Dr. Pähle ausdrücklich dankbar dafür - obwohl sie es nicht genau so genannt hat -, dass sie indirekt auf die Protokolle der Weisen von Zion abgehoben hat, die nämlich im zaristischen Russland von dem dortigen Geheimdienst 1903 gefertigt wurden, um Anlass zu geben, die Juden systematisch zu verfolgen. Die Nazis haben das genutzt. Bis heute tauchen diese Formulierungen auf, um die Juden zu diffamieren als angebliche Weltverschwörer und die, die anderen alle umbringen wollen. Ich erinnere ausdrücklich
Die zweite Vorbemerkung ist, dass wir uns als CDU-Fraktion maßgeblich an den tatsächlichen Tathergang und an den Umständen des 9. Oktober dieses Jahres gehalten haben und an den aus unserer Sicht sehr gut formulieren Brief des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde von Halle.
Ich wäre sehr froh gewesen, wenn zwei andere Fraktionen, die jeweils außen sitzen, das in diesem Augenblick auch gemacht hätten. Da muss ich Ihnen einmal Folgendes sagen, Herr Lippmann - hier, mit Blick auf die AfD-Fraktion, habe ich es nicht anders erwartet -: Es kann nicht sein, dass Sie Dinge, die im Fluss und in der Diskussion sind, bei einem solchen Anlass mit in eine Diskussion einbringen, in der wir heute über einen unaussprechlichen Terrorakt reden.
Das können Sie nicht wegwischen. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich bin mit vielen Ihrer Kollegen im Gespräch, auch darüber, wie wir jetzt mit Ihrem Antrag umgehen. Ich halte das für unangemessen, um das einmal ganz deutlich zu sagen. Sie tun damit meiner Ansicht nach auch der Mehrheit Ihrer Fraktion keinen Gefallen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Uns und mich macht sehr betroffen, dass wir hier zum zweiten Mal binnen zwei Monaten zu einem Thema sprechen müssen, dem Todesopfer vorausgegangen sind. Das stimmt mich traurig und macht nachdenklich zugleich.
Während wir im August über den Mord an Walter Lübcke debattierten, bestimmt heute der feige Versuch eines Anschlages auf eine Synagoge in Halle die Diskussion über den damit verbundenen Tod von zwei Passanten. Unser tiefstes Mitgefühl gilt den Opfern, ihren Angehörigen und allen, die direkt von der Tat betroffen sind.
Der Bundespräsident Frank Walter Steinmeier hat den 9. Oktober dieses Jahres als einen Tag der Scham und der Schande für dieses Land, für diese Demokratie bezeichnet. Dem können wir uns nur anschließen.
Dieser geplante Anschlag ist eine feige antisemitische und menschenverachtende Gewalttat - und das ohne Relativierung. Ich sage das noch einmal ausdrücklich: Es gibt Parallelen zu vielen Sachen. Aber angesichts dieser außergewöhnlichen neuen Qualität eines in diesem Fall rechts
extremistischen Anschlages und einer Gewalttat erübrigen sich alle Relativierungen. Das sage ich auch an die beiden von mir zuerst kritisieren Fraktionen.
Aber für jüdischen Glauben und religiöse Minderheiten in Deutschland darf dieser geplante Anschlag nicht das auslösen, was er auslösen sollte, nämlich den Menschen Angst zu machen und sie körperlich zu bedrohen. Dem müssen wir eindeutig entgegenstehen. Das haben nicht nur wir in unseren Fraktionen, sondern hat auch die Landesregierung sehr deutlich gemacht. Ich bin der Koalition, unserem Minister und unserem Ministerpräsidenten sehr dankbar dafür.
Sowohl der Mörder von Walter Lübcke, Stephan E., als auch der Täter von Halle zeigen klare - das ist so - rechtsextreme Neigungen. Das ist eine Entwicklung, die mich sehr
Was mich in diesem Fall aber noch mehr schockiert, ist das Profil des Täters. Stephan B. war ein unauffälliges Blatt, 27 Jahre alt, lebte bei seiner Mutter. Er soll in keiner Kartei der Polizei oder des Verfassungsschutzes als Extremist verzeichnet gewesen sein. Dennoch soll er sich bereits im Jahr 2015 im Internet eine Waffe besorgt haben.