Protokoll der Sitzung vom 21.11.2019

Ein anderer berichtet, dass seine kleine Tochter an einen unbekannten Ort gebracht worden sei, wo sie gegen ihren Willen mit fremden Männern spielen musste. Bei dieser Gelegenheit soll der Leiter der Kindertagesstätte seine Nase in den Po des Mädchens und anderer Kinder gesteckt haben.

Besonders abstoßend ist der Bericht der Mutter eines dreijährigen Mädchens, das mehrfach durch einen der sogenannten Lehrlinge vergewaltigt worden sei. In manchen Fällen wurde später Strafanzeige wegen schweren sexuellen Missbrauchs erstattet.

Doch selbst wenn die geschilderten Fälle nicht der Wahrheit entsprechen sollten, wird das sogenannte Original Play dadurch keinen Deut besser. Die Vorstellung, dass mein fünfjähriger Sohn dazu genötigt wird, sich mit fremden Erwachsenen auf

dem Boden zu wälzen, jagt mir als Vater einen Schauer über den Rücken.

(Zustimmung bei der AfD)

Ganz abgesehen davon ist bereits die Grundidee des Original Play in Zweifel zu ziehen. Donaldson zieht eine Analogie vom ursprünglichen Spiel wild lebender Tiere auf das menschliche Verhalten und leitet daraus ab, dass Kinder mit fremden Erwachsenen kuscheln müssten, um ihre sozialen Kompetenzen zu stärken. Dieser Gedanke ist bereits im Ansatz zu demontieren.

Erstens bedürfen Kinder keiner Anleitung darüber, wie man richtig spielt. Ebenso wie junge Tiere spielen, toben und kuscheln Kinder untereinander auf ganz natürliche Weise. Was Kinder nicht brauchen, ist ein 76-jähriger Geograf, der ihnen erklärt, wie man untereinander zu spielen hat.

Zweitens ist gerade der Vergleich mit der Tierwelt irreführend. Natürlich beteiligen sich auch erwachsene Tiere am Spiel ihrer Kinder. Allerdings läuft dieser Vorgang innerhalb geschlossener Gruppen ab. Ein ausgewachsener Löwe käme nicht auf die Idee, ein wildfremdes Löwenrudel zu besuchen, um mit den dortigen Jungtieren zu spielen. Ja, Kuscheln und liebevolles Raufen sind ganz natürlich. Aber bitte nur mit Gleichaltrigen oder innerhalb der Familie.

Mit unserem vorliegenden Antrag zielen wir darauf ab, dass die im Landtag vertretenen Fraktionen ein gemeinsames Zeichen setzten und sich öffentlich gegen Original Play und vergleichbare Methoden aussprechen. Wir fordern, dass die Landesregierung Kontakt mit den Trägern der Kindertageseinrichtungen in Sachsen-Anhalt aufnimmt und über die Gefahren des Original Play aufklärt. Sollte die Methode bereits an der einen oder anderen Kita geplant sein, ist ihre Anwendung umgehend einzustellen.

Wir brauchen zudem ein offizielles Verbot. Andere Länder, wie Berlin oder Brandenburg, haben geistesgegenwärtig reagiert und dafür gesorgt, dass Original Play künftig nicht man angewendet wird. Sachsen-Anhalt hat in dieser Hinsicht starken Nachholebedarf. Hier sehe ich vor allem das Sozialministerium sowie eventuell das Bildungsministerium in der Pflicht.

Ich weiß, dass sich unsere Landesregierung gern hinter dem Argument versteckt, dass Verbote kein geeignetes Mittel seien, um Probleme zu lösen. Herr Minister Tullner hat beispielsweise auf diese Weise argumentiert, als es im Jahr 2017 um das von uns geforderte Verbot der Methode „Lesen durch Schreiben“ oder „Schreiben nach Gehör“ ging. In diesem Fall, Herr Minister, geht es aber nicht darum, dass unsere Schüler die deutsche Rechtschreibung beherrschen, sondern darum,

unsere Kinder vor sexuellen Übergriffen zu schützen.

Auch das Argument, dass Original Play in Sachsen-Anhalt kaum oder gar nicht verbreitet sei, ist vor diesem Hintergrund nicht zulässig. Wir dürfen nicht erst handeln, wenn es zu spät ist und die ersten Skandale in Städten wie Halle oder Magdeburg bekannt werden.

Doch damit nicht genug. Die Landesregierung ist angehalten, auch auf Bundesebene eine entsprechende Debatte anzustoßen, wie wir es in Punkt 2 unseres Antrages fordern. Es gilt, nicht nur unsere Kinder in Sachsen-Anhalt zu schützen, sondern alle Kinder in ganz Deutschland.

An dieser Stelle spreche ich einen Appell an alle im Landtag vertretenen Fraktionen aus: Lassen Sie die Parteipolitik dieses eine Mal links liegen. Springen Sie über Ihren Schatten und stimmen Sie unserem Antrag für das Wohl aller Kinder in unserem Land zu.

(Zustimmung bei der AfD)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Herrn Schmidt für die Einbringung des Antrages. - Für die Debatte ist eine Redezeit von drei Minuten je Fraktion vorgesehen. Für die Landesregierung hat jetzt Frau Ministerin Grimm-Benne das Wort. Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Herzlichen Dank, Herr Vizepräsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Unbestritten ist mit Blick auf das heute in Rede stehende Programm bzw. die Methode Original Play, dass angesichts - das ist ebenfalls unbestritten - der sehr schwerwiegenden Missbrauchsvorwürfe aus Hamburger und Berliner Kitas hier in unserem Land schnell gehandelt werden muss, um das Kindeswohl in Kindertageseinrichtungen zu sichern.

Es kann nicht sein - so ist es offenbar in Berlin geschehen -, dass ein langjähriges Erzieherteam an einer Einrichtung eine neue Methode ausprobieren wollte und danach selbst mit Einverständnis der Eltern, das offenbar vorlag, fremde Erwachsene gegen Bezahlung mit Kita-Kindern in intimen körperlichen Kontakt treten konnten, ohne dass grundlegende Schutzstandards, wie die Einholung polizeilicher Führungszeugnisse etc., eingehalten worden sind.

Es kann ebenfalls nicht sein, dass pädagogische Methoden oder Programme in Kitas Anwendung finden, die nicht den Grundsätzen der Kinder- und Jugendhilfe und dem obersten Grundsatz, näm

lich dem Schutz und der Gewährleistung des Kindeswohls, umfassend Rechnung tragen.

(Zustimmung von Silke Schindler, SPD)

Das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration hat nach dem Bekanntwerden der Fälle sofort reagiert und recherchiert, ob das Programm auch in Kindertageseinrichtungen in Sachsen-Anhalt eingesetzt wird. Im Ergebnis liegen nach aktuellen Recherchen des Landesjugendamtes mit Stand vom 15. November 2019 keinerlei Hinweise auf eine Anwendung dieses Programms in SachsenAnhalt vor.

Ich kann aber auch ganz deutlich sagen, wir werden prüfen, wie die Anwendung der Methode Original Play zeitnah verboten werden kann. Sollte diese Methode trotzdem in Einrichtungen oder Tagespflegeeinrichtungen Anwendung finden,

muss das Konsequenzen haben. Dann soll der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe, sprich: die Landkreise und kreisfreien Städte, den Bestand der entsprechenden Betriebs- und Tagespflegeerlaubnis überprüfen und gegebenenfalls entziehen.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Was muss noch getan werden? Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die Träger und Leitungen von Kindertageseinrichtungen sowie die Tagespflegepersonen in Sachsen-Anhalt erkennen können, was hinter Programmen und Methoden wie Original Play steckt und welche Gefahren mit deren Einsatz verbunden sein können.

Die Aufsichtsbehörden müssen und werden darauf hinweisen, dass es Folgen hat, wenn Übergriffe auf Kinder nicht verhindert werden, weil Programme und Methoden eingesetzt werden, die diese besonders begünstigen, und dass ein nicht unerhebliches Verschulden darin besteht, dass man sich vorher nicht ausreichend mit dem Programm befasst. Dies kann am Ende der aufsichtlichen Maßnahmen in letzter Konsequenz auch Auswirkungen auf die Bestandskraft von Betriebs- und Tagespflegeerlaubnissen haben.

Die Landesregierung wird sicherstellen, dass die erforderlichen Informationen die Träger und Leitungen von Einrichtungen sowie die Tagespflegepersonen möglichst schnell erreichen. Sie wird bei Bedarf zusätzliche Fortbildungsangebote - mithilfe der Fortbildungsprogramme des Landesjugendamtes erfolgt ja schon einiges - unterbreiten und vermitteln.

Wir werden die Thematik regelmäßig zum Thema der Dienstberatungen mit Jugendamtsleitungen machen. Die pädagogischen Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen sowie die nach § 8a SGB VIII vorzuhaltenden Kinderschutzfachkräfte, die wir nämlich haben, sind schon jetzt gefordert, sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu qualifizieren

und je nach Bedarf entsprechend weiterzuqualifizieren.

Wir werden also alles daransetzen, um Kinder zu stärken und um pädagogische Fachkräfte sowie Eltern, aber auch alle anderen Personen, die mit Kinderschutz befasst, so zu sensibilisieren, dass der Kinderschutz im Alltag selbstverständlicher wird.

Wir haben heute schon über einen umfassenden Kinderschutz und die ganzen Maßnahmen, die wir in dem Bereich ergreifen, gesprochen; das steht da voran. Ich kann Ihrem Anliegen in Sinne Ihres Antrages vollumfänglich folgen.

(Zustimmung bei der AfD)

Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich der Ministerin für den Redebeitrag der Landesregierung. - Für die Koalition hat jetzt der Abg. Herr Krull das Wort. Herr Krull, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben uns heute bereits mit dem Thema Kinderschutz auseinandergesetzt. Ich möchte an dieser Stelle im Namen meiner Fraktion und auch der Koalition ganz deutlich machen, dass für uns jeder Fall von Kindesmissbrauch ein Fall zu viel ist.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Aufgrund von Medienberichten rückt die Spielmethode Original Play in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Nach der Darstellung der Unterstützer dieser Methode sollen durch körperlichen Kontakt bei Rangeleien die sozialen Beziehungen und das Körperbewusstsein der Kinder gestärkt werden.

Dabei kommen auch sogenannte Lehrlinge zum Einsatz, die als Externe in den Kindertageseinrichtungen aktiv werden. Dabei ist die vermeintliche Qualifikation dieser Lehrlinge teilweise nur schwer bzw. nicht nachvollziehbar.

Nach aktuellen Schilderungen bzw. Berichten wird die Methode in Deutschland bisher in Einrichtungen in Hamburg und Berlin angewendet. Dabei soll es zu Handlungen gekommen sein, bei denen Kinder nicht nur körperlich, sondern auch in ihrem sexuellen Selbstbestimmungsrecht verletzt worden seien. Gemäß aktueller Berichterstattung in einem deutschen Nachrichtenmagazin haben sich die Vorwürfe bisher aber nicht bestätigen lassen. Derzeit ist in Sachsen-Anhalt - die Ministerin hat es ausgeführt - die Anwendung dieser Methode in keiner Einrichtung bekannt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir setzen uns als Fraktion und als Koalition für ein Verbot dieser Methode ein.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ein reines Verbot dieser Methode ist rechtlich durchaus schwierig und eine Herausforderung, aber es muss umgesetzt werden. Man kann vorläufig nur diese einzelne Methode verbieten, nicht aber ein pauschales Verbot aussprechen, da das rechtlich zu unkonkret wäre. Sollten aber ähnliche Programme irgendwo auftauchen, wären auch hier die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen.

Wir brauchen aber auch eine Aufklärungsarbeit bei den örtlichen Trägern der Jugendhilfe wie bei den Trägern der Einrichtungen selbst, um mögliche Gefahren für das Kindeswohl auszuschließen bzw. darauf hinzuweisen. Jede Methode, bei der die überdurchschnittliche Gefahr besteht, dass das Kindeswohl gefährdet wird, hat in Kindertageseinrichtungen und Tagespflegeeinrichtungen nichts, aber auch gar nichts zu suchen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Sollte trotzdem eine solche Methode Anwendung finden, muss die Frage geklärt werden, ob der Träger oder die Tagespflegeperson die Erlaubnis für den weiteren Betrieb der Einrichtung bzw. der Tagespflegeeinrichtung behalten kann. Der Freistaat Bayern hat in diesem Sinne bereits Schritte angekündigt.

Auch der Deutsche Kinderschutzbund spricht sich für ein bundesweites Verbot aus. Aus meiner Sicht wäre das auch der richtige Ansatz, um einen Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen in den Bundesländern zu vermeiden.

Ich will nicht verleugnen, dass es Stimmen gibt, die „Original Play“ nicht so kritisch sehen, wie es meine Fraktion und auch die Koalition tut. Aber in Abwägung der bisherigen Erkenntnisse kann die Schlussfolgerung nur eine sein: im Zweifelsfall klar für das Kindeswohl und gegen die Anwendung dieser fragwürdigen Methode.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Alternativantrag, der weiter geht als der Ursprungsantrag, weil darin auch die Frage von Prävention und Weiterbildung aufgegriffen wird.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich sehe keine Fragen dazu. Dann danke ich Herrn Krull für den Redebeitrag. - Für die Fraktion