Protokoll der Sitzung vom 22.11.2019

Ich möchte Herrn Lippmann bitte nur noch kurz - -

(Unruhe)

Ich kann Sie nicht verstehen. Es tut mir leid.

Ich hätte Herrn Lippmann nur noch ganz kurz gefragt, an welcher Stelle wir denn irgendwo gesagt

(Zuruf von Swen Knöchel, DIE LINKE)

oder geschrieben haben, dass wir Vietnamesen aus dem Land jagen wollen. Das ist eine böswillige Unterstellung.

(Unruhe - Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Was ist das hier für ein Zwiegespräch?)

Das kann gar nicht sein.

Ihre Frage bleibt jetzt so im Raum stehen. - Wir kommen zum nächsten Debattenredner. Für die CDU-Fraktion spricht der Abg. Herr Thomas.

(Unruhe)

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

(Unruhe)

Ich muss mal schauen, Herr Thomas, ob Sie mit Ihrer lauteren Stimme jetzt durchkommen. Ansonsten, denke ich, ist das fast nur noch eine Schau, die alle hier abgeben. So kann niemand zuhören; zumindest nicht die, die gern diese Rede hören möchten. - Jetzt funktioniert es. Danke. Es geht doch! - Bitte, Herr Thomas.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Bereits zum Ende des Jahres 2017 verloren 140 Beschäftigte bei einem EnerconZulieferer ihren Job. Und wieder einmal beschäf

tigt uns im Plenum die Krise der Windanlagenindustrie. Zuletzt war das vor der Sommerpause der Fall.

In der Tat ist die Ankündigung von Enercon, sich nunmehr von 1 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu trennen, ein schwerer Rückschlag für die gesamte Region Magdeburg. Ich sage dies auch vor dem Hintergrund, dass Enercon in den 1990er-Jahren für die Landeshauptstadt so etwas wie ein Glücksfall war. Der ehemalige Schwermaschinenbaustandort befand sich in einem schwierigen Strukturwandel. Die Arbeitslosenzahlen stiegen damals im Wochentakt und die Tradition des Schwermaschinenbaus, die Magdeburg vor dem Krieg zu einer reichen Stadt gemacht hatte, drohte durch die Treuhand im wahrsten Sinne des Wortes abgewickelt zu werden.

Meine Damen und Herren! In dieser Zeit kam Enercon und stieg hier nach der Jahrtausendwende zu einem der wichtigsten Arbeitgeber auf. Wir alle waren stolz auf dieses Unternehmen

(Eva von Angern, DIE LINKE: Na ja!)

und glücklich über die Arbeitsplätze, die dort entstanden sind und die dort auch gesichert worden sind. Ich denke, das gehört dazu, auch wenn man die Entscheidung mit Bedauern zur Kenntnis nehmen muss, dass es nun zu einem Abbau der Arbeitsplätze kommt.

Meine Damen und Herren! Das Wachstum dieser Firma erfolgte durchaus mit einer großen Rasanz. Denn die damalige rot-grüne Bundesregierung hatte mit dem EEG ein beispielloses Subventionsmodell geschaffen,

(Zuruf von Alexander Raue, AfD)

das regenerative Energien über den Strompreis zulasten der Verbraucher fördern sollte. - Herr Lippmann, das sage ich Ihnen im 30. Jahr des Mauerfalls, mit einer Gesellschaft, in der wir die soziale Marktwirtschaft haben.

(Wulf Gallert, DIE LINKE: Oh, ja!)

Ich sage Ihnen „zulasten des Verbrauchers“ und nicht wie Sie als Anhänger einer sozialistischen Planwirtschaft „Das muss bezahlt werden, egal woher das Geld kommt“. Die Mitteilung, woher das Geld kommt, bleiben Sie uns in Ihren Aussagen leider immer schuldig.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Dann zu beklagen, die Strompreise würden immer höher, das sei verbraucherunfreundlich, und vorzugaukeln, wir müssten in der Politik mehr tun, damit die Preise sinken, ist Heuchelei.

Meine Damen und Herren! Was begann denn seinerzeit? - Es begann so etwas wie eine Goldgräberstimmung im Hinblick auf die regenerativen

Energien mit allen nur denkbaren Verwerfungen, die Subventionsmodelle so mit sich bringen.

Der Wirtschaftsminister hat kürzlich in einem Interview auf diese Verwerfungen hingewiesen, indem er bemerkte, dass man aus der Krise des Solar Valley hätte lernen müssen. Im Fall Enercon ist dies leider nicht geschehen. Stattdessen teilte das Unternehmen am letzten Wochenende mit, dass man weitere Einschnitte zusätzlich zu dem angekündigten Stellenabbau nicht ausschließt. Das Solar Valley war seinerzeit dank üppiger Förderung viel zu schnell gewachsen, bis es von asiatischen Dumping-Panels überschwemmt wurde.

Meine Damen und Herren! Diese wurden billig produziert - ebenfalls staatlich subventioniert -, oft auf deutschen Maschinen hergestellt und sie waren einfach um die ganze Welt zu transportieren. Deutschland lockte mit großen Gewinnen. Dabei spielten Wirkungsgrad und Nachhaltigkeit nur eine untergeordnete Rolle, und das bei einem Produkt, das als Wunderwaffe für den Klimaschutz verkauft wurde.

Das Ende ist bekannt. Ich erwähne dies ganz bewusst, weil die Windenergiebranche das gleiche Schicksal schon vor Jahren erlitten hätte, wenn deren Anlagen einfach und kostengünstig um die Welt hätten transportiert werden könnten. Man könnte es auch anders formulieren, indem man nüchtern feststellt, dass die Sperrigkeit der Windräder die deutsche Windanlagenindustrie vor billigen Mitbewerbern geschützt hat.

(Zuruf von Olaf Meister, GRÜNE)

Die Logistik ist einfach zu aufwendig und auch zu teuer, gerade wenn es um den Export geht. Das führte in der Branche leider zu der irrigen Annahme, dass der heimische Markt offenbar auf Dauer so bleibt, wie er ist. Man investierte lieber in die Lobbyarbeit als in alternative Produkte und Geschäftsfelder. Immerhin hat der Enercon-Chef am Montag zugegeben, dass man in der Hoffnung auf eine Besserung der Situation zu lange verharrt habe.

Meine Fraktion hat stets vor diesen Entwicklungen gewarnt. Wir haben in den zurückliegenden zehn Jahren das Thema Enercon regelmäßig auf der Agenda des Landtages gehabt. Es waren zum Beispiel Goodwill-Anträge für die Windanlagenbranche. Es gibt bis heute Probleme wegen eines völlig undurchschaubaren Firmengeflechts. Die Gewerkschaften hatten kaum einen Zugang zum Unternehmen. Ein Betriebsrat sollte zwischenzeitlich sogar entlassen werden, Tarifverträge wurden gern trickreich umgangen und mittlerweile debattieren wir über die angekündigte Entlassungswelle.

Meine Damen und Herren! Enercon ist im Bereich des Windanlagenbaus die weltweite Nummer 5 mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von 5 Milliarden €.

(Zuruf von Lydia Funke, AfD)

Die Technologie gilt in der Branche durchaus als Benchmark. Dennoch ist das Unternehmen kein Musterbeispiel, kein Vorzeigeunternehmen. Das Engagement für das gesellschaftliche und kulturelle Leben in Magdeburg hielt sich in engen Grenzen. Versteuert wurden die Milliardengewinne der letzten beiden Jahrzehnte in der Regel am Firmensitz in Ostfriesland. Fördermittel nahm man stets gern an. Man war auch nicht zimperlich, wenn man von der Stadt den Ausbau der Infrastruktur einforderte.

Wenn das Management von Enercon wie in der letzten Woche die Schuld politisch in Berlin verortet, dann ist das schlichtweg eine Verweigerung gegenüber der Realität und ein Hohn gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die jetzt vor der Entlassung stehen.

(Zustimmung von Uwe Harms, CDU, von Guido Heuer, CDU, und von Lars-Jörn Zim- mer, CDU)

Die Entwicklungen waren absehbar, auch weil sich die Bedingungen für die regenerativen Energien geändert haben. Denn auch vor der Entwicklung der Energiepreise haben wir stets gewarnt. Ich bin Wirtschaftsminister Peter Altmaier dankbar, dass er nun eines der zentralen Probleme der deutschen Volkswirtschaft offensiv angeht. Diese Entwicklungen sind mit Blick auf die Strompreisentwicklung besorgniserregend.

(Zustimmung von Uwe Harms, CDU, und von Guido Heuer, CDU)

Der durchschnittliche Strompreis für Privathaushalte ist seit der Jahrtausendwende von 13,94 auf 30,43 Cent/kWh im Jahr 2019 gestiegen.

(Zuruf von Olaf Meister, GRÜNE)

Das entspricht einer Steigerung von 118 % bzw. 6 % pro Jahr. Das gilt für die Verbraucher genauso wie für unsere Wirtschaft.

(Tobias Rausch, AfD: Das weiß Frau Fre- derking nicht!)

Die Liberalisierung der Energiemärkte sorgte für mehr Wettbewerb und sinkende Preise.

(Zuruf von der AfD: Ah, ja?)

Seit der Einführung des EEG geht es aber nur noch aufwärts. Auch das hat unter anderem mit Enercon zu tun. Denn jede neue Anlage wird

durch die Verbraucher bezahlt und ebenso jede Stromtrasse. Das bezahlen wir alle.

(Olaf Meister, GRÜNE: Mann, Mann, Mann!)

Daher ist es folgerichtig, die regenerativen Energien stärker in die Systemverantwortung zu überführen, um endlich die Kosten auch auf die Erzeuger zu verteilen. Alle Ökonomen und wirtschaftlichen Kennziffern deuten aktuell darauf hin, dass Deutschlands Wirtschaft aktuell vor einer rezessiven Phase steht. Das Letzte, was wir jetzt brauchen, sind Steuererhöhungen oder weiter steigende Energiepreise. Vor diesem Hintergrund ist die Kritik von Enercon auch unredlich, den eigenen wirtschaftlichen Erfolg allein vom Zubau der Windkraft in Deutschland abhängig zu machen. Wer sich die aktuelle Lage in der Automobilindustrie anschaut, den sollte es auch nicht verwundern, dass deren Krise inzwischen auch bei unseren Zulieferern ankommt.