- Herr Gebhardt, offensichtlich hat der letzte Tagesordnungspunkt so viel Emotionen freigelegt, dass es noch erhebliche Unruhe im Saal gibt. Ich bitte jetzt, uns kulturvoll der Kultur zuzuwenden.
Ich bitte die Abgeordneten, die der Kultur folgen möchten, sich hinzusetzen. - Herr Gebhardt, fangen Sie mal an. Es scheint nicht so einfach zu sein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige Kolleginnen und Kollegen kennen das Anliegen dieses Antrags bereits aus der letzten Legislaturperiode. Im Jahr 2014 stellte die Linksfraktion schon einmal den Antrag, die Förderrichtlinie Kunst und Kultur für Sachsen-Anhalt zu überarbeiten und die Änderungen vorzunehmen, die Sie in dem vorliegenden Antrag finden. Die Gründe, weshalb wir 2014 diesen Antrag gestellt haben, sind weitestgehend die gleichen gewesen, warum wir ihn auch heute stellen. Lassen Sie mich deshalb kurz auf die Debatte im Jahr 2014 zu diesem Thema zurückblicken.
Während der damaligen Haushaltsberatungen für den Kulturhaushalt des Landes stellten alle Fraktionen übereinstimmend fest, dass wir im Bereich der Museumsförderung einen extrem schlechten Mittelabfluss hatten. Mehrere Hundert
Schuld daran hatte unter anderem ein Passus in der besagten Richtlinie, der aussagt, dass die Kommunen keine Landesförderung, zum Beispiel für Museen in kommunaler Trägerschaft, in Höhe von 70 % beantragen können, sondern lediglich 50 % Anspruch haben. Bei den klammen kommunalen Haushalten führt dies dann automatisch dazu, dass die Kommunen auf Fördermittelanträge verzichten, weil sie sich die Gegenfinanzierung gar nicht leisten können.
Hätten die Kommunen die Chance, auch 70 % Landesmittel zu beantragen und nur 30 % selbst zu schultern, würden sie dies nämlich auch tun. Wir hätten dann zum einen einen deutlich besseren Abfluss der eingestellten Haushaltsmittel und zum anderen ein Ende des Sanierungsstaus bei den kommunalen Museen.
Das Schöne daran ist, meine Damen und Herren: Das geht, ohne dass man mehr Mittel in den Haushalt einstellt. Man muss nur dafür sorgen, dass die eingestellten Mittel auch abfließen können. In diesem Zusammenhang wiederhole ich, was ich bereits 2014 im Plenum hierzu gesagt habe:
„Mir kann man nicht logisch erklären, warum beispielsweise beim Reformationsjubiläum 2017 für sämtliche Projekte eine 70-prozentige Landesförderung möglich ist, für kommunale Museen jedoch eine maximal 50-prozentige Förderung durch das Land gegeben werden kann.“
Dieser Satz gilt auch noch heute; denn die Situation hat sich nicht verbessert, weil bis heute exakt die gleiche Förderrichtlinie gilt.
Ich möchte im Namen meiner Fraktion deutlich sagen: Die Förderrichtlinie Kunst und Kultur wurde zum letzten Mal im Jahr 2008 angepasst und verändert - im Jahr 2008! Wir haben jetzt 2016.
Das heißt, die Entwicklungen, die sich ohne jeden Zweifel in den letzten acht Jahren in der Kulturlandschaft vollzogen haben, kann die Förderrichtlinie gar nicht abbilden. Aber genau das muss ja Sinn und Zweck einer Förderrichtlinie sein, dass sie die Realitäten abbildet und sich auch Entwicklungen anpasst. Verbal wurde dies vom damaligen Kultusminister immer wieder betont. In der Landtagsdebatte 2014 sagte Herr Dorgerloh wörtlich - ich zitiere -:
Verändert hat sich seitdem nun wirklich einiges, unter anderem mittlerweile auch der Kultusminister. Nur bei besagter Förderrichtlinie hat sich nichts geändert. Im vollmundigen Ankündigen war der ehemalige Kultusminister ein echter Held, nur Taten ließ er stets vermissen, wie dieses Beispiel einmal mehr aufzeigt. Im Interesse unserer Kulturlandschaft kann man nur hoffen, dass dies bei Herrn Robra anders und vor allem besser wird.
Meine Damen und Herren! Es gibt noch einen weiteren wesentlichen Punkt, den wir in der Richtlinie ändern möchten, und zwar betrifft dies die sehr niedrigen Obergrenzen für den Geldwert von Eigenarbeitsleistungen. Diese sind in mehrfacher Hinsicht problematisch. So beträgt der Höchstsatz hierbei im Regelfall 6 € pro Stunde. Das ist aus unserer Sicht klar zu niedrig; denn für einen hinreichenden Eigenanteil ist eine unvertretbar hohe Stundenanzahl erforderlich, die Vereine, Verbände oder auch Gemeinden dann nur schwer aufbringen können. Um es klar zu sagen: Sie entsprechen auch nicht mehr dem aktuellen Lohngefüge, wenn man den Mindestlohn und die Vergütung studentischer Hilfskräfte heutzutage vor Augen hat.
Auch hier ist die Zeit über die geltende Förderrichtlinie hinweggegangen. Dies führt dazu, dass die geringe Höhe bei Eigenarbeitsleistungen als Geringschätzung von ehrenamtlichem Engagement verstanden wird. Dazu sagen wir: Bei dieser Höhe auch völlig zu Recht. DIE LINKE fordert deshalb in dem vorliegenden Antrag, diese Arbeit besser zu würdigen.
Aus unserer Sicht sollten die Obergrenzen so gewählt werden, dass sie der tariflichen Regelung im öffentlichen Dienst für die jeweilige Tätigkeit entsprechen. Es wird höchste Zeit, hier deutlich nach oben zu korrigieren, um das Engagement dieser Personengruppe auch entsprechend zu würdigen.
Auch zu dem dritten Punkt unseres Antrags haben wir uns in der letzten Legislaturperiode schon einmal verständigt. Es geht um das Thema Provenienzforschung. Dieses Thema hat in den letzten Jahren eine hohe Aufmerksamkeit bekommen, weil es doch einige spektakuläre Fälle, wie den bekannten Fall Gurlitt, in der Vergangenheit gab und weil sich hier kulturpolitisch einiges getan hat, Letzteres auch durch die Gründung des Zentrums für Kulturgutverluste, welches seinen Sitz hier in Magdeburg hat. Gerade weil SachsenAnhalt den Sitz für diese Bundeseinrichtung innehat, sollten wir uns diesem Thema mit aller Ernsthaftigkeit und mit aller Akribie widmen.
Wir haben daher auch wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass die Koalition in ihrem Koalitionsvertrag formuliert hat, dass ein Konzept mit dem Ziel erarbeitet werden soll, die Provenienzforschung an den Museen Sachsen-Anhalts voranzutreiben.
Meine Damen und Herren! Das ist im Grunde genommen richtig und bekommt von uns auch Zustimmung. Jedoch darf sich Provenienzforschung nicht nur auf Museen beschränken. Es geht um alle kulturbewahrenden Einrichtungen; also auch Bibliotheken, Sammlungen und Archive geht dies etwas an.
In der aktuellen Fassung der Förderrichtlinie kommt der Begriff Provenienzforschung überhaupt nicht vor. Das müssen wir aus der Sicht meiner Fraktion ändern; denn Provenienzforschung ist eine klare förderfähige Tätigkeit der Kultureinrichtung und gehört als solche in die Förderrichtlinie für Kunst und Kultur. Deshalb steht es auch in unserem Antrag.
Meine Damen und Herren! Uns ist natürlich nicht entgangen, dass seit ein paar Tagen Bewegung in die Sache Förderrichtlinie gekommen ist. Quasi parallel zur Erarbeitung unseres Antrags wurde ein neuer Entwurf der Förderrichtlinie zur Anhörung an die Kulturverbände verschickt.
Man könnte jetzt denken, alles sei gut. Ist es aber nicht. Denn unsere Anliegen, die Sie in unserem Antrag finden, sind auch im neuen Entwurf der Kulturförderrichtlinie nicht berücksichtigt. Im neuen Entwurf der Kulturförderrichtlinie finden sich weder die Provenienzforschung als förderfähige Tätigkeit noch die zentrale Forderung wieder, dass kommunale Kultureinrichtungen eine höhere Landesförderung von bis zu 70 % beantragen können. Auch die Aufwertung der Eigenarbeitsleistungen ist nicht enthalten.
Also, meine Damen und Herren, kommt unser Antrag wohl zur richtigen Zeit. Ich hoffe, dass das die Mehrheit des Landtages auch so sieht. Ich bitte Sie deshalb um Ihre Zustimmung. - Herzlichen Dank.
Herzlichen Dank, Herr Gebhardt. - Ich sehe keine Nachfragen. Somit hat Staats- und Kulturminister Robra die Möglichkeit, darauf zu reagieren. Bitte schön.
Zusammenhang mit der Kulturförderung und der kulturpolitischen Agenda der siebenten Legislaturperiode aufgegriffen. Aber es war mitnichten so, lieber Herr Gebhardt, dass Sie uns Beine machen mussten. Der Staatssekretär war schon ausgesprochen fleißig und hat den ersten Entwurf einer neuen Kulturförderrichtlinie in die Diskussion gegeben.
Der Grund, dass das erst jetzt geschehen ist, aber immerhin jetzt geschehen ist, ist, dass es jahrelang - den Kollegen Dorgerloh muss ich an dieser Stelle in Schutz nehmen - Konflikte mit der Europäischen Union zu der Frage gegeben hat, ob es beihilferelevant ist oder nicht. Was deckt die allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung im Kulturbereich ab und was nicht?
Ende Juli hat sich nun eine für die Kultur wahrscheinlich günstige Situation ergeben. Das Bundeswirtschaftsministerium als zuständiges Beihilfeministerium spricht sogar von einer 180-GradWendung der Europäischen Kommission im Kulturbereich mit dem Ergebnis, dass voraussichtlich in der Regel - Ausnahmen mögen die Regel bestätigen - nicht mehr von einer Beihilferelevanz ausgegangen werden kann. Das Bundesministerium klärt noch die letzten Differenzen auch unter Beteiligung der Länder, damit wir dann genau wissen, was von der allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung abgedeckt wird und was weiterhin nach dem De-minimis-Prinzip gehen muss.
Auch deswegen haben wir zwei Entwürfe vorgelegt. Der eine behandelt die Fälle, die unter die allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung subsumiert werden können, weil wir einige erleichternde Randbedingungen von der europäischen Ebene erwarten dürfen. Der andere Entwurf greift auf, was nach der De-minimis-Verordnung noch einfacher ermöglicht werden kann.
Die Anhörungsfrist endet morgen. Aktuell gehen die Stellungnahmen ein. Ihren Beitrag, Herr Gebhardt, empfinde ich als eine besonders wertvolle Stellungnahme, die natürlich auch in die weiteren Überlegungen einbezogen wird.
Ja, es ist richtig: Der zu berücksichtigende Geldwert einer Arbeitsstunde bei Eigenleistung ist ein Thema, das auch in den Stellungnahmen eine Rolle spielt.
Zu der Museumsförderung will ich in Erinnerung bringen, dass eine Förderung in Höhe von 50 % nur dann gilt, wenn das Museum unmittelbar einen Antrag stellt. Wenn hingegen die Fördervereine, die es nahezu überall gibt, den Antrag stellen - -
- Ja, aber in den Fällen spielt das Element des bürgerschaftlichen Engagements, das wir auch fördern wollen, eine Rolle. Das fördern wir dadurch, dass wir letztlich - eine ähnliche Systematik gibt es quasi in allen Förderrichtlinien, zum Beispiel auch bei der regionalen Wirtschaftsstruktur -, wenn man zusätzliche Leistungen erbringt, zusätzliche Bonuspunkte vergeben. In diesen Fällen, in denen im Bereich der Museumsförderung die Einbeziehung von Fördervereinen erfolgt, gibt es auch einen solchen Bonus. Auch das wird zu diskutieren sein.
Grundsätzlich halte ich es für sehr wichtig - ich glaube, an dieser Stelle haben wir auch keinen Dissens -, dass Leiterinnen und Leiter von Museen sich bemühen, auch in ihrem Umfeld Menschen aus der Region zu finden, die mitmachen, sich in einem Förderverein engagieren und ihrerseits auch Anträge stellen neben den vielen Initiativen, die darüber hinaus zur Einwerbung von Mitteln für Ausstellungen Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr entwickelt werden.
Provenienzforschung ist - das ist unstrittig - ein ganz wichtiges Thema. Ich habe auch mit der Stelle in Magdeburg Gespräche darüber geführt, welche Initiativen sie für die Provenienzforschung in Sachsen-Anhalt konkret ergreift. Ich habe allerdings Zweifel, ob es angemessen ist, dieses besonders schwierige und komplexe Thema, bei dem auch Bundesmittel und die Initiativen der Stelle für die Provenienzforschung eine ganz wichtige Rolle spielen, in diese umfassende Onefits-all-Regelung, also in eine Regelung, die für alles gilt, aufzunehmen. Ich denke, das ist ein Thema, mit dem wir diese Kulturförderrichtlinie nicht überfrachten sollten. Vielmehr müssen wir uns die Provenienzforschung gesondert auf die Raufe nehmen; denn die Provenienzforschung hat letztlich viele Facetten.
Die Stelle ist bekanntlich nicht nur für die Kulturgutverluste während der nationalsozialistischen Zeit zuständig, sondern auch für Kulturgutverluste während der Zeit der Militäradministration und darüber hinaus für Kulturgutverluste, die es in der DDR nicht zuletzt über die Kommerzielle Koordinierung auch gegeben hat.
Es handelt sich also um ein umfassendes Thema, das uns wahrscheinlich noch mehrere Jahre beschäftigen wird. Die Stelle ist nicht nur für eine kurze Dauer eingerichtet worden, sondern hat eine Daueraufgabe zu leisten. Über unsere Institutionen, wie Museen, Galerien, und auch sonstige Einrichtungen wie Bibliotheken, die Sie mit Recht ansprachen, wird man noch einige Sätze mehr reden müssen.