Protokoll der Sitzung vom 29.09.2016

Deshalb möchte ich einmal mit einer positiven Feststellung anfangen. Sachsen-Anhalt hat mal etwas wirklich richtig gut hinbekommen. Angesichts der vielen Flüchtlingskinder, die in unseren Schulen der Schulpflicht nachkommen mussten, haben wir es geschafft, im Nachtragshaushalt das notwendige Geld zur Verfügung zu stellen. Obwohl viele geunkt haben, dass es gar keine Lehrer für das Fach Deutsch als Fremdsprache gebe, haben wir es geschafft, kurzfristig 226 Lehrkräfte einzustellen und weiterzubilden.

Wir haben in Sachsen-Anhalt also in Menschen, in junge Frauen und Männer investiert und zum Jahresende laufen die Verträge aus. Das ist etwas, was ein vernünftig denkender Unternehmer so nicht machen würde. Wenn ich in jemanden investiere, habe ich natürlich auch ein Interesse daran, seinen Sachverstand und seine Ressourcen in der Zukunft zu nutzen. Darum geht es uns.

Wir haben ein flächendeckendes Netz von Sprachförderklassen und -gruppen aufgebaut. Ich bin froh, dass der Minister - er hat heute auch die Realitäten angesprochen - mit seiner Behauptung aufgeräumt hat, es seien nie irgendwelche Bedarfe festgestellt worden.

Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass im letzten Jahr in Absprache mit dem Kultusministerium, dem Innenministerium und dem Landesschulamt Prognosen für den Bedarf festgestellt worden sind. Man hat also nicht ins Blaue hinein agiert. Für das Jahr 2015 hat man damals mit 3 000 Kindern gerechnet und entsprechend dem Bedarf Förderklassen eingerichtet. Tatsächlich sind es dann 5 800 geworden, also fast doppelt so viele.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, auch im Erlass des Kultusministeriums wird ausdrücklich formuliert, dass die neu eingestellten Sprachlehrkräfte eben nicht nur in den Sprachklassen eingesetzt werden, sondern auch den normalen Unterricht in den Schulen unterstützen. Das heißt, von dem Projekt Sprachlehrerinnen und Sprachlehrer haben alle Kinder in Sachsen-Anhalt profitiert. Und darüber bin ich froh.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Ja, es ist richtig, die eingestellten Sprachlehrkräfte haben sehr unterschiedliche Ausbildungshintergründe. Wir haben pensionierte Lehrerinnen und Lehrer, wir haben Absolventen eines Lehramtsstudiums, die die Zeit bis zum Referendariat überbrücken, und wir haben Absolventen aus anderen Bereichen. Allerdings verfügen alle Kolleginnen und Kollegen - das war damals die Einstellungsvoraussetzung - über eine pädagogische bzw. wissenschaftliche Ausbildung.

Das heißt, es sind hochqualifizierte Kolleginnen und Kollegen. Auch ich finde, dass diese Investition auch in Zukunft dem Land zugutekommen sollte und wir nach Möglichkeiten suchen sollten, die Kollegen nach dem Auslaufen der Verträge in Sachsen-Anhalt zu halten.

Dazu bedarf es einfach auch einmal eines konkreten Signals des Bildungsministers und natürlich der Kolleginnen und Kollegen im Landesschulamt. Was soll denn eine Betroffene machen, wenn ihr Vertrag ausläuft? - Natürlich geht sie

zum Arbeitsamt und sucht sich einen anderen Arbeitgeber.

Wir sollten, ausgehend von den freien Stellen, die vorhanden sind, schnell prüfen, welche Kolleginnen und Kollegen vom Profil her auf die nach wie vor zu besetzenden Stellen passen. Das wäre eine vernünftige Lösung. Dadurch könnte man die Probleme, die wir im Hinblick auf die Unterrichtsversorgung haben, auch kurzfristig lösen.

Was passiert, wenn wir jetzt einfach gar nichts tun? - Der Minister hat gesagt, er würde ja gern, aber er könne nicht. Das ist für mich ein Armutszeugnis.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn mitten im Schuljahr auf einmal mehr als 150 Lehrerinnen und Lehrer fehlen, die in den normalen Unterricht eingebunden sind, weiß ich ehrlich gesagt nicht, wie die anderen das übernehmen sollen und wie wir sicherstellen wollen, dass dann vor den Winterferien ein ordentlicher Abschluss des Schulhalbjahres möglich ist.

Ich hätte mir gewünscht, dass wir das in einem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen so hätten zum Ausdruck bringen können. Wir überweisen den Antrag in den Bildungsausschuss, zur Mitberatung in den Finanzausschuss. Ich bin nach wie vor optimistisch, dass wir dann in den Beratungen im Ausschuss eine konstruktive Lösung finden, wie wir den Kolleginnen und Kollegen genau das Signal geben können, dass sie hier dringend gebraucht werden und dass wir alles tun, was in unserer Macht steht, um ihnen ausgehend von den Bedarfen hier in Sachsen-Anhalt eine berufliche Perspektive zu bieten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Kolb-Janssen. - Der nächste Debattenredner ist der Abg. Herr Kohl von der AfD-Fraktion. Sie haben das Wort, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Eigentlich hatte ich eine etwas längere Rede vorbereitet, in der ich ausführlich darlegen wollte, warum ich den Antrag der Fraktion DIE LINKE anfänglich für gut befunden habe. Aber nach näherer Betrachtung würde ich ihn aus sachlichen und rechtlichen Gründen ablehnen.

Nachdem Herr Bildungsminister Tullner gestern schon gesagt hat, dass die Arbeitsverträge mit den Sprachlehrkräften nicht verlängert werden, bin ich davon ausgegangen, dass sich die Debatte, die sich ja mehr oder weniger in der Presse

abgespielt hat, damit erledigt hat. Nun muss ich feststellen, dass die Fraktion der SPD dazu ganz andere Auffassungen hat als Herr Tullner. Für mich stellt sich deshalb die Frage, ob und wie Sie sich in der Koalition abstimmen. Ich finde es merkwürdig.

Aber kommen wir zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. Ich erlaube mir, in kurzen Sätzen zu erklären, warum die AfD den Antrag nicht unterstützen kann bzw. welchen Standpunkt wir zu dem Thema haben.

Der Antrag kann erstens nicht unterstützt werden, weil er nicht rechtskonform umgesetzt werden kann.

Zweitens. Wir möchten, dass Lehrkräfte für alle Kinder da sind und alle Kinder unterrichtet werden können und nicht nur spezielle Gruppen. Mit zurückgehenden Flüchtlingszahlen ist es richtig, auch die Zahl der Sprachlehrkräfte zu reduzieren.

Außerdem sind wir der Ansicht, dass die Ausschreibung von Lehrerstellen aufgrund eines konkreten und belegbaren Bedarfs erfolgen soll. Auf diese Stellen soll sich jeder bewerben können.

Schlussendlich sind wir der Ansicht, dass unsere Kinder und Enkelkinder den größten Beitrag zum Erlernen der deutschen Sprache für Schülerinnen und Schüler, die Deutsch nicht als Muttersprache sprechen, durch die tägliche Interaktion mit diesen leisten. Betrachtet man Kosten, Aufwand und Nutzen, erreichen einheimische Kinder bei der Vermittlung von Sprachkenntnissen einen deutlich höheren Wirkungsgrad als ein Heer von Sprachlehrkräften. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Abg. Kohl. - Als nächstem Debattenredner erteile ich dem Abg. Herrn Aldag von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Es ist nun meine dritte Landtagssitzung, und auch in dieser spielt das Thema Bildung eine wesentliche Rolle. Minister Tullner ist aus der Sicht der Landesregierung auf die Sprachlehrkräfte eingegangen. Frau Prof. Dr. KolbJanssen hat dazu die entsprechenden Worte gefunden, denen ich mich vollumfänglich anschließen kann.

Bevor ich konkret auf den zu diesem Tagesordnungspunkt vorliegenden Antrag eingehe, möchte ich rückblickend zusammenfassend auf die Situation aus meiner Sicht eingehen.

In der ersten inhaltlichen Sitzung des Landtages im Juni dieses Jahres beschäftigten wir uns mit der Unterrichtsversorgung in unseren Schulen, also der Neueinstellung von ausreichend Lehrerinnen und Lehrern. In der Sitzung Anfang dieses Monates debattierten wir über die pädagogischen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Heute sind es die Sprachlehrkräfte, über die wir diskutieren.

Meine Damen und Herren! Vor ca. vier Wochen demonstrierten die Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Eltern der Körperbehindertenschule aus Dessau vor dem Landtag. Heute demonstriert das Aktionsbündnis der Eltern von Kindern an Förderschulen für Körperbehinderte und Sinnesgeschädigte mit ungefähr 150 Kindern, Eltern und Lehrerinnen und Lehrern aus verschiedenen Förderschulen Sachsen-Anhalts auf dem Domplatz.

Jede und jeder von uns hat mit Sicherheit in den letzten Tagen zahlreiche E-Mails bekommen, in denen sich Eltern über die teils dramatische Situation an einigen Schulen in Sachsen-Anhalt beschweren. Der Artikel in der „Mitteldeutschen Zeitung“, der in dieser Woche erschien, in dem von Körperverletzung gesprochen wird, sowie die Mitteilung des Behindertenbeauftragten von gestern haben mir zugegebenermaßen den Rest gegeben.

Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich bin sichtlich unzufrieden, weil es so scheint, als ob an dieser Stelle irgendetwas schiefläuft und dringender Handlungsbedarf besteht.

Ja, bei der Lehrereinstellung greift nun die flexible Handhabung. Ja, wir haben mit der vorläufigen Beschlussempfehlung zu den pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern etwas erarbeitet, was, glaube ich, zukünftig wichtig ist. Das heißt, die teilweise dramatische Situation wird erkannt und es wird gegengesteuert.

Ich merke jedoch, wie träge der Apparat reagiert, wo doch oft schnelle, unbürokratische Hilfe in Form von Zurückversetzungen bei akutem Personalmangel und Personalnotstand sinnvoll wären. Dort, wo umgesteuert wird, kommt das Ergebnis viel zu spät an. Diese Erfahrung habe ich bei meinen Besuchen an einigen Schulen im Land gemacht.

Ehrlicherweise muss man aber auch dazu sagen und erwähnen, dass es einige Schulen im Land gibt, in denen es ausgesprochen gut läuft. Ich war vor zwei Wochen mit dem Ministerpräsidenten und Minister Schröder in der Grundschule in Klostermansfeld. Dort haben wir ein sehr positives Beispiel gesehen, wie manche Schulen im Land im Moment arbeiten.

In Bezug auf die Sprachlehrkräfte ist es uns wichtig zu handeln, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist.

Meine Damen und Herren! In diesem Haus herrscht Konsens: Die Sprache ist der Schlüssel zur Integration. 180 Stellen für Sprachlehrkräfte mitten im laufenden Schuljahr einfach zu streichen erscheint mir ebenso wenig sinnvoll wie das pauschale Anbieten von unbefristeten Lehrerstellen an alle Sprachlehrkräfte; so habe ich zumindest den Antrag der LINKEN interpretiert, wenn das wohl auch gerade berichtigt wurde. Diesbezüglich muss ich mir den Antrag vielleicht genauer ansehen.

Ich glaube, was wir benötigen, ist eine Evaluierung der tatsächlichen Bedarfszahlen an Sprachlehrkräften. Im Falle einer Übernahme in eine unbefristete Stelle ist darüber hinaus zu prüfen, inwiefern Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, aber auch sonstige Nachqualifizierungsmaß

nahmen notwendig sind, um nach der jetzigen Rechtslage ungeeigneten Lehrkräften eine Qualifizierung zu ermöglichen und sie in den Schuldienst zu übernehmen. Diesbezüglich besteht derzeit wohl noch Unklarheit.

Deswegen soll der Antrag der Fraktion DIE LINKE zur federführenden Beratung an den Bildungsausschuss und zur Mitberatung an den Finanzausschuss überwiesen werden. Dort erwarten wir eine umfangreiche Darstellung der Bedarfszahlen und eine Übersicht über die bereits stattfindenden Qualifizierungsmaßnahmen. Mir erscheint es sinnvoll, dass die Beratung zeitnah im Oktober erfolgen muss, um so rechtzeitig vor dem Ende des Jahres die konkreten Einstellungszahlen festzulegen und den Sprachlehrerinnen und Sprachlehrern eine Perspektive zu geben. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abg. Aldag. - Für die CDUFraktion spricht die Abg. Angela Gorr. Sie haben das Wort, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion DIE LINKE hat auf den ersten Blick Charme; denn er möchte, um die Unterrichtsversorgung im Land aufrechtzuerhalten, denjenigen Lehrkräften, die derzeit befristet als Sprachlehrkräfte arbeiten, eine Chance geben, über den 31. Dezember 2016 hinaus an unseren Schulen aktiv zu unterrichten, und dies nicht nur als Sprachlehrkräfte.

Nun muss man aber darauf hinweisen, dass der Bedarf an Sprachlehrkräften an unseren Schulen aufgrund der zurückgegangenen Migrantenzahlen

nicht mehr so groß ist wie in der Anfangsphase. Wir sind der Landesregierung sehr dankbar, dass es in der damaligen Situation überhaupt gelungen ist, Sofortmaßnahmen zu ergreifen, damit die neu ins Land gekommenen Kinder und Jugendlichen eine Hilfe beim Spracherwerb und im Unterricht erhalten konnten. Dass diese Sofortmaßnahmen zunächst befristet waren, liegt ja wohl in der Natur der Sache.

Das derzeitige Problem besteht offensichtlich darin, dass es zum zukünftigen Bedarf keine genauen Zahlen gibt. Wir sollten also, bevor wir voreilig einer unbefristeten Einstellung von Lehrkräften das Wort reden, prüfen, wie viele wir tatsächlich benötigen.

Der Gedanke, diese zurzeit im System Schule vorhandenen Sprachlehrkräfte so zu qualifizieren, dass sie später nicht nur als Sprachlehrkräfte, sondern auch regulär als Lehrkräfte eingesetzt werden können, ist naheliegend. Doch so einfach ist die Welt leider nicht, wenn wir bestimmte Standards erfüllen und beibehalten wollen. Mit Standards meine ich nicht nur die Ausbildungs- und Unterrichtsqualität, sondern auch rechtliche und haushalterische Aspekte. An dieser Stelle verliert der Antrag der LINKEN nämlich seinen Charme und wird wohlfeil.

Sehr geehrte Damen und Herren! In dieser Debatte sind schon wichtige Punkte beleuchtet worden. Deshalb will ich nichts unnötig wiederholen, allerdings will ich zum Schluss meines Beitrags darauf hinweisen, dass genau zu prüfen ist, ob und wie wir das Problem mittel- und langfristig lösen können, um sowohl den Sprachlehrkräften als auch den Bedürfnissen der Unterrichtsversorgung im Land Sachsen-Anhalt gerecht zu werden. Der Ausschuss für Bildung und Kultur ist genau das Gremium für diese Diskussion ebenso wie der Ausschuss für Finanzen.

Abschließend möchte ich noch zwei persönliche Bemerkungen machen. Zunächst möchte ich bemerken, dass nicht nur der Abg. Herr Lippmann von der Fraktion DIE LINKE in seiner Einbringungsrede, sondern auch ein anderer Kollege wieder eine ganze Reihe von Problemen im Bereich Personal an Schulen des Landes miteinander vermischt hat. Vielleicht sollten wir uns zukünftig ein wenig an den Titeln der Anträge orientieren. Der Titel dieses Antrags lautet: Sprachlehrkräften schnell unbefristete Stellen anbieten.

Ich möchte noch eine persönliche Bemerkung machen. Ich denke, in den beiden Ausschüssen für Bildung und Kultur und für Finanzen sollten wir uns noch einmal damit beschäftigen, durch welche Konstellationen im Land Sachsen-Anhalt diese für manche relativ unerträgliche Unterrichtsversorgung überhaupt entstanden ist. Das führt im