Protokoll der Sitzung vom 29.09.2016

Dieser Konsens sollte länger als eine Legislaturperiode bestehen, weil Investitionen in Anlagen und Infrastrukturen von erneuerbaren Energien langfristig angelegt sind. Unsere jetzigen Aktivitäten und Maßnahmen werden sich besonders nach dem 31. Dezember 2020 positiv auswirken, weil dann Windenergieanlagen in erheblichem Umfang aus der EEG-Vergütung herausfallen.

Zu diesem Zeitpunkt ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass sich der wirtschaftliche Betrieb dieser alten Anlagen allein durch den Verkauf des Stroms an der Börse nicht mehr rechnen wird. Die Betreiberin oder der Betreiber einer Anlage steht dann vor der Frage, ob die Anlage ersatzlos abgebaut oder ob sie repowert wird. Spätestens zu diesem Zeitpunkt werden dann gute Rahmenbedingungen für das Repowering auch wirklich greifen.

Im Koalitionsvertrag haben wir uns auf Seite 110 dazu verständigt, dass die Windenergieproduktion in den Vorrang- und Eignungsgebieten erhöht werden muss. Dazu sind insbesondere die Potenziale des Repowerings zu nutzen. Bei einer heutigen Beanspruchung von ca. 2 % der Landesfläche für die Windenenergie sind lediglich 0,9 %

als Vorrang- und Eignungsgebiete raumordnerisch ausgewiesen.

Diese heute ausgewiesenen Windnutzungsgebiete müssen Platz für folgende Konstellationen bieten: erstens für den Neubau bzw. reinen Zubau von Anlagen, zweitens für das Repowering von Anlagen, die heute bereits in diesen Vorrang- und Eignungsgebieten stehen, und drittens müssen diese ausgewiesenen Gebiete auch die Repoweringanlagen aufnehmen, bei denen die Altanlagen heute außerhalb der Vorrang- und Eignungsgebiete stehen. Außerhalb stehen heute rund 1 400 Anlagen, innerhalb ungefähr 1 300 Anlagen.

Zudem ist es so, dass die ausgewiesenen Windnutzungsgebiete heute bereits fast vollständig belegt sind. Außerdem müssen größere Anlagen, also höhere Anlagen aufgrund der stärkeren Turbulenzen zur Sicherstellung ihrer Standsicherheit weiter auseinander stehen. Wir brauchen also noch mehr Platz.

Diese beiden Aspekte verdeutlichen, dass wir mehr Windnutzungsfläche brauchen werden. Deshalb sollen die regionalen Planungsgemeinschaften gebeten werden, zu prüfen und zu ermitteln, welcher Handlungsbedarf bei der Ausweisung von Vorrang- und Eignungsgebieten zur Windenergienutzung besteht, um das Ziel des vollständigen Repowerings aller Bestandsanlagen grundsätzlich zu ermöglichen.

Um Mensch, Natur und Landschaftsbild so wenig wie möglich zu beeinträchtigen, bleibt es dabei, den Bau von Windenergieanlagen räumlich zu steuern und in den ausgewiesenen Gebieten zu konzentrieren.

Das im Jahr 2015 in Kraft getretene Landesentwicklungsgesetz bietet die Möglichkeit, Gebiete zur Nutzung der Windenergie auszuweisen, die ausschließlich dem Repowering vorbehalten sind. Eine derartige Flächenausweisung schafft einen zusätzlichen Anreiz, aus Gründen des Anwohnerschutzes, des Natur- und Artenschutzes sowie der Effizienz den Kraftwerkspark zu erneuern.

Eine gezielte Steuerung in der Regionalplanung kann dazu beitragen, besonders Standorte mit wenigen Anlagen zurückzubauen und somit schnell und wirksam Erleichterungen für Mensch, Natur und Landschaft zu schaffen.

Nach dem derzeit geltenden Landesentwicklungsgesetz muss das Repowering im Verhältnis von mindestens 2 : 1 erfolgen. Das heißt, zwei Altanlagen müssen abgebaut werden, um eine neue Windenergieanlage in einem Vorrang- oder Eignungsgebiet in demselben Landkreis oder in derselben kreisfreien Stadt errichten zu können.

Diese Vorgabe soll nun so gelockert und geändert werden, dass für die überschaubare Anzahl von

alten Einzelanlagen, die heute außerhalb der ausgewiesenen Gebiete stehen, ein Repowering im Verhältnis 1 : 1 möglich wird. Denn dann bekommen die Betreiber von bestehenden Einzelwindenergieanlagen einen Anreiz für einen schnellen Rückbau.

Die Landesregierung wird nun gebeten zu klären, was unternommen werden muss, damit dies entsprechend umgesetzt werden kann. Im ersten Absatz unseres Antrages haben wir diese Einzelwindenergieanlagen in besonderer Weise hervorgehoben.

An dieser Stelle möchte ich einen Vorschlag einbringen, wie Einzelwindenergieanlagen definiert werden können. Ich zitiere aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juni 2004:

„[Der deutsche Gesetzgeber] unterscheidet zwischen Anlagen, die eine Windfarm bilden, und Einzelanlagen. […] Von einer Windfarm ist mithin erst dann auszugehen, wenn drei oder mehr Windkraftanlagen einander räumlich so zugeordnet werden, dass sich ihre Einwirkungsbereiche überschneiden oder wenigstens berühren.“

Zum Einwirkungsbereich heißt es - Zitat -:

„So wurde davon ausgegangen, dass bei Überschreiten eines Abstandes in Höhe des zehnfachen Rotordurchmessers zwischen den einzelnen Windenergieanlagen regelmäßig nicht mehr von einem gemeinsamen Einwirkungsbereich auszugehen sei.“

Das heißt also übersetzt in unseren Vorschlag: Was sind Einzelwindenergieanlagen? - Anlagen, die keine Windfarm bilden, sind Einzelanlagen. Ab dem zehnfachen Rotordurchmesser kann man davon ausgehen, dass sich die Einwirkungsbereiche nicht mehr überschneiden oder berühren. Das heißt, eine oder zwei Windenergieanlagen, deren Abstand zu weiteren Windenergieanlagen mehr als zehn Rotordurchmesser beträgt, sind Einzelanlagen.

Ich möchte noch etwas zu den Chancen von Repowering sagen. Repowering bietet auch die Chance, jene Altstandorte aufzugeben, an denen es bisher zu erheblichen Beeinträchtigungen gekommen ist. Werden diese Altanlagen abgebaut, wird das Orts- und Landschaftsbild verbessert und die Störungen für Mensch und Natur werden beseitigt.

Windenergie lässt sich inzwischen sehr präzise vorhersagen. Neue Anlagen sind vom Netzbetreiber fernsteuerbar, sie tragen zur Frequenzhaltung bei und fangen Schwankungen bei anderen erneuerbaren Energien ab. So können Windenergieanlagen zur Netzstabilität beitragen. Moderne Windkraftanlagen kommen heute auf mehr als 7 000 Betriebsstunden, da bereits ab einer Wind

geschwindigkeit von 3 m/s die Stromproduktion beginnt.

Im Zusammenhang mit Höhe und Rotordurchmesser nimmt das Band der kontinuierlich zur Verfügung stehenden Kilowattstunden weiter zu. Man geht heute schon davon aus, dass ein Anteil von 30 % der Windenergie ständig zur Verfügung steht. Produktionsspitzen lassen sich zukünftig auch leichter über Power-to-gas- oder Power-toheat-Projekte nutzen.

Sachsen-Anhalt ist ein wichtiger Produktionsstandort für eine in Maschinenbau und Elektrotechnik verankerte Branche; dazu gehört auch die Windenergieanlagenproduktion. Wir haben 70 % Exportleistung und einen Weltmarktanteil von 20 %. Das trägt natürlich auch erheblich zum volkswirtschaftlichen Nutzen unseres Landes bei. Das Land muss ein Interesse an einem hochmodernen erneuerbaren Energie- und Kraftwerkpark haben, und Repowering kann dazu beitragen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herzlichen Dank, Frau Frederking. - Wir kommen jetzt zur zweiten Einbringungsrede, der zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. Frau Eisenreich hat das Wort. - Ein kurzer Hinweis: Wir haben leider vorne nicht die richtige Zeit einstellen können. Sie haben genau wie Ihre Vorrednerin als Einbringerin 15 Minuten, aber Sie können nicht sehen, wie Ihre Redezeit abläuft. Vertrauen Sie auf uns. Sie haben eine Viertelstunde Zeit und dann melden wir uns hier hinten.

(Ulrich Thomas, CDU: In der Kürze liegt die Würze!)

Sehr geehrter Herr Präsident, ich hoffe, wir bekommen das hin. Ich denke, Sie haben Ihr Auge darauf.

Meine Damen und Herren! Die Energiewende ist unbestritten entscheidend für die Erfüllung der Klimaschutzziele. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich dazu verbal bekannt. Schließlich wird mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesondere auch hier in den neuen Bundesländern und damit in Sachsen-Anhalt, ein wichtiger Beitrag dazu geleistet.

Doch neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien ist die Akzeptanz vor Ort eine entscheidende Säule zum Gelingen der Energiewende. Allerdings haben gerade in Sachsen-Anhalt vor allem externe Investoren Windräder vielerorts wie Pilze aus dem Boden wachsen lassen. Und - wir haben es gerade gehört - etwas mehr als 50 % der Windkraftanlagen Sachsen-Anhalts befinden sich

außerhalb von Eignungs- und Vorranggebieten. Dass das Bürgerinnen und Bürger an Sinn und Nutzen der Anlagen zweifeln lässt, ist natürlich nicht verwunderlich.

Um nun diesem Wildwuchs zu begegnen, wird in Sachsen-Anhalt versucht, das Repowering von Windkraftanlagen aus dem Erneuerbare-EnergienGesetz als Anreiz zu nutzen. Dabei ist doch aber das Repowering ein Instrument zur Modernisierung und Effizienzsteigerung, in dessen Anwendung die installierte Leistung am Ende gesteigert sein soll; es ist eben kein Instrument zur Raumordnung.

(Beifall bei der LINKEN)

Daher ist die Umsetzung im Landesentwicklungsgesetz von Sachsen-Anhalt, das 2015 in Kraft getreten ist, absolut widersinnig.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Zwar wurde vorgegeben, sich auf die Erneuerung bestehender Anlagen durch Leistungssteigerung in den Eignungs- und Vorranggebieten konzentrieren zu wollen, aber letztendlich ist eine Regelung nach der Anzahl von Windkraftanlagen statt nach der Leistung getroffen worden.

Das heißt - auch das haben wir gerade gehört -, für die Errichtung einer neuen Windkraftanlage sind zwei Altanlagen abzubauen, die sich nämlich außerhalb von Eignungs- und Vorranggebieten befinden. Unter anderem diese Regelung war der Grund, warum die Fraktion DIE LINKE in der letzten Legislaturperiode das Gesetz abgelehnt hat.

Tatsächlich gibt es für Investoren zurzeit keinen Grund, Altanlagen zu repowern. Die RepoweringRegelung wurde im kürzlich verabschiedeten Erneuerbare-Energien-Gesetz gänzlich gestrichen bzw. Anreize für Neuanlagen aufgrund der neuen Ausschreibungsregelung drastisch reduziert.

Somit stellt der heutige Antrag der Regierungskoalition quasi eine Hilfskonstruktion zur Stimulierung des Repowerings von Windkraftanlagen dar, aber er wirkt weder gegen den Wildwuchs, noch treibt er das Repowering tatsächlich voran, weil erneut allein auf die Anzahl der Anlagen anstatt auf deren Leistungen abgestellt worden ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Übrigen führt das im allerschlimmsten Fall dazu, dass die Gesamtwindleistung reduziert werden könnte. Dies steht sowohl den Zielen des Repowerings als auch der Energiewende insgesamt und damit allen Bemühungen um die Erfüllung des Klimaschutzes entgegen.

Fragwürdig sind auch die Frage und die Zielstellung des sogenannten vollständigen Repowerings in Ihrem Antrag. Was soll man darunter verstehen? - Nun gut, wenn wir uns den Antrag der

Koalition ansehen, dürfte die Antwort lauten: Abbau aller Altanlagen - so hat es Frau Frederking auch anklingen lassen - außerhalb von Eignungs- und Vorranggebieten und Aufstellung der gleichen Anzahl von Neuanlagen innerhalb von Eignungs- und Vorranggebieten.

(Frank Scheurell, CDU: Falsch!)

Das ist nach meiner Auffassung, nach unserer Auffassung meilenweit am Sinn des Repowerings vorbeigedacht.

(Dorothea Frederking, GRÜNE: Wir meinen alle Anlagen!)

Soll der im Antrag formulierte Prüfauftrag sinnvoll verstanden werden, müssen den regionalen Planungsgemeinschaften dazu auch in letzter Konsequenz veränderte Kriterien für die Ausweisung von Eignungs- und Vorranggebieten an die Hand gegeben werden. Das tut sich also nicht von selbst.

Doch selbst wenn es nun gelänge, mehr Anlagen zu repowern, mit dem hehren Ziel - wie Sie gerade dazwischenrufen -, das mit allen Anlagen zu tun, so haben doch Windkraftprojekte hier in Sachsen-Anhalt mit zwei ganz grundlegenden Problemen zu kämpfen. Einerseits haben wir vorwiegend externe Projektierungen durch Investoren von Windparks, die kaum zur regionalen Wertschöpfung beitragen, weil Erlöse aus erneuerbaren Energien und erzielte Gewinne häufig aus den Regionen abfließen.

Andererseits treffen Windkraftanlagen bei der Bevölkerung, vor deren Haustür sie stehen, mitunter auf recht wenig Zustimmung und Akzeptanz. Die Gründe dafür sind offensichtlich. In der Vergangenheit mangelte es oft daran, dass Bürgerinnen und Bürger sowie Kommunen nicht oder nur teilweise von Beginn an in die detailgenaue Diskussion von Projekten einbezogen waren. Eine frühzeitige Ansprache der Bevölkerung oder zumindest leicht zugängliche und verständliche Informationen zu Vorhaben waren und sind nach wie vor Mangelware. Ganz zu schweigen davon, ob Beteiligungen an solchen Projekten möglich sind. Sie sind es nämlich kaum.

Ein solches Vorgehen trägt natürlich überhaupt nicht dazu bei, dass die Energiewende gelingt, wenn sie von den Bürgerinnen und Bürger aus diesen Gründen nicht akzeptiert wird. Das ist der Anlass für unseren Antrag. Wir wollen deshalb beim künftigen Ausbau der Windenergie in Sachsen-Anhalt die Frage nach einer direkten oder auch indirekten Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern, aber auch von Gemeinden und lokalen Unternehmen, stärker in den Fokus rücken.

(Zustimmung bei der LINKEN)