gegen falsche Entscheidungen der Regierungen. Menschen trauen sich jetzt wieder auf die Straße und trauen sich zu sagen, was sie denken.
(Thomas Lippmann, DIE LINKE: Ach so? Ihr behauptet doch immer das Gegenteil, man darf nichts mehr sagen!)
Das haben sie lange Zeit nicht gemacht, weil sie sich gut regiert fühlten. Aber seit dem Jahr 2015 wissen die Menschen in diesem Land, dass sie nicht mehr gut regiert werden.
Das hat aber nichts damit zu tun, dass es einen unterstellten Rechtsruck gibt, und das hat auch überhaupt nichts damit zu tun, dass die Menschen, die sich nicht gut regiert fühlen, plötzlich Pflegekräfte angreifen. Es ist großer Käse, den Sie hier erzählt haben.
Sie haben eine Verbindung aufgemacht, die einfach nicht existent ist. Sie haben das Thema nicht verstanden. Sie haben hier wieder gezeigt: Es ist ein AfD-Antrag.
Gegen einen AfD-Antrag, mit dem ein wichtiges Thema - ja, das ist mein letzter Satz, Frau Präsidentin -
in den Landtag gebracht wurde, dagegen muss man stimmen. Das haben Sie heute wieder konsequent durchgezogen. - Vielen Dank.
Wir kommen nunmehr zur nächsten Debattenrednerin. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abg. Frau Lüddemann.
Doch bevor ich der Abg. Frau Lüddemann das Wort erteile, habe ich die ehrenvolle Aufgabe, Damen und Herren im Bundesfreiwilligendienst bei der Stadtverwaltung Sangerhausen recht herzlich bei uns im Hohen Hause zu begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Abgeordnete! Gewalt ist nicht zu rechtfertigen, in keinem Fall, das ist klipp und klar festzustellen. Wenn diese dann auch noch gegen Rettungskräfte, Feuerwehrmänner oder Feuerwehrfrauen, Polizistinnen oder Polizisten ausgeübt wird, dann ist das noch drastischer zu verurteilen; denn diese sind in unser aller Auftrag und zu unser aller Nutzen unterwegs.
Es sind Beispiele bekannt geworden, die uns alle fassungslos machen sollten. Wenn etwa Menschen aggressiv gegen Rettungskräfte vorgehen, die ein Kleinkind reanimieren, weil der Rettungswagen ihren Pkw blockiert, wenn Menschen verbal ausfällig oder sogar handgreiflich werden, weil ein Rettungswagen ihre Ausfahrt blockiert, sie aber zum Einkaufen wollen, dann ist das beschämend und sagt viel über unsere Gesellschaft aus, aber nichts Gutes.
Ja, leider nimmt die Zahl der gemeldeten Fälle zu. Die Zahl der Straftaten gegen Rettungskräfte stieg
bei uns im Land von 33 Fällen im Jahr 2012 auf 68 Fälle im Jahr 2017. Auch die beiden einschlägigen Studien der Universität Bochum zeigen eine Zunahme der Zahl der Betroffenen. In der Befragung aus dem Jahr 2011 äußerten 59 % der Rettungskräfte, dass sie mindestens einmal im Jahr Gewalt erfahren haben. Im Jahr 2017 äußerten sich 64 % entsprechend.
Wie in solchen Fällen üblich - das gehört auch zur Wahrheit -, ist es schwer einzuschätzen, ob das an einem veränderten Meldeverhalten, an einer höheren Sensibilität für das Thema oder de facto an einer Zunahme der Vorfälle liegt.
Neben erschreckenden Einzelfällen - ich habe eben zwei Beispiele genannt von Autofahrern, die es nicht verwunden haben, dass sie in ihrer persönlichen Lebensführung eingeschränkt werden; so haben sie es jedenfalls empfunden - gibt es auch Notsituationen, in denen es um Leben und Tod geht und starke Gefühle der Angst, der Ohnmacht und der Trauer bei Betroffenen und Angehörigen Ausfälligkeiten hervorrufen.
In diesen Extremsituationen sind Wut und Aggression natürlich nicht zu entschuldigen, aber sie sind, glaube ich, menschlich nachvollziehbar. Unsere Aufgabe ist es, Rettungskräfte auf solche Situationen besser vorzubereiten, damit sie deeskalierend wirken und sich selbst schützen können.
Das ist im Übrigen auch ein zentrales Ergebnis, das die beiden erwähnten Studien aus Bochum ergeben haben. Die befragten Fachkräfte wollen in der Mehrzahl keine Schutzwesten oder Pfeffersprays. Auch härtere Sanktionen werden von ihnen nicht als hilfreich empfunden, sondern die Betroffenen selbst haben auf Fortbildungsangebote im Bereich Deeskalation, Konfliktregelung und Gesprächsführung sowie Selbstverteidigung verwiesen.
Wenn also etwa in Rollenspielen kritische Situationen durchgespielt und Reaktionsweisen erlernt und in ein automatisches Handlungsschema überführt werden können, dann hilft das den Betroffenen sehr viel mehr. Das hilft natürlich insgesamt dabei, die Situation zu entschärfen und wieder ein Stück weit menschlicher zu machen.
Genau in diese Richtung weist unser Alternativantrag. Wir wollen dafür sorgen, dass in Zukunft immer mehr Fachkräfte vorbereitet und selbstsicher in solche Situationen gehen und dann adäquat reagieren können. Dafür wollen wir diese Thematik sowohl bei den Ausbildungen als auch bei den Fortbildungen im Bereich der Pflege stärker verankern.
Wir werden die Träger der Rettungsdienste und Feuerwehren als Land dabei unterstützen, in diesem Bereich zu Verbesserungen zu kommen.
Wir werden ein Maßnahmenpaket schnüren, um dieser Art von Gewalttaten im besten Falle sogar präventiv entgegentreten zu können. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Abg. Lüddemann. Ich sehe keine Wortmeldungen. - Wir kommen zum nächsten Debattenredner. Für die SPD-Fraktion spricht der Abg. Herr Erben. Sie haben das Wort. Bitte.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zweifelsohne ein wichtiges Thema - ob richtig umgesetzt, dazu werde ich noch etwas sagen.
Ich will an das anschließen, was Kollegin Lüddemann eben sagte. Ich habe eine große Zahl von Bekannten, die teilweise Jahrzehnte im Rettungsdienst tätig sind. Die Frage von gewalttätigen Übergriffen ist keine Frage von gesteigerter Sensibilität oder vielleicht von zu großer Empfindlichkeit von Rettungskräften. Die Gewalt hat in den vergangenen Jahren - und nicht erst in den letzten drei, vier - massiv zugenommen.
Die Hemmschwelle, Gewalt auszuüben gegen demjenigen, der hilft, ist gesunken. Solche Dinge, die man sich eigentlich überhaupt nicht erträumen könnte, wie: ein RTW parkt die Ausfahrt zu und ich greife den Rettungsassistenten an, hat es früher nicht gegeben, aber es gibt sie jetzt. An der Stelle ist eine deutliche Zunahme erfolgt.
Wir haben eine Verrohung in der Gesellschaft. Die Hemmschwelle für Dinge, die man früher nicht gemacht hätte, ist eindeutig gesunken. Das hat sehr oft mit Alkohol- und Drogenkonsum zu tun.
Ich will auch gar nicht weiter darüber philosophieren, welche Gründe dazu geführt haben könnten. Ich glaube aber, mit einer Statistik und einer Statistikpflicht beseitigt man das Problem nicht; denn wir kennen das Problem. Mit einer zusätzlichen Datenerfassung werden wir das Problem keinesfalls beseitigen.
Ein Krankenhaus oder eine Pflegeeinrichtung hat unter Umständen auch gute Gründe dafür, wenn man sich dort dafür entscheidet, keine Anzeige zu erstatten; denn bekannterweise handelt es sich bei Pflegekräften oder Ärzten nicht um Staatsanwälte oder Polizeivollzugsbeamte. Diese können
gute Gründe dafür haben, warum sie beispielsweise gegen einen Demenzkranken keine Anzeige wegen versuchter Körperverletzung erstatten. Dafür gibt es zweifelsohne Gründe.
Jetzt soll eine Statistik eingeführt werden, Herr Raue, die weiter keine Arbeit macht, wie Sie uns erklärt haben.
Wenn es diese Statistik gibt - nehmen wir einmal an, wir würden Ihrem Vorschlag folgen -, dann kommen Sie nächstes Jahr damit und sagen: Wir legen jetzt einmal die polizeiliche Kriminalstatistik von Herrn Stahlknecht daneben. Dann wird es Unterschiede geben, weil man sich nämlich nicht dafür entschieden hat, die Polizei zu holen. Dann sagen Sie: Das ist alles Betrug. Das sind falsche Zahlen. Sie haben wieder Statistiken gefälscht.
Wir haben eine polizeiliche Kriminalstatistik, in der jeder Fall enthalten ist, in dem sich eine Einrichtung oder ein Arzt dafür entscheiden, die Polizei zu holen und eine Anzeige zu schreiben. Daneben brauchen wir keine Daten, sondern wir brauchen Bekämpfungsstrategien, wie wir damit umgehen. Das ist Gegenstand unseres Alternativantrags, für dessen Annahme ich werben möchte.
Wir unterstützen in gleicher Weise die Strafverschärfung im Anwendungsbereich sozusagen des Widerstandsparagrafen auch für Notaufnahmen; das ist gar keine Frage.
Noch ein letzter Hinweis zu den Kosten: Wenn wir als Land unmittelbar etwas tun können, nämlich zum Beispiel bei der Refinanzierung eines Antigewalttrainings im Bereich des Rettungsdienstes, dann haben wir das in Sachsen-Anhalt getan. Beispielsweise Seminare, Trainings etc. im Bereich des Rettungsdienstes sind vollständig Kostenbestandteile nach unserem Rettungsdienstgesetz. Das heißt auch, wenn heute ein Konzessionsnehmer im Bereich des Rettungsdienstes solche Dinge für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durchführt, dann kann er diese als Kosten nach dem Rettungsdienstgesetz geltend machen. Das dürfte also machbar sein. Bei Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen mag das anders aussehen. Ich will nur darauf hinweisen: Wenn wir in dem Bereich als Gesetzgeber unmittelbar handeln können, dann haben wir das getan. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Erben. Es gibt zwei Wortmeldungen, von Herrn Kirchner und Herrn Siegmund. - Herr Kirchner, Sie haben das Wort.