Protokoll der Sitzung vom 30.01.2020

(Zustimmung von Stefan Gebhardt, DIE LINKE, von Thomas Lippmann, DIE LINKE, und von Dr. Katja Pähle, SPD)

Im dritten Hauptteil der Landesverfassung, der die Staatsorganisation beinhaltet, werden Regelungsvorschläge unterbreitet, die Erfahrungen aus den vergangenen 30 Jahren nach der Wiederentstehung des Landes Sachsen-Anhalt aufgreifen.

Erstens wird die Möglichkeit der Informationsgewinnung für die Mitglieder des Landtags dadurch erweitert, dass das Frage- und Auskunftsrecht sowie das Recht auf Aktenvorlage jedem einzelnen Abgeordneten zusteht und nicht, wie gegenwärtig, eine qualifizierte Ausschussminderheit erforderlich ist, um diese Dinge am Ende vorgelegt zu bekommen. Ich denke, das ist für uns alle im Parlament ein großer Schritt der Informationsgewinnung, der sich sehen lassen kann.

Wir schlagen zweitens vor, die Frist für die Wahl des Ministerpräsidenten, die gegenwärtig innerhalb von 14 Tagen nach der Konstituierung des Landtags zu erfolgen hat, aufzuheben. Zugleich soll auch die Begrenzung der Anzahl der Vizepräsidenten des Landtags gestrichen werden. Diese Änderung, meine sehr verehrten Damen und Herren, soll das jeweilige Parlament in die Lage versetzen, flexibel auf höhere Anforderungen sowie auf komplexere und komplizierter werdende politische Bedingungen zu reagieren.

Drittens wird es zur Stärkung der plebiszitären Elemente kommen. So werden unter anderem auch das Quorum zur Unterstützung eines Volksbegehrens durch die Wahlberechtigten von 9 % auf 7 % abgesenkt und die Verfahren zur Einleitung einer Volksinitiative oder eines Volksbegehrens vereinfacht und übersichtlicher gestaltet.

Die in Artikel 2 und 3 des Gesetzentwurfes enthaltenen Vorschläge zur Änderung des Abgeordnetengesetzes möchte ich auch kurz erläutern. Die Kommission hat sich dafür entschieden, die Zahlung von zusätzlichen Entschädigungen für die Ausübung herausgehobener parlamentarischer Funktionen wieder gesetzlich zu regeln und die Anzahl der Empfänger solcher Zahlungen wegen der verfassungsrechtlichen Vorgaben auf ein Minimum zu beschränken. Gesetzliche Zahlungen werden daher vereinheitlicht und für einen gesetzlich geregelten, eng begrenzten Personenkreis festgeschrieben.

Die Begrenzung des betreffenden Personenkreises beruht auf einer stringenten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und von Landesverfassungsgerichten zur Zulässigkeit der Gewährung von zusätzlichen Entschädigungen für die Ausübung besonderer parlamentarischer Funktionen.

Änderungen im Abgeordnetengesetz SachsenAnhalt sind daneben bei den Regelungen hinsichtlich der Altersentschädigung vorgesehen. Zum einen soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass ehemalige Abgeordnete, die schwerbehindert sind, auf Antrag die Altersentschädigung bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres erhalten können.

Zum anderen sollen, wie beim Bund und in neun weiteren Bundesländern, die Voraussetzungen geschaffen werden, dass die Zeit, in der eine besondere parlamentarische Funktion ausgeübt wurde, bei der Berechnung der Höhe der Altersentschädigung Berücksichtigung findet, so wie bei Staatssekretären und Ministern.

Des Weiteren sehen die vorgeschlagenen Änderungen vor, dass ab der achten Wahlperiode nur noch ein Anspruch auf Altersentschädigung besteht, wenn man dem Parlament mindestens ein Jahr angehört hat, nicht mehr wie bisher, dass einige Tage ausgereicht haben. Das ändern wir ebenfalls. Das zeigt am Ende auch, dass wir alle Bereiche beleuchtet und angepackt haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf sieht darüber hinaus auch Regelungen vor, die wir verändern wollen, und zwar beim Landesbeauftragten für den Datenschutz und bei der Beauftragten des Landes Sachsen-Anhalt zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Diese Regelungen für die genannten Beauftragten sollen im Wesentlichen vereinheitlicht werden. Unter anderem wird aber auch das Quorum zur Wahl der Beauftragten geändert und einheitlich auf die Mehrheit der Mitglieder des Landtages festgelegt.

Gleichzeitig wird die Amtszeit auf fünf Jahre bei einer Wiederwahl festgelegt. Auch das ist eine Reaktion auf die immer schwieriger werdende politische Situation.

Die Änderung des Wahlgesetzes wurde aus dem Parlamentsreformpaket herausgelöst und in

einem eigenständigen Gesetzgebungsverfahren beraten und mit dem Artikel 1 des Gesetzes vom 27. November 2019 beschlossen. Die Herauslösung erfolgte vor dem Hintergrund, dass Fristen zur Vorbereitung der nächsten Landtagswahl bereits im Monat Dezember 2019 zu laufen begannen.

Weitere Änderungen in dem vorliegenden Gesetzentwurf betreffen die Änderung der Geschäftsordnung des Landtages von Sachsen-Anhalt sowie die Verhaltensregeln für die Mitglieder des Landtages von Sachsen-Anhalt. Auch hier legen wir ein bisschen mehr Schärfe hinein: einerseits wenn es um uns geht, um unsere Verhaltensregeln; andererseits wenn es um das Verhalten aller hier im Parlament geht, um die Geschäftsordnung, damit am Ende unsere Präsidentin und ihre beiden Mit

streiter ordentlich reagieren können, wenn es zu lebhaften und heftigen Debatten im Parlament kommt. Aber das wünschen wir uns ja auch mit dieser Parlamentsreform.

Dem Gesetzentwurf wurde eine Kostenschätzung beigefügt. Entgegen der einseitigen Diskussion möchte ich noch einmal darauf hinweisen: Aufgrund der Reduzierung der Zahl der Wahlkreise und der Zahl der Abgeordneten sparen wir 8 Millionen € ein. Die einbringenden Fraktionen - das ist auch noch besonders - haben sich darauf verständigt, vorgesehene Erhöhungen der Fraktionskostenzuschüsse für 2020 nicht vorzunehmen und den im Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2021 vorgesehenen Ansatz zu verringern, also zwei Nullrunden für die Fraktionskostenzuschüsse. Das war nicht einfach. Aber auch in diesem Fall haben die Fraktionen ihren Beitrag zur Kostenreduzierung zu leisten. Sie sind auch bereit, dies so zu tragen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist unser Ziel, über dieses Paket zügig zu beraten, damit die vorgeschlagenen Änderungen zeitnah in Kraft treten und ihre Wirkung entfalten können.

Nun bleibt mir nur noch, mich bei allen zu bedanken, die an der Erarbeitung des Gesetzentwurfs mitgewirkt haben: der Verwaltung und den parlamentarischen Geschäftsführern.

Ich werbe um Zustimmung bei allen Fraktionen.

Am Ende möchte ich den entsprechenden Überweisungsantrag stellen. Frau Präsidentin, ich stelle den Antrag auf Überweisung in den Ältestenrat. Eine Überweisung in den Ausschuss für Finanzen lehne ich ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kurze. Es gibt keine Wortmeldungen. - Die Fraktion DIE LINKE hat jetzt fünf Minuten Redezeit. Herr Abg. Gebhardt hat jetzt die Möglichkeit, den Gesetzentwurf in fünf Minuten einzubringen. Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich kann nahtlos anschließen. Den vier demokratischen Fraktionen ist es gelungen, einen umfassenden Gesetzentwurf vorzulegen. Ich glaube, das war nicht unbedingt vorhersehbar.

Ich will gern einräumen, dass es immer unterschiedliche Perspektiven gibt, wenn Regierungsfraktionen und Oppositionsfraktionen miteinander verhandeln - unterschiedliche Perspektiven, weil unterschiedliche Interessenlagen. Da hier nun ein umfassender Gesetzentwurf vorliegt, kann man,

glaube ich, schon behaupten, dass es gelungen ist, diese unterschiedlichen Perspektiven und Interessenlagen unter einen Hut zu bringen.

Ich will versuchen, es kurz an zwei Beispielen zu verdeutlichen.

Markus Kurze hat es schon angesprochen: zum einen die Quoren für die Wahl der Landesbeauftragten. Da gab es bei der Koalition das Interesse, das bisher hohe Quorum von zwei Dritteln zu senken. Damit - das ist klar - hätte die Opposition, die bisher auf zwei Drittel angewiesen ist, kein Mitspracherecht bei den Landesbeauftragten

mehr. Demzufolge ging das nur in Form eines Kompromisses.

Wir haben dann als Argument eingebracht: Lasst uns einfach die Amtszeit der Landesbeauftragten an die Zeit der Legislaturperiode anpassen, damit beide dann eine Amtszeit von fünf Jahren und nicht mehr von sechs Jahren wie in der Vergangenheit haben, und die Stelle nicht mehr parteipolitisch besetzen, sondern öffentlich ausschreiben. - Das waren unsere Interessen. Alle drei Punkte konnten sich im Gesetzentwurf durchsetzen. Es ist also ein Kompromiss an der Stelle gelungen, an der die Interessen von Koalition und Opposition gut vereint werden konnten.

Zweites Beispiel: parlamentarische Untersu

chungsausschüsse. Wir haben in dieser Legislaturperiode schon die tollsten Sachen erlebt. Einst war die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses das schärfste Schwert der Opposition. Mittlerweile sind sie bedauerlicherweise hier und da auch zur Ramschware verkommen.

Wir kennen die Debatte darüber, ob es einer aktiven Zustimmung des Landtages bedarf, wenn bereits die erforderliche qualifizierte Minderheit einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss schriftlich beantragt hat und damit das eigentlich erforderliche Quorum erreicht wurde.

Wir haben durch den Gesetzentwurf die Minderheitenrechte nicht eingeschränkt, was auch das ausdrückliche Anliegen meiner Fraktion in der Opposition war. Wir haben aber die Möglichkeit eröffnet, dass eine Mehrheit im Parlament bei verfassungsrechtlich berechtigten Zweifeln an einem Einsetzungsantrag diesen zu einer verfassungsrechtlichen Überprüfung in den Ausschuss überweisen kann.

Das ist ja eine Geschichte, die hier auch schon einmal so praktiziert wurde. Selbst die antragstellende Fraktion musste im Anschluss einräumen, dass der Antrag eben nicht verfassungskonform war. Er wurde dann geändert.

Das zeigt, dass die Änderungen der Geschäftsordnung Kompromisse aufzeigen, die zwischen den Koalitionsfraktionen und der Opposition gelungen sind.

Auch bei den Verfassungsänderungen will ich das ausdrücklich betonen. Denn - zugegeben - bis zur letzten Minute haben wir hier noch über die eine oder andere Formulierung bei der Verfassungsänderung, beispielsweise bei der Schuldenbremse, gerungen. Aber auch das haben wir hinbekommen.

Ich will namens meiner Fraktion noch einen Punkt nennen, den Kollege Kurze jetzt nicht angesprochen hat. Natürlich lag meiner Fraktion besonders die KIausel im Artikel 37a am Herzen. Dass sich die vier demokratischen Fraktionen hierauf so verständigt haben, zeigt, dass man auch die Interessen des anderen immer mit im Blick hatte.

Gerade in der heutigen Zeit, nach dem schrecklichen rechtsextremen und antisemitischen Terroranschlag in Halle, ist dieses neu aufgenommene Staatsziel nicht nur ein enorm wichtiges Zeichen, sondern es ist eine Verpflichtung für uns alle. Das will ich hier klar betonen.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der Gesetzentwurf ist sehr umfassend: öffentliche Ausschusssitzungen, mehr direkte Demokratie, Stärkung plebiszitärer Elemente, das Streben nach gleichen Lebensverhältnissen in Stadt und Land bekommt Verfassungsrang, Stärkung des Beschwerderechts der Bürgerinnen und Bürger, Aufnahme von Klimaschutz in die Verfassung, Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Identität in der Verfassung usw. usf.

Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dieser Gesetzentwurf kann sich insgesamt wirklich sehen lassen. Deshalb ist es mir ein Bedürfnis, mich ausdrücklich bei der Landtagsverwaltung - namentlich möchte ich Herrn Sch. und Herrn Dr. G. nennen - sehr herzlich zu bedanken. Ohne Sie beide hätte es wohl diesen Gesetzentwurf so nicht gegeben.

(Zustimmung bei der LINKEN, bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke an den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst, der quasi unter zeitlichem Hochdruck gearbeitet hat. Dank auch an Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, dass Sie diesen Prozess hervorragend moderiert haben.

(Zustimmung bei der LINKEN, bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank an Markus Kurze, Rüdiger Erben und Sebastian Striegel für die kollegiale und kompromissbereite Zusammenarbeit.

Ich glaube, wir haben hier etwas echt Gutes für Sachsen-Anhalt hinbekommen.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Herr Abg. Gebhardt. - Da die Landesregierung auf einen Redebeitrag verzichtet, können wir sofort in die Debatte mit zehn Minuten Redezeit je Fraktion eintreten. Der erste Debattenredner ist für die AfD-Fraktion der Abg. Herr Farle. Sie haben das Wort. Bitte.

Danke. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich sage es gleich vorweg: Dieser Gesetzentwurf ist eine der finstersten Stunden des Parlamentarismus, die man sich nur vorstellen kann. Denn das wichtigste Recht einer Opposition ist es, Sachverhalte, die nicht in Ordnung sind, aufklären zu können, indem man parlamentarische Untersuchungsausschüsse einrichtet. Dieses wichtigste Recht und das schärfste Schwert werden in verfassungswidriger Art und Weise abgeschafft.

(Lachen bei den GRÜNEN - Sebastian Striegel, GRÜNE: Abgeschafft!)