Protokoll der Sitzung vom 31.01.2020

(Minister Marco Tullner: Hoffentlich nicht! - Oliver Kirchner, AfD: Hatten wir gerade!)

Werden konkurrierende Betriebe zu Kombinaten zusammengelegt? Gibt es staatliche Planziele, Gängelung von Konsumenten,

(Robert Farle, AfD: Genau!)

Beschränkungen bei der Berufswahl? - Das habe ich nicht gemerkt, gibt es nicht.

Das Wort von der Planwirtschaft ist so grotesk, so fern jeder Realität, dass auch Sie, meine Herren von der AfD,

(Oliver Kirchner, AfD: Wir haben auch eine Dame! Nicht vergessen!)

es eigentlich nicht wirklich ernst meinen können mit diesem Antrag.

(Zustimmung von Kerstin Eisenreich, DIE LINKE)

Das Gegenteil ist richtig. Der Kampf gegen den Klimawandel wird sogar mit bemerkenswert wenig staatlichen Vorgaben angegangen.

(Daniel Roi, AfD, lacht)

- Hören Sie zu! - Mit der Einführung eines Preises für CO2 ist der zentrale Hebel des Klimapakets ein ausschließlich marktwirtschaftliches Instrument; es ist überhaupt kein staatliches Instrument. Ja, man konnte sogar fragen, ob nicht angesichts der Größe der Herausforderung deutlich mehr gesetzliche Zielvorgaben und Normensetzungen hilfreich wären,

(Zustimmung von Rüdiger Erben, SPD, von Dr. Katja Pähle, SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

um die technologische Innovation anzukurbeln. Dazu kann man ja unterschiedlicher Auffassung sein.

Ich ziehe mal eine Zwischenbilanz meiner Überlegungen und stelle fest: Von der ökosozialistischen Planwirtschaft müssen wir den Plan abziehen und den Sozialismus auch. Es bleiben Öko und Wirtschaft. Ich stelle fest: Beides werden wir brauchen. Denn eine Wirtschaft, die keine ökologisch tragfähige Wirtschaft ist, wird keine Zukunft haben und wird sich ihre eigene materielle Basis unter den Füßen wegziehen. Und wer hat das längst erkannt, meine sehr verehrte Dame und meine Herren von der AfD?

(Oliver Kirchner, AfD: Sehr gut!)

Die Wirtschaft selbst; sie hat es erkannt. Denn einen solch ideologischen Blick auf die Welt, wie ihn die AfD pflegt, kann sich kein Unternehmen erlauben, wenn es denn morgen noch Gewinne erwirtschaften will.

Sie brauchen nur auf die Schlagzeilen in den heutigen Zeitungen zu schauen: 550 Millionen € für eine Investition in Leuna für chemische Produktion aus nachwachsenden Rohstoffen.

(Zustimmung bei der SPD und von Olaf Meister, GRÜNE)

Oder führen Sie sich einmal zu Gemüte, welche Diskussionen in diesem Jahr in Davos geführt worden sind. Oder schauen Sie sich die Trends in der internationalen Automobilindustrie an.

Das Bild ist doch klar. Immer mehr Unternehmen machen sich selbst auf die Suche, wie sie in der Produktion, beim Rohstoffeinsatz, beim Energieverbrauch, im Vertrieb und im Umgang mit einem sich verändernden Verbraucherbewusstsein und Verbraucherverhalten den Anforderungen von Klima- und Umweltschutz gerecht werden können. Sie machen sich Gedanken, weil sie sonst nicht überleben können.

Das ist eine mindestens ebenso wichtige Entwicklung wie die politische Debatte und die gesetzgeberische Arbeit am Klimapaket und an der weiteren Ausgestaltung der Energiewende.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir müssen uns vor allem - das ist jedenfalls der Ansatz meiner Partei - verstärkt damit auseinandersetzen, wie wir eine klimafreundliche Politik und eine klimafreundliche Wirtschafts- und Gesellschaftsentwicklung so gestalten, dass sie allen in unserem Lande zugutekommt.

(Zustimmung von Dr. Katja Pähle, SPD, und von Silke Schindler, SPD)

Wer in einer Region lebt, in der außer dem morgendlichen Schulbus kein öffentliches Verkehrsmittel fährt, dem muss man nicht damit kommen, dass er umsteigen soll. Wer vom Mindestlohn lebt, dem muss man nicht raten, öfter mal in den Bioladen zu gehen.

(Zustimmung bei der SPD)

Und wer sich nur einen Gebrauchtwagen leisten kann, meine sehr verehrten Damen und Herren, dem brauchen wir keinen Tesla anzubieten. Wir müssen den Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft wagen. Aber wir dürfen es nicht so anlegen, dass die soziale Spaltung und das Reichtumsgefälle dabei noch zunehmen.

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, das gilt erst recht im globalen Maßstab. So wie es im Moment aussieht, halten sich die unmittelbaren Folgen des Klimawandels im Alltag bei uns in Westeuropa noch in überschaubaren Grenzen. Die eigentliche Zeche zahlen im Moment die ärmeren Länder dieser Welt:

(Oliver Kirchner, AfD: Die Arbeiter bei VW und überall, die zahlen die Zeche!)

durch Ernteausfälle, durch Versteppung, durch den Anstieg der Meeresspiegel. Man könnte die Reihe weiter fortsetzen.

Wenn wir zulassen, dass sich die Waage im Klimawandel immer weiter zulasten des globalen Südens neigt, wird das wirtschaftliche, politische und nicht zuletzt auch kriegerische Erschütterungen nach sich ziehen.

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, treffen sich die Staaten dieser Welt in immer kürzeren Abständen zu Klimakonferenzen. Deshalb beraten Manager und Ökonomen in Davos mittlerweile über Themen, die man von ihnen überhaupt nicht gewohnt ist. Und deshalb vernetzen und verbünden sich die Aktivisten von Fridays for Future mit ihren Altersgenossinnen und Altersgenossen in Südafrika, in Lateinamerika und überall woanders auf der Welt.

Dass wir bei dieser Entwicklung den Anschluss nicht verlieren, verehrte AfD, das ist die Herausforderung des Jahrzehnts. Wir müssen dafür sorgen, dass die Politik das Primat behält. Ich will zitieren: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.

(Oliver Kirchner, AfD: Oh!)

In unserem Grundgesetz steht nicht: Alle Staatsgewalt geht von der Wirtschaft aus. Wir brauchen also eine klare Zuständigkeit der Politik für den Rahmen.

(Zustimmung bei der SPD)

Der Rahmen muss ein sozialstaatlicher Rahmen sein. Er darf nicht dazu führen, dass die freien Kräfte des Marktes alleine entscheiden. Wir haben Verantwortung für diesen Sozialstaat.

Es geht auch darum, einen fairen Wettbewerb zu organisieren und sicherzustellen. Kollege Meister hat an einem sehr anschaulichen Beispiel dargestellt, was das im Einzelfall bedeutet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will zum Schluss meines Debattenbeitrages noch einmal auf den eigentlichen Antrag zur Aktuellen Debatte zurückkommen. In Ihrer Begründung, verehrter Herr Farle, machen Sie sich Sorgen darum, dass wir in den vor uns liegenden 2020er-Jahren die Erfahrungen der 1920er-Jahre womöglich noch einmal durchleben müssen. So habe ich es gelesen.

Ich muss sagen, vielleicht hätten Sie bei Karl Marx richtig nachlesen sollen - vielleicht haben Sie es auch getan und haben es bis heute einfach nur vergessen.

(Oliver Kirchner, AfD: Ist ein bisschen ko- misch geschrieben! - Siegfried Borgwardt, CDU: Damals, damals!)

Er schreibt nämlich im 18. Brumaire des Louis Bonaparte - ich zitiere -:

„Hegel bemerkte irgendwo, dass alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“

Merken Sie etwas, meine Herren von der AfD?

(Robert Farle, AfD: Ja, dass Sie keine Ah- nung haben! - Matthias Büttner, AfD, und Volker Olenicak, AfD, lachen)

Die Farce, verehrter Herr Farle, das sind Sie in diesem Parlament. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Erwartungsgemäß gibt es auch hierzu mehrere Nachfragen. Wir beginnen mit Herrn Büttner.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Hövelmann, es hat mich verwundert, dass Sie sich hier hinstel

len und so tun, als ob die AfD den Teufel an die Wand malt,

(Dr. Falko Grube, SPD: Ja!)

wenn Sie davon sprechen, dass wir davor Angst haben, dass die Planwirtschaft eingeführt wird oder dass irgendetwas oder irgendjemand enteignet wird. Aber es ist doch ausgerechnet Ihre Partei, die Kevin Kühnert als stellvertretenden Bundesvorsitzenden bei der letzten Wahl des Bundesvorstandes eingesetzt hat.