Besetzung und die Teilung Deutschlands, die millionenfache Vertreibung Deutscher aus Mittel- und Osteuropa, der Verlust der deutschen Ostgebiete, eine stalinistische Diktatur in der Ostbesatzungszone sowie der Kalte Krieg zwischen den Westmächten und dem Ostblock ab 1947.
Dass der Totalitarismus und das Regime des Nationalsozialismus im Mai 1945 in Trümmern und Ruinen ihr Ende fanden, sollte aus heutiger Sicht, 75 Jahre danach, als Befreiung gesehen werden. Denn heute wissen wir, welche grausamen und unmenschlichen Verbrechen mit der NS-Herrschaft einhergingen. Trotzdem ist der 8. Mai 1945 für uns Deutsche kein Grund zum Feiern, sondern ein Tag zum Gedenken.
Ein Feiertag, insbesondere ein gesetzlicher, sollte immer einen positiv sinnstiftenden Charakter haben. Auf den 8. Mai träfe dies aus vielerlei Gründen nicht zu, was viele Frauen aus dem Nachkriegsdeutschland bestätigen können.
Was die Punkte 1 und 2 des Antrages der Fraktion DIE LINKE betrifft, muss zwischen Gedenken und Nachdenken unterschieden werden. Sie, DIE LINKE, fordern darin, den 8. Mai dieses Jahres als öffentlichen Gedenktag zu begehen und einen öffentlichen Gedenkakt gemeinsam mit dem Landtag auszurichten.
In Berlin ist der 8. Mai in diesem Jahr ein gesetzlicher Feiertag - einmalig, also nur in diesem Jahr. In Brandenburg beantragte DIE LINKE Ähnliches ohne Erfolg, dort jedoch mit einem präzisen Gesetzentwurf, und nicht wie hier mit einem einfachen Antrag.
Ganz abgesehen davon, dass durch einen zentral angesetzten Feiertag zum 8. Mai das erforderliche individuelle Ge- und Nachdenken im Land konterkariert werden würde, ist insbesondere der zeitliche Vorlauf - drei Monate wären es in diesem Fall - mehr als knapp bemessen. Gleiches stellten die Brandenburger Koalitionsfraktionen bereits vor einem Monat fest. Abgesehen von dem zeitlichen Vorlauf wäre ein zentraler öffentlicher Gedenktag und -akt der Vielschichtigkeit des Themas und den individuellen Verbindungen und Erfahrungen eher abträglich als dienlich.
Wir sind der Auffassung, dass der 8. Mai, wie beispielsweise auch der 27. Januar oder der Volkstrauertag, ganz individuell dazu genutzt werden sollte, nachzudenken und sich zu besinnen, gern auch dessen zu gedenken, was einen persönlich mit diesem Datum verbindet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Fraktion lehnt jede Art des Totalitarismus entschieden ab. Darum haben wir in der Debatte um die Parlamentsreform auch gefordert, dass in unserer Landesverfassung festgeschrieben wird: Der Verbreitung totalitären und diskriminierenden Gedankenguts entgegenzutreten ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Dass Sie diesen Änderungsantrag ablehnen werden, spricht für mich Bände.
In Brandenburg bezeichnete der dortige CDUFraktionsvorsitzende Jan Redmann den Gesetzentwurf der LINKEN als politischen Showantrag. Da DIE LINKE hier mit dem vorliegenden Antrag in dasselbe Horn bläst wie die Brandenburger Genossen, unterstelle ich Ihnen das ebenfalls.
Dabei möchte ich einen Gedanken nicht unerwähnt lassen, welcher vielleicht Ihre einseitige Fixierung auf den 8. Mai als den Ihrerseits sogenannten Tag der Befreiung erklärt und den Umstand, dass Sie dabei die dem Datum folgenden Gräuel und Unrechte wie so oft ausblenden. Auferstanden aus Ruinen, werte LINKE, ist nach dem 8. Mai 1945 hier im Osten genau jenes System, welches Ihrer Mutterpartei den staatlichen Rahmen für all das Unrecht bot, das wir alle miteinander gemeinsam ertragen mussten. Vielleicht ist genau das der Grund dafür, dass Sie den 8. Mai feiern wollen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Abg. Kirchner. Auch hierzu sehe ich keine Wortmeldung. - Der nächste Debattenredner ist für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abg. Herr Striegel. Sie haben das Wort, bitte.
„Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“
Diese Worte Richard von Weizsäckers anlässlich des 40. Jahrestages der Kapitulation des nationalsozialistischen Deutschlands lösten im Jahr 1985 eine hitzige Debatte aus. 35 Jahre später teilt die übergroße Mehrheit der Deutschen diese Ansicht - die übergroße Mehrheit; offensichtlich nicht alle, das haben wir hier bei dem Redebeitrag von Herrn Kirchner noch einmal erleben dürfen. Es ist, glaube ich, auch für die übergroße Mehrheit in diesem Landtag ein Tag der Befreiung.
Und doch fällt es uns Deutschen nicht leicht, mit diesem Tag umzugehen; denn die Deutschen haben sich eben nicht selbst befreit. Die Befreiung kam durch die Alliierten. Amerika, Großbritannien, Frankreich, die Sowjetunion und ihre Verbündeten haben unzählige Opfer gebracht, um die Welt von der Pest des Nationalsozialismus zu befreien. Und so symbolisiert der 8. Mai 1945 eben auch den vollkommenen politischen, materiellen und moralischen Zusammenbruch Deutschlands.
Und nein, da gibt es dann keinen Platz dafür, irgendwelchen Ostgebieten revisionistisch hinterherzuheulen, Herr Kirchner.
In einer seiner Radioansprachen an die Deutschen aus dem amerikanischen Exil brachte Thomas Mann die Bedeutung dieses Tages am 10. Mai 1945 in bis heute zutreffender Art und Weise zum Ausdruck - Frau Präsidentin, ich habe vor, etwas länger zu zitieren; denn man kann es nicht besser sagen -:
„Wie bitter ist es, wenn der Jubel der Welt der Niederlage, der tiefsten Demütigung des eigenen Landes gilt. Wie zeigt sich darin noch einmal schrecklich der Abgrund, der sich zwischen Deutschland […] und der gesitteten Welt aufgetan hatte. […]
Und dennoch, die Stunde ist groß, nicht nur für die Siegerwelt, auch für Deutschland. Die Stunde, wo der Drache zur Strecke gebracht ist, das wüste und krankhafte Ungeheuer, Nationalsozialismus genannt, verröchelt und Deutschland wenigstens von dem Fluch befreit ist, das Land Hitlers zu heißen. Wenn es sich selbst hätte befreien können, […] anstatt nun das Ende des Hitlertums zugleich […] der völlige Zusammenbruch Deutschlands ist. Freilich, das wäre besser, wäre das Allerwünschenswerteste gewesen. Es konnte wohl nicht sein. Die Befreiung musste von außen kommen. Vor allem, meine ich, sollt ihr Deutschen sie nun als Leistung anerkennen […]
Deutschland ist wahrlich, wenn auch unter ungeheuren Opfern, nach allen Regeln der Kunst geschlagen worden und die militärische Unübertrefflichkeit Deutschlands als Legende erwiesen.
Für das deutsche Denken, das deutsche Verhältnis zur Welt ist das wichtig. Es wird unserer Bescheidenheit zuträglich sein, den Wahn deutschen Übermenschentums zerstören.
Möge die Niederholung der Parteifahne, die aller Welt ein Ekel und Schrecken war, auch die innere Absage bedeutet haben an den Größenwahn, die Überheblichkeit über andere Völker, den provinziellen und weltfremden Dünkel, dessen krassester, unleidlichster Ausdruck der Nationalsozialismus war. Möge das Streichen der Hakenkreuzflagge die wirkliche radikale und unverbrüchliche Trennung alles deutschen Denkens und Fühlens von der nazistischen Hintertreppenphilosophie bedeutet haben, ihre Abschwörung für immer.
[…] Es war trotz allem eine große Stunde, die Rückkehr Deutschlands zur Menschlichkeit. Sie war hart und traurig, weil Deutschland sie nicht aus eigener Kraft herbeiführen konnte. Furchtbarer, schwer zu tilgender Schaden ist dem deutschen Namen zugefügt worden und die Macht war verspielt. Aber Macht ist nicht alles, sie ist nicht einmal die Hauptsache.
Nie war deutsche Würde eine bloße Sache der Macht. Deutsch war es einmal und mag es wieder werden, der Macht Achtung, Bewunderung abzugewinnen, durch den menschlichen Beitrag, den freien Geist.“
Wir Deutschen dürfen nie vergessen, was damals geschehen ist und welche Verbrechen in unserem Namen und durch unsere Vorfahren begangen wurden und wer alles in diesem Land zum Täter, zur Täterin wurde oder schlicht weggeschaut hat.
Gerade heute, wo in Deutschland und ganz Europa der rechtstotalitäre Ungeist zu erstarken droht, braucht es die lebendige Erinnerung an das warnende Beispiel der Geschichte.
Ich befürworte daher die Idee, am 8. Mai einen öffentlichen Gedenktag des Landes auszurichten. Darüber, ob es einen bundesweiten gesetzlichen Feiertag geben kann, wird im Innenausschuss und in den anderen Ausschüssen zu reden sein.
Wichtig ist, dass wir als Gesellschaft immer wieder die Überzeugung bekräftigen und bestärken: Nie wieder! - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Abg. Striegel. Es gibt zwei Wortmeldungen. Als Erster spricht Herr Abg. Kirchner, dann Herr Abg. Raue. - Herr Kirchner. Bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter Herr Striegel, Sie haben mir eben wieder vorgeworfen, dass ich das in meinem Redebeitrag nicht als Tag der Befreiung dargestellt hätte. Ich zitiere kurz daraus:
„Dass der Totalitarismus und das Regime des Nationalsozialismus im Mai 1945 in Trümmern und Ruinen ihr Ende fanden, sollte aus heutiger Sicht, 75 Jahre danach, als Befreiung gesehen werden.“
Ich bitte um sinnerfassendes Verstehen, auch wenn Ihnen das manchmal schwerfällt. Ich weiß, dass das nicht so einfach ist. Aber hier eine Lüge zu verbreiten macht daraus keine Wahrheit.
Herr Kirchner, Formulierungen leben vom Kontext. Der Kontext Ihrer Rede war nicht geeignet, das, was Sie in diesem Satz zusammengetragen haben, tatsächlich zu stützen.
Sehr geehrter Herr Striegel, wir haben es tatsächlich mit einer Debatte zu tun, die sehr diffizil ist. Auch das Wort „Befreiung“ ist an dieser Stelle für den einen tauglich, für den anderen nicht.
Ich möchte Sie an dieser Stelle mit ein paar Zitaten von Herrn Eisenhower beglücken. Er war, wie Sie wissen, 34. Präsident der USA in Zeiten des Zweiten Weltkrieges. Er sagte schon lange vor dem Zweiten Weltkrieg Folgendes: „Gott, ich hasse die Deutschen.“