den und dass wieder Faschisten, Rassisten und Neonazis in Parlamenten sitzen, ist ein gesellschaftliches und politisches Versagen.
Aufarbeitung, Erinnern und Gedenken müssen konkret sein. Sie müssen nennen, was geschehen ist. Sie dürfen sich eben nicht im Allgemeinen verlieren, nicht in vermeintlichen Lehren. Wir müssen verstehen, was geschehen ist, auch um die Kontinuitäten nationalsozialistischer Ideologie zu erkennen und um das Fortwirken und seine Folgen zu analysieren und dagegen vorzugehen.
Die Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Deutschen ist auch eine Auseinandersetzung mit Schuld. Der rhetorisch schnelle Weg von der Schuld zur Verantwortung ist nicht selten einer, der zu falschen Antworten führt. Eine besondere Verantwortung der Deutschen für die Jüdinnen und Juden wird etwa gern formuliert und ist dabei doch auch eine bizarre Wendung von der Vernichtung zur Bevormundung, wenn wir dabei nicht auch über Schuld reden.
Der historischen Tatsache der Verbrechen der Deutschen ist zuallererst mit einer Forderung zu begegnen: „Nie wieder!“. Aus Aufarbeitung, Erinnern und Gedenken muss vor allem Handeln erwachsen, das dieser Forderung gerecht wird. Der Gedenkakt, den wir fordern, ist wie der Feiertag ein Symbol, ein Innehalten der Repräsentantinnen und Repräsentanten dieses Staates, ein Innehalten, um sich ernsthaft mit dem auseinanderzusetzen, was geschehen ist. Er ist nicht mehr, aber er ist notwendig.
Wir als Gesellschaft sind, anders als in vielen Reden behauptet, noch weit entfernt von einer vollständigen Aufarbeitung des Nationalsozialismus, und auch dieser Gedenktag und der Gedenkakt werden das nicht leisten, geschweige denn, dass sie alles Nötige sind, was zur Auseinandersetzung mit heutigem völkischen Denken und rechter Gewalt notwendig ist. Sie sind das Mindeste, das wir als Parlament tun können:
endlich einen Feiertag zu schaffen, der daran erinnert, dass die Alliierten den deutschen Faschismus niedergeschlagen haben. Die ungeheuerlichen Verbrechen der Deutschen sind geschehen, und dass sie geschehen sind, hat gezeigt, dass sie möglich sind. „Nie wieder!“, das ist nicht abstrakt. Das ist dem geschuldet, was Primo Levi, den wir in unserer Antragsbegründung zitieren, analysiert:
„Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen! Darin liegt der Kern dessen, was wir zu sagen haben.“
Es gibt eine Wortmeldung vom Abg. Herrn Poggenburg. Sie können eine Kurzintervention machen, denn eine Beantwortung von der Abgeordneten ist nicht beabsichtigt. - Bitte.
Sehr geehrte Damen und Herren! Dann mache ich eine Kurzintervention. - Sehr geehrte Frau Quade, ich nehme an, dass Sie, wenn Sie davon sprechen, dass heute wieder Faschisten in den Parlamenten sitzen, auch Ihre Leute meinen getreu dem Motto, getreu der wahren sinnigen Aussage von Kurt Schumacher, der einst sagte, dass auch Kommunisten nur rot lackierte Faschisten seien. Ich hoffe, dass Sie diese Leute mit einbeziehen. - Danke.
Bevor wir in die Fünfminutendebatte der Fraktionen einsteigen, hat der Minister Herr Stahlknecht für die Landesregierung das Wort. Bitte, Herr Minister.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 8. Mai des Jahres 1945 stand für alle Europäer nach einem unsäglichen Krieg, der von Deutschland ausgegangen war, das Schweigen der Waffen im Vordergrund. Die Alliierten hatten ein auf Rassenhass begründetes Unrechtsregime besiegt.
Die Bezwingung des NS-Regimes durch eine weltweite Koalition stand im Vordergrund und mit der Formulierung der bedingungslosen Kapitulation wurde deutlich gemacht, dass eine weltweite Koalition das verbrecherische NS-Regime besiegt hatte. Nie wieder sollte ein deutsches Staatswesen mit verbrecherischen Zügen in die Versuchung kommen, seine Niederlage zu leugnen. Eine Dolchstoßlegende, dass das deutsche Volk in Wirklichkeit nicht besiegt worden sei, wie es nach dem Ersten Weltkrieg verbreitet wurde, sollte so verhindert werden.
Unstrittig ist, dass der 8. Mai 1945 eine historische Zäsur darstellt und deswegen im geschichtlichen Gedächtnis aller Deutschen zu verankern ist, weil er deutlich macht, wozu eine Diktatur führen kann, wozu es führen kann, wenn Andersdenkende, anders Seiende, anders Glaubende verfolgt und am Ende planvoll ermordet werden, wozu es führt, wenn ohne Grund ein Krieg vom Zaun gebrochen wird wie am 1. September 1939,
der dann auch nach Deutschland zurückkam und nicht nur Leid über die anderen, sondern auch über die eigene Bevölkerung brachte.
Ich will nicht verhehlen, dass durch die zunehmend zeitliche Distanz zum 8. Mai des Jahres 1945 die daraus folgenden Erfahrungen für die heutige Generation nicht mehr unmittelbar fassbar sind. Die Zeitzeugen, die über die totale Niederlage und den anschließenden mühsamen Wiederaufbau beider deutschen Staaten aus eigenem Erleben berichten könnten, sterben aus.
Das Datum 8. Mai wird zunehmend als ein solches der Geschichtsbücher empfunden. Allein durch den Eintrag in die Geschichtsbücher können die mit einem totalitären Regime verbundenen Erfahrungen und das Leid nicht für die Zukunft bewahrt werden.
Wie aktuell die Bedrohungen durch rassistische Ideologien sind, zeigen uns die Anschläge von Oslo, Christchurch, Halle und jüngst Hanau. Die Erinnerung an die Folgen totalitärer und rassistischer Regime ist gerade für uns Deutsche vor der eigenen und aus der eigenen Geschichte eine Pflicht. Ein Gedenken, das auch in der heutigen Generation verwurzelt sein muss, muss die Erfahrungen aus der Vergangenheit zur Kenntnis nehmen und sich der Verantwortung stellen, dass die Geschehnisse von 1933 bis 1945 sich auf deutschem Boden nie wiederholen dürfen, dass sie sich eigentlich weltweit nicht wiederholen dürfen. Das ist die deutsche Verantwortung nicht nur für das eigene Land, sondern für die Gesamtheit.
Die von der Fraktion angeregte gemeinsame Gedenkveranstaltung von Landesregierung und Landtag aus Anlass des 75. Jahrestages der bedingungslosen Kapitulation kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten und sollte landesweit, so denke ich, durch ähnliche Veranstaltungen flankiert werden.
Ob es eines jährlich wiederkehrenden Feiertages bedarf, ist fraglich. Auch das Land Berlin hat in seinem Feiertagsgesetz einmalig den 75. Jahrestag der Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg und damit die Befreiung zum Feiertag erklärt. Eine dauerhafte Einrichtung dieses dann arbeitsfreien Feiertages ist in Berlin damit nicht verbunden.
Eine Konsequenz aus meinen Ausführungen müsste sein, dass dann wohl Gesamtdeutschland dieses Sieges über den Nationalsozialismus gedenken müsste. Insofern ist der Punkt 3 Ihres Antrages folgerichtig. Wenn, dann sollte dieses Datum durch einen bundeseinheitlichen Feiertag begangen werden, nicht föderal aufgesplittet.
In der DDR - Sie sprachen es an - war der 8. Mai allerdings nur in der Zeit von 1950 bis 1966 ein gesetzlicher Feiertag. In ihrem Selbstverständnis
als erster Arbeiter-und-Bauern-Staat auf deutschem Boden hat sich die DDR durch die Erklärung zum staatlichen Feiertag auf die Seite der Siegermächte gestellt. Umso verwunderlicher ist es, dass diese politische Auffassung in der DDR nicht bis zum Schluss aufrechterhalten wurde. Im Zuge der Einführung einer Fünftagearbeitswoche wurde dieser arbeitsfreie Feiertag mit § 7 Abs. 2 der Verordnung zur Einführung der Fünftagewoche vom 3. Mai 1967 abgeschafft. Lediglich in den Jahren 1975 und 1985 hat die ehemalige DDR noch zweimal des militärischen Sieges der Alliierten über den Nationalsozialismus gedacht.
Ich denke, eine weitere inhaltliche Auseinandersetzung mit den Gedanken aus Ihrem Antrag sollten wir im Innenausschuss führen, auch aufgrund der historischen Verantwortung und vor dem Hintergrund dessen, was sich in Deutschland in letzter Zeit wieder erkennbar abspielt. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Stahlknecht. Ich sehe keine Wortmeldung. - Somit steigen wir die Fünfminutendebatte der Fraktionen ein. Der erste Debattenredner ist für die SPD-Fraktion der Abg. Herr Erben. Sie haben das Wort, bitte.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst herzlichen Dank an die antragstellende Fraktion, die das Thema auf die Tagesordnung unserer Landtagssitzung gebracht hat. Sie wollen den 8. Mai als Gedenktag begehen und streben an, dass der 8. Mai ein bundesweiter gesetzlicher Feiertag wird. Ihr Anliegen trifft auf unsere grundsätzliche Sympathie.
Zum 75. Mal jährt sich in diesem Jahr der Tag der Befreiung Deutschlands vom nationalsozialistischen Regime. Dieser von Deutschland begonnene Krieg bedeutete für Millionen von Menschen den Tod. Millionen europäischer Juden, Sinti und Roma, Zeugen Jehovas, Millionen verschleppter Slawen, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Homosexuelle, politische Gefangene, Christen, Kranke und Behinderte - all jene, die zur nationalsozialistischen Ideologie in Opposition standen, wurden versklavt, verfolgt und ausgelöscht.
Der Antisemitismus hatte den Resonanzboden für einen bis dahin unvorstellbaren Zivilisationsbruch abgegeben: die Schoah. Für diese Opfer bedeutete der 8. Mai 1945 das Ende des unmenschlichen NS-Terrors, der Bedrohung mit dem Tode, des industriellen Massenmordes, der Vernichtung durch Arbeit.
Auch für unsere Nachbarstaaten, die unterworfen und zum Teil in Schutt und Asche gelegt worden sind, war es der Tag des Sieges der Alliierten über das nationalsozialistische Deutschland, ein Sieg über eine barbarische Ideologie und das Ende von Besatzung und Unterdrückung und damit ein Tag der Freude und des Feierns.
Das deutsche Volk hatte Regime, Krieg und Terror mehrheitlich bis zur letzten Minute getragen, zumindest ertragen, und lange Zeit wurde des 8. Mai 1945 in Ost- und Westdeutschland sehr unterschiedlich gedacht.
In der Bundesrepublik verhalf im Jahr 1985 die Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker den Stimmen zum Durchbruch, die die deutsche Schuld und die vollständige Niederlage des eigenen Vaterlandes anerkannten. Wörtlich sagte er damals:
„Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.
Niemand wird um dieser Befreiung willen vergessen, welche schweren Leiden für viele Menschen mit dem 8. Mai erst begannen und danach folgten. Aber wir dürfen nicht im Ende des Krieges die Ursache für Flucht, Vertreibung und Unfreiheit sehen. Sie liegt vielmehr in seinem Anfang und im Beginn jener Gewaltherrschaft, die zum Krieg führte.
In der DDR war der Tag der Befreiung eigentlich nur ein zentraler Strang der geschichtspolitischen Untermauerung der SED-Herrschaft, verankert im kommunistischen Widerstand gegen das Naziregime und mit Bezug auf die Rolle der Sowjetunion. Der Widerstand bürgerlicher, kirchlicher sowie anderer Gruppierungen fand nur wenig Erwähnung. Zudem wurde die Schoah, die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Europas, erst nach 1989 stärker in die ostdeutsche Gedenkkultur aufgenommen.
Heute begehen wir den 8. Mai als Tag der Befreiung von einem menschenverachtenden System, der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Die richtige Konsequenz hieraus wäre, den 8. Mai zu einem bundesweiten gesetzlichen Feiertag zu erklären. Das Jahr 2020 wäre dazu eine gute Gelegenheit gewesen, doch realistisch ist das aktuell nicht.
Deswegen habe ich den Vorschlag, den 8. Mai als Gedenktag im Feiertagsgesetz unseres Landes zu normieren. Ich glaube, das trifft auch auf sehr viel Sympathie in diesem Lande. Damit würden
Bislang kennt unser Feiertagsgesetz aber das Konstrukt eines Gedenktages nicht. Das sollten wir ändern. Man kann das aber nicht losgelöst von anderen möglichen Gedenktagen betrachten. Deswegen sollten wir das alsbald unter der Federführung des Innenausschusses beraten, wegen des angeregten Gedenkaktes auch im Ältestenrat und schließlich wegen eines möglichen freien Arbeitstages auch im Wirtschaftsausschuss. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Abg. Erben. Ich sehe auch hierzu keine Wortmeldung. - Somit kommen wir zu dem nächsten Debattenredner. Für die AfDFraktion spricht der Abg. Herr Kirchner. Sie haben das Wort, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Werte Abgeordnete! Hohes Haus! „Der 8. Mai ist für uns Deutsche ein Grund nachzudenken, aber kein Grund zu feiern“ - mit diesen Worten erwiderte Dr. Christoph Berndt vor vier Wochen im Brandenburger Landtag auf einen Gesetzentwurf der dortigen Fraktion DIE LINKE. Damit hat mein geschätzter Kollege absolut recht.
Dass der 8. Mai des Jahres 1945 einen grundsätzlich entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte unseres Volkes und unserer Nation darstellt, steht selbstredend außer Zweifel. Dabei darf man aber auch nicht vergessen - das machen Sie als LINKE doch immer wieder gern, wobei Sie permanent das Gegenteil behaupten -, was dem 8. Mai 1945 folgte. Befreit von der Diktatur des Nationalsozialismus, waren unsere Mütter und Väter eben doch nicht frei. Ich kann jedem, der sich mit diesem Thema beschäftigen möchte, nur empfehlen, sich dies anzusehen.
„Roter Stern über Deutschland“ ist ein Zweistundenwerk, das sich jeder einmal anschauen sollte. Das hätte Frau Quade vor der Beantragung dieses Tagesordnungspunktes vielleicht auch tun sollen.
Mit der militärischen Niederlage und der Kapitulation der deutschen Wehrmacht endete der Krieg in Europa und es begann der Anfang vom Ende des Deutschen Reiches. Was folgte, waren die
Besetzung und die Teilung Deutschlands, die millionenfache Vertreibung Deutscher aus Mittel- und Osteuropa, der Verlust der deutschen Ostgebiete, eine stalinistische Diktatur in der Ostbesatzungszone sowie der Kalte Krieg zwischen den Westmächten und dem Ostblock ab 1947.