Protokoll der Sitzung vom 23.02.2000

(Heiterkeit bei der SPD)

dies auch hier nennen zu dürfen. Es bleibt natürlich dabei, Herr Abgeordneter Schemmel, dass es nichts daran ändert, dass niemand will, auch die Mitglieder der CDUFraktion im Thüringer Landtag nicht, mit absoluter Mehrheit irgendetwas durchpeitschen zu wollen. Dass Sie diesen Vorwurf dauernd erheben und bis zum Rest der Legislatur, die ja gerade erst begonnen hat, immer erheben werden, steht wahrscheinlich außer Frage, ist auch Ihr gutes, demokratisches Recht. Es bleibt aber dabei, und hier im besonderen Fall, dass wir es mit einer besonderen Systematik zu tun haben. Ich will nicht darauf verweisen, das hat der Abgeordnete Schemmel selbst getan, dass insbesondere das Bundesverfassungsgericht zu der Frage der Zustimmungsverordnung positiv entschieden hat und auch sich im Kommentar von Linck zur Verfassung des Freistaats Thüringen positive Argumente dafür finden lassen, dass diese Verordnung mit Zustimmung des Landtags sehr wohl in Kraft treten kann. Sie hat auch deshalb einen Vorteil, weil wir nämlich bei der Berechnung der Finanzausgleichsmasse und insbesondere bei der Berechnung der Auftragskostenpauschale auch im Hinblick darauf, dass wir eine Erhebung ja erst noch durchführen und die komplizierte Materie berechnen müssen, uns von dieser schwierigen Aufgabe der Berechnung und der Einzelsystematik entlasten, aber angesichts der Wichtigkeit dieser Frage der Finanzierung über die Auftragskostenpauschale für die Städte und Gemeinden und für die Landkreise in Thüringen wir aber letztendlich als Parlament an diesem Verfahren beteiligt werden sollen. Das macht natürlich einen riesengroßen Unterschied, ob ich im Gesetzgebungsverfahren, was, wie Sie sicherlich auch alle wissen, ein aufwendiges Verfahren ist, regelmäßig zu Beginn des Jahres im Rahmen der Haushaltsberatungen, Haushaltsbeschlussfassungen eine Neuberechnung durchführe oder ob ich aber im Wege des kürzeren Verfahrens der Rechtsordnungssetzung mit Zustimmung des Parlaments nicht viel schneller im Interesse der Gemeinden und Städte und auch der Landkreise agieren kann und nur die Auftragskostenpauschale beschließen lassen kann. Das ist der wesentliche Unterschied. Und davon ist nichts zu sehen, dass mit absoluter Mehrheit etwas durchgepeitscht werden soll, sondern wir stimmen nämlich sogar überein, auch wenn Sie das vielleicht nicht wahrhaben wollen, dass Sie erstens schnell immer in dieser Frage entscheiden müssen und weil sie kompliziert und wichtig ist, wir aber auch die Mitbeteiligung des Parlaments sichern wollen. In diesem Sinne will ich für die CDU-Fraktion noch einmal sprechen und ausdrücklich dafür werben, dass dem Änderungsantrag des federführenden Innenausschusses und dem Gesetzentwurf in seiner Gesamtheit stattgegeben wird. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich bitte die Abgeordneten, wenn sie Fragen stellen wollen, vorsorglich immer zum Mikro vorzugehen, damit man das erkennen kann, was da passiert oder was da gewünscht ist.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Ich wollte mich zur Geschäftsordnung melden.)

Zur Geschäftsordnung muss man sich nicht melden, wenn man eine Frage stellen will. Herr Abgeordneter Gentzel, wollen Sie eine Frage stellen, dann frage ich den Abgeordneten Mohring, ob er bereit ist, diese Frage noch zu beantworten?

(Zuruf Abg. Mohring, CDU: Na klar!)

Würden Sie vorkommen, Herr Mohring.

Ich hätte eine Anfrage, die bezieht sich auf die Passfähigkeit zur Geschäftsordnung, der Abgeordnete Schemmel hat das ja erwähnt. § 50, um das auch einmal klar zu machen, will ich mal zitieren: "Folgende Vorlagen... können nach Maßgabe der Geschäftsordnung als Verhandlungsgegenstand auf die Tagesordnung gesetzt werden:". Dann steht da aufgezählt: "Gesetzentwürfe, Erklärungen der Landesregierung, Anträge, Kleine Anfragen..., Große Anfragen..., Mündliche Anfragen, Wahlvorschläge" und "Beschlussempfehlungen und Berichte der Ausschüsse". Das, was jetzt Gegenstand der Beratung ist, ist ausdrücklich nicht aufgeführt. Ich weiß ja, dass Sie Jurist sind. Mich würde einmal die Konstruktion interessieren, wieso Sie der Meinung sind, dass es deckungsgleich mit der Geschäftsordnung ist, was Sie hier verlangen.

Das ist ja unproblematisch, was Sie sagen. Es ist deshalb unproblematisch, weil wir heute über die Änderung des Finanzausgleichsgesetzes reden und letztendlich dafür sorgen wollen, dass Städte, Gemeinden und Landkreise mehr Geld bekommen. Dass wir notfalls, das weiß ich nicht, in der Ausführung auch andere Ordnungen des Landtags ändern müssen, die vielleicht bisher,

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Das ist nicht die Debatte!)

lassen Sie mich doch bitte ausreden, nein, nein. Also, Herr Gentzel, Sie haben eine Frage gestellt, ich beantworte die Frage. Danach kann auch der Abgeordnete Schemmel eine Frage stellen, aber zunächst beantworte ich die Frage.

Beantworten Sie auch die Frage des Abgeordneten Schemmel?

Darf ich bitte...

Ach so, ich dachte, Sie wären zu Ende.

Nein, natürlich noch nicht...

Meine Damen und Herren, aber darauf kommt es doch gar nicht an. Darauf kommt es heute und auch in naher Zeit gar nicht an, ob wir die, nein.

(Zwischenruf Abg. Lippmann, SPD: Jetzt lässt er die Katze aus dem Sack.)

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Lass ihn doch mal antworten.)

Also, Herr Abgeordneter Gentzel, Sie sind ja länger im Landtag als ich, das muss nicht unbedingt ein Vorteil sein, das zeigt sich zumindest an der Fragestellung.

(Heiterkeit bei der SPD)

Es zeigt sich insbesondere deshalb, weil nicht die Geschäftsordnung, so wie sie bisher auch von der großen Koalition getragen wurde, auch das Nonplusultra sein muss, um das Parlament - und darauf kommt es an - in seinen vollständigen Rechten zu beteiligen, auch alle solche Unabwägbarkeiten berücksichtigt. Es bleibt dabei, meine Damen und Herren, und das ist das Entscheidende, dass die Zustimmungsverordnung sehr wohl auch im Rahmen des Finanzausgleichsgesetzes machbar und möglich ist und weder gegen das Grundgesetz noch gegen die Thüringer Verfassung verstößt. Darauf kommt es an, in diesem Zusammenspiel, zum einen das Parlament in solchen Nebensächlichkeiten der Berechnung zu entlasten, andererseits aber die Zustimmung des Parlaments zu sichern, ist dieser vorgeschlagene Weg des Innenausschusses der konstruktivste. Jetzt kann Herr Schemmel fragen.

Also, das müssen Sie erst einmal mir überlassen, Herr Abgeordneter Mohring. Aber ich frage vorsichtshalber: Sind Sie tatsächlich fertig mit Ihrer Antwort auf die Frage von Herrn Abgeordneten Gentzel? Dann frage ich Sie, ob Sie eine Frage von Herrn Abgeordneten Schemmel zulassen werden?

Da Herr Mohring das mit der Geschäftsordnung wahrscheinlich eh nicht so...

Also, jetzt wollen wir wirklich einmal die Formalitäten richtig ausleben und ich bitte Herrn Abgeordneten Mohring meine Frage zu beantworten.

Wenn Herr Schemmel mich lässt, dann beantworte ich seine Frage.

Da es offensichtlich nicht mehr so streng nach Geschäftsordnung hier geht, kann ja auch Herr Mohring das Wort erteilen, das wäre ja gar nicht so schlimm.

Herr Abgeordneter Schemmel, ich muss Sie darauf hinweisen, es geht hier nach Geschäftsordnung.

(Beifall bei der CDU)

Herr Mohring, sind Sie mit mir einer Meinung, dass sich unter den in § 50 aufgezählten Vorlagen, die sind definitiv und abschließend dort aufgezählt, die von Ihnen avisierte Vorlage Rechtsverordnung mit Zustimmung des Parlaments nicht findet? Sind Sie mit mir auch einer Meinung, dass die Landesregierung hier offensichtlich sich eines Elements,

(Zwischenruf Abg. Wolf, CDU: Landesregie- rung!)

sich offensichtlich hier einer Kleinen Anfrage bemühen müsste, um abzufragen, ob wir bereit sind, diese Rechtsverordnung zu tragen?

Herr Abgeordneter Schemmel, ich bin mit Ihnen überein, dass ich glaube, soweit habe ich Sie kennengelernt im Innenausschuss, dass Sie den § 50 der Geschäftsordnung richtig wiedergegeben haben. Alles andere würde auch nicht zur Versachlichung der Diskussion beitragen. Aber es bleibt dabei, dass die heutige Beschlussfassung nichts daran ändert, dass dieser Weg sehr wohl beschritten werden kann, und das ist das Entscheidende.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend sagen, Sie sollten sehr wohl den Willen auch der CDU

Fraktion erkennen, auch wenn Ihre Richtung mit dem Vorschlag des Innenausschusses einen Konsensweg aufzeichnen zu wollen, das ergibt sich nämlich daraus, wenn Sie den ursprünglichen Gesetzentwurf der Landesregierung gesehen haben, dort war nämlich nur der Rechtsverordnungsweg vorgesehen ohne Zustimmung des Parlaments, wenn Sie die Beteiligung des Parlaments wollen - und das ist der Vorschlag des Innenausschusses, den die CDUFraktion unterstützt -, dann liegt es an Ihnen, dieser Vorlage so zuzustimmen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ihrem Weggehen entnehme ich, dass Sie keine weiteren Fragen zulassen wollen, Herr Abgeordneter Mohring? Dann gebe ich das Wort der Frau Abgeordneten Dr. Wildauer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, grundlegende Ausführungen zur Dritten Änderung des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes erfolgten durch mich bereits zur ersten Lesung im Landtag. Herr Mohring, ich möchte einmal gleich auf einige Ihrer Bemerkungen mit eingehen. Diese 94,8 Mio. also rund 95 Mio. DM, Erhöhung im Finanzausgleich in diesem Jahr sind nicht per Anordnung der Landesregierung erfolgt; die Erhöhung ist gesetzmäßig. Das Gleiche kann sich im nächsten Jahr ins ganze Gegenteil umkehren, wenn nämlich die Steuerlage wieder eine andere ist.

Das Finanzausgleichsgesetz wurde 1995 erstellt, wurde 1998 geändert und wir haben heute die dritte Änderung, bloß zur Richtigstellung. Wir haben als PDS-Fraktion zur Änderung dieses Gesetzes keine Änderungsanträge eingebracht - nicht in den Innenausschuss, nicht in den Haushalts- und Finanzausschuss - und legen sie auch dem Landtag in der heutigen zweiten Lesung nicht vor. Wir haben dies etwa nicht unterlassen, weil wir die Gesetzesänderung für gut halten. Nein, unserer Auffassung nach gehört das gesamte Finanzausgleichsgesetz, das habe ich mehrfach betont, auf den Prüfstand und dann ist eine grundlegende Erneuerung erforderlich. Diese Arbeit ist heute und hier nicht leistbar. Wir werden deshalb zu einem späteren Zeitpunkt dem hohen Hause eine Gesetzesinitiative zum FAG unterbreiten.

Das heute zu beschließende Gesetz, das wurde mehrfach betont, regelt lediglich die Verteilung der Auftragskostenpauschale. Dazu äußerten sich auch die beiden kommunalen Spitzenverbände. Der Gemeinde- und Städtebund begrüßt z.B. die Anhebung der Pauschale für die kreisangehörigen Gemeinden auf 18,77 DM pro Einwohner, wenn er sie auch nicht für ausreichend hält und kritisiert die Beibehaltung der bisherigen Pauschale für die kreisfreien Städte. Die de-facto-Erhöhung für die Kreise

sieht er auch anders als der Thüringische Landkreistag. Erstmals ist es so, dass die Kreise nicht mehr an die Gemeinden abführen müssen. Wir meinen, da dieses Gesetz nur vorübergehend Gültigkeit hat für die Dauer eines Jahres und zweifelsohne positive Effekte wie z.B. die Reduzierung der Umlagenhöhe der Gemeinden an die VGs erreicht, lohnt sich kein Streit um eine andere Verteilung. Wobei ich es natürlich auch als sinnvoll erachte, die Kreisumlage eventuell um 0,5 bis 1 Prozent in Kürze zu senken.

Die vom Innenministerium eingeleitete Prüfung in Verbindung mit den Ergebnissen der Klagen Thüringer Städte gegen die Höhe der Auftragskostenpauschale wird künftig eine grundlegende Neuregelung der Verteilung dieser Mittel erforderlich machen. Das ist zu begrüßen, wird doch damit eine jahrelang von der PDS gestellte Forderung realisiert. Ich will an dieser Stelle wiederholt betonen: Die Kommunen haben vollen Anspruch auf die Leistungen, die sie im Auftrag des Landes erfüllen. Solche Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis wie Melderecht, Personenstandswesen, Wahlrecht, Wohngeld sind sehr aufwendig und kostenintensiv. Es ist nur recht und billig und entspricht der Einhaltung des Konnexitätsprinzips, wenn die wirklichen Aufwendungen landesseitig auch vergütet werden. Wie das genau erfolgen soll und welche Summen künftig an die Kommunen zu zahlen sind, werden wir Mitte dieses Jahres wissen.

Die Kommunen werden sich freuen können, dass ihnen Gerechtigkeit widerfährt. Was darf aber bei alledem aus unserer Sicht nicht passieren? Es kann und darf nicht versucht und schon gar nicht hingenommen werden, dass auch diese Gelder in den Kommunalen Finanzausgleich eingestellt werden. Weshalb sind wir vehement dagegen? Wir sind dagegen, weil es einfach nicht geht, dass die Gelder für die Leistungen, die die Kommunen im Auftrag des Landes erbringen, aus dem Topf gezahlt werden, aus dem vorwiegend Schlüsselzuweisungen und Investitionspauschalen verteilt werden. Es ist wohl nachvollziehbar, dass bei Erhöhung der Auftragskostenpauschale, wenn sie auch weiterhin aus dem Kommunalen Finanzausgleich bezahlt wird, sich im gleichen Maße Schlüsselzuweisungen und auch Pauschalen verringern. Es bedeutet, dass die Kommunen die vom Land übertragenen Aufgaben selbst doppelt bezahlen. Beide kommunalen Spitzenverbände bewerten die Systemwidrigkeit der Auftragskostenpauschale analog wie die PDS. Das ist der Grund, weshalb ich auch diesen Gesetzentwurf ablehne, obwohl er für sich genommen ohne Einordnung in das große Ganze vernünftig ist. Manch PDS-Abgeordneter könnte natürlich auch anders stimmen. Mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung der CDU habe ich noch Probleme. Ich persönlich halte diese Lösung, auch wenn Sie Herr Mohring wirklich sehr überzeugend hier verteidigt hat, für eine windelweiche, also eine Jeinlösung.

(Zwischenruf Abg. Lippmann, SPD: Er ist gar nicht da.)

Der Rechtsstatus definiert eindeutig, was ein Gesetz, was eine Rechtsverordnung, was eine Verwaltungsvorschrift und was ein Bescheid ist und wofür wer verantwortlich zeichnet. Rechtsverordnung mit Zustimmung des Landtags - warum dann nicht gleich Gesetz? Ich halte den SPD-Vorschlag für glaubwürdiger, auch wir als PDSFraktion würden ihm zustimmen. Ich persönlich lehne das Dritte Gesetz zur Änderung des Kommunalen Finanzausgleichs aus den oben genannten beiden Gründen ab, empfehle meiner Fraktion aber auch Enthaltung. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank. Gibt es weitere Wortmeldungen? Bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann die Aufregung in der SPD-Fraktion und das Herumfuchteln mit der Geschäftsordnung nicht so recht verstehen,

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Genau wie ich Sie.)

denn ein Blick in die Kommunalordnung - vor allem Sie als ehemaliger Justizstaatssekretär

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Gerade deshalb.)