Protokoll der Sitzung vom 05.03.2004

Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, sehr verehrte Vertreter der Landesregierung, verehrte Gäste auf der Besuchertribüne, ich begrüße Sie alle sehr herzlich zu unserer heutigen Plenarsitzung. Es ist die 102. Plenarsitzung des Thüringer Landtags am 5. März 2004, die ich hiermit eröffne. Als Schriftführer haben Platz genommen neben mir Frau Abgeordnete Wolf und Frau Abgeordnete Zitzmann. Frau Abgeordnete Zitzmann wird die Rednerliste führen. Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt der Abgeordnete Primas und Frau Abgeordnete Tasch. Was für den Ablauf zu klären war, haben wir bereits gestern alles besprochen und beschlossen. Ich komme also unmittelbar zum Aufruf des ersten für heute vorgesehenen Tagesordnungspunkts, es ist der Tagesordnungspunkt 11

Verbot von Cross-BorderLeasing-Geschäften in Thüringen Antrag der Fraktion der PDS - Drucksache 3/3986

Es wird Begründung durch die einreichende Fraktion gewünscht. Frau Abgeordnete Dr. Wildauer wird das tun. Ich bitte die Begründung vorzunehmen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die PDS will, dass so genannte Cross-Border-Leasing-Geschäfte oder CBL - wie man sie nennt - in Thüringen nicht greifen, ja ausgeschlossen werden. Wir halten sie für höchst riskant und unmoralisch.

(Unruhe im Hause)

Diese Geschäfte widersprechen den wichtigen Prinzipien von Transparenz und öffentlicher Nachvollziehbarkeit. Bisher wurde noch kein Antrag einer Kommune in Thüringen auf Genehmigung eines solchen Geschäfts gestellt und konnte somit eben auch noch nicht genehmigt werden. Allerdings gab es ähnliche Geschäfte an der Kommunalaufsicht vorbei. Mehrere Anfragen der PDS zum Thema machten deutlich, dass die Landesregierung bisher nicht beabsichtigt, CBL-Geschäfte zu untersagen. Das heißt, im Einzelfall wie in Gera wäre die Genehmigung möglich. Doch es ist zu hinterfragen: Wer entscheidet das, wenn es nach Minister Trautvetters Aussage keinen Menschen in Thüringen gibt, der das deutsche und USamerikanische Vertragswerk beherrscht? Zu welchen Bedingungen erfolgt die Genehmigung? Was passiert mit bereits gezahlten Fördermitteln? Und wer haftet letztendlich für die Risiken, die wir als PDS für nicht kalkulier

bar halten. Vermutlich können diese Fragen nicht zufrieden stellend beantwortet werden und deshalb erteilen wir Cross-Border eine klare Absage. Es ist Anliegen unseres Antrags, CBL-Geschäfte in Thüringen zu verbieten

(Beifall Abg. Schemmel, SPD)

für die Kommunen in Thüringen, aber auch für das Land und seine Gesellschaften bzw. seine Beteiligungen. Den Autoritätsbeweis für unser Anliegen liefert kein Geringerer als der Präsident des Thüringer Rechnungshofs mit seiner Aussage. Ich zitiere - Herr Dr. Dr. Dietz, Sie brauche ich jetzt nicht um Erlaubnis zu fragen, Sie haben das ja gesagt, ich darf nur die Präsidentin fragen -: "Hände weg von CBL, das ist vermintes Gelände." Dem haben wir nichts hinzuzufügen. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS, SPD)

(Unruhe im Hause)

Ich bitte wieder Ruhe einziehen zu lassen. Das war die Begründung. Jetzt kommen wir zur Aussprache und da hat als Erster das Wort der Kollege Mohring, CDUFraktion.

Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin, Cross-Border-Leasing-Geschäfte sind seit einiger Zeit Gegenstand kontroverser Diskussionen; deshalb auch der Antrag heute hier im Plenum. So wird u.a. behauptet, dass diese Finanzierungsform halb legale Steuertricks zulasten des deutschen und des US-amerikanischen Fiskus seien und unkalkulierbare Risiken für die Kommunen beinhalten würden. Von der bayerischen Landesregierung wurden deshalb im letzten Jahr Bestrebungen unternommen, den Abschluss neuer Cross-Border-Leasing-Geschäfte durch eine Änderung der Kommunalordnung in Bayern selbst drastisch einzuschränken. Gegen diese restriktiven Bestrebungen erhob sich beachtlicher Widerstand von Kommunalpolitikern, die sich in Zeiten knapper Kassen und der Wahrnehmung von Refinanzierungsmöglichkeiten behindert und durch das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen gefährdet sahen. Vor diesem Hintergrund ist der PDS-Antrag erstaunlich, weil auch die PDS - wie auch andere Fraktionen hier im Hause - als Verteidiger des kommunalen Selbstverwaltungsrechts dieses selbst verteidigen und natürlich durch die Einschränkung von CrossBorder-Leasing-Geschäften an sich dieses Selbstverwaltungsrecht auch beschneiden würden. Die Diskussion über Cross-Border-Leasing-Geschäfte findet ihre Basis zu weiten Teilen zunächst in moralischen Kategorien. Das haben wir eben auch aus der Begründung zum Antrag von der Abgeordneten Wildauer selbst vernommen. Dabei spielt die Frage eine Rolle: Darf eine Kommune, die selbst Be

standteil des Gesamtstaats ist, Steuervorteile für private Dritte, sei es zulasten des US-Fiskus oder zulasten des deutschen Fiskus, ermöglichen, um selbst davon finanzielle Vorteile zu erzielen? Es bleibt deshalb festzustellen, dass Cross-Border-Leasing-Geschäfte - das ist jedenfalls unstrittig - keine Steuerersparnis zugunsten deutscher Steuerpflichtiger zur Folge hatten. Der deutsche Fiskus profitiert selbst in der Regel viel mehr vom Abschluss solcher Cross-Border-Leasing-Geschäfte, da der den deutschen Kommunen zufließende Barwertvorteil stets umsatzsteuerpflichtig und je nach Rechtsform des Anlagenbetreibers auch körperschaftssteuerpflichtig ist.

Meine Damen und Herren von der PDS, das geforderte generelle Verbot solcher Cross-Border-Leasing-Geschäfte schießt über das Ziel einer kritischen Betrachtung solcher Finanzierungsformen jedenfalls hinaus. Möglicherweise hat es auch damit zu tun, dass bei Ihnen in der PDS natürlich noch immer ein gewisser anderer Antiamerikanismus vorherrscht.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Das ist ein Witz.)

Ich will Ihnen jedenfalls in der Frage Recht geben, dass Cross-Border-Leasing-Geschäfte an sich einer kritischen Prüfung zu unterziehen sind, wonach die bereits bestehenden rechtlichen Verpflichtungen auch einer kritischen Prüfung dahin gehend unterzogen werden müssen. Ungeachtet Ihrer Forderungen hat der Innenminister dieses Freistaats bereits mehrfach im Plenum, zuletzt in der 96. Sitzung, und in der Beantwortung der Kleinen Anfragen 875 und 1096 deutlich gemacht, dass Cross-Border-Leasing-Verträge als kreditähnliche Rechtsgeschäfte einzustufen sind und daher der rechtsaufsichtlichen Genehmigung gemäß § 64 Abs. 1 unserer Thüringer Kommunalordnung unterliegen. Dabei obliegt den Kommunen unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit, so steht es im Gesetz, die Darlegungspflicht, dass das beabsichtigte Recht kreditähnliche Rechtsgeschäfte wirtschaftlich herkömmlicher Kreditfinanzierung gegenüber mindestens gleichwertig ist und allenfalls zu vernachlässigende rechtliche und wirtschaftliche Risiken gegenüber der herkömmlichen Kreditfinanzierung bestehen. Der Nachweis selbst kann durch nachvollziehbare Darlegungen der Gemeinde bzw. der nachvollziehbaren gutachtlichen Äußerung des kommunalen Rechnungsprüfungsamts auch erbracht werden. Die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit richtet sich außerdem - wie bei allen Kreditaufnahmen und kreditähnlichen Rechtsgeschäften - nach der dauernden Leistungsfähigkeit der beantragenden Kommune. Der Innenminister und auch der Präsident des Rechnungshofs Dr. Dr. Dietz haben immer wieder auf die Risiken, die mit solchen Rechtsgeschäften verbunden sind, hingewiesen.

Ich bin der Meinung, dass die vorhandenen Instrumentarien der Kommunalaufsicht, des Haushaltsrechts und die

Prüfungsmöglichkeiten des Rechnungshofs ausreichen, um wirtschaftlich unsinnige, finanziell risikoreiche und zulasten von Kommunen und Bürgern - das ist das eigentlich Maßgebliche - gehende Vertragsschlüsse zu verhindern. Dies verdeutlicht nicht zuletzt das aktuelle Beispiel - deshalb auch der Antrag vermutlich von Ihnen - der Stadt Gera. Die Stadt Gera, das dürfte Ihnen bekannt sein, will ihr Straßenbahnnetz für 99 Jahre an einen US-Investor verleasen und erhofft sich Einnahmen in Höhe von 6 Mio.  Eine Genehmigung dieses Geschäfts wurde der Stadt Gera vom Landesverwaltungsamt als zuständige Rechtsaufsichtsbehörde bisher nicht in Aussicht gestellt.

Kritiker von Cross-Border-Leasing-Geschäften führen an, dass die Kommunen selbst nicht in der Lage seien, die Risiken und Auswirkungen der Vertragswerke ausreichend einzuschätzen. Ihrem Antrag, aber auch anderen Argumenten von Kritikern ist zu entnehmen, diese Verträge seien sehr umfangreich, in englischer Sprache abgefasst und unterlägen dem ausländischen Gerichtsstand. Die Angaben des Vertrags, die aus über 70 Dokumenten und 1.000 Seiten bestehen, müssen jedoch relativiert werden, da sich eine Anzahl dieser Vertragsbestandteile auf sämtliche enthaltene Einzeldokumente bezieht. Mit ihnen werden zum einen auch Beziehungen zwischen allen anderen Beteiligten, zwischen dem Investor und zwischen den beteiligten Banken geregelt. Zum anderen umfassen diese diverse Anlagen, Aufstellungen und Gutachten. Die Kommune selbst ist lediglich Vertragspartner dieses umfangreichen Werks von etwa vier Vereinbarungen und einigen Ergänzungsregelungen mit technischem Charakter. Es bleibt ausgeblendet, dass jetzt schon Kommunen und kommunalen Zweckverbänden in Thüringen, aber auch Landesgesellschaften der Abschluss umfangreicher Vertragswerke natürlich keineswegs neu ist. Es bleibt festzustellen, dass die Kritik, kommunale Vertreter seien nicht in der Lage, solche Vertragswerke zu verarbeiten und möglicherweise auch des Englischen nicht mächtig, nicht weit genug greift, weil wir natürlich auch Vertrauen in die kommunale Ebene bei solchen Gesetzen haben müssen. Es bleibt dabei, die Finanzen in der öffentlichen Hand und das stetig wachsende Finanzierungsvolumen moderner Infrastrukturprojekte haben seit längerem im Ausland und mit Verzögerung auch in Deutschland selbst sowie in Thüringen dazu geführt, dass neue Finanzierungsmethoden zur Anwendung kommen. Ich will deshalb noch einmal an das Thüringer Modell, was auch gestern in der Debatte zur Rechnungsprüfung für das Jahr 2001 eine Rolle gespielt hat, alternative Finanzierung zur Projektfinanzierung in Form so genannter Public-Private-Partnership-Projekte und Betreibermodelle erinnern. Hier erfolgten in Thüringen bislang 21 Ausschreibungen, wobei Finanzierungsmodelle wie Leasing, Nutzungsrecht und Nutzungsüberlassungsverträge, Mietkauf und Vorfaitierung zum Tragen gekommen sind. Die Voraussetzung für die Durchführung der Projekte wurde jeweils durch haushaltsgesetzliche Ermächtigung geschaffen. An dieser Stelle sei auf das Programm des Freistaats Thüringen nochmals zur Sanierung und Erweiterung von

Typenschulen verwiesen, weil insgesamt 19 Typenschulen, davon auch zwei landeseigene Sportgymnasien, saniert wurden. Für die Bedienung von 50 Prozent des Kapitaldienstes, also für Zins und Tilgung, mithin für die Investitionen, würden den 11 kommunalen Schulträgern des Typenschulprogramms die Fortzahlung der Investitionspauschalen über einen Refinanzierungszeitraum zugesagt. Weitere 50 Prozent des Kapitaldienstes können über Zuschüsse des Landes abgedeckt werden. Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, dass die Kommunen mit der Teilnahme an diesen Programmen und der Inanspruchnahme der Investitionspauschale diese in Teilen für 10 Jahre an ein konkretes Projekt binden. Auch an diesen Vertragswerken sind Investoren, Sponsoren, verschiedene Banken, Projektberater, Gutachter, Bauunternehmen und Architekturbüros beteiligt. Die Vereinbarungen sind umfangreich und heben sich in ihrer Risikostruktur keineswegs von Cross-Border-Leasing-Geschäften ab. In vielen Fällen wurde hier durch die Kommunen, aber auch durch die Länder und im Bund Neuland zur Finanzierung dieser Projekte und damit Sicherung von Investitionen beschritten. Beispielhaft will ich noch einmal an den Bau des Herrentunnels in Lübeck und an den Warnowtunnel in Rostock, einer Müllverbrennungsanlage in Fürth, die Sanierung des Staatstheaters in Mainz und einer Strafvollzugsanstalt in Waldeck erinnern. In vielen sind dort bereits Finanzierungsformen eingegangen worden, bei denen sich zeigt, dass hinsichtlich der Bindungsfristen, Steuerund Betreiberrisiken schlechte Konditionen vereinbart wurden, schlechtere zumindest als das bei Cross-Border-Leasing-Verträgen üblicherweise der Fall ist. Um den Investitionsbedarf bei den derzeit angespannten Haushaltslagen in allen Bereichen der öffentlichen Hand befriedigen zu können, werden Aspekte privat finanzierter öffentlicher Infrastrukturen in verschiedenen Gremien von Bund und Ländern gemeinsam mit Spitzenverbänden der Wirtschaft als Kooperationspartner zwischen Staat und Privatwirtschaft um ein ganzheitliches Zusammenspiel von Planen, Bauen, Finanzieren und Betreiben zu ermöglichen, dargestellt. Um die Anwendung von solchen Public-Private-Partnership-Modellen zu erleichtern und zu fördern, plant auch die Bundesregierung die Bereitstellung eines Leitfadens, der Hinweise zu Vergabeverfahren und zur Durchführung von Wirtschaftlichkeitsvergleichen sowie Vertragsmuster enthalten soll. Weiter ist die Einrichtung eines Kompetenzzentrums zur Sammlung und Aufbereitung von Erfahrungen und zur Beratung von Interessenten geplant. Ein hierzu eingesetzter Lenkungsausschuss hat im Februar 2003 ein Gutachterkonsortium, das wichtige Grundlagen für den Aufbau dieses Kompetenzzentrums liefern soll, beauftragt. Public-Private-Partnership-Projekte werden seit geraumer Zeit auch im Arbeitsausschuss Haushaltsrecht und Haushaltssystematik, in dem Mitarbeiter des Bundesfinanzministeriums und der Länderfinanzministerien sowie der Rechnungshöfe vertreten sind, behandelt. Dieser Ausschuss hat übereinstimmend festgestellt, dass Ziel der Überlegung zu solchen PPP-Projekten sein muss, die jeweils wirtschaftlichste Lösung zur Aufgabenerfüllung zu finden. Dabei ist auch

zu prüfen, ob haushaltsrechtliche Rahmenbedingungen, z.B. das Veräußerungsverbot nach § 63 Abs. 2 der Landeshaushaltsordnung, die ist auch identisch mit der Bundeshaushaltsordnung, angepasst werden müssen. Die Diskussionen hierzu sind in diesem beauftragten Ausschuss noch nicht abgeschlossen.

Ungeachtet aber aller haushaltsrechtlichen Beurteilungen ist haushaltspolitisch an dem Grundsatz festzuhalten, dass solche PPP-Projekte nur dann initiiert werden können, wenn sich aus ihnen selbst heraus wirtschaftliche Vorteile ergeben, etwa aufgrund fachlicher Synergieeffekte. Dienen die Projekte hingegen allein der Finanzierung weiterer Kreditquellen unter Nichtanrechnung auf die haushaltsrechtliche Kreditgrenze, sind sie mit Rücksicht auf die bereits jetzt bestehende Staatsverschuldung und zur Sicherung künftiger politischer Gestaltungsmöglichkeiten natürlich abzulehnen.

Angesichts der kritischen Beurteilung der alternativen Finanzierung durch den Thüringer Rechnungshof im Hinblick auf die Kreditobergrenzen und die erhobenen Vorwürfe der Opposition über mögliche Verschleierung der wahren Verschuldung dürfen nur Gründe der Wirtschaftlichkeit die Gründe zur Anwendung von Public-PrivatePartnership-Projekten sein. Der Mangel an Haushaltsmitteln allein ist jedenfalls keine Legitimation für die Genehmigung solcher Projekte.

Wir meinen, dass mit Blick auf die Zukunft jedenfalls geprüft werden sollte, ob die Erarbeitung konkretisierender Verwaltungsvorschriften zum verwaltungsrechtlich verankerten Wirtschaftlichkeitsgrundsatz für den Wirtschaftlichkeitsnachweis bei solchen Immobilienprojekten möglich ist und ob die Entwicklung von praktikablen Standards für den Wirtschaftlichkeitsnachweis und objektive Anforderungsprofile dargestellt werden können und die Einführung einer speziellen Prüfpflicht bei diesen Projekten im Rahmen eines Interessenbekundungsverfahrens künftig ermöglicht wird.

Die Überprüfung der bisher üblichen Parallelausschreibung für alternative und klassische Finanzierungen, wie es auch im Rahmen der Beschlussfassung beim Haushalts- und Finanzausschuss üblich ist, und die damit notwendige Regelung zur Verhinderung von Umgehungsstrategien sollte auch auf Cross-Border-Leasing-Geschäfte erweitert werden. Die Aufhebung des Veräußerungsverbots nach § 63 Abs. 2 der Landeshaushaltsordnung ist dabei auch zu prüfen, wie die Erarbeitung haushaltsrechtlicher Regelungen, die den Vorwurf der Verschleierung der tatsächlichen Verschuldung verhindern. Es ist zu prüfen, ob die Novellierung kommunalaufsichtsrechtlicher Genehmigungsverfahren zur Stärkung der kommunalen Wahlfreiheit bezüglich der Realisierungsform öffentlicher Infrastrukturprojekte für die Zukunft möglich ist. Abschließend sei auch hier dargestellt, dass es wichtig ist, eine Formulierung, eine einheitliche Terminologie zu Public-Private-Partnership-Projekten im Haushaltsrecht

in der Zukunft zu regeln, um auch klar bei unterschiedlichsten Vertragsgestaltungen und Projekten zu formulieren, dass hinsichtlich einer einheitlichen Definition solche Projekte auch künftig geprüft und möglicherweise auch genehmigt werden können.

Abschließend bleibt aber festzustellen, dass Cross-Border-Leasing-Geschäfte im Vergleich zu anderen von Kommunen üblicherweise getätigten Geschäften kein höheres Maß an Risiken darstellen. Werden die Prüfvorschläge so, wie wir sie hier dargestellt haben, in der Zukunft auch umgesetzt, können solche Projekte hinsichtlich einer langfristigen vertraglichen Bindung der Kommune möglicherweise auch Vorteile bieten. Bei der Errichtung einer Sportanlage oder eines Krankenhauses wird sich der einzelne Stadtrat auch auf die Stellungnahmen der beteiligten Fachleute und Berater verlassen, ohne jede Statik, jede Zinsberechnung oder jede Gewährleistungsklausel selbst umfassend gar nicht, aber die Prüfaufgaben erledigen können. Deshalb, meine Damen und Herren, CrossBorder-Leasing-Verträge als Scheinverträge und Steuertrickserei allein zu bezeichnen, ist aus rechtlicher, vor allen Dingen auch aus steuerrechtlicher Sicht, unzutreffend. Niemand leugnet, dass diese Verträge kompliziert sind, aber man darf angesichts der knappen Haushaltslage und des Investitionsstaus, der auch in unseren Kommunen zu verzeichnen ist, die Chance auf solche Projekte nicht verhindern. Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Höhn, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich bin ganz schön beeindruckt von dem Vortrag meines Kollegen Mohring. Ich hätte nicht gedacht, dass er sich so viel Mühe unterzieht dieses Thema betreffend. Denn ich denke, wir haben das heute hier im Thüringer Landtag sozusagen den Geraer Verhältnissen zu verdanken. Aber sei es wie es sei, es steht auf der Tagesordnung und schon allein deshalb gebietet es sich aus Respekt, diesen Antrag entsprechend zu behandeln. Ich will auch im Folgenden durchaus eine gewisse Skepsis meinerseits gegenüber solchen Verträgen zum Ausdruck bringen, die allerdings nicht Resultat von irgendwelchem Antiamerikanismus ist, im Gegenteil, ich bin sogar ein sehr großer Fan dieses Landes.

(Beifall bei der SPD)

Eine gewisse Grundskepsis diesen Geschäften gegenüber aus völlig anderen Gründen, die ich im Nachfolgenden noch begründen möchte, ist aus meiner Sicht durchaus geboten. Bis jetzt ist weder in der Begründung des Antrags noch in den Ausführungen meines Kollegen deut

lich geworden, worum es hier eigentlich geht. Ich frage mal einfach in die Runde: Weiß denn jeder, was mit dem Begriff Cross-Border-Leasing gemeint ist? Was passiert denn da eigentlich?

(Unruhe im Hause)

(Zurufe aus dem Hause: Ja.)

Ja, die Reaktion zeigt, es wäre seitens der Antragsteller vielleicht nicht schlecht gewesen, wenn man diese Erläuterung möglicherweise hätte in den Antragstext packen können. Ich will es versuchen so zu erklären, dass man möglicherweise auch auf den anderen Rängen in diesem Hause versteht, worum es hier eigentlich geht. Bei diesem Cross-Border-Leasing müssten aus Sicht der USA ausländische Investoren in diesem Land einen so genannten Trust gründen. Eine deutsche Kommune, die ja notorisch klamm sind, wie wir alle wissen, kann ihre so genannten langlebigen Infrastrukturgüter, das sind z.B. Kraftwerke, Krankenhäuser, Straßenbahnen, Schienennetze oder auch - man höre - Wasser- und Abwasseranlagen, an diesen Trust verkaufen und mit einem relativ komplizierten Rechtsgeschäft auf in der Regel 30 Jahre oder auch neuerdings auf 99 Jahre wieder zurückleasen. Die Risiken dieser Geschäfte bestehen aus meiner Sicht schon allein darin - es ist vorhin gesagt worden vom Kollegen Mohring völlig richtig, der deutsche Fiskus hat keinen Nachteil, aber ganz offensichtlich der amerikanische Fiskus. Denn es werden dort Steuersparmodelle zulasten des amerikanischen Steuerzahlers dargestellt, ohne reale Investitionen in diesem Land zu realisieren. Mir ist bekannt, dass gegenwärtig in den USA Bestrebungen bestehen, genau diese Steuervorteile für ausländische Trusts wieder, ich will nicht sagen abzuschaffen, aber zumindest einzuschränken, so dass sich aus meiner Sicht schon allein von dieser Seite her für deutsche Kommunen ein Risiko ergibt, was die Zukunft dieser Cross-Border-Transaktionen betrifft.

Zum anderen, das ist an dieser Stelle schon mehrfach angeklungen, natürlich kann man sich hinstellen und sagen, diese ganze Geschichte ist eine Frage der kommunalen Selbstverwaltung. Das ist völlig richtig. Das ist wie immer nicht falsch, aber auch nur die halbe Wahrheit. Wenn wir sagen, diese Geschäfte sind genehmigungspflichtig durch die Kommunalaufsichten - das ist auch ein richtiger Satz. Nur dann stelle ich mal hier die Frage: Sind denn unsere Kommunalaufsichten überhaupt in der Lage, solche, wie wir eben auch gehört haben vom Kollegen Mohring, relativ komplizierten Vertragswerke entsprechend zu beurteilen und zu würdigen? Ich denke, wenn wir dies täten, wenn wir sagen, ja Kommunalaufsichten prüft mal, dann müssen natürlich diese Leute in den Kommunalaufsichten auch in die Lage versetzt werden, solche Werke zu durchschauen. Da sehe ich einen entscheidenden Knackpunkt in diesem ganzen Verfahren, so dass ich das als zweites Risiko von meiner Seite her bezeichnen möchte. An der Stelle kann ich nur noch

einmal wiederholen, dass es dem Zitat vom verehrten Herrn Präsidenten des Rechnungshofs, der auch dieses als so genanntes vermintes Gelände bezeichnet hat, eigentlich wirklich nichts hinzuzufügen gibt.

Ich würde mir aufgrund der geschilderten Risiken wünschen, dass man in Thüringen ähnlich wie im Land Sachsen zu einer Regelung kommt, die zunächst die kommunale Selbstverwaltung in voller Höhe respektiert, aber insofern Hilfestellung leistet, indem das zuständige Ministerium, in dem Fall natürlich das Innenministerium, einen entsprechenden Erlass herausgibt. Dieser Erlass, der kann durchaus so restriktiv gestaltet sein, dass es äußerst schwierig sein wird, solche Geschäfte für die jeweilige Kommune durchzuziehen. Im Übrigen glaube ich nicht, dass es in Thüringen überhaupt eine Kommune gibt, die dieses Volumen umfassen, was diese Geschäfte sinnvollerweise zum Inhalt haben sollen, es wird da in der Regel gesprochen von einem Volumen von mehr als 100 Mio. Dollar. Nun können wir uns alle mal ausrechnen, welche Größenordnungen städtische Vermögen in Thüringen umfassen. Also auch von dieser Seite her ist nicht zu erwarten, auch wenn die Stadt Gera mittlerweile mit diesem Gedanken mehr oder weniger schwanger geht. Ich glaube nicht, dass dies aus den jetzt schon vorliegenden Gründen genehmigungsfähig ist. Nichtsdestotrotz denke ich, wir brauchen an dieser Stelle sicher kein Gesetz, wir brauchen auch sicher kein völliges Verbot, aber eine lenkende Hand seitens des Landes an dieser Stelle würde ich mir schon wünschen. Danke schön, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort Kollege Huster, PDSFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Höhn hat dankenswerterweise noch mal in Kurzform beschrieben, worum es beim Cross-Border-Leasing geht. Ich will es kurz wiederholen. Das Verfahren ist dann auch relativ einfach zu verstehen. Eine deutsche Kommune, ein Zweckverband oder ein kommunales Unternehmen vermietet Wirtschaftsgüter von hohem Wert oder Infrastrukturanlagen

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Wasser, Abwasser.)

Wasser, Abwasser, dazu komme ich noch, genau - vermietet also Wirtschaftsgüter von hohem Wert oder Infrastrukturanlagen an einen in den USA beheimateten Investor und mietet in einem Untermietvertrag für eine Laufzeit von 29 oder 30 Jahren diese Anlagen zurück. Im Fall von Gera ist hier schon gesagt worden, dass es

sich um das Leasen und Rückleasen von Schieneninfrastrukturanlagen handelt. Aber Wasser- und Abwasseranlagen sind im Gespräch, Müllanlagen sind im Gespräch, Krankenhäuser - wie Herr Höhn das richtigerweise benannt hat.

Es handelt sich um komplizierte Rechtskonstruktionen, die alleinig mit dem Ziel entwickelt worden sind, Steuern in den USA zu sparen. Abgewickelt wird das Ganze über so genannte Hauptmietverträge und Mietverträge bzw. Untermietverträge. Das ganze Prinzip funktioniert nur, weil es Unterschiede in dieser Frage im deutschen und im amerikanischen Steuerrecht gibt. Insbesondere die Eigentumsfrage ist wichtig bei der Beurteilung von Cross-Border-Leasing. Nach deutschem Recht bleibt die deutsche Kommune Eigentümer der Anlagen, nach US-amerikanischem Recht wird dies der Trust, der gebildet wird, um letztlich Steuern zu sparen. Leid Tragende sind auf jeden Fall die US-amerikanischen Steuerzahler.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Die werden sich bedanken bei der PDS.)

(Unruhe und Heiterkeit bei der CDU)

Es kann die Erheiterung wieder beendet werden und Herr Huster fährt in seiner Rede fort.