Protokoll der Sitzung vom 07.05.2004

Wissen Sie, Herr Pidde, wenn ich in der Öffentlichkeit einen Menschen so zu Unrecht diskreditiert hätte, wäre eine persönliche Entschuldigung das Mindeste, was ich tun würde. Aber dies muss jeder für sich selbst entscheiden. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt Nachfragen, bitte schön.

Herr Minister, haben Sie in der Anfrage gelesen, dass es lediglich darum ging, auszuschließen, dass eine Vermischung von dienstlichen und privaten Angelegenheiten der Fall ist. Und die zweite Frage: Aus welchem Punkt meiner Anfrage konnten Sie herauslesen, dass es sich um irgendwelche Diskreditierungen der Person Herrn Gauders, die ich selber auch sehr schätze, handelt?

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Es muss doch nicht jeder sagen, was er macht!)

Die erste Anfrage habe ich, glaube ich, in meiner Antwort ausführlich beantwortet und die zweite Frage ist zugegeben subjektiv. Aber das muss wohl jeder für sich selbst entscheiden.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Das ist aber die Landesregierung. Das ist toll.)

Wir kommen zur nächsten Anfrage in Drucksache 3/4204, bitte, Herr Abgeordneter Kummer.

Errichtung einer Anlage zur Beseitigung oder Verwertung fester Abfälle mit brennbaren Bestandteilen durch thermische Verfahren im Industrie- und Gewerbegebiet Gromauer der Stadt Eisfeld

Nach Veröffentlichungen der Zeitung "Freies Wort" haben die Planungsgemeinschaft Gromauer und der Stadtrat der Stadt Eisfeld die Errichtung der in der Überschrift bezeichneten Anlage abgelehnt. Nun war dem Staatsanzeiger Nr. 17/2004 zu entnehmen, dass der Erörterungstermin zum Vorhaben verschoben wird.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welchen Grund hat die Verschiebung des Erörterungstermins?

2. In welchem Zeitraum muss ein neuer Erörterungstermin angesetzt werden?

3. Besteht nach Ansicht der Landesregierung im Gewerbegebiet Gromauer trotz Ablehnung durch die angrenzenden Gemeinden noch die Möglichkeit für die Errichtung einer solchen Anlage und unter welchen Bedingungen?

Herr Minister Sklenar, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Mündliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Kummer beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:

Vorbemerkung: Bei der Anlage handelt es sich um ein Biomassekraftwerk für den Einsatz von Althölzern mit einer Feuerungswärmeleistung von 27,5 Megawatt.

Zu Frage 1: Nach § 17 der Neunten Bundesimmissionsschutzverordnung kann die Genehmigungsbehörde den bekannt gemachten Erörterungstermin verlegen, wenn dies im Hinblick auf dessen zweckgerechte Durchführung erforderlich ist. Von dieser Möglichkeit hat das Landesverwaltungsamt als Genehmigungsbehörde Gebrauch gemacht. Der Grund dafür ist, dass die Zahl der Einwendun

gen, die zurzeit mit ca. 2.300 deutlich höher liegt, als von der Genehmigungsbehörde im Rahmen der Ablaufplanung des Genehmigungsverfahrens vorgesehen wurde. Die Bearbeitung der Einwendungen beansprucht daher mehr Zeit. Zum anderen muss die Organisation des öffentlichen Erörterungstermins neu erfolgen.

Zu Frage 2: Hierzu gibt es keine feste vorgeschriebene Frist. Vielmehr sind Ort und Zeit des neuen Erörterungstermins nach § 17 der Neunten Bundesimmissionsschutzverordnung zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu bestimmen. Die Genehmigungsbehörde ist gehalten, das Genehmigungsverfahren innerhalb des nach § 10 Abs. 6 a des Bundesimmissionsschutzgesetzes vorgesehenen Frist abzuschließen. Diese beträgt sieben Monate, wobei die Behörde die Frist um drei Monate verlängern kann, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Prüfung oder aus Gründen, die den Antragstellern zuzurechnen sind, erforderlich ist.

Zu Frage 3: Eine der Voraussetzungen für die Errichtung der Anlage ist die Anpassung des bestehenden Bebauungsplans des Gewerbegebiets Gromauer der Stadt Eisfeld. Diese bauplanungsrechtliche Genehmigungsvoraussetzung fehlt bisher. Nach Mitteilung des Landesverwaltungsamts wurde in der Stellungnahme der unteren Baubehörde im Landratsamt Hildburghausen vom 16.02.2004 die Errichtung des Biomasseheizwerks im bestehenden Baubauungsplan auf einer Gewerbegebietsfläche des Gewerbegebiets Gromauer als unzulässig eingestuft. Es ist zurzeit nicht abzusehen, ob die beabsichtigte Umwidmung des Gewerbegebiets Gromauer zum Industriegebiet im Aufstellungsverfahren des betreffenden Bebauungsplans die bauplanungsrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen schafft. Nach § 20 Abs. 2 der Neunten Bundesimissionsschutzverordnung muss ein ablehnender Bescheid ergehen, wenn die Gemeinden die bauplanerischen Grundlagen innerhalb der eben genannten Frist nicht in Aussicht stellen. Andere Möglichkeiten zur Genehmigung des vorliegenden Antrags innerhalb der genannten Frist bestehen nicht.

Es gibt Nachfragen. Bitte schön.

Herr Minister, nur kurz: Gibt es denn eventuell schon Erkenntnisse, wann der neue Erörterungstermin stattfinden kann?

Herr Kummer, also wissen Sie, das ist nicht bekannt und es ist auch die Frage der Umwidmung des Gewerbegebietes in ein Industriegebiet, das ist die Crux bei der ganzen Geschichte.

Frau Abgeordnete Bechthum, Sie haben die nächste Frage in Drucksache 3/4174. Bitte schön.

Kinderschutz

Die aktuellen Ereignisse im Falle des sexuellen Kindesmissbrauchs in Sonneberg und der Kindesmisshandlung mit Todesfolge in Erfurt sind zum wiederholten Male Anlass, die Arbeitsweise der öffentlichen Träger der Jugendhilfe zu hinterfragen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Initiativen mit welchen Ergebnissen hat die Landesregierung ergriffen, um bei den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe die Sensibilität zur Wahrnehmung der Gefährdung des Kindeswohles zu erhöhen und geeignete Maßnahmen im Sinne von § 15 des Thüringer Kinder- und Jugendhilfe-Ausführungsgesetzes (ThürKJHAG) rechtzeitig und ausreichend zu ergreifen?

2. Welche niedrigschwelligen Beratungsangebote für gefährdete Minderjährige hält die Landesregierung im Sinne ihrer Zuständigkeit gemäß §§ 82 und 85 des Achten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VIII) auf der Ebene der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe mindestens für erforderlich, damit die Jugendämter ihre Aufgaben zur Abwendung einer Gefährdung des Kindeswohles erfüllen können?

3. In welchem Umfang förderte die Landesregierung die Jugendämter beim bedarfsgerechten Ausbau der Angebote entsprechend Frage 2 in den Haushaltsjahren 2000 bis 2004?

4. Welche finanzielle Förderung und welche sonstigen unterstützenden Angebote bzw. Initiativen hält die Landesregierung aus fachlichen Gründen für erforderlich, damit die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe ihre Aufgabenstellungen entsprechend § 15 ThürKJHAG, insbesondere die des Kinderschutzes, zukünftig besser erfüllen können?

Herr Staatssekretär Benner, bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, im Namen der Thüringer Landesregierung beantworte ich die Anfragen der Abgeordneten Frau Bechthum wie folgt:

Zu Frage 1: Anlass dieser Frage sind die schrecklichen Ereignisse in Sonneberg und in Erfurt. Es handelt sich um besonders gravierende Fälle, die uns alle tief erschüttert haben. Bundesweit hat es in den letzten Jahren immer wieder Einzelfälle gegeben; deshalb hat sich auch der Bundesrat mit dieser Problematik vor wenigen Wochen beschäftigt.

Der Schutz des Kindeswohls ist in § 15 des Thüringer Ausführungsgesetzes zum KJHG als Aufgabe der örtlichen Jugendämter normiert. Das Wohl unserer Kinder ist selbstverständlich eine kontinuierliche Aufgabe auch aller Verantwortlichen des Staates, aber auch der Kinderschutzdienste. Deshalb unterstützt die Landesregierung mit einer Vielzahl von Maßnahmen die Arbeit der Jugendämter und insbesondere zur Sensibilisierung der Jugendamtsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter bei Fragen von Kindeswohlgefährdung.

So hat z.B. das Landesjugendamt für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendämter in den Jahren 2000 - 2004 speziell zur Thematik "Kindeswohlgefährdung" sieben Fortbildungskurse durchgeführt, unter anderem zu Themen wie "Kindeswohl im Spannungsfeld von Präventionen, Intervention und Eingriff - Wahrnehmungsschulung für Kinderbedürfnisse", "Wie behalte ich das Kind im Blick", "Gewalt in Familien - Familien unterstützen, gewaltfrei zu leben und zu erziehen", "Absicherungsmentalität und fachliches Risiko", "Handlungsfähigkeit der Jugendhilfe trotz strafrechtlicher Verantwortung". Darüber hinaus widmete sich die vom Landesjugendamt im November 2002 organisierte Jugendamtsleitertagung dem Thema "Garantenpflicht des Jugendamtes".

Des Weiteren hat die Landesarbeitsgemeinschaft "Kinderund Jugendschutz Thüringen e.V." in Zusammenarbeit mit meinem Haus zum Thema "Kindeswohlgefährdung" über die Jahre hinweg ein umfangreiches Fortbildungsprogramm mit einem Gesamtumfang von ca. 500 Stunden organisiert. Inhalt waren dabei: Sexuelle Misshandlungen und sexueller Missbrauch, Gewalt und Vernachlässigung, psychologische Problemfelder, Hilfeplanung in Zusammenarbeit mit Jugendämtern, Präventionsmodelle, Rechtsgrundlagen. Diese Angebote waren offen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des allgemeinen sozialen Dienstes der Jugendämter sowie der Kinderschutzdienste und für sonstige in diesem Bereich tätige Fachkräfte.

Zur Nutzung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter öffentlicher und freier Träger der Jugendhilfe wurde zudem auf Anregung meines Hauses eine umfassende Fach- und Präsenzbibliothek mit dem Titel "Sexuelle Gewalt, sexueller Missbrauch" bei der Landesarbeitsgemeinschaft "Kinder- und Jugendschutz Thüringen e.V." eingerichtet. Ferner führte die Landesarbeitsgemeinschaft "Kinder- und Jugendschutz Thüringen e.V." gemeinsam mit meinem Haus drei Kinderschutzkonferenzen durch. Themen waren dabei unter anderem: "Kinderschutz und Justiz im Freistaat Thü

ringen" sowie "Kinderschutz im System der Jugendhilfe".

Diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendämter mit dem Thema "Kindeswohlgefährdung" besser vertraut gemacht und besser in die Lage versetzt werden, Signale frühzeitig zu erkennen sowie zielsicherer mit der Hilfeplanung anzusetzen.

Zu Frage 2: Nach Ansicht der Landesregierung sind als niederschwellige Angebote für gefährdete Minderjährige insbesondere erforderlich ein flächendeckendes plurales Angebot an Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen, ein bedarfsgerechtes spezifisches Beratungsangebot für von Gewalt bedrohte oder betroffene Kinder und Jugendliche in Form der Kinderschutzdienste, das kostenlose Kinder- und Jugendsorgentelefon, die auch von Kindern und Jugendlichen nutzbare Telefonseelsorge sowie die Erziehungs- und Familienberatung im Internet - die "virtuelle Beratungsstelle" genannt - als Online-Beratung im Bereich der Jugendhilfe. Die erforderlichen Angebote sind in Thüringen vorhanden; sie werden von der Landesregierung unterstützt und gefördert.

Zu Frage 3: Die Jugendämter selbst erhalten für die in Frage 2 benannten niederschwelligen Angebote in der Regel keine Landesförderung. Stattdessen werden die Maßnahmeträger, bei denen es sich in Umsetzung des bundesgesetzlich geregelten Subsidiaritätsgebots fast ausnahmslos um freie Träger der Jugendhilfe handelt, direkt vom Land gefördert. Das Land hat in den Jahren 2000 - 2004 insgesamt folgende Zuwendungen gewährt: Für Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen einschließlich des Modellprojekts "Entwicklungspsychologische Beratung von Eltern mit Säuglingen und Kleinkindern" sind es 8.113.201         einschließlich des Modellprojekts "Geschlechtsspezifische Arbeit im Kinderschutzdienst Jena" sind es 2.634.240  Für das Kinder- und Jugendsorgentelefon sind es 50.000  und für die Telefonseelsorge sind es 255.000   sind insgesamt rund 11 Mio.        Jugendschutz. Nicht eingerechnet sind indirekte Förderung z.B. im Bereich der Familienpolitik, ich nenne die Thüringer FamilienCard, der Jugendpolitik und vor allem des Sports.

Zu Frage 4: Nach Ansicht der Landesregierung ist eine ergänzende Landesförderung für die unter Frage 2 dargestellten niederschwelligen Angebote auch zukünftig wünschenswert, um die Jugendämter in ihrem Auftrag zu unterstützen, Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen bzw. die insoweit erforderlichen Hilfen rechtzeitig anzubieten. Darüber hinaus sind, um landesweit einheitliche Qualitätsstandards zu erreichen, fachliche Empfehlungen erforderlich. Für die Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatung und die Inobhutnahme hat der Landesjugendhilfeausschuss bereits solche Empfehlungen verabschiedet. Für die Kinderschutzdienste werden sie zurzeit erarbeitet. Eine Verbesserung wäre schließ

lich auch eine Präzisierung des Schutzauftrags des Jugendamts. Dieses wurde bereits von der Thüringer Landesregierung in dem im Bundesrat unterstützenden Entschließungsantrag zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch, also des KJHG, eingefordert und wurde in dem seit kurzem vorliegenden Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Tagesbetreuungsausbaugesetz mit dem neuen § 8 a aufgegriffen. Alle genannten Maßnahmen zeigen, die Landesregierung ist sich ihrer Verantwortung im Bereich des Kinder- und Jugendschutzes bewusst und leistet ihren Beitrag dazu. Trotz aller staatlichen Maßnahmen und Hilfen können jedoch tragische Vorfälle wie in Erfurt und Sonneberg nicht völlig ausgeschlossen werden. Deshalb muss zu den staatlichen Rahmenbedingungen das eigenverantwortliche Handeln aller Bürger hinzukommen. Die Familienangehörigen, die Nachbarn und Freunde, sie alle haben eine Mitverantwortung, gerade wenn es um das Wohl unserer Kinder und Familien geht. Deshalb sollte jeder von uns persönlich, sollten alle Bürger noch intensiver als bisher aufeinander zugehen und sich gegenseitig umeinander kümmern. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt Nachfragen. Frau Abgeordnete Bechthum zunächst.

Herr Staatssekretär, es wird immer wieder geklagt über die Mitarbeiter der Jugendämter. Wie schätzen Sie den Qualifizierungsbedarf der Jugendämter ein? Mittel dafür speziell gibt es ja nicht, wie wir gehört haben.

Ich denke, ich habe es in meinen Ausführungen deutlich gemacht, dass wir gerade die Qualifizierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr hoch einschätzen und auch entsprechende Angebote machen. Ich habe ja eine ganze Reihe von diesen Angeboten hier aufgezeigt. Die Qualifizierung kann einmal durch die Sicherung einer hochwertigen Ausbildung erfolgen - ich denke, die ist gewährleistet in Thüringen - und zum anderen durch fortwährende, auf die neuen Herausforderungen orientierte Fortbildungsmaßnahmen. Ich denke, mit dem Angebot, das wir seitens der Landesregierung im Zusammenhang mit freien Trägern machen und diese Angebote auch finanziell unterstützen, haben wir das getan, was in dieser Sache notwendig ist. Ob das im Letzten schon alles abdeckt, das muss immer wieder geprüft werden, aber ich denke, der wesentliche Bedarf ist durch die Angebote gedeckt.