Und nicht umsonst, meine Damen und Herren, erklären junge Neofaschisten in Umfragen, wie sie z.B. die Tübinger Universität durchgeführt hat, im Bereich der politischen Einstellung wäre die Übereinstimmung mit den eigenen Eltern groß und die eigenen Taten stellten entsprechend der selbst getroffenen Einschätzung häufig nur die Vollstreckung eines allgemeinen Willens dar.
Meine Damen und Herren, im Folgenden werde ich auf einige Faktoren eingehen, die unseres Erachtens rechte Ideologien und Politikansätze mit befördern bzw. eine Auseinandersetzung mit diesen behindern oder gar verhindern. Mit Sicherheit führt die subjektiv empfundene und in vielem auch objektiv nachvollziehbare fehlende soziale Perspektive dazu, sich im Konkurrenzkampf der Individuen gegenüber vermeintlich Schwächeren zu behaupten und in ihnen die eigentlich Schuldigen für die eigene miserable Situation zu entdecken. Dass eine solche Einschätzung von Politikerinnen der so genannten politischen Mitte mit Äußerungen wie "das Boot ist voll", wie "Überfremdung und Zuzugsbegrenzung" begründet oder noch befördert wird und rassistische Ressentiments damit erst hervorgerufen werden, zeigt deutlich, dass nicht allein die soziale Lage verantwortlich gemacht werden kann, sondern die vorgetragene, aber keinesfalls zutreffende Rechtfertigung der Regierenden, warum es nicht besser sein kann, einen gehörigen Teil mit dazu beiträgt. Im Übrigen haben empirische Studien belegt, dass Wählerinnen rechter Parteien, und erst recht deren Kader, nicht überwiegend diejenigen ohne Ausbildung und ohne Job sind. Vielmehr sind es die gut Situierten, denen man eine feste rechte Ideologie unterstellen muss, die im Kampf um die Köpfe gerade junger Menschen mit der zunehmenden sozialen Armut allerdings einen gehörigen Vorsprung haben.
Diesen weiter auszubauen, meine Damen und Herren, indem rechte Positionen durch konservative Interpretation noch bedient werden, macht etablierte Politik zu Mitverantwortlichen am zunehmenden Rechtsruck in der Gesellschaft.
Meine Damen und Herren, nach der Wahl der DVU in Sachsen-Anhalt brachte eine Umfrage zu Tage, dass selbst deren Wählerinnen und Wähler der DVU keinerlei politische Kompetenz zuerkennen. Lediglich in zwei Politikfeldern trauten überdurchschnittlich viele Menschen der DVU zu, Lösungen herbeizuführen: in der Ausländerpolitik und in der Politik der so genannten inneren Sicherheit. Politikfelder also, die gleichermaßen von Parteien der so genannten politischen Mitte beansprucht werden, weil sie dort infolge der eigenen Handlungsunfähigkeit in der Wirtschaftspolitik gegenüber Unternehmern und Konzernen am ehesten eine schnelle Mobilisierung der Bevölkerung zu Wahlen ausmachen, weil sie dort am ehesten Handlungskompetenz und damit die eigene Legitimation vermeintlich unter Beweis stellen können.
Es ist also durchaus nicht nur so, dass Positionen des rechten Randes zunehmen, durch die gesellschaftliche Mitte
übernommen und dann sogar gesetzlich verankert werden, wie der Asylrechtskompromiss von 1993 und auch die neuerliche Debatte innerhalb der CDU um eine vollständige Abschaffung des Asylrechts zeigen. Es ist eben auch so, meine Damen und Herren, dass die Themen rechter Parteien weitgehend mit denen der etablierten Parteien übereinstimmen. Wenn man dabei noch das Bedürfnis nach einfachen Lösungen bedient, so ist es dann bei einer kaum noch vollziehenden Unterscheidung zu ausgesprochen rechten Politikansätzen nicht mehr verwunderlich, warum für diese die Sympathie steigt oder sich zumindest keine nennenswerte gesellschaftliche Ablehnung öffentlich artikuliert.
Meine Damen und Herren, der Publizist Burkhard Schröder hat nach Recherchen in den neuen Bundesländern für sein Buch "Im Griff der rechten Szene" feststellen müssen, dass es einer organisierten Neonaziszene, die äußerlich erkennbar wäre, nicht mehr bedarf, weil eine linke und alternative Gegenkultur nicht mehr existent ist und weil rassistische und auch antisemitische Vorurteile so ins Alltagsleben der Jugendkultur eingesickert sind. Schröder wörtlich: "Man denkt, der gegenwärtige Zustand sei normal, man stört sich nicht daran, dass die rechtsextremistische Szene faktisch die Sozialisation der Jugend dominiert."
Meine Damen und Herren, dieses Urteil wirkt umso schwerer, weil es das konstatierte Ergebnis ist von mehreren Jahren... Programm und der Durchsetzung des Konzepts der akzeptierenden Jugendsozialarbeit, die eine Auseinandersetzung mit Rechts an politisierten Jugendlichen weitgehend verhindert, die Festigung einer ideologischen Einstellung durch neofaschistische Kader und die Bildung neofaschistischer Strukturen hingegen befördert hat.
Meine Damen und Herren, auch die Frage nach der Akzeptanz demokratischer Prinzipien muss an dieser Stelle angesprochen und darf nicht verschwiegen werden. Wirksamstes Element gegen eine drohende Dominanz rechter Positionen in der gesellschaftlichen Debatte ist nicht etwa die Ausgrenzung von Menschen aus Entscheidungsprozessen, sondern deren unmittelbare Einbeziehung. Nicht nur öffentlich gewordene Machenschaften verkrusteter Parteiapparate führen zur Demokratiemüdigkeit, sondern auch die überzeugte Ablehnung von Elementen direkter Demokratie.
Meine Damen und Herren, wenn Anträge auf Volksbegehren wiederum Ablehnung durch die Politik erfahren, nicht nur die formale Ablehnung, sondern auch eine politische, beispielsweise durch den Justizminister des Freistaats Thüringen, der behauptete, dass Volksbegehren mit niedrigeren Quoren die parlamentarische Demokratie gefährden, dann werden die an Zuspruch gewinnen, die mit Slogans "Lass dich nicht zur Sau machen", "den Parteienklüngel ins Visier nehmen" und darauf hinweisen, dass die Interessen der Bürgerinnen und Bürger für etablierte Politik nur noch eine marginale Rolle spielen.
Wir sind auch schon der Meinung, dass es hier zwei Entwicklungsoptionen gibt, die möglich sind: einmal die Variante eines starken Mannes und ein anderes Mal eine radikale Demokratisierung. Über die Verantwortung, die wir in diesem Prozess einnehmen, brauche ich sicherlich hier keine weiteren Ausführungen zu machen.
Meine Damen und Herren, die vorgenommene Beschreibung der Faktoren, die unseres Erachtens mit ursächlich für das sind, was in Gera und in Erfurt sichtbar geworden ist, erhebt weder Anspruch auf Vollständigkeit in der Aufzählung noch in der Argumentation. Sie bietet aber Ansätze für eine notwendig zu führende Diskussion, die vermeiden soll, was der Verfassungsrechtler Ulrich Preuß als politische Konsequenz bisher vorgelegter offizieller politischer Konzepte beschreibt - ich zitiere -, "dass die Abwehr unerwünschter politischer Entwicklungen nicht mehr als Aufgabe der politischen Aktivität des Volkes, sondern gleichsam als eine Verwaltungsaufgabe des Staates konzipiert ist. Staat und Verfassung sind also die politische Lebensversicherung gegen unerwünschte politische Entwicklung, wobei das System aber eine entscheidende offene Flanke hat, es macht nämlich das Volk wehrlos gegen den Staat und die ihn tragenden gesellschaftlichen Kräfte, die definieren, was erwünscht ist und was unerwünscht ist."
Meine Damen und Herren, das eigentliche Problem sind, und das glaube ich dargestellt zu haben, nicht die Aufmärsche, Veranstaltungen und Konzerte selbst, sie sind allerdings ein nicht zu leugnender Indikator für die gesellschaftliche Situation, über die wir heute diskutieren; gefährlich sind vielmehr die Wirkungen, die von ihnen ausgehen, und die zum Teil große gesellschaftliche Akzeptanz, auf die Veranstalter neofaschistischer Veranstaltungen stoßen. Und sich dieser Tatsache zuzuwenden, heißt festzustellen, dass zivilgesellschaftliche Konzepte endlich erarbeitet und umgesetzt werden müssen, die nicht ausschließlich auf staatliche Institutionen abzielen und gesellschaftliches Handeln nicht durch repressive Maßnahmen staatlicher Gewalt ersetzen. Deswegen, meine Damen und Herren, rufe ich Sie auf, sich mit Zivilcourage einem erneuten NPD-Aufmarsch am 1. Mai dieses Jahres in Weimar, von deren Anmeldung wir heute erfuhren, entgegenzustellen, ich rufe Sie auf, sich mit Zivilcourage auch der erneuten Demonstration der IWG am 29. April in Jena entgegenzustellen. Ich bin schon der Auffassung, mit einer breiten gesellschaftlichen Auseinandersetzung auch im Vorfeld dieser Demonstration können wir den Verlauf der Demonstration selbst, aber auch den Verlauf der politischen Auseinandersetzung an dem Tag in Jena und in Weimar anders gestalten, als das am 26. Februar in Erfurt der Fall war.
Frau Vopel, von unserer Fraktion werden noch einige Redner das Wort ergreifen, wenn Sie etwas vermisst haben, dann bitte ich Sie den Ausführungen zuzuhören und Ihre Frage dann am Ende unserer komplexen Diskussionsbeiträge zu stellen.
Meine Damen und Herren, wie Grundlagen für eine dauerhafte kontinuierliche gesellschaftliche Auseinandersetzung, für eine dauerhafte und kontinuierliche zivile gesellschaftliche Auseinandersetzung aussehen können, haben wir im vorliegenden Antrag formuliert und hier im Parlament zur Diskussion gestellt. Ich hoffe sehr, dass sich diese Diskussion auch in den Ausschüssen und mit einer Anhörung von wissenschaftlichen Institutionen und gesellschaftlichen Initiativen fortsetzen wird. Ich beantrage namens meiner Fraktion die Überweisung des Antrags der PDS-Fraktion in Drucksache 3/394 - Gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Rassismus in Thüringen befördern - an die Ausschüsse für Bildung und Medien, Wissenschaft, Forschung und Kunst, Soziales, Familie und Gesundheit und an den Innenausschuss. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Abgeordneten, ich möchte diesen Sachverhalt mal aus einer etwas anderen Perspektive beleuchten als der mehr praktischen Seite der Innenpolitiker. Es regt sich viel Widerspruch in einem, wenn man die Rede von Herrn Dittes hört, ich werde aber gar nicht darauf eingehen.
Der Antrag der PDS-Fraktion nutzt für meine Begriffe in sehr geschickter und populistischer Weise aktuelle politische Geschehnisse, um letztendlich die eigenen radikalen Ziele der Partei des Demokratischen Sozialismus zu verfolgen.
Das rechte Auge des wachsamen Bürgers soll geschärft werden, auf das linke Auge aber wird eine große schwarze Klappe gedeckt. Die Partei ist dabei nicht restaurativ im geschichtlichen Sinne dieses Begriffs; zumindest träumt ihre Führung nicht von einer neuen DDR. Das propagierte Zukunftsprojekt, es wird aber bewusst diffus gehalten, ist auf die Einführung eines Systems mit übermächtigem Staat und einer allmächtigen Partei gerichtet. Die PDS behauptet zwar, der Umwandlungsprozess der Gesellschaft werde demokratisch verlaufen, da er auf die Unterstützung der Mehrheit der Bürger dieses Landes als Vorbedingung aufbaut, die Beispiele aus der Vergangenheit aber lassen Zweifel an der Freiwilligkeit des Verfahrens aufkommen. Man sucht heute den Weg nicht über klassische marxistischleninistische Konzepte, sondern bedient sich der bewussten politischen und sozialen Polarisierung und man bedient sich der Erzeugung und Aufrechterhaltung von Spannungen. Überall, wo ein kleiner Funken von Unzufriedenheit glimmt, bläst man kräftig hinein, um dann ein großes Feuer zu entfachen.
Das Ziel ist die Aushöhlung der repräsentativen Demokratie wie die Destabilisierung des Systems und endlich die Schaffung einer anderen Gesellschaftsordnung.
Ich komme noch zu Zitaten aus Ihrem Programm. Auch wenn die PDS noch weit von diesem Ziel entfernt ist, wäre es Augenwischerei, Erfolge der Partei auf diesem Wege fortzureden. Der Wiedervereinigungsprozess wurde verlangsamt und wird immer wieder erfolgreich von der PDS und ihren Gehilfen gestört. Ein beachtlicher Grundstock von Anhängern und Wählern, auch im Westen bereits, wurde geschaffen und die Akzeptanz der PDS als eine Kraft, die vermeintlich auf dem Boden des Grundgesetzes wurzelt, ist stark gestiegen. Die PDS ist jedoch eine linksextremistische Antisystempartei, die zur Tarnung die Idee einer radikalen Demokratisierung der Gesellschaft missbraucht, Beispiel hat gerade Herr Dittes dafür geliefert in seiner Rede.
Unter dem gebetsmühlenartig immer wieder auch in diesem Antrag verwandten Begriff "Demokratisierung", "demokratisch" versteht die PDS aber hauptsächlich den strategischen Prozess der Umgestaltung des Staatswesens der Bundesrepublik.
denn wir reden über Extremismus und das nach allen Seiten. Ich sehe also, dass die PDS strategisch die Umgestaltung des Staatswesens der Bundesrepublik verfolgt. Dies ist auch nachzulesen in ihrem Programm - ich zitiere: "In der PDS haben Menschen Platz, die die gegebenen Verhältnisse fundamental ablehnen." Dazu nutzt sie hier und anderswo den parlamentarischen Weg, hält aber wieder Zitat aus dem Programm - "den außerparlamentarischen Kampf um gesellschaftliche Veränderung für entscheidend". Verfolgt man die Aktivitäten der PDS-Repräsentanten in Thüringen, merkt man folgendes: Überall, wo Protest vorhanden ist, z.B. in Bürgerinitiativen, stehen die Genossen in vorderster Front. Oder auch Aktionen von Autonomen, von kommunistischen Gruppen, PKK u.ä. werden von der PDS, von ihren Spitzen wie z.B. von Herrn Dittes oder von Herrn Hahnemann in Organisation und Durchführung unterstützt.
In keinster Weise. Sie sind gewünscht, aber ich habe doch vorhin deutlich gemacht, worauf es Ihnen bei der ganzen Angelegenheit ankommt. Sie wollen doch gar nicht die wahren Ziele der Bürger verfolgen.