Protokoll der Sitzung vom 16.03.2000

Es ist vorhin - Moment mal, ich muss hier auch aushalten, da dürfen Sie das auch tun - vereinbart worden, dass abweichend von der Aufstellung der Tagesordnung der folgende Tagesordnungspunkt 9 in der Aprilsitzung behandelt wird. Wird Widerspruch jetzt signalisiert? Das ist nicht der Fall.

Damit komme ich zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 11

Vergütung psychotherapeutischer Leistungen in Thüringen Antrag der Fraktion der PDS - Drucksache 3/410 dazu: Entschließungsantrag der Fraktion der PDS - Drucksache 3/452

Die Landesregierung hat signalisiert, den Sofortbericht dazu zu geben, ich frage die antragstellende Fraktion noch einmal, wird Begründung gewünscht? Nein. Damit können wir den Sofortbericht aufrufen, aber, Herr Minister, wir warten noch, bis sich die Unruhe im Saal gelegt hat.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Vergütung psychotherapeutischer Leistungen in Thüringen

- es ist eigentlich nicht mehr die richtige Zeit jetzt am Abend und vielleicht auch nicht mehr die gebotene Aufmerksamkeit am Abend eines doch voll gestopften Tagesordnungsprogramms, aber ich habe von daher ein etwas weniger schlechtes Gewissen, dass wir diesen Tagesordnungspunkt noch behandeln, weil wir im Rahmen der Mündlichen Anfrage praktisch ja heute schon einmal diesen Tagesordnungspunkt hatten und ich denke, dass ich auch über die Situation und die Perspektive und über das, was ich beabsichtige zu tun, ausführlich berichtet habe. Es ist ja in den letzten Monaten eigentlich kein Plenum vorbeigegangen, in dem dieses nicht ein Thema gewesen ist, und wir haben uns im Ausschuss - weiß Gott - auch fast regelmäßig mit diesem Tagesordnungspunkt befasst. Insofern, meine Damen und Herren, kann ich wohl einen relativ knappen Sofortbericht erstatten, ohne dass damit die Brisanz des Themas etwa abgewertet wird.

Sie wissen, dass ich in den letzten Monaten zahlreiche Gespräche mit der Kassenärztlichen Vereinigung, mit den Kassen, aber auch mit dem Berufsverband der Psychotherapeuten geführt habe und dass ich versucht habe, eine Lösung des Problems zu erreichen. Sie wissen, dass wir im Dezember 1999 hier im Freistaat einen Kompromiss zwischen KV und Kassen ausgehandelt hatten für das vergangene Jahr, für 1999, der eine Nachschusspflicht der Beteiligten beinhaltete, und zwar eine Nachschusspflicht der Vertragsparteien, so wie es auch im Psychotherapeutengesetz formuliert ist, nämlich der Kassen und der Kassenärztlichen Vereinigung. Sie wissen aber auch, dass dieser Kompromiss von dem Verband der Ersatzkassen am letzten Tag vor Ablauf der Erklärungsfrist abgelehnt worden ist. Der Chef des VdAK hier in Thüringen, Herr Domrös, hat mir in vielen Gesprächen versichert, dass er sich sehr, sehr intensiv beim Bundesverband für diesen Kompromiss eingesetzt hat und dass es letzten Endes durch den Bundesverband zu einem Veto gekommen ist gegen den Kompromiss, den wir hier ausgehandelt haben. Ich behaupte, dass dieses Veto eben auch etwas mit der Rechtsauffassung des Bundesgesundheitsministeriums zu tun hatte, wonach nämlich ausgeführt war, dass allein die Kassenärztliche Vereinigung verpflichtet ist, nachzuschießen und den vorläufigen Punktwert oder den Punktwert überhaupt zu halten. Es hat für das erste Halbjahr 1999 einen vorläufigen Punktwert von 6,8 Pfennig bei den Ersatzkassen und 6,6 Pfennig bei den Primärkassen gegeben. Das veranschlagte Psychotherapeutenbudget ist gesetzlich geregelt ich hatte dies heute Mittag hier schon einmal bei der Mündlichen Anfrage ausgeführt - durch Psychotherapeutengesetz in Verbindung mit dem Solidaritätsstärkungsgesetz. Dieses Budget war nach einem halben Jahr so gut wie aufgebraucht. Deswegen hat es ja auch diese Verhandlungen gegeben. Sie wissen, dass diese Verhandlungen nicht zu einem positiven Ende geführt werden konnten, sondern dass lediglich die Primärkassen und die Kassenärztliche Vereinigung diesen Kompromiss weitergetragen haben und jeweils zur Stützung des vorläufigen Punktwertes 1 Mio. DM in das Budget weiterhin eingebracht haben.

Bei diesen Kompromissverhandlungen im Dezember 1999 hatten wir uns auch geeinigt, KV und Kassen, dass der Minister die Schiedsstelle in Thüringen anruft, um eine Regelung, insbesondere auch was die Nachschusspflicht angeht, aber auch was die Stützung des Punktwertes angeht, vom Schiedsamt zu erreichen. Beim Schiedsamt hat es dann die Entscheidung gegeben, dass man sich festgelegt hat, auf den so genannten Interventionswert, das heißt, man hat den Punktwert für das ganze Jahr festgesetzt auf 90 Prozent des ärztlichen therapeutischen Punktwertes. Der ärztliche therapeutische Punktwert liegt bei den Primärkassen bei 5,74 Pfennig. Auch das muss man allerdings wissen und muss es berücksichtigen, denn dieser ärztliche Punktwert liegt auch verdammt niedrig. Ich habe gerade heute wieder Zuschriften von den Hautärzten bekommen, denen es nicht besser geht als den Psychotherapeuten mit dem zugestandenen Budget und mit dem Punktwert.

Inzwischen haben sich der Bewertungsausschuss der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und die Spitzenverbände der Krankenkassen per Beschluss vom 16.02.2000 auf einen bundeseinheitlichen Bewertungsmodus festgelegt und der Ausschuss hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts berücksichtigt und den Gleichheitsgrundsatz adäquat gewürdigt, den Sie, Frau Dr. Fischer, heute Mittag angefragt haben, ob das verfassungskonform sei. Letzteres ist im Sinne einer gerechten Honorarverteilung zwischen allen ambulanten Leistungsträgern unabdingbar den Gleichheitsgrundsatz zu wahren, allerdings ihn adäquat zu wahren. Jeder weiß, dass auch bei den verschiedenen ärztlichen Fachgruppen nicht der gleiche Punktwert angewandt wird. Auch das Bundessozialgericht hat seine Auffassung zur Punktwerthöhe dahin gehend eingeschränkt, also die 10 Pfennig, die vom Bundessozialgericht einmal als angemessen bezeichnet worden sind, gelten so, wie ich es heute Mittag auch gesagt habe, für die Zeit, wo kein Budget festgelegt wird und in den Zeiten, wo das Budget festgelegt wird, hat der Bewertungsausschuss Kassenärtzliche Bundesvereinigung und Spitzenverbände der Krankenkassen einen Bewertungsmodus festzulegen und die Kassenärztliche Vereinigung hat den Mindestpunktwert für die entsprechende Region festgelegt. Das Berechnungsschema des Bewertungsausschusses zielt auf eine angemessene Vergütung für Leistungen der Psychotherapeuten und der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzte. Auf dieser Grundlage ermitteln die Kassenärztlichen Vereinigungen in der gesamten Bundesrepublik, also auch in Thüringen, den Mindestpunktwert. Voraussichtlich wird die Selbstverwaltung im Freistaat Ende dieses Monats den dann für Thüringen gültigen Mindestpunktwert feststellen. Vor dieser Entscheidung, meine Damen und Herren, werde ich keine Stellung zu eventuellen Spekulationen über diesen Punktwert abgeben und abgeben können. Ich kann nicht einmal von der Selbstverwaltung Verantwortung verlangen und Entscheidungen verlangen und auf der anderen Seite mich in Entscheidungen einmischen, die übrigens mir als Aufsichtsbehörde nicht zustehen.

Ich möchte abschließend bemerken, dass sich die Aufsichtspflicht eben meines Ministeriums über die Einhaltung von Recht und Gesetz erstreckt. Insofern, auch dieses muss ich noch einmal sagen, ich kann auch nicht einfach den Schiedsstellenspruch zurückweisen, weil mir der Punktwert des Schiedsstellenspruches vielleicht nicht ausreichend ist, sondern ich kann diesen Schiedsstellenspruch nur zurückweisen, wenn es rechtliche Angriffspunkte gibt. Da hat nun einmal auch ein Minister seine Grenzen.

Meine Damen und Herren, mein Ministerium - ich glaube, das kann ich mit Fug und Recht behaupten - kommt in vollem Umfang seiner Pflicht zur Rechtsaufsicht nach. Ich darf auf der anderen Seite sagen, dass ich über diese Rechtsaufsichtspflicht durchaus hinausgegangen bin, indem ich auch versucht habe, fachlich einzugreifen, wirtschaftlich einzugreifen, zu versuchen, einen entsprechenden Punktwert zu erreichen. Ich habe über diese Rechtsaufsicht hinaus alle gesundheitspolitischen Wirkungsmöglichkeiten ausgenutzt und ausgeschöpft und werde sie auch in Zukunft ausschöpfen, um die Gesundheitsversorgung unserer Mitbürger und die Situation auch der im Gesundheitswesen Tätigen - beides müssen wir sehen - zu verbessern. Danke sehr.

(Beifall bei der CDU)

Wir kommen zur Aussprache im Berichtsersuchen. Als erste Rednerin hat sich zu Wort gemeldet, Frau Arenhövel, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, zunächst möchte ich die Psychotherapeuten, die hier an dieser Sitzung des Landtags teilnehmen, recht herzlich begrüßen. Ich freue mich, dass Sie gekommen sind und,

(Beifall bei der CDU, SPD)

ich denke, es besteht gar kein Zweifel darüber, dass wir Ihre Arbeit und Ihre Aufgaben entsprechend wertschätzen und dass wir der Meinung sind, dass Ihre Leistungen, die Sie gegenüber Ihren Patienten erbringen, genauso vergütet werden, wie andere medizinische Leistungen auch. Ich muss sagen, ich möchte sehr herzlich Herrn Minister Dr. Pietzsch für seinen Einsatz bezüglich Ihrer Probleme danken, denn ich glaube, es hat kaum einen anderen Sozialminister eines Landes gegeben, der sich so für ihre Belange eingesetzt hat.

(Beifall bei der CDU)

Leider muss ich auch hinzufügen, und Herr Minister Dr. Pietzsch hat das ja ausgeführt, dass das Land im Wesentlichen mit der Rechtsaufsicht beteiligt ist nach dem Sozialgesetzbuch V. Das heißt, wir können sie nur in dieser Funk

tion unterstützen bzw. moderierend eingreifen, indem wir die Vertragsparteien an einen Tisch bringen und versuchen die verhärteten Fronten etwas aufzuweichen. Mehr ist uns leider nicht möglich. Wir können weder mehr Geld beschaffen, noch können wir andere Dinge für Sie tun. Ich denke, es ist auch außer Frage, wenn wir eine Bundesratsinitiative, so wie von der PDS hier vorgeschlagen, eingebracht hätten, hätten sich alle zurückgelehnt und hätten uns hier machen lassen. Es hätte lange gedauert und nichts bewirkt. Ich weigere mich auch, meine Damen und Herren, wenn die Bundesregierung das Psychotherapeutengesetz willkürlich auslegt, dann bin ich nicht bereit dazu, dieses Gesetz zu ändern, um der Bundesregierung dann noch Recht zu geben, sondern alle Länder sagen, dieses Gesetz wird von der Bundesregierung falsch ausgelegt. Ich würde Sie bitten, meine Damen und Herren, auch die Psychotherapeuten, richten Sie Ihren Protest dorthin, wo er hin muss, nämlich nach Berlin. Fordern Sie die Frau Gesundheitsministerin, Frau Dr. Fischer, auf, endlich hier zu handeln und Ihrer Not ein Ende zu bereiten, aber ich füge auch hinzu, es wird auch anderen Ärzten, Schwestern und Therapeuten schlechter gehen, weil die engen Budgets, die die Gesundheitsreform nun einmal vorschreibt, jetzt zur Wirkung kommen werden. Ich denke, wir werden hier noch ganz große Probleme bekommen, aber wir stehen natürlich zu denen, die im Gesundheitswesen arbeiten, und möchten ihnen danken, dass sie trotz der Probleme solch großen Einsatz zeigen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte noch für das Protokoll feststellen, dass die PDS-Fraktion gemäß § 106 Abs. 1 GO die Aussprache zum Berichtsersuchen beantragt hat. Als nächste Rednerin hat sich zu Wort gemeldet Frau Abgeordnete Dr. Fischer, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Minister, ich gebe Ihnen Recht, dass es eigentlich jetzt möglicherweise die falsche Zeit ist, aber es ist eigentlich für dieses Thema nie die falsche Zeit, es anzusprechen. Ich bin auch immer noch sehr bedrückt von der letzten Diskussion, das gebe ich zu. Manchmal bin ich auch ganz unsicher, ob ich eigentlich überhaupt das Recht habe, dass man mir eigentlich von der CDU abspricht, hier überhaupt einen Antrag einzubringen. Ich bin da doch sehr bedrückt. Aber, Herr Minister, ich weiß es wohl zu schätzen, dass Sie noch hier sind, denn ich weiß, dass Sie einen anderen Termin haben, und damit natürlich auch signalisieren und natürlich auch getan haben, was Sie konnten. Ich sehe natürlich noch ein paar andere Möglichkeiten und die möchte ich auch hier vorstellen. Frau Arenhövel, ich möchte Ihnen hier wirklich sagen, ich halte sehr viel vom Föderalismus. Und wissen Sie warum? Weil ich meine, dass man gerade im Vorfeld von politischen Entscheidun

gen, auch im Vorfeld des Psychotherapeutengesetzes einschreiten muss, auch vom Land her. Ich kann nicht nur mit dem Hinweis auf Berlin mich aus der Sache politisch heraushalten. Es ist auch nicht nur eine rechtliche Seite; wir haben auch politische Möglichkeiten.

(Beifall bei der PDS)

Herr Minister, ich gebe Ihnen durchaus Recht, wenn Sie sagen, die Bundessozialgerichtsurteile, die beziehen sich auf eine Zeit, wo noch kein Budget existiert hat. Das wissen wir natürlich auch. Ich sehe natürlich auch indirekt eine Aufforderung an die Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, zu klagen. Ich denke, das sollte man wirklich tun an dieser Stelle. Es gibt da noch mehr Probleme. Es gibt unterschiedliche Rechtskreise und so weiter und so fort. Die Probleme sind uns wohl bekannt. Aber, wie gesagt, wir sehen die Sache an verschiedenen Stellen mit den Möglichkeiten auch noch ein bisschen anders, deswegen werden wir auch nicht nachgeben. Das sage ich an dieser Stelle auch.

(Beifall bei der PDS)

Herr Minister, ich habe in einer Mündlichen Anfrage mit einer Aussage von Ihnen angefangen, die ich hier wiederholen möchte. In einer Grußadresse vom 19.11.1999 haben Sie, Herr Minister, an die Vollversammlung der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten Thüringens versprochen und ich zitiere: "Dennoch will ich Ihnen auf diesem Weg versichern, dass ich jede Möglichkeit nutzen werde, die derzeitigen Zustände in Ihrem Sinne zu lösen. Ohne eine Aufstockung des auf der unrealistischen Basis 1996 festgesetzten Budgets kann es meines Erachtens keine Lösung geben." Die in Zusammenarbeit mit der Vereinigung der Kassenpsychotherapeuten Deutschlands, insbesondere der Landesvertretung Thüringen, eingebrachte Bundesratsinitiative der PDS, die von der SPD hier ja bekanntlich unterstützt wurde, hat die CDU - hier im Thüringer Landtag wurde sie unterstützt, das wissen Sie doch in der letzten Sitzung abgelehnt. Inzwischen gibt es einen Antrag der PDS im Bundestag, mir ist signalisiert worden, auch von der F.D.P. Vielleicht zieht ja die CDU nach, um das Gesetz nachträglich zu ändern. Das wäre gut.

(Beifall Abg. Heß, SPD)

Also, verschiedene Möglichkeiten wurden schon einmal nicht genutzt, das, obwohl Sie, Herr Minister, kurz vorher selbst über Ihre Initiative nachdachten. Ich denke, es gibt auch noch andere Möglichkeiten von Bundesratsinitiativen und darauf werde ich in unserem Beitrag natürlich auch eingehen. Der Minister hält den Weg der Verhandlungen mit der Kassenärztlichen Vereinigung und Krankenkassen für erfolgversprechender. Wir hätten gedacht, man sollte das eine tun und das andere auf gar keinen Fall lassen.

(Beifall bei der PDS)

Seit dem 19.11.1999, Frau Arenhövel, sind vier Monate ins Land gegangen. An der prekären Situation der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und vor allem auch ihrer Patientinnen und Patienten hat sich nur nichts geändert, sondern - und das werden sie Ihnen bestätigen - sie hat sich verschärft. Noch immer erreichen uns zahlreiche Briefe von Patienten, die um unsere Hilfe als Politikerinnen und Politiker Thüringens bitten. Ich denke, wir sollten da sehr, sehr kreativ sein. Recht ist eine Seite. Ich denke, Recht ist nichts Statisches, Recht ist immer etwas Dynamisches. Wenn der politische Wille vorhanden sein wird oder könnte, dann könnte auch viel passieren. Inzwischen gibt es ja auch eine Entscheidung der Schiedsstelle, die Sie selbst, Herr Minister, anfänglich für katastrophal hielten; wir übrigens auch, Herr Minister. Heute haben Sie das bei einer Mündlichen Anfrage relativiert. Da uns aber als Opposition bisher keine Möglichkeit gegeben war, die Begründung einzusehen, kann ich mich dazu im Moment nicht äußern. Ich denke, das muss man abwarten. Wie gesagt, ich verweise u.a. auch an dieser Stelle auf andere Möglichkeiten, um die Situation zu verbessern. Die müssen parallel versucht werden, Frau Arenhövel, wirklich parallel. Dazu bedarf es eben vor allen Dingen der Wahrnehmung verschiedener Sachen und möglichst länderübergreifend. Sie wissen wie ich, Herr Minister, dass das nicht nur ein Thüringer Problem ist, da sind wir uns alle einig. Ich erinnere zum Beispiel an Streiks in Sachsen-Anhalt, in Hessen und in Hamburg und übrigens alle bisher ohne Erfolg. Man muss ja von außen sagen, die reden, die reden, die reden, tun tut sich nichts an der Stelle. Möglicherweise geht es aber nicht nur um die Psychotherapeuten, da gebe ich dem Minister auch Recht. Die Bundessozialgerichtsurteile könnten Modellfunktion auch für alle anderen Arztgruppen bekommen. Die Probleme der Psychotherapeuten sollen aus unserer Sicht die Ärzteschaft nicht spalten, sondern zusammenführen.

(Beifall bei der PDS)

Die Situation für die gesamte Ärzteschaft ist ernst und es wäre wichtig gegenüber allen Verantwortlichen, im Interesse der Patientinnen und Patienten zusammenzustehen. Selbst wenn die Situation anderer Ärztegruppen im Moment nicht so deutlich wahrgenommen wird in der Öffentlichkeit, ist doch der Niedergang der Psychotherapie mit dem Niedergang der Ärzteschaft eng verbunden. Natürlich weiß die PDS, was es bedeutet, wenn ein Allgemeinmediziner 60.000 DM im Quartal brutto verdient. Medienmäßig mag das sehr gut klingen und schürt den sozialen Neid. Eine allgemeinmedizinische Praxis mit zwei Schwestern ist allerdings damit kaum zu halten, geschweige denn kann man damit außerdem noch eine Familie ernähren. Das sage ich an der Stelle auch ganz deutlich. Auch deshalb heute ein erneuter Antrag und weitere Vorschläge, die aus Sicht der PDS-Fraktion überprüft und diskutiert werden sollen. Das Bundessozialgericht hat mit seinen Urteilen vom 20.01.1999, vom 25.08.1999 und vom 26.01.2000 an seiner Rechtsprechung prinzipiell festgehalten, dass Psychotherapeuten unter bestimmten Vo

raussetzungen einen Anspruch auf Stützung des Punktwertes für die zeitabhängigen und genehmigungsbedürftigen Leistungen haben. Mit Zeitabhängigkeit oder Zeitgebundenheit ist die Zeit gemeint, die ein Psychotherapeut pro Patient aufwendet; 50 Minuten, wie wir alle wissen. Die Genehmigungsbedürftigkeit bezieht sich auf die Kostenübernahme durch die Kassen.

Frau Abgeordnete, einen kleinen Moment mal bitte. Es ist hier eigentlich mehr oder weniger ein Privatgespräch zwischen jedem und jedermann im Hause zu verzeichnen, das stört sehr.

Na gut, das ist ja auch ein...

Moment mal bitte. Ich bitte darum, dass auf der Zuschauertribüne nur zugehört und von Beifallsbekundungen abgesehen wird.

Übrigens, meine Damen und Herren, anders als bei der Ärzteschaft müssen psychotherapeutische Behandlungen durch ein aufwendiges Verfahren vorher beantragt und durch ein ärztliches Gutachten befürwortet werden. Erst dann sichern die Kassen den Patienten die Finanzierung der Behandlung persönlich zu. Eine Zusicherung übrigens, auf die sich Patienten und Therapeuten unbedingt verlassen können müssen, sich aber ganz offensichtlich nicht verlassen können. Noch eines, Herr Minister, zu den rechtlichen Möglichkeiten, die sind natürlich begrenzt, und Sie können sich sicher vorstellen, dass wir anhand dieses Antrags noch sehr viel mehr Hintergründe kennen. Aber, Herr Minister, wir haben auch politische Möglichkeiten, um Signale zu setzen. Das sollten wir tun.

(Beifall Abg. Nitzpon, PDS)

Also kein Verstecken hinter rechtlichen Argumenten. Deshalb haben wir auch versucht in der Begründung zu unserem Antrag das Unstreitige in vereinfachter Form zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die Benachteiligung der Psychotherapeuten durch die zuständigen Gremien zu beseitigen und - um noch etwas dazu zu sagen - die auf die zurückliegende Honorarverteilung bezogene BSG-Rechtsprechung gilt grundsätzlich und erst recht für die Zukunft. Hinzu kommt eine Änderung des § 85 Abs. 4 SGB V durch die Gesundheitsreform 2000. Ich zitiere: "Im Verteilungsmaßstab sind Regelungen zur Vergütung der Leistungen der Psychotherapeuten und der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte zu treffen, die eine angemessene Vergütung, angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten."

Also auch daran wird sich bei neuen Entscheidungen zu halten sein.

Meine Damen und Herren, es geht hier nicht nur um die Existenz eines ganzen Berufsstandes, nein, es geht vor allen Dingen auch um Patienten. Und wenn wir die Extremismusdebatte hier heute gehört haben, es gibt doch Zusammenhänge in der Diskussion. Wer es nicht versteht, der muss sich eben raushalten, das kann ich dann nicht mehr ändern. Vor Ihren und unseren Augen wird vor allen Dingen ein sehr unschöner Verteilungskampf ausgetragen. In der Ärztezeitung war zu lesen, was heute der Minister eigentlich negiert hat oder nicht bestätigt hat, mit den Bundessozialgerichtsurteilen habe sich das Schiedsamt in Thüringen gar nicht befasst. Das stand drin in der Ärztezeitung. Auch das war ein Anlass, uns natürlich noch einmal intensiv damit zu befassen. Und der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringens zeigte sich ebenfalls sehr enttäuscht - ich zitiere: "Das aus dem Schiedsspruch resultierende Finanzvolumen bedeutet für viele bereits angeschlagene Praxen, dass sie schließen müssen und Patienten nicht mehr behandeln können." So sein Kommentar. Der Schiedsamtsvorsitzende von Schulenburg hat den Spruch damit erklärt, dass es sich um ein schlechtes Gesetz handelt. Hinter dem Spruch stehe eigentlich niemand, deshalb müsse der Gesetzgeber aufgefordert werden, die Rahmenbedingungen nachzubessern, und dazu können wir auch beitragen, meine Damen und Herren.

Meine Frage ist: Warum ist eigentlich noch nichts passiert in der Hinsicht? Hier muss ich einfach sagen, ein Appell an alle meine Kollegen, vor allem an meine Kollegen von der SPD, Einfluss auf ihre Bundestagsfraktion an der Stelle zu nehmen. Ich weiß, wie schwer das ist, aber man sollte es zumindest versuchen an dieser Stelle. Denn im Ergebnis einer Beratung der SPD-Arbeitsgruppe Gesundheit wurde festgestellt - ich zitiere: "Der psychotherapeutischen Versorgung droht auf breiter Front der Kollaps; weite Landstriche können zum psychotherapeutischen Brachland werden; der anhaltende Punktwertverfall muss deshalb umgehend gestoppt und kompensiert werden; die Töpfe für die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen müssen mit frischem Geld gefüllt werden." Ja, meine Damen und Herren, das sehen wir auch so, aber möglichst bitte nicht zulasten anderer Ärztegruppen und deswegen sage ich auch ein paar Dinge dazu, Herr Minister. Herr Minister, wir sind auch der Meinung, dass im Bundesrat zur Sprache gebracht werden muss, dass erstens z.B. der Mehrbedarf der Psychotherapeuten im Jahr 2000 außerhalb der Gesamtvergütung durch die Kassen gedeckt werden muss, die die Therapien, wie beschrieben, ja auch genehmigen. Und zweitens, die Mehrvergütung der Hausärzte darf auch nicht zu einer Minderung des Punktwertes bei der Vergütung der fachärztlichen Leistung führen, und soweit das doch der Fall ist, ist die Budgetübergrenze über den Faktor 1,43 Prozent hinaus entsprechend zu erhöhen. Sonst droht auch den Fachärzten zukünftig das Aus und die Berufsgruppen innerhalb der Kassenärztlichen Vereinigung

werden fein säuberlich auseinander dividiert und das kann in keinem Interesse sein. Darüber können Sie auch ganz unbesorgt mit Mecklenburg-Vorpommern reden, denn, ich denke, da wird es Zustimmung geben an dieser Stelle. Mit unserem Antrag wollten wir wissen, Herr Minister, was Sie meinen, wenn Sie sagen, wir brauchen eine Lösung, die die besondere Situation der neuen Bundesländer berücksichtigt, und wir brauchen eine Lösung, die möglichst schnell passiert. Denn wenn wir noch lange warten, braucht, glaube ich, nicht mehr allzu viel passieren. Ich schließe an dieser Stelle mit einem Zitat aus einer Presseerklärung der Kassenärztlichen Vereinigung - im Übrigen vom 18.10.1999, wir wissen auch, wie viel Zeit da vergangen ist: "Besonders bedauerlich ist, dass die Krankenkassen eine Entscheidung des Bundessozialgerichts ignorieren, die dem Psychotherapeuten zugesteht, pro Behandlungsstunde 145 DM beanspruchen zu können. Die Kassenärztliche Selbstverwaltung hofft, dass das Thüringer Sozialministerium als Aufsichtsbehörde der Krankenkassen oder der Gesetzgeber selbst eingreifen, um das Aus für die Psychotherapie und die Psychotherapeuten zu verhindern." Meine Damen und Herren, wenn das geschafft ist und die Kassenärztliche Vereinigung auch noch mitspielt und sich ihrer Verantwortung nicht entzieht, sind wir ganz bestimmt der Lösung des Problems ziemlich nahe.

(Beifall bei der PDS)

Als nächste Rednerin hat sich zu Wort gemeldet die Abgeordnete Heß, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, durch Frau Fischer ist eigentlich schon alles gesagt, dem kann man kaum noch etwas hinzufügen und ich gestehe, dass ich als relativ unerfahrene Abgeordnete nach der teilweise beschämenden Debatte des vergangenen Tagesordnungspunkts schon noch etwas geplättet bin. Dem Antrag der PDS-Fraktion zur Vergütung psychotherapeutischer Leistungen kann man ohne Wenn und Aber zustimmen, obwohl ich die Auffassung vertrete, dass in diesem Hause doch inzwischen fast jeder die Situation der Psychotherapeuten kennt bzw. kennen sollte.

(Beifall bei der PDS)

Seit Beginn der Legislatur beschäftigen sich die Gesundheitspolitiker des Thüringer Landtags mit der Problematik. Inzwischen haben unzählige Gesprächsrunden stattgefunden, Betroffene und Politikerinnen und Politiker aller Parteien bemühten sich um Lösungswege - leider bisher ohne Erfolg. Hauptursache dafür ist, dass sich die Positionen der Vertragsparteien noch weiter verhärtet haben. Die Ärztelobby und die sture Haltung des VdAK erwecken den Eindruck, für eine vertragliche und verträgliche Lösung nicht bereit zu sein. Bleibt uns als Parla

mentarier, mit allem Nachdruck die zuständigen Rechtsaufsichten aufzufordern, sich weiter um eine einvernehmliche Lösung zu bemühen. Das sind wir dem Berufsstand der Psychotherapeuten, das sind wir vor allem aber auch den betroffenen Patienten schuldig,

(Beifall Abg. Becker, SPD)