Protokoll der Sitzung vom 18.05.2000

Vielen Dank. Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Abgeordneter Döring, ich denke, wir wollen einmal wieder auf die sachlichen Grundlagen zurückkommen. Seit 1992 wohlgemerkt 1992 - ist das Kurssystem in der gymnasialen Oberstufe ein wichtiger Bestandteil des neuen Thüringer Bildungssystems.

(Beifall Abg. Zitzmann, CDU)

Bei seiner Einführung wurden die Erfahrungen anderer Bundesländer berücksichtigt und in stringenter Form umgesetzt. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen, aber auch Diskussionen oder kritischer Fragen zur reformierten Oberstufe in den alten Bundesländern wurde die Chance genutzt, einen neuen Ansatz zu finden, der einerseits die Vorgaben der KMK-Vereinbarung von 1972 - dann erneuert und weiterentwickelt 1988 - berücksichtigte, andererseits Schwachpunkte aus den Oberstufenmodellen der alten Länder vermeidet. Dazu gehört z.B. die Festlegung, dass durch die Einführung von Stammkursen, in denen über zehn Wochenstunden eine stabile Lerngruppe in Deutsch und Mathematik als Grund- und Leistungsfach unterrichtet wird, eine Art Klassenverband in der Kursphase sichergestellt wird. Zur Stärkung der Allgemeinbildung wurden für Thüringen relativ strenge Vorgaben für die Wahl der Fächer gemacht. Diese Vorgaben wurden teilweise dann mit der Änderung der KMK-Vereinbarung von 1997 bundesweit einheitlich "nachgeregelt", wenn ich das so sagen darf. Dazu gehört etwa, dass in

Thüringen die Fächer Deutsch, Mathematik und fortgeführte Fremdsprache schon immer in der Kursphase durchgängig belegt werden müssen. Die Änderung der Oberstufenvereinbarung vom 28. Februar 1997 brachte im Wesentlichen die dauerhafte Anerkennung des Thüringer Abiturs nach 12 Schuljahren sowie die Möglichkeit der besonderen Lernleistung als Teil der Abiturprüfungsqualifikation. Diese wird in Thüringen, wie bekannt, in der Form der verpflichtenden Seminarfachleistung ausgestaltet und ist seit Beginn des laufenden Schuljahres flächendeckend eingeführt. Bei den Versuchsschulen, die das Seminarfach seit dem Schuljahr 1997/98 erproben, zeigt sich, dass hiervon eine weitere Verbesserung der Studierfähigkeit zu erwarten ist, vor allem mit Blick auf selbständiges projektorientiertes Arbeiten der Schüler in einer Arbeitsgruppe. Thüringen ist im Übrigen bisher das einzige Bundesland, das die besondere Lernleistung für alle Schüler verpflichtend eingeführt hat.

Meine Damen und Herren, mit der letzten Änderung der Oberstufenvereinbarung durch die KMK am 22. Oktober des vergangenen Jahres wurde die Möglichkeit von fünf Prüfungskomponenten in der Abiturprüfung eröffnet. Mit den bisherigen vier Abiturprüfungsfächern und der verpflichtend zu erbringenden, aber nach Wahl des Schülers in die Prüfungsqualifikation eingebrachten Seminarfachleistungen verfügt Thüringen bereits seit der fünften Änderung der Thüringer Schulordnung zum Schuljahresbeginn 1999/2000 sozusagen über viereinhalb Prüfungsfächer. Das Thüringer Kurssystem hat sich bewährt und einen hohen Anteil am Qualitätsstandard des Thüringer Abiturs, das bundesweit akzeptiert ist. Verpflichtend zu belegen sind die Fächer Deutsch, Mathematik und Geschichte, eine fortgeführte Fremdsprache und ein naturwissenschaftliches Fach, dazu Sport, Religionslehre und Ethik sowie Musik und Kunsterziehung. Zum speziellen Thüringer Anforderungsniveau gehört weiterhin, dass neben Grundkursen in den gesellschaftswissenschaftlichen, den musischen Fächern, in Sport und Religionslehre oder Ethik mit zwei Wochenstunden Grundkurse in den übrigen Fächern wie Fremdsprachen, Naturwissenschaften und Informatik mit drei Wochenstunden, in Deutsch und Mathematik jedoch generell mit vier Stunden zu belegen sind, sofern diese Fächer nicht Leistungsfächer mit sechs Wochenstunden sind. Der Bericht der unabhängigen Expertenkommission zur gymnasialen Oberstufe vom Oktober 1995 hat die Eckpunkte der Oberstufenvereinbarung des gegenwärtig praktizierten Kurssystems grundsätzlich als bewährt eingeschätzt. Das Kreditsystem, der Unterricht in Grund- und Leistungskursen, die Prüfungsmodalitäten sowie Abiturprüfungsanforderungen sind durch KMKVereinbarungen zum Teil sehr detailliert bundeseinheitlich geregelt. Die Vereinbarungen können nur einstimmig geändert werden.

Meine Damen und Herren, die Thüringer Oberstufe wird in bewährter Form einschließlich dem mit diesem Schuljahr eingeführten Seminarfach weitergeführt. Eine Abschaffung des Kurssystems ist also nicht vorgesehen. Än

derungen aufgrund der KMK-Oberstufenvereinbarung in der Fassung vom 27. Februar 1997 wurden bei uns mit der Änderung der Thüringer Schulordnung vom 17. August 1999 umgesetzt. Dies betrifft vor allem das verbindlich als besondere Lernleistung von jedem Schüler zu belegende Seminarfach sowie die erhöhten Anforderungen an die Gesamtqualifikation, d.h. konkret, Deutsch, Mathematik und Fremdsprachen müssen in Zukunft in jedem Fall - nicht nur wie bisher - durchgängig belegt werden, sondern auch vollständig in die Qualifikation eingebracht werden. Damit wird die Allgemeinbildung weiter verstärkt und die Vorbereitung auf wissenschaftliches Arbeiten an der Hochschule verbessert. Alle Rahmenvorgaben wurden und werden im Konsens der Länder erarbeitet und gewährleisten die gegenseitige Anerkennung des Abiturs als allgemeine Hochschulzugangsberechtigung. Auch die weitere Entwicklung des Modells soll im Konsens erfolgen. Derzeit wird von Thüringen z.B. angestrebt, eine Überarbeitung der einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung zunächst ist in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik zu vereinbaren. Handlungsbedarf für Thüringen ergibt sich insbesondere aus der Umsetzung der seit diesem Schuljahr gültigen neuen Thüringer Lehrpläne. Mit dem ersten Durchlauf dieser Lehrpläne bis zum Abitur 2002 ergeben sich Folgen, z.B. für die Abiturprüfungsaufgaben, die sich viel stärker als bisher gewohnt an Kompetenzen orientieren sollen und müssen. Deshalb wird es im Herbst dieses Jahres Orientierungsaufgaben als Vorbereitung geben.

Schließlich eine abschließende Bemerkung: Missverständliche Berichte in verschiedenen Presseveröffentlichungen zur Haltung der Thüringer Landesregierung sind inzwischen, wie Sie, Herr Döring, auch schon festgestellt haben, richtig gestellt. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Mit den Redemeldungen ist die Aussprache zum Sofortbericht beantragt worden. Ich rufe als Rednerin auf Frau Abgeordnete Dr. Stangner, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, die SPD-Fraktion hat einen Antrag vorgelegt, in dem sie von der Landesregierung eine grundsätzliche Klarstellung der Position zum Abitur in Thüringen verlangt. Auch an dieser Stelle treten Defizite und Widersprüche in der Politik der Landesregierung zu Tage. Es sind tiefer gehende und vielschichtige Probleme, die hier deutlich werden. Der Anlass für den SPD-Antrag ist bekannt. Es sind die unterschiedlichen Presseerklärungen, Herr Döring hat auch noch einmal darauf hingewiesen, ebenso ja auch Herr Minister, in denen u.a. auch vom Tod der Kreativität durch das Kurssystem die Rede war. Ich

will darauf nicht weiter zu sprechen kommen, will aber schon feststellen, dass bis zur heutigen Erklärung durch den Kultusminister und seine Klarstellung zumindest öffentlich Schweigen im Walde zu diesem Hin und Her in der Presse festzustellen war. Was sich hinter den Kulissen in der Zwischenzeit abgespielt hat, dazu kann man nur Vermutungen anstellen, auf Spekulationen möchte ich mich aber nicht einlassen.

Trotzdem entbehrt ja die Angelegenheit nicht einer gewissen Pikanterie. Vielleicht sollte die Landesregierung ihre Kabinettssitzungen öffentlich abhalten, damit Interessierte und von Politik Betroffene wenigstens auf dem Laufenden sind, was nun gültige Meinung ist oder sein wird. Damit keine Missverständnisse in diesem Hause aufkommen: Überprüfen von Positionen, kritisches Hinterfragen von Standpunkten, Nachdenken über Veränderungen, Entwickeln neuer Positionen, dies alles, auch deutlich für die Öffentlichkeit und mit Betroffenen gemeinsam, ist ja etwas äußerst Positives für Fortentwicklung, aber das kann ich dann nun auch wieder nicht feststellen.

Meine Damen und Herren, fast ist man versucht, dieses Hin und Her in der Landesregierung mit einem Lachen abzutun und es als vergnügungssteuerpflichtig einzuordnen, wenn da nicht ein schlechter Beigeschmack wäre, denn es geht hier um die Belange von Schülerinnen und Schülern, also um die Generation, die unsere Zukunft darstellt. Und es geht um die Belange von Eltern, um die Belange der Menschen in unserem Land. Mit dem Hin und Her verunsichern Sie gleichermaßen vor allem Schülerinnen und Schüler, Mütter und Väter, Lehrerinnen und Lehrer. Verunsicherung der Thüringerinnen und Thüringer aber, das ist etwas, was Sie, meine Damen und Herren von der CDU, der Opposition wohl doch immer dann vorwerfen, wenn es an Sachargumenten mangelt, um der Kritik der Opposition begegnen zu können. Da habe ich von Herrn Dr. Pidde ja gestern ähnliche Töne gehört und ich versichere Ihnen, wir haben das nicht abgesprochen.

Noch eine Bemerkung zur Verlässlichkeit von Aussagen in diesem Zusammenhang: Da machen Thüringer und Thüringerinnen offensichtlich so ihre Erfahrungen, auch da gab es gestern ein aktuelles Beispiel, nämlich das ganze Hickhack um die Fachhochschule Ostthüringen. Ich bin noch nicht so lange in diesem Parlament, wie Sie wissen, aber mir ist schon bekannt, dass alle Parteien übereinstimmend erklärt haben, diese Fachhochschule in diesem Gebiet fördern zu wollen. Die Landesregierung hat sich dazu zu einem Zeitpunkt in der Regierungserklärung geäußert, als sehr wohl die Bedenken von außen auch schon bekannt waren. Es gab die Bedenken schon im Zusammenhang mit der Zustimmung zur Fachhochschule Nordhausen und es gab Bedenken aus dem Gremium, dem Prof. Glockner von der Fachhochschule Wiesbaden vorstand, dass eine Empfehlung erarbeiten sollte. Trotzdem sind mit der Regierungserklärung Hoffnungen

gefördert worden, die jetzt in Frage gestellt werden. Das hat für mich nichts mit Verlässlichkeit zu tun.

(Beifall bei der PDS)

Wie ist nun der Vorstoß der Wissenschaftsministerin einzuordnen? Es ist gewiss kein Zufall, dass der Vorschlag zum gleichen Zeitpunkt erfolgte wie in der bundesdeutschen Debatte der Mangel an IT-Kräften beklagt wird. Eine ähnliche Debatte ist gegenwärtig auch über eine andere Berufsgruppe im Gange, wobei bezüglich der Ingenieure vor nicht allzu langer Zeit noch von einem Überfluss gesprochen und vehement die Drosselung der Ausbildung verlangt wurde. Das dabei zu Tage tretende Dilemma lässt die Probleme der deutschen Bildungspolitik doch sehr deutlich werden.

Meine Damen und Herren, Bildung ist die einzige echte Zukunftsressource. Sie wird unter dem Aspekt des lebenslangen Lernens der wichtigste Faktor für die Entwicklung aller Bereiche in unserer Gesellschaft sein. Wenn diese Erkenntnis da ist, und davon gehe ich eigentlich aus, dann aber muss man die Umsetzung auch ernst nehmen, kann sie nicht nur in Überschriften abhandeln und sie nicht zur persönlichen Profilierung nutzen. Hektische Aktionen werden auch kaum etwas ändern.

Auch wenn Sie, Herr Minister, darauf hingewiesen haben, dass sich das Kurssystem grundsätzlich bewährt hat, und ich habe auch aufmerksam und sehr wohl Ihre Hinweise zu den Veränderungen und zu den neuen Lehrplänen vernommen, bin ich trotzdem der Meinung, dass wir uns grundsätzlich über eine neue Herangehensweise an Bildung verständigen sollten. Das sind wir unseren Kindern und Jugendlichen, aber auch der Gesellschaft insgesamt schuldig, die sich auf den Weg in die Wissensgesellschaft begeben hat. Für diese neue Herangehensweise benötigen wir, und da greife ich noch einmal eine meiner Bemerkungen von vorhin auf, sachbezogene gründliche Analysen und eine breite öffentliche Diskussion. Das heißt, unser gesamtes Bildungssystem, eingeschlossen die Schule, die Hochschule und auch die Weiterbildungseinrichtungen, ist permanent einer kritischen vorurteilsfreien Prüfung, die auch durch die Öffentlichkeit wahrnehmbar und an der sie beteiligt wird, zu unterziehen. Einen sensiblen Umgang mit dem Bildungsbereich setze ich voraus und schließe ihn in einen solchen Reformprozess ein. In diesem Zusammenhang sehe ich es auch als notwendig an, über die Fragen des Abiturs zu diskutieren. Als mögliche Stichworte für eine solche Diskussion nenne ich hier exemplarisch - und ich betone, ich erhebe da keinen Anspruch auf repräsentative Aussagen oder ich möchte auch nicht die absolute Wahrheit für mich pachten -, das Angebot und die Nachfrage nach Leistungskursen, das Verhältnis von Allgemeinbildung und Spezialisierung, die Kompetenzentwicklung in den Vorgängerbereichen - da fange ich auch schon im Grundschulbereich an mit meinen Überlegungen -, das Funktionieren der Übergänge zwischen den Schularten und

Schulstufen. Ich will diese Reihe der Anregungen nicht fortsetzen, will aber noch bemerken, dass sie nicht meiner Phantasie entspringen, sondern Ergebnisse der Begegnungen mit der Praxis sind. Es sind nicht nur Strukturfragen, es sind auch Qualitätsfragen.

Ich möchte an Sie alle appellieren, gemeinsam Probleme, die wir sehen, zu diskutieren und nach Lösungen zu suchen. Notwendige Veränderungen, Verbesserungen herbeizuführen statt Parteienstreit, sollte unser aller Anliegen sein. Meine Fraktion ist zu einer sachorientierten Debatte bereit. Deshalb beantrage ich auch namens meiner Fraktion die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Bildung und Medien. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Ich rufe als nächsten Redner auf den Abgeordneten Emde, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete, Herr Döring, es ist gut, dass wir auf den Krapp gekommen sind und nicht auf den Döring gefallen sind.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD:...reingefallen.)

Der Weg zum Abitur in Thüringen, der ist ja nun bundesweit anerkannt. Das heißt auch, dass die Abiturienten und Abiturientinnen mit gut anerkannten Abschlüssen und Voraussetzungen die Hochschulen und Universitäten in ganz Deutschland und natürlich auch darüber hinaus besuchen. Deutschlandweit gibt es sicherlich gewisse Defizite beim Abitur und ich denke, genau die waren Gegenstand der Äußerungen von Frau Schipanski. In Thüringen, sage ich, sieht das anders aus und wir haben hier durch die stringente Form des Weges bis zum Abitur für meine Begriffe einen guten Weg gefunden, der auch deutschlandweit Berücksichtigung findet. Es ist ja schon so, dass auch andere Länder hierher schauen. Ich sage dazu auch, das wäre vielleicht nicht der Fall, wenn wir unter einer möglichen SPD-Regierung in den letzten Jahren einen anderen Weg gegangen wären. Da wäre nämlich z.B. Orientierungsstufe, Gesamtschule, 13 Jahre bis zum Abitur herausgekommen und ich glaube, das wäre nicht zielführend gewesen.

(Beifall bei der CDU)

Aber die SPD ist ja bundesweit und auch in unserem Land in dieser Diskussion ein ganzes Stück weit auf unsere Linie eingeschwenkt. Was wir vermissen, Herr Döring, das sind einmal konkrete Vorstellungen und Vorschläge der SPD zur Weiterentwicklung von Thüringer Schule. Insofern ist Frau Dr. Stangner zuzustimmen, dass wir das

in dem Ausschuss diskutieren. Ich bin aber nicht der Auffassung, dass wir dazu genau diesen Antrag brauchen, denn dieser Antrag zielt ja nicht dahin, dass wir inhaltlich diskutieren, sondern man will nur versuchen, einen Keil zu treiben. Den Vorwurf mache ich Herrn Döring. Er will hier nur politisieren und nutzt nicht die Chance oder die Möglichkeit, sich auch einmal inhaltlich

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Sie müssen zuhören.)

auszubreiten, und das muss man doch sagen, Herr Döring. Was haben Sie uns denn an Vorschlägen gebracht? Nichts. Sie haben nicht einmal eine inhaltliche Diskussion gestreift.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Wartet doch einmal ab, Ihr müsst besser zuhören.)

(Zwischenruf Abg. Dr. Botz, SPD: Das war eine Begründung.)

Da bin ich ja gespannt. Vielleicht bekommen wir nachher von Ihnen noch etwas zu hören. Ich will noch etwas sagen zu den Äußerungen von Frau Dr. Stangner. Frau Dr. Stangner, hektische Aktionen im Bereich der Bildungspolitik kann ich von unserer Seite her nicht erkennen. Das möchte ich schon mal so sagen. Eher ist das, was wir heute hier sehen, eine hektische Aktion oder auch vielleicht der andere Antrag, der da noch von der SPD ins Haus steht. Sie sagen, neues Herangehen an Bildung. Das müssten Sie schon einmal konkretisieren. Das klang ja so, als müssten wir grundsätzlich da ganz anders herangehen. Das würde ich dann doch in Frage stellen. Sie haben ja dann auch verschiedene Punkte angesprochen und formulieren diese nur als Frage. Ich gebe Ihnen Recht, dass die Fragen, die zu diskutieren sind, nicht in erster Linie Strukturfragen sind, sondern man muss über Qualität reden und da, finde ich, haben wir genau die richtigen Strukturen hier in Thüringen, dass eben die Qualität, wir reden ja heute über den Weg zum Abitur, bestimmt wird und ständig wieder diskutiert wird, auf dem Prüfstand bei den Beteiligten steht. Das heißt, Gespräch über die Evaluierung der Lehrpläne, das heißt ständiges Gespräch mit den Vertretern des THILLM, wie kann man Dinge besser machen. Das ist, glaube ich, organisiert und wird ständiges Gespräch sein. Dazu brauchen wir aber keine anderen Strukturen.

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner in der Aussprache hat sich der Abgeordnete Döring, SPD-Fraktion, zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, erst im Dezember 1995 haben sich die Kultusminister nach einer wirklich langen Debatte, gestützt auf ein überzeugendes Gutachten - es wurde vorhin genannt - einer Expertenkommission "Weiterentwicklung der Prinzipien der gymnasialen Oberstufe und des Abiturs", auf neue Richtlinien für die gymnasiale Oberstufe verständigt, die nicht zuletzt auch der Qualitätssicherung des Abiturs dienen sollen und natürlich auch mit Zustimmung Thüringens. Im Februar 1997 erhielt die Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe eine neue Fassung im Hinblick auf die Berufs- und Studierfähigkeit, um dem Verständnis von Zusammenhängen, dem Denken in komplexen übergreifenden Strukturen, den Fähigkeiten zur Wissensanwendung, Selbststeuerung des Lernens und realistischer Selbsteinschätzung sowie Entscheidungskommunikation und Teamfähigkeit besondere Bedeutung beizumessen. Dort wurde auch die Notwendigkeit vertiefter Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, insbesondere in Deutsch, Fremdsprachen und Mathematik, sowie des fächerübergreifenden und fächerverbindenden Arbeitens hervorgehoben. Hinsichtlich der Ausprägung der Studierfähigkeit wurden damals auch drei Kompetenzbereiche hervorgehoben, einmal die sprachliche Ausdrucksfähigkeit, insbesondere die schriftliche Darlegung eines Gedankenganges, das verständige Lesen komplexer fremdsprachlicher Sachtexte und nicht zuletzt der sichere Umgang mit mathematischen Symbolen und Modellen. Im Oktober vorigen Jahres gab es dann einen Beschluss zur Weiterentwicklung der gymnasialen Oberstufe und auch die Möglichkeit des Einbringens einer besonderen Lernleistung ist ja von Thüringen eingebracht worden und findet im Seminarfach seine Entsprechung. Aus gutem Grund, Herr Minister Dr. Krapp hat das gesagt, haben wir in Thüringen die Wahlmöglichkeiten von vornherein beschränkt, bestimmte Fächer als nicht abwählbar privilegiert und durch Belegungsverpflichtungen eine Kontinuität von Kursbelegungen gesichert. Damit erreichen wir eine breite gemeinsame Grundbildung. Dennoch können die Schüler eigene Lernpunktschwerpunkte bilden. Die Förderung wissenschaftlichen Arbeitens und die Aneignung der Schlüsselqualifikationen sind wesentliche Argumente, die zur Einrichtung des Kurssystems geführt haben und es auch heute noch stützen. Es zeigt sich jetzt, dass trotz individueller Wahlmöglichkeit die Beibehaltung des gemeinsamen Fächerkanons gewährleistet werden konnte, der zugleich die Kontinuität von Lernprozessen sichert. Es ist auch ein Ergebnis einer repräsentativen Befragung da. Sie macht deutlich, dass die noch vorhandenen Wahlmöglichkeiten vor allem zur interessens- und fähigkeitsgeleiteten Schwerpunktsetzung genutzt werden. Dass bei der Kurswahl das Wahlmotiv der Punkteoptimierung und die Möglichkeit der Flucht, vor allem aus dem naturwissenschaftlichen Bereich, nicht völlig von der Hand zu weisen sind, darf hier auch nicht verschwiegen werden und hier, Herr Minister Dr. Krapp, erwarte ich von Ihnen das Anregen einer konstruktiven Diskussion. Herr Emde,

ich will nur zwei Beispiele nennen, über die wir diskutieren könnten. Die Länder Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt haben z.B. gerade für das Fach Mathematik eine Regelungsdichte, die eine verpflichtende Prüfung gewährleistet. Das ist allemal nachdenkenswert. Dass das Fach Informatik in der gymnasialen Oberstufe den gleichen Stellenwert erhält wie Biologie, Physik und Chemie und damit als Abiturfach für die Schüler attraktiv wird, ist natürlich auch eine Diskussion wert.

Meine Damen und Herren, auch wenn die Ausgestaltung der Oberstufe im Einzelnen noch Anlass für Verbesserungen bietet, insgesamt hat sich das Kurssystem in Thüringen bewährt. Und nicht zuletzt ergeben sich durch die neuen Lehrpläne wesentliche Impulse für die Weiterentwicklung der gymnasialen Oberstufe. Der wichtigste Ansatzpunkt heißt hier: Kompetenz statt diffuse Wissensberge. Dabei macht es keinen Sinn, fachliches gegen fächerübergreifendes Lernen, fächerverbindendes, problemorientiertes Lernen gegen Fachtradition prinzipiell auszuspielen. Fachübergreifendes Lernen braucht genauso ein fachliches Fundament, wie aber auch die Problemorientierung nicht automatisch aus den Fächern hervorwächst.

Meine Damen und Herren, dabei brauchen wir eine stärkere Förderung von Basisfähigkeiten. Junge Menschen sollten lernen, eigene Fragen zu stellen, eigenverantwortliche Entscheidungen zu fällen und Ideen dann auch im Team umzusetzen. Vor allem das Seminarfach kann sich hier, denke ich wohl, als Katalysator erweisen.

Meine Damen und Herren, mein Fazit ist klar und eindeutig: Die Zerschlagung des Kurssystems wäre bildungspolitischer Unsinn. Über seine Vervollkommnung ist aber ständig nachzudenken. Wenn ich also Herrn Minister Krapp richtig verstanden habe, können wir das, was Frau Ministerin Schipanski zur gymnasialen Oberstufe gesagt hat, als Blödsinn abhaken und in Richtung Frau Ministerin Schipanski kann ich nur sagen: Der Putz, der einem auf den Kopf fällt, ist mitunter nur der, auf den man vorher mächtig gehauen hat. Nicht jeder erreicht den guten Ruf, der ihm vorauseilt. Danke.

(Beifall bei der SPD)

Es liegen keine weiteren Redemeldungen aus der Mitte des Hauses vor. Es ist durch Frau Dr. Stangner der Antrag auf Fortsetzung der Beratung in einem Ausschuss, ich nehme an, im Ausschuss für Bildung und Medien, gestellt worden. In diesem Fall ist die Zustimmung derer, die die Beratung des Berichts im Landtag verlangt haben, einzuholen. Diese wird signalisiert. Wir kommen zur Abstimmung darüber. Wer dem Antrag folgt, diesen Bericht im Ausschuss für Bildung und Medien fortzuberaten, den bitte ich um das Handzeichen. Das würde ich bitten auszuzählen. Danke schön. Gegenstimmen? Mit 20 Jastimmen und 18 Neinstimmen wird die Fortberatung im Aus

schuss beschlossen.

(Beifall bei der SPD)

Ich stelle jetzt fest, das Berichtsersuchen für die heutige Plenarsitzung ist erfüllt, wenn es keinen Widerspruch gibt. Dieser Widerspruch wird nicht signalisiert. Damit stelle ich das abschließend noch einmal fest und schließe den Tagesordnungspunkt 6.

Wir kommen zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 7

Charta der Grundrechte der Europäischen Union Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 3/559 dazu: Entschließungsantrag der Fraktion der CDU - Drucksache 3/677

Wird Begründung durch die Antragsteller gewünscht? Ja, Herr Abgeordneter Schröter, bitte.

Sehr verehrte Damen und Herren, Frau Präsidentin, die CDU-Fraktion hat den Antrag "Charta der Grundrechte der Europäischen Union" auf die Tagesordnung gesetzt, weil sie der Auffassung ist, dass seit geraumer Zeit eine Diskussion über dieses weit reichende Papier stattfindet. Wir sind der Meinung, wir müssen uns auch im Landtag mit diesem Thema befassen, denn die Tragweite der Entscheidungen, die dort fallen werden, ist von enormer Bedeutung auch für den Freistaat Thüringen wie für alle anderen Staaten und für alle anderen Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland.