Protokoll der Sitzung vom 07.06.2000

Zu Wort gemeldet hat sich der Abgeordnete Lippmann, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Kretschmer, drei Dinge noch. Sie haben die Absicht geäußert, das an den Ausschuss zu geben, das ist gut so, beantragen wir auch, ich sage es gleich vorweg: Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik federführend. Wir hätten Justiz- und Innenausschuss vorgeschlagen, das müssen wir dann gemeinsam entscheiden. Wir werden sicher auch zu einer Anhörung kommen. Die zweite Bemerkung ist: Mit den Dienstleistungen, das haben wir wirklich hin und her überlegt, ob wir das reinnehmen. Stellen Sie sich jetzt folgende Situation vor, es werden ab dem Jahr 2002 die Konzessionen wieder neu vergeben für den öffentlichen Personennahverkehr.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Da kommen wir schon...)

Dann kommen wir aber schwer in die Bredouille mit der ganzen Geschichte. Nun stellen Sie sich einmal vor, es kommt dann ein polnisches Unternehmen und die geben ihren Leuten 9,98 DM. Wir müssen hier eine Schutzbarriere haben, meine sehr verehrten Damen und Herren, und ich bin sehr in Sorge, ob das nun rechtlich alles so wasserdicht ist, wie ich mir das wünsche. Da bin ich nicht ganz sicher, deshalb sind wir ja gemeinsam da, um darüber zu beraten. Und was die Bayern betrifft, ich stehe dazu, wir haben uns selbstverständlich an die Bayern an

gelehnt, warum sollen wir denn das warme Wasser das dritte Mal neu erfinden. Das ist doch alles völlig klar, zumal die Bayern, was noch viel wichtiger ist, aus dieser Geschichte heraus das aus ihrem eigenen ländlichen Bündnis für Arbeit des Freistaats Bayern entwickelt haben und da waren ja die Arbeitgeberverbände dabei. Die müssen sich irgendetwas dabei gedacht haben. Genau das, glaube ich, sollte der Weg sein. Natürlich wäre mir eine Regelung des Bundes noch viel lieber, aber solange die nicht zustande gekommen ist oder noch nicht zustande kommen konnte, dann müssen wir das tun, was der Bundesrat einvernehmlich beschlossen hat, nämlich Länderregelungen. Und das sieht natürlich auch Europa vor und das können wir auch machen. Da sind wir noch gar nicht einmal auf der falschen Linie. Ich bin eigentlich dafür, dass wir das verantwortungsbewusst beraten, und ich möchte auch gern, dass nicht der Eindruck entsteht, wir wollen das ganze Ding überfrachten. Deshalb haben wir gesagt, wir müssen einen Weg finden, der sich auf das Wesentlichste konzentriert. Und das Wesentlichste scheint mir, das haben auch schon der Kollege Ramelow, aber auch der Kollege Kretschmer gesagt, dass wir von diesem fatalen Lohndumping wegkommen. Ich bin davon überzeugt; selbstverständlich wird das die öffentlichen Aufträge verteuern, das ist mir völlig klar, aber unstrittig ist auch, dass es auf jeden Fall nicht quantifizierbare Kosten wieder einbringt, indem wir Unternehmen erhalten und Arbeitsplätze sichern. Das ist doch völlig unstrittig. Ich weiß nicht, die Bayern hatten es gemacht, um billige Arbeitskräfte und -firmen aus dem Osten abzuhalten. Ich bin nicht davon überzeugt, ich verfüge über keine statistischen Werte dazu, aber nach meinem Dafürhalten haben wir bayrische Arbeitnehmer in großer Zahl bei uns hier, zumindest bei uns in der Region, mit Sicherheit mehr Firmen als von uns, zumindest aus meiner Region, in Bayern arbeiten.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Das ist es, mehr als in unserer Region.)

Das ist ein Problem und ich glaube, diese Abstinenz des Staates in dieser Frage darf sich nicht dadurch manifestieren, dass wir nun gar nichts machen. Das geht nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das geht nicht und es wird auch immer schwerer, dafür Regelungen zu finden, wo wir sagen, wir schützen unsere Industrie. Alle zusammen wollen wir, dass unsere Unternehmen Aufträge bekommen können - auch in den Nachbarländern -, und das zu Konditionen, die fair sind, die ein Mindestmaß an Fairness haben.

Jetzt mache ich es wie der Kollege Ramelow, meine vorbereitete Rede lege ich zusammen. Ich bin überrascht und auch erfreut, dass wir das im Ausschuss beraten können. Ich hoffe auch, dass es zu einer Anhörung mit den Tarifparteien kommt. Dann, denke ich, werden wir vielleicht aus der ganzen Geschichte sogar noch etwas herausziehen können, nämlich Wissen und Schutz für unsere Unternehmen und unsere Arbeitsplätze. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Weiterhin hat sich zu Wort gemeldet Minister Schuster.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, gestatten Sie mir zu dem Thema Vergaberecht zunächst einige Vorbemerkungen. Herr Ramelow, mit dem Vergaberecht kann man den Anpassungsprozess in der Bauwirtschaft sicher nicht aufhalten, auch nicht steuern. Das Vergaberecht hat ganz andere Funktionen als die, die Sie hier genannt haben. Man kann auch die Arbeitslosenquote in dem Bereich mit vergaberechtlichen Mitteln nicht bekämpfen. Da muss man zu anderen Maßnahmen greifen. Erst recht kann man damit das Auftragsvolumen nicht ankurbeln, das ist wiederum eine ganz andere Thematik. Herr Lippmann, ich habe Ihre letzten Ausführungen so verstanden, dass Ihr Gesetzentwurf eigentlich nur ein Diskussionsbeitrag ist,

(Zwischenruf Abg. Lippmann, SPD: Da haben Sie mich aber gründlich miss- verstanden.)

zur Diskussion nämlich der Probleme, die sich in dem Bereich stellen.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat über dieses Thema Vergaberecht verschiedene Gespräche mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften unseres Landes geführt. Dies deshalb, weil es schon lange eine Diskussion über dieses Thema gibt und einen Gesetzentwurf des DGB zu diesem Thema, wo nicht ein, sondern mehrere so genannte vergabefremde Kriterien gefordert waren. Wir waren uns sicherlich nicht einig in diesen Diskussionen, übereinstimmend waren wir aber der Meinung, dass eine Mindestentlohnung nicht unterschritten werden darf in unserem Lande, dass es keine Ausbeutung geben darf auf Thüringer Baustellen.

(Beifall Abg. Kretschmer, CDU)

Wir stimmten auch darin überein, dass Sozialdumping vermieden werden und durch staatliche Maßnahmen dem entgegengetreten werden muss. Genau dies haben Sie, Herr Lippmann, als Anliegen Ihres Gesetzentwurfs bezeichnet. Unterschiedlicher Meinung sind wir hinsichtlich des Wegs, den Sie mit Ihrem Gesetzentwurf anstreben. Herr Kretschmer hat schon die ganzen Argumente vorgeführt, die gegen Ihren Entwurf ins Feld zu führen sind, insbesondere verfassungsrechtliche Bedenken. Er hat darauf hingewiesen, dass der Bund seine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz in Anspruch genommen hat und damit schon verfassungsrechtlich gar kein Spielraum mehr ist für eine solche Regelung. Es wäre der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu erwähnen, es wäre das Diskrimi

nierungsverbot des EG-Vertrags zu nennen. Zwingendere Rechtsargumente kann man sich gar nicht mehr vorstellen als die, die gegen Ihren Gesetzentwurf sprechen. Aber das Anliegen bleibt bestehen. Die Frage ist: Wie können wir die genannten sozialen Zielsetzungen erreichen? Wir haben klare Regelungen eingeführt für diesen Bereich. Wir haben eine Mindestlohnrichtlinie und eine Mittelstandsrichtlinie erarbeitet. Diese Regelungen treten nicht außer Kraft, Herr Lippmann, die werden weiter bestehen.

(Zwischenruf Abg. Lippmann, SPD: Zumin- dest über 1 Mio. DM.)

Es gibt auch noch ein weiteres Instrument, das auch schon angesprochen worden ist, um bestimmte Mindestlöhne zu garantieren. Das ist die Allgemeinverbindlichkeitserklärung, die Sie kennen. Also auch hier haben wir ein Instrument, um solchen Auswüchsen zu begegnen. Aber es sind nicht nur Rechtsargumente, die gegen Ihren Gesetzentwurf sprechen. Mit ihm zwingen Sie nicht tarifgebundene Unternehmen letztlich in einen Tarif hinein, obwohl wir ein anderes Instrument dafür zur Verfügung haben. Dies kann zur Folge haben, dass sich eine solche Regelung kontraproduktiv auswirkt für unsere Unternehmen, weil sie ihren Wettbewerbsvorsprung, den sie haben, möglicherweise dadurch verlieren, mit der Folge, dass damit Arbeitsplätze in Gefahr gerieten.

Meine Damen und Herren, der Sinn von vergaberechtlichen Bestimmungen kann doch nicht sein, Arbeitsplätze zu gefährden. Wir alle wollen neue Arbeitsplätze schaffen, aber wir sollten doch durch solche Regelungen nicht Arbeitsplätze in Gefahr bringen.

Meine Damen und Herren, unsere Regelungen haben Bestand, haben Wirkung entfaltet. Die vorgeschlagene Regelung wird spätestens vor Gericht scheitern. Ich denke, dies ist der Grund dafür, weshalb die Landesregierung diesen Gesetzentwurf ablehnt, aber empfiehlt, die gesamte Thematik in den zuständigen Ausschüssen zu beraten. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Herr Abgeordneter Ramelow, PDS-Fraktion.

Also ein gewisses Erstaunen macht sich bei mir schon breit. Der Ministerpräsident des Freistaats Thüringen als CDU-Landesvorsitzender hat immer wieder gepredigt, wir wollen bayerische Verhältnisse. Ich habe so das Gefühl, dass damit immer nur Amigos und Spezis und sonstige Affären gemeint sind.

(Unruhe bei der CDU)

(Zwischenruf Schuster, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Infrastruktur: Das ist unter Ihrem Niveau.)

Das stimmt, da gebe ich Ihnen Recht, das ist unter Niveau. Ein bisschen habe ich aber das Gefühl, dass man Bayern immer nur dann nimmt, wenn es einem politisch in den Kram passt, weil alle Argumente, sehr geehrter Herr Minister, die Sie gerade benutzt haben, müssten Sie bitte Ihren bayerischen Kollegen sagen. Ich weise darauf hin, mit zwei kleinen Ausnahmen hat die SPD-Fraktion etwas gemacht, was ich sehr begrüßenswert finde. Es ist eben kein Diskussionsbeitrag, sondern es ist eine Schlussfolgerung aus einer Entwicklung, die was mit nicht verfassungsrechtlichen Bedenken, sondern zurzeit mit kartellrechtlichen Bedenken zu tun hat, bei denen man Tarifautonomie gegen eigentumsrechtliche Fragen abwägen muss. Deswegen habe ich die Zahlen der Branche genannt, nicht weil ich glaubte, dass mit einem Vergaberechtsgesetz das Auftragsvolumen erhöht wird. Das Auftragsvolumen an sich sinkt immer weiter ab und an einigen Stellen ist es sogar notwendig. Die Frage ist nur, ob das absinkende Volumen zum Chaos in der Branche führt, und in dem Chaos der Branche gibt es etwas, bei dem ich feststellen muss, dass man an diesem Pult des Öfteren sich schon gefreut hat oder bei Veranstaltungen, wo das goldene Band der Sympathie durchgeschnitten wird - also wenn das Klinikum Erfurt eröffnet wird und andere Sachen oder hier das Landtagshochhaus -, dass man unter Planungspreis gebaut hat. Ich bin ja nun acht Jahre lang Aufsichtsratsvorsitzender einer großen Wohnungsgenossenschaft gewesen und habe die Planung Jahr für Jahr mitgemacht. Ich habe festgestellt, dass von Jahr zu Jahr das Bauvolumen billiger wurde. Die Leistung wurde zu immer geringerem Volumen angeboten. Das Ergebnis hat mit zusammenbrechenden Kalkulationen zu tun und damit, dass Firmen Aufträge angenommen haben, um ihre Existenz zu sichern, die unter dem Wert lagen. Das Ergebnis davon führt mittelfristig zu immer weiteren Zusammenbrüchen. Es geht bei der Überlegung der Vergaberechtsänderung darum, ob wir qualitative Elemente - um die geht es, nicht um das Außerkraftsetzen dessen, was da passiert einführen. Da finde ich die Herangehensweise der Bayern erst einmal kreativ, zu sagen, wir wissen, was Brüssel macht. In Kenntnis dessen, was Brüssel macht, überlegen wir einen eigenen Weg zur Stabilisierung unserer Region. Etwas Ähnliches kann ich im Saarland feststellen und das sind nun Ihre Parteifreunde. Da sage ich, auch da habe ich es ganz leicht zu sagen, wenn Überlegungen der Region dienen, deswegen habe ich vorhin gesagt, ich rede auch ursächlich von regionalwirtschaftlichen Elementen, die hätte ich gern bei Vergaberechtsüberlegungen mit berücksichtigt, dass eben nicht nur billig tatsächlich preiswert heißt, sondern preiswert auch qualitative Elemente beinhalten sollte.

(Zwischenruf Schuster, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Infrastruktur: Das haben wir doch.)

Sie haben es bei der Tariftreueerklärung, bei der Vergabeverordnung, aber Sie haben eben die Allgemeinverbindlichkeit angesprochen und da muss ich Ihnen sagen, als jemand, der es nun zehn Jahre lang hier betrieben hat, Ihr Kollege sitzt neben Ihnen, der kann Ihnen ja einmal auflisten, wie viel Allgemeinverbindlichkeiten wir zurzeit noch haben und wie uns zurzeit die Allgemeinverbindlichkeiten in Thüringen flöten gehen, wie eine AVE nach der anderen kaputtgeht, weil nämlich eine Zangenbewegung passiert. Die Politik zieht sich aus Vergaberechtsüberlegungen zurück, weil sie sagt, 30.06. ist Ultimo, warten wir einmal ab. Ich habe mehrfach im Allgemeinverbindlichkeitsausschuss erlebt, dass einzelne Arbeitgeberverbände sich dann hingestellt haben und Einspruch gegen ihre eigenen Allgemeinverbindlichkeitsanträge gestellt haben, weil es da um die ordnungspolitische Überlegung geht, Tarifverträge als Teufelszeug insgesamt wegzubekommen, den Markt außer Kraft zu setzen und den Tarifvertrag gleichzeitig kaputtzumachen. Das bedeutet in der Konsequenz, dass die Menschen zu Opfern dieser Entwicklung werden. Das heißt, dass natürlich jeder Billiganbieter auf einmal zum Feind des anderen Arbeitnehmers wird, und da kommt ein Stück weit diese spannungsgeladene Situation, die auf den Baustellen entsteht. Es ist eben nicht nur die Allgemeinverbindlichkeit im Hochbau für einen Mindestlohn, sondern wir müssen an alle Baugewerke denken und die sind nicht in der Allgemeinverbindlichkeit.

Ich könnte mich ganz entspannt hier vorn hinstellen, Herr Wirtschaftsminister, wenn Sie sagen würden, in dem Bereich, über den wir hier reden, werden alle Tarifverträge allgemeinverbindlich.

(Zwischenruf Schuster, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Infrastruktur: Nein!)

Wenn das so wäre, bräuchten wir dieses Gesetz nicht, dann würde ich die Kollegen von der SPD bitten, dass wir das irgendwie beiseite legen, wenn sie allgemeinverbindlich wären, weil dann jeder Arbeitnehmer seinen Rechtsanspruch auf dem Klageweg durchsetzen kann. Deswegen sage ich, so funktioniert es nicht. Wir erleben zurzeit, dass die Tarifverträge zunehmend außer Kraft gesetzt werden. Ich würde es aber ungern nur auf dem tarifvertraglichen Niveau debattieren. Ich möchte eben auch über qualitative Elemente reden, wie regionalwirtschaftliche Argumente Eingang in diese Diskussion finden, und da würde ich mich gern über positive Vorschläge von Ihnen freuen, nicht nur sagen, so machen wir es gar nicht und was die bayerischen Kollegen machen, ist sowieso falsch. Dann würde ich gern hören, was können wir tun, um den Menschen hier in Thüringen eine Chance zu geben, dass sie zu fairen Bedingungen arbeiten können, und den Firmen die Chance geben, dass sie zu kostendeckenden Preisen kalkulieren können. Da wirkt es ein bisschen - deswegen sage ich, ja, ich bin ein bisschen unter meinem Niveau -, aber da wirkt mir Ihr Redebeitrag wirklich als sehr zynisch, weil, wenn Sie dann mit den Handwerksbetrieben und den

Handwerksbeschäftigten reden, was die auf den Baustellen erleben, die teilweise monatelang auf ihr Geld warten, die teilweise einfach nur um ihre - die einen werden um ihre Lebenserträge betrogen und die anderen werden um ihre Arbeitsbeträge betrogen. Ich denke, an den Stellen wird an uns gerichtet, hat man eine Erwartung, was kann Politik noch tun. Oder man muss sagen, Politik kann gar nichts tun, aber dann brauchen wir uns nicht wundern, wenn man in diesem Land glaubt, Demokratie sei ein Unnütz. Ich bin ein Mensch, dem sehr daran gelegen ist, dass Demokratie auch von den Menschen empfunden wird als das, dass wir ihnen helfen könnten. Über diese Hilfe würde ich gern nachdenken und nicht einfach nur das Dogma vertreten haben, alle Tarifverträge sind schädlich, alles, was da irgendwie die Wirtschaft hemmt, ist unnütz. Das wäre Neoliberalismus pur und das wäre dann unter Ihrem Niveau. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS; Abg. Dr. Botz, SPD)

Ich muss jetzt fragen: Herr Minister, Sie hatten sich gemeldet? Sie würden lieber zurückstellen. Bitte, Herr Abgeordneter Kretschmer, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Ramelow, was Sie jetzt vorgetragen haben, das war auch unter Ihrem Niveau, das will ich einmal so deutlich sagen. Ich kann gleich dazu kommen, Sie bringen mit dem Gesetzestext "Vergabegesetz" und das, was Sie jetzt darstellen, eine Erwartung, als ob Sie die Fragen der Zahlungsmoral beispielsweise mit erschlagen können. Die sind jetzt in Berlin und demonstrieren, weil mit dem Gesetz auf Bundesebene zu kurz gesprungen ist. Aber das ist nicht das Thema im Bereich Vergabegesetz. Sie haben es aber hier so thematisiert, als ob man das hier als Landespolitiker in diesem Parcours mit erledigen kann. Ich hatte, als Herr Kollege Lippmann die Frage mit Bayern ansprach, mir überlegt, die Zahlen wollte ich ihm an sich im Ausschuss bringen, aber da Sie es hier so thematisiert haben, "von Bayern lernen, heißt siegen lernen", ist ja meines Erachtens auch einmal der Hinweis richtig, dass die Sachlage eine andere ist. Warum sind bayerische Unternehmen bei uns tätig und warum kommen Thüringer Unternehmen in Bayern nicht zu Potte? Die Tariftreueerklärung in Bayern bedeutet doch, dass mindestens ein Abstand im Lohn in Höhe von 10 DM existiert. Das heißt, ein Thüringer Unternehmer, der dort arbeiten und mit der Tariftreueerklärung nach Bayern wollte, hat doch über das Mindestlohngefüge, was er hier vom Osten, von Thüringen hat, noch mindestens 10 DM mehr zu bezahlen, während der bayerische Unternehmer bei uns hier auf der Mindestlohnebene arbeiten muss, ob die nun in Ost oder West macht, ist in jedem Fall 10 DM günstiger. Das ist eine rein arithmetische Geschichte. Deshalb sage ich, Bayern will abschotten, das war bei den Übrigen genau dieselbe

Motivation. Berlin wollte abschotten, dass aus Brandenburg und drum herum die Baubetriebe kommen. Es ist gar nicht die Frage der Europäischen Gemeinschaft, sondern das ist zunächst ein innerdeutsches Problem. Deshalb sage ich, das Diskriminierungsverbot wird durch eine Landesregelung in dem Sinne doch verletzt. Deshalb muss man dazu etwas sagen.

Die zweite Sache, die Frage im Dienstleistungsbereich: Ich hatte erwartet, dass Sie das bringen mit dem ÖPNV, weil die Diskussion ja auch da ist. Ich glaube, da ist genau der Knackpunkt, wo wir vehement gegen europäisches Gesetz verstoßen,

(Zwischenruf Abg. Lippmann, SPD: Nein, nein.)

gegen europäische Regelungen, wenn wir mit dem Vergabegesetz reingehen. Aber Sie haben Recht, das ist dann die Überlegung, wie wir das mit unseren Justizleuten beispielsweise betrachten können. Mir geht es nur darum, Herr Ramelow, deshalb habe ich hier noch einmal das Wort genommen, Ihnen zu sagen, es ist nicht die Frage, von Bayern lernen, sondern man muss auch noch einmal sagen, es ist eine unterschiedliche Situation, die wir hier beobachten und die Übernahme 1 : 1 ist für Thüringer Unternehmen, für Thüringer Arbeitnehmer und Unternehmer nicht hilfreich.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister Schuster, bitte.

Meine Damen und Herren, das Vergaberecht definiert Spielregeln, an die sich alle zu halten haben, gerade in einer so schwierigen Branche wie dem Baubereich. Es geht nicht darum, diesen Sektor dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen, wie Sie unterstellt haben. Wenn das der Fall wäre, gäbe es überhaupt kein Vergaberecht. Aber die Frage ist schon gerechtfertigt: Wie steuert man hier die Vergaben sinnvollerweise? Würde man gar kein Vergaberecht einführen und es dem ungebremsten Wettbewerb überlassen, dann würden tatsächlich Lohnstrukturen zerbrechen, Tarifstrukturen zerbrechen. Dies hätte soziale Wirkungen, die unverantwortlich wären. Deshalb stand immer außer Frage für die Landesregierung, dass wir einen freien Fall der Löhne nach unten nicht akzeptieren, dass es Mindestlöhne geben muss, die nicht unterschritten werden dürfen. Diese Regelung gibt es ja schon. Ich kann Ihnen sagen, die Erfahrungen damit sind sehr unterschiedlich. Es gibt viele Unternehmen, die sagen, die Mindestlöhne habt ihr zu hoch angesetzt. Selbst diese Löhne können wir nicht bezahlen. Ich bin der Meinung nicht. Ich meine, dass man durchaus Mindeststandards definieren muss im

Lohnbereich. Nun kann man den Weg gehen, der in dem Gesetzentwurf gegangen wird. Man kann sagen, wir drücken gesetzlich die Löhne nach oben. Was wird da die Folge sein? Die ist ganz eindeutig, es werden all jene Bauunternehmen überleben, die kapitalintensiv fahren, die mit hohem Einsatz an Technik wettbewerbsfähig sind und natürlich jedem kleinen und mittleren Bauunternehmen in unserem Lande überlegen sind.

(Beifall bei der CDU)

Das heißt, auf diesem Wege würden unsere Unternehmen serienweise aus dem Wettbewerb geworfen, weil sie auf ein Tarifniveau gesetzlich festgeschrieben würden und auf dem anderen Gebiet - dem Kapitaleinsatz - nicht konkurrieren könnten. Das kann doch nicht unsere Absicht sein, einen solchen Crowding-out-Effekt zu erzielen über eine gesetzliche Festschreibung von Tariflöhnen. Da, denke ich, sind die Instrumente, die bisher im Einsatz sind, einfach flexibler und haben nicht solche negativen Nebenwirkungen. Nur darum geht es. In der Zielsetzung, denke ich, sind wir uns ja weitgehend einig. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Nun liegen keine weiteren Redemeldungen vor. Es ist Ausschussüberweisung an den Wirtschaftsausschuss, an den Justizausschuss und an den Innenausschuss beantragt worden. Wir stimmen darüber ab. Wer der Überweisung an den Wirtschaftsausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? Keine. Stimmenthaltungen? Auch keine. Wer der Überweisung an den Justizausschuss zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? Keine. Stimmenthaltungen? Auch keine. Dann ist die Überweisung an den Innenausschuss beantragt worden, wer dem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das dürfte nicht ausreichen. Danke schön. Gegenstimmen? Das ist die Mehrheit. Gibt es noch Stimmenthaltungen? Keine. Es ist abgelehnt worden, an den Innenausschuss zu überweisen, da es eine Mehrheit von Neinstimmen gab. Wir kommen zur Festlegung der Federführung. Es ist beantragt worden, die Federführung beim Wirtschaftsausschuss zu haben. Wer dem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? Keine. Stimmenthaltungen? Keine. Damit ist die Federführung beim Wirtschaftsausschuss und ich schließe den Tagesordnungspunkt 3.

Wir kommen zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 4

Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes und zur Einführung von Verbraucherbeiräten Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 3/727 ERSTE BERATUNG