Protokoll der Sitzung vom 07.06.2000

Herzlichen Dank. Meine Damen und Herren, ich möchte es noch einmal deutlich sagen: Vertreibung ist immer Unrecht und wir müssen aufpassen, dass mit Vertreibung nicht neue Vertreibung begründet wird. Bei dem Bund der Vertriebenen - und jetzt rede ich von dem Papier, das hier im Haus verteilt worden ist, und nur darüber rede ich - ist eine bestimmte Formulierung angeschlagen worden, bei der ich am Anfang geneigt war, es so zu sehen wie der Minister, dass es die persönliche Meinungsäußerung von Herrn Latussek ist, nämlich die Rede von den Siegern, die diese Opfer ausgelöst und zu verantworten haben. Wenn die Rede von Siegern im Zweiten Weltkrieg ist, da muss man fragen: War der 8. Mai ein Tag des Sieges oder der Niederlage? Wenn mehrfach in diesem Papier die Rede von Siegern ist, die das alles verursacht haben, dann möchte ich die Frage stellen: Wie gehen wir mit dem 8. Mai um? Und hätte sich nicht das deutsche Volk von den Nazis selber befreien müssen? Es ist eine historische Wahrheit, dass wir es in Deutschland nicht geschafft haben, sondern die Alliierten dieses vollbringen mussten. Und wenn man heute dann mit solchen Papieren von Siegern redet, dann verharmlost man das alles, was da vor dem 8. Mai war. Das ist völlig losgelöst und da hat der Abgeordnete Primas Recht, von den Opfern, von den 15 Millionen, von denen die Rede war, von den 2 Millionen und es ist egal, die Zahl im Einzelnen spielt überhaupt keine Rolle mehr, weil das gilt auch für alle Opfer, die vorher gewesen sind. Aber wenn in der Charta der Vertriebenen, von der hier mehrfach die Rede ist, überhaupt nicht erwähnt worden ist, dass die deutschen Juden vor der Vergasung auch vertrieben worden sind und als vertriebene Deutsche zu zählen sind und nicht einmal erwähnt werden, da muss man auch offiziell darüber reden, ohne es relativieren zu wollen, sondern zu sagen, die Hand reichen heißt, noch mehr zu tun. Ich glaube, wenn man über die Benes-Dekrete und andere Dinge

reden will, dann müssen diese Fragen in den jeweiligen Ländern angesprochen werden. Wir können nicht mahnend den Finger heben: Ihr kommt nur in die EU, wenn das halte ich auch wieder für eine In-Gang-Setzung einer neuen Spirale. Sicherlich ist es richtig, über alle diese Fragen miteinander zu diskutieren, deswegen finde ich bilaterale Jugendprogramme sehr wichtig und sehr richtig, aber gesprochen haben wir nur von der Absage des parlamentarischen Abends und von dem Papier, das zu dem Anlass geführt hat, und von der Presseerklärung, die anschließend der BdV-Landesverband gemacht hat, dass er es unerträglich findet, dass der parlamentarische Abend abgesagt worden ist, und dass die Dokumente, die hier verteilt worden sind, der Wahrheit entsprechen.

Mir liegen mehrere Briefe vor von BdV-Kreisverbänden. Herr Primas, Sie haben gesagt, man darf nicht pauschal von den Vertreiberstaaten reden oder von den Deutschen. Das genau ist die Diktion, die in den Briefen drinsteht, die man uns jetzt geschickt hat. Da ist die Rede von "weder haben sich die Vertreiberstaaten Tschechien, Polen und Russland öffentlich zu ihren Nachkriegsverbrechen bekannt", also da ist die Rede von Vertreiberstaaten - und da ist es schon wieder, diese Diktion, dass die neue Spirale wieder in Gang gesetzt wird, ohne zu sagen - und da bin ich der Meinung -, ja, über Vertreibung und über Vertriebene muss geredet werden. Es kann nicht das Leid verschwiegen werden, aber meine Damen und Herren, Vertriebene - und das sage ich dem Kollegen Schemmel - sind nicht nur die Kosovaren, vertrieben sind dort auch die Serben und das löst schon wieder neue Vertreibung aus. Damit haben wir in Europa tatsächlich ein Europa, in dem immer noch Vertreibung stattfindet. Die Vision von einem Europa, einem geeinten Europa, davon bin ich überzeugt, dass das der richtige Weg ist, in dem Vertreibung überhaupt keine Rolle mehr spielt und keinen Platz mehr greift, weil Nationalstaaten in dem Sinne nicht mehr zur Identifikation führen, dass man sagt, der Deutsche in Polen muss vertrieben werden oder der Pole in Deutschland muss vertrieben werden.

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie daran erinnern, dass wir mittlerweile, ich glaube, 2 Millionen Muslime in Deutschland haben, die in der vierten, fünften und sechsten Generation in Deutschland leben. Wann beginnt man darüber nachzudenken, dass das auch ein Teil unseres Deutschlands ist, dass man nicht mit Vertreibung oder der Forderung nach Vertreibung begegnen kann.

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Das ist ein bisschen weit hergeholt. Ich habe Ihnen bis jetzt interessiert zugehört, aber was Sie jetzt sagen, hat mit dem Thema wohl nichts zu tun!)

Das hat was damit zu tun, dass die Rechtsradikalen in diesem Land, auch hier in Thüringen, genau mit diesen Forderungen auftreten. Es geht nur darum, eine bestimmte sprachliche Trennung sauber und deutlich zu machen, dass

nicht Argumente benutzt werden, die den Rechten den Boden bereiten, um zu sagen, damit kann man neues Unrecht wieder in Gang setzen. Deswegen, meine Damen und Herren, ich glaube, die Spirale von Hass, von Not, von Vertreibung und Gewalt in Europa muss auch mental überwunden werden. Insoweit war ich ganz froh, dass wir bei der Frage, wie gehen wir mit dem Papier, das hier verteilt worden ist, um, einer Meinung waren. In der Sache mögen wir in der Bewertung von Verbänden - weil der BdV nicht das Sprachrohr aller Vertriebenen an sich ist, er ist das wichtigste Sprachrohr, aber er ist nicht das Sprachrohr aller Vertriebenen - unterschiedlicher Meinung sein, aber wir müssen aufpassen, wenn auf einem Papier, auf einem Briefkopf des Landesverbandes bestimmte sprachliche Entgleisungen passieren, bei denen anschließend der Landesverband sich nicht entschuldigt. Ich hatte in Erinnerung, dass wir Gelegenheit gegeben haben, sich zu entschuldigen und das zurückzunehmen, was in dem Papier stand. Das ist nicht erfolgt. Wäre das erfolgt, wäre möglicherweise eine Diskussion möglich. Jetzt sehe ich das viel kritischer, nachdem mittlerweile massenweise von Briefen einhergehen, die alle sagen, das Dokument von Herrn Latussek wäre die Wahrheit. Herr Abgeordneter Primas, Sie haben gesagt, es entspricht nicht der Wahrheit.

Vieles von dem entspricht nicht der Wahrheit, aber es wird zum Anlass genommen, dass man anderen Vertriebenen sagt, dieses hohe Haus hätte alle Vertriebenen beschmutzt und hätte die Wahrheit negiert. Ich finde, da sollten wir gemeinsam aufpassen, dass wir uns da nicht beschädigen lassen.

(Beifall bei der PDS)

Danke, Herr Abgeordneter Ramelow. Herr Abgeordneter Kretschmer, auch für Ihren Zwischenruf muss ich Ihnen einen Ordnungsruf erteilen. Der Zwischenruf ist im Protokoll nachzulesen, ich möchte ihn hier nicht wiederholen. Als Nächster hat sich Herr Abgeordneter Dr. Botz zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe mich spontan gemeldet, mache es auch ziemlich kurz. Während ich den Redebeitrag von meinem verehrten Kollegen Primas gehört habe, ein Redebeitrag, den ich, das will ich hier ganz klar sagen, als einen sehr ernsthaften Beitrag verstanden habe, und weil ich ihm in weiten Teile zustimme und wirklich sehr, sehr ernst nehme, nur deshalb habe ich mich jetzt auch noch einmal kurz gemeldet. Ich möchte, obwohl einem da sehr viel auf der Zunge liegt, nicht in die gesamte Debatte eingreifen. Aber Herr Primas, Sie haben etwas gesagt, und ich weiß, dass Sie das ernst meinen, und möchte da eben wirklich nur auf einen Widerspruch hinweisen: Sie haben gesagt, wir

haben die Chance, Europa zu bauen, und wir wollen Sie nutzen. Ich weiß, dass Sie das ernst meinen, ich zähle mich zu denen, wie sicher eine große Mehrheit hier im Hause, wenn nicht alle, die das auch sehr ernst meinen, nur meine Erfahrung - vielleicht können Sie mir das bestätigen, und das ist der Grund, weshalb ich mit gutem Gewissen die Entscheidung vor drei Wochen hier mitgetragen habe, auch in vielen Gesprächen mit Osteuropäern -, aber auch mit Westeuropäern, die sagt eindeutig, wenn ich das zitiere oder als Argumentation in Gesprächen in Polen, in Tschechien, in der Ukraine oder irgendwo einbringe, was in diesem umstrittenen Papier von Herrn Latussek "Was Deutsche wissen sollten", steht, nämlich dieser wichtige Satz, für mich der entscheidende, der Begriff der willkürlichen Grenzziehung an Oder und Neiße - wenn ich mit dieser Argumentation als deutscher Vertriebenennachfahre oder nicht, wenn ich als Deutscher, und ich sage es bewusst, als Europäer mit einer solchen Argumentation meinen osteuropäischen Mitbürgern entgegentrete, ob Sie nun selber vertrieben wurden oder nicht, ob sie dort auch umgesiedelt wurden oder nicht, dann haben wir keine Chance, dieses Europa zu bauen.

(Beifall bei der SPD)

Und ich bitte Sie, das ist der Punkt für mich, und damit komme ich schon zum Ende, der entscheidende Punkt, denn es ist alles richtig, was hier in vielen Redebeiträgen gesagt worden ist; es ist das Verhängnisvollste, diese Dinge aufzurechnen. Es ist richtig, wenn man da jetzt eine Passage aus vorhandenen Büchern vorlesen würde, was auf dem Territorium von Rumänien und Jugoslawien, 44 in der zweiten Jahreshälfte, eben im Zurückgehen der Wehrmacht aus diesen Gebieten heraus geschehen ist, wenn ich das Buch jetzt in der Hand hätte und würde hier zitieren, dann würden wir alle ganz leise und wir würden wahrscheinlich zu diesem anstehenden Empfang nicht mehr hingehen, weil uns schlecht würde. Das ist alles richtig, Sie haben Recht, aber vorneweg sind eben die anderen Dinge geschehen, die genauso richtig sind. Wir dürfen das nicht tun. Ich möchte Sie nur darauf hinweisen, es gibt einen entscheidenden Unterschied zur Rede am 20. Mai der Präsidentin des Bundes Vertriebenen. Sie ist nämlich klug genug und auch diplomatisch genug und erfahren genug, obwohl sie auch als ziemlich konsequente Interessenvertreterin des Bundes der Vertriebenen bekannt ist. Aber diesen Fehler, den wir in diesem Hause nicht dulden konnten, nämlich von einer willkürlichen Grenzziehung an der Oder-Neiße mit all den Risiken, die wir damit hinsichtlich der europäischen Integration der nächsten Jahrzehnte auslösen würden, konnten wir in diesem Haus nicht dulden und das sollten wir am Schluss auch noch einmal eindeutig hier zum Ausdruck bringen. Diese Entscheidung an diesem Tag durch diese Präsidentin, durch dieses Präsidium war richtig.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Danke, Herr Abgeordneter Botz. Als Nächster hat sich der Abgeordnete Sonntag zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zu meinem Vorredner. Herr Dr. Botz, ich möchte Ihnen den Hinweis weitergeben, der in Altenburg zu dem Tag, der hier mehrfach zitiert wurde, vom dortigen Kreisvorsitzenden gesagt wurde - unabhängig davon, dass Sie in vieler Hinsicht Recht haben, was Sie gesagt haben, mit der europäischen Einigung, da ist was Wahres dran. Er hat gesagt: Es darf nicht sein, dass - er sagte "wir Vertriebene" als logischerweise Betroffener - wir Vertriebenen zweimal vertrieben werden, nämlich erst aus unserer Heimat und dann aus der Geschichte.

(Beifall bei der CDU)

Das, meine Damen und Herren, wird sicherlich auch die Fakten - die sind ja hier nicht bestritten worden, auch von Ihnen, Herr Ramelow, nicht -, die in diesem Papier "Was jeder Deutsche wissen sollte" enthalten sind, beinhalten. Über die Formulierungen brauchen wir nicht mehr zu streiten. Das ist Geschichte, wenn auch eine vergangene junge Geschichte.

Meine Damen, meine Herren, die Äußerungen des Herrn Dittes, da lief es mir kalt den Rücken herunter. Herr Dittes, ich vermute einmal, es ist nicht Ihre Ausarbeitung gewesen. Aber die Sprache, in der Sie es vorgetragen haben, hat mich noch sehr genau erinnert an eine noch gar nicht so lange vergangene Zeit.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben, vielleicht ohne es zu wollen und ohne es zu wissen, sehr gut diese Funktionäre kopiert. Noch zu Ihrer Information: Als wir in Yad Vashem als Delegation seinerzeit waren, ist uns von unserem Betreuer gesagt worden, das letzte Judenpogrom in Europa war 1947 in Kilzce, das ist in Polen.

Meine Damen, meine Herren, Frau Bechthum hat es in einer anderen Situation angemahnt, man sollte statt technokratischer Reden, wie Sie uns von Herrn Dr. Hahnemann und Herrn Dittes "freundlicherweise" hier vorgebracht wurden, das menschliche Element sehen. Herr Primas hat bereits darauf hingewiesen, auf diese Tragödie mit der Wilhelm Gustloff. Wer den Titanic-Film gesehen hat, kann sich das dann auch bildhaft vorstellen. Der von mir zitierte oder erwähnte Kreisvorsitzende hat vor einigen Jahren seine Mutter wieder gefunden, über das Rote Kreuz hat er erfahren, dass sie 1947 oder 1948 in einem sowjetischen Lager nach Aussagen von Zeugen erschlagen worden ist. Sicherlich, Herr Ramelow, das ist ein Einzelschicksal, aber Sie haben vorhin gehört, Mi

nister Dr. Pietzsch hat es angesprochen, dass sich diese Einzelschicksale summiert haben zu der unvorstellbaren Zahl von 2 Millionen und es ist nicht meine Absicht und es ist sicherlich nicht die Absicht aller hier im Hause, Schicksale gegeneinander aufzurechnen. Vertreibung, ganz gleich wen sie trifft, ganz gleich welcher Volkszugehörigkeit, welcher Rasse oder wie man es unterteilen will, ich halte es für blödsinnig, Vertreibung ist immer ein Verbrechen. Dazu sollten wir uns bekennen und dazu sollten wir diese Aufrechnung, zu der es hier leider in einigen Reden gekommen ist, ein für alle Mal wieder vergessen. Das ist das, was uns in der nächsten Zeit - gerade hier in Thüringen, da können wir es beim besten Willen nicht gebrauchen - vorgehalten werden wird. Ein letzter Satz vielleicht noch dazu, sicherlich ein sehr provokanter Satz: Es gibt aus meiner Sicht leider immer noch verblendete junge Menschen, auch ältere, die die Verbrechen der Nazis negieren, leugnen. Das ist strafbar. Dafür gibt es dieses Wort "Auschwitzlüge". Es ist aber offenbar nicht strafbar, wenn bei anderen Opfergruppen solche Sachen verbreitet werden, wie vorhin von Herrn Hahnemann und von Herrn Dittes geschehen.

(Beifall bei der CDU)

Ich denke, meine Herren, dafür wäre eine Entschuldigung notwendig. Danke.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächste hat sich Frau Abgeordnete Tasch zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, der Redebeitrag von Ihnen, Herr Dittes, hat mich doch noch einmal bewegt, hier vorzugehen, weil Sie gesprochen haben von der so genannten Vertreibung. Am 21. Mai dieses Jahres wurde meine Oma 80 Jahre alt. Die wohnt in Sondershausen und ich habe mir vorher überlegt, was tue ich so einer alten Frau für einen Gefallen, fahre ich mit einem Blumenstrauß hin oder was tue ich ihr Gutes. Meine Oma stammt aus Kollberg und da habe ich mir überlegt, du fährst mit deiner Oma noch einmal nach Kollberg in ihre alte Heimat, weil ich weiß, bevor sie stirbt, möchte sie noch einmal gern nach Hause. Das habe ich ihr geschenkt und ihre Freude war sehr groß. Nach ihrem Redebeitrag muss ich sie ja heute Abend anrufen und sagen: Oma, die Vertreibung war eine so genannte Vertreibung. Sie war eigentlich nur ein Umzug von Kollberg nach Sondershausen, der gedauert hat vom Herbst 1945 bis Mai 1946, mit ihren zwei kleinen Kindern von 6 und 4 Jahren hier in Erfurt angekommen, und außerdem, Oma, wart ihr selber Schuld, ihr habt euch ja Hitler geleistet, ihr habt ihn nicht verjagt, also was wollt ihr Weiteres. Ich bin auch ein bisschen sehr emotional. Meine Oma ist

auch Mitglied des BdV seit 1990, seitdem es im Kyffhäuserkreis, damals Sondershausen, den BdV gibt. Meine Oma ist nicht da drin, weil sie in ihre alte Heimat will, sondern weil sie seit 45 Jahren die Möglichkeit hat, jetzt ihre Lieder zu singen, ihre Gedichte "Ännchen von Tarau" und was sie alles so gern singt, deswegen ist sie da drin. Ich habe mir auch vor drei Jahren einmal erzählen lassen, wie war die Flucht, weil ich das wissen will, weil das ein Teil der Geschichte unserer Familie ist. Das möchte ich jetzt alles hier gar nicht wiedergeben, was da passiert ist. Meine Oma ist heute fest verwurzelt in Thüringen, nicht nur sie, sondern alle Mitglieder des BdV. Sie sagt heute, Thüringen ist meine zweite Heimat, ich fühle mich hier wohl. Und sie hat ihren Frieden wie alle anderen. Sie haben ihren Frieden mit der Vertreibung gemacht. Aber Ihr Beitrag, Herr Dittes, war kein Beitrag zur Versöhnung.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Danke, Frau Abgeordnete Tasch. Herr Abgeordneter Jaschke, bitte.

Verehrte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, ich habe mich schon zurückgelehnt und wollte nichts mehr sagen. Jetzt aber in Ergänzung zu dem Bericht über die Oma von Frau Tasch möchte ich eigentlich nur noch etwas vorlesen:

"Flinsberg - Zdrój, den 9. Juli 1945 - Sonderbefehl

Laut Befehl der polnischen Regierung wird befohlen:

1. Am 10. Juli 1945" - also einen Tag danach - " ab 7.00 bis 9.00 Uhr wird eine Umsiedlung der deutschen Bevölkerung stattfinden. Zu diesem Zweck haben sich alle Deutschen auf dem Sportplatz einzufinden.

2. Die deutsche Bevölkerung wird in das Gebiet westlich des Flusses Neiße umgesiedelt."

So war die Umsiedlung halt.

"3. Jeder Deutsche darf so viel mitnehmen, wieviel er tragen kann.

4. Kein Transportwagen, keine Ochsen, Pferde usw. wird erlaubt.

5. Das ganze lebendige und tote Inventar bleibt als Eigentum der polnischen Regierung zurück.

6. Nichtausführung des Befehls wird mit dem Tode bestraft.

Garnisionskommandant, gez. Zinkowski, Oberst"

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Frau Abgeordnete Bechthum, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mich hat doch vorhin Herrn Pietzsch's Anschuldigung und eigentlich Beschimpfung der Bundesregierung sehr betroffen gemacht, dass weniger Geld zur Traditionspflege fließen soll. Ich frage - mir geht es ständig durch den Kopf: Wie lange, für wen wird diese Traditionspflege sein? Ich bin selbst Flüchtling. Ich bin 1943 geboren, wir kamen 1945 nach Thüringen. Für uns waren die Menschen in dem Dorf schlimm, was erst einmal in den ersten Jahren unerträglich war, weil wir Fremde waren und sie es auch gesagt haben. Und ich muss sagen, Röhr (Westpreußen) ist unsere Heimat geworden. Für mich ist Thüringen meine Heimat. Wir waren in Elbing zweimal gewesen. Meine Kinder (33/25), die sind Thüringer. Sollen die diese Tradition pflegen. Ich habe eine andere Heimat nicht kennen gelernt, meine Geschwister haben davon erzählt. Wir haben diese Lieder auch gesungen, aber wir haben das bei uns zu Hause getan. Ich weiß nicht, für wen soll diese Tradition gepflegt werden?

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Das ist ein Teil unserer Geschichte.)

Ich sage, das geht mir durch den Kopf, und vielleicht kann man darüber auch mal sprechen. Für wen wird diese Traditionspflege noch über Jahrhunderte dauern?

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Es geht um Kultur und nicht um Folklore. Das ist unsere Geschichte.)

(Unruhe bei der CDU)

Das müssen Sie mir mal erklären. Und ich sehe die ganz große Gefahr; es kann ja jeder die Tradition pflegen, aber wer für mich gefährlich ist, das ist ein Herr Latussek,