Protokoll der Sitzung vom 07.07.2000

Im Übrigen, was Bewegung am Arbeitsmarkt anbelangt, was die Flexibilisierung der Arbeitswelt anbelangt, da gibt es einen ganz interessanten Artikel im Interesse, der wurde ja gestern auch zitiert - Verhältnis in den USA. Nun wollen wir ja gern die Arbeitslosenzahlen der USA haben, unter 4 Prozent oder um die 4 Prozent. Amerikanische Verhältnisse wollen wir nicht so gern, aber mittlerweile hat eben auch Bayern eine Arbeitslosenquote von unter 5 Prozent. Daran sollten wir uns orientieren. Aber wenn dann zum Beispiel Dr. Heß die Frage stellt, ob man sich nicht vielleicht einmal überlegen müsste, dass man auch - ich sage bewusst auch - Leute animiert, dahin zu gehen, wo es Arbeit gibt.

(Zwischenruf Abg. Neudert, PDS: Das haben Sie für Thüringen schon geschafft.)

Das ist ja schon fast verteufelt worden von einigen Ihrer Kollegen. Ich denke, wenn Sie sich diesen Artikel ein

mal genau ansehen, dann werden Sie wissen, was sicher auch der Dr. Heß damit gemeint hat. Die Arbeitslosenquote, die wir heute oder gestern genannt bekommen haben, kann uns nicht befriedigen, das wissen wir alle; aber ich denke, es ist ein Zeichen dafür, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ich weiß nicht, Herr Minister, wie lange mittlerweile Thüringen immer einen Abstand hat gegenüber den anderen neuen Ländern. Man könnte einmal nachschauen, wie lange das so ist. Damit das so bleibt und vielleicht der Abstand sich sogar noch vergrößert, deshalb ist diese Neuorientierung auf dem Arbeitsmarkt nötig, die ist nämlich bitter nötig.

(Beifall bei der CDU)

Frau Thierbach, die Neuorientierung hat ja noch gar nicht richtig begonnen. Im Moment wird ja noch vieles abgearbeitet. Das wissen Sie doch so gut wie ich auch. Die Maßnahmen, die über den 30. Juni verlängert worden sind, die haben doch im Prinzip mit der Neuorientierung noch gar nichts zu tun. Wir sind ja erst einmal dabei, das ist doch ein fortlaufender Prozess, der sich entwickeln muss.

(Zwischenruf aus der PDS-Fraktion: Das Flugwesen, Genossen Bauern.)

Ich denke, es ist ziemlich vermessen zu sagen, die Neuorientierung der Arbeitsmarktpolitik hat nichts gebracht. Arbeitsmarktpolitik muss nachhaltige Beschäftigungseffekte erzielen.

(Beifall bei der CDU)

Das ist mittlerweile ein Satz, der in jeder Rede von Herrn Riester zu hören ist, das möchte ich noch einmal gleich dazu sagen. Durch Struktureffekte Impulse für die weitere wirtschaftliche Entwicklung eines Landes geben, dabei steht für uns, ich sage das immer wieder, ich habe es auch kürzlich im Ausschuss gesagt, an erster Stelle der Mensch, der Arbeit sucht, der eine sinnvolle Beschäftigung sucht. Die Förderung soll dazu beitragen, den regulären Arbeitsmarkt zu erreichen. Wir wissen auch, dass es mit Sicherheit nicht überall möglich sein wird, das ist ganz selbstverständlich. Aber da gehe ich auch mit dem Präsidenten des Landesarbeitsamts überein, dann muss man so ehrlich sein und muss sagen, dass eine sind die sozialpolitischen Maßnahmen, man gibt den Leuten eine Beschäftigung, um sie vielleicht bis zum Rentenalter zu führen, und das andere sind Maßnahmen, die dazu dienen sollen, die Menschen wieder in die Arbeit zu bringen. Aber, meine Damen und Herren, da scheiden sich eben in diesem Haus die Geister. Uns geht es nicht in erster Linie um die Erhaltung von Trägerstrukturen. Um die Arbeitsmarktpolitik betreiben zu können, braucht man Träger, das ist wohl wahr, aber uns geht es in erster Linie darum, dass soviel wie möglich Menschen vermittelt werden können,

(Beifall bei der CDU)

und zwar nach Möglichkeit in den ersten Arbeitsmarkt. Ich sage es, wie ich es kürzlich gesagt habe, da ist es mir ziemlich gleichgültig, ob das ein Träger ist, der eine Maßnahme mit 10 Personen installiert ober ob das 10 Arbeitgeber sind, die jeweils einen einstellen. Ich möchte sogar sagen, wenn 10 Arbeitgeber jeweils einen einstellen, ist die Chance größer, dass diese 10 in Arbeit bleiben.

(Beifall bei der CDU)

Aber, meine Damen und Herren von der PDS, das Wohl und Wehe der Träger liegt Ihnen ja so ungemein am Herzen. Dann frage ich mich natürlich: Wie stehen Sie denn zur Reduzierung des Zivildienstes? Bei mir sind in meiner Sprechstunde pausenlos Träger sozialer Einrichtungen, die die Reduzierung des Zivildienstes beklagen, die fragen, wie das aufgefangen werden soll. Soll das dann auch das Land auffangen?

(Zuruf aus der PDS-Fraktion: Nein.)

Nein, ich frage nur. Ich habe Sie nämlich dazu noch nicht gehört. Und das ist für einige Träger natürlich auch ein Problem.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Die Ab- schaffung der Wehrpflicht schafft Arbeits- plätze, und zwar kostenneutral.)

Ja, ja, Herr Dittes, das ist Ihre liebste Sache.

Meine Damen und Herren, dass die derzeitige Situation, unsere wirtschaftliche Situation, noch eine aktive Arbeitsmarktpolitik fordert, das ist uns allen bekannt. Dass es bestimmte Regionen gibt, wo das mehr nötig ist als bei anderen, das ist ebenso bekannt und die Landesregierung reagiert auch darauf mit bestimmten Programmen für strukturschwache Regionen. Da komme ich noch mal auf die Diskussion von heute Morgen, Herr Kummer. Sie beklagen das Gewerbegebiet UNO, d.h. Ulla, Nohra, Obergrunstädt, wenn Sie zwischen Erfurt und Weimar auf die rechte Seite schauen. Ich bin darauf sehr stolz, denn die Arbeitsplätze, die da entstanden sind, das sind wertschöpfende Arbeitsplätze. Ich bin sehr froh, dass die Zahl der Unternehmen kontinuierlich wächst und dass es kontinuierlich Erweiterungsinvestitionen gibt. Denn das sind die Arbeitsplätze, die wir brauchen,

(Beifall bei der CDU)

um auch Maßnahmen für Leute finanzieren zu können, die selbst keine großen Chancen mehr haben.

(Beifall bei der CDU)

Noch ein Wort zu "50 PLUS". Es wird immer beklagt, dass es dafür keine Richtlinie gibt. Ich denke, dafür haben wir begonnen mit den Maßnahmen, und "50 PLUS" ist nicht für ein halbes Jahr angelegt, sondern längerfristig. Es erinnert mich ein bisschen an die Diskussion im Frühjahr 1997, als es um die Einführung von SAM für Wirtschaftsunternehmen ging. Damals wurde auch von der SPD gesagt: Das wird sowieso nicht angenommen, dafür wird es keine Interessenten geben. Das wird nichts. Das klappt nicht. Wir haben gesehen, es ist angenommen worden. Das ist die Maßnahme gewesen, die am stärksten dazu beigetragen hat, dass geförderte Arbeitnehmer in den Betrieben verbleiben. Natürlich hat es auch Mitnahmeeffekte gegeben. Das haben wir nie bestritten. Natürlich hat es die gegeben. Und heute geht es darum, dass Sie beklagen, dass die Hälfte dieser Maßnahmen weggebrochen ist. Warum sind sie denn weggebrochen?

Frau Abgeordnete Vopel, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich würde jetzt gern weiterreden. Die Hälfte dieser Maßnahmen sind weggebrochen, weil die Bundesregierung zum einen den Personenkreis eingeschränkt hat. Sie hat ja nicht nur Kürzungen finanzieller Art vorgenommen, sondern sie hat auch den Personenkreis eingeschränkt, der in diesen Betrieben arbeiten kann. Das ist natürlich ein Problem für die Betriebe. Das muss man doch mal ganz eindeutig sagen.

Da kommen wir zu dem Punkt, den Sie Herrn Minister Schuster immer vorwerfen. Ich fand es schon bezeichnend, als er bei dieser Arbeitsmarktkonferenz vor den Arbeitslosen gesagt hat, wer dafür verantwortlich ist, und dass Sie dann fröhlich lachen, wenn er dafür ausgebuht wird. Diesen Prozess müssen wir in Berlin abladen. Das ist tatsächlich so. Wenn wir das wieder so haben wollen mit den höheren Zuschüssen, dann müssen wir das bitte in Berlin tun.

Was noch mal die Diskussion angeht. Es ist wirklich gerade bei "50 PLUS" mit allen Beteiligten gesprochen worden, und zwar ziemlich ausführlich. Aber, meine Damen und Herren, wenn die Kommunikation in manchen Verbänden oder Organisationen von oben nach unten nicht so klappt, dafür können Sie nun bitte schön dem Wirtschafts- und Arbeitsminister nicht auch noch die Schuld geben.

(Beifall bei der CDU)

Das scheint aber so zu sein. Was ich besonders schlimm fand, dass zum Zeitpunkt dieser Arbeitsmarktkonferenz Menschen, die in so einer geförderten Maßnahme gewesen sind, noch nicht mal gewusst haben - das war damals schon Wochen her -, dass die Maßnahmen über den

30. Juni hinaus verlängert worden sind. Ich finde, das ist eine Verdummung der Menschen, die da betrieben wird von manchen. Und das ist genau das, was Unruhe schürt und was nicht dazu beiträgt, die Leute zu beruhigen.

(Beifall bei der CDU)

Der Minister hat viele Zahlen genannt. Das möchte ich hier nicht wiederholen. Ich denke, der Prozess des Umsteuerns hat gerade mal begonnen. Denn wenn man das überhaupt so sagen darf, der hat gerade mal begonnen. Ich denke, es ist ein richtiger Weg und wir werden den weitergehen. Es werden auch weiter die Träger eingebunden werden. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich freue mich, dass mittlerweile der Bundesarbeitsminister ein Stück weit unsere Linie fährt. Da kann ich nur sagen, wir waren nur ein bisschen schneller. Das, was ich in den letzten Pressemitteilungen gelesen habe, bestätigt uns, dass wir vor Monaten das Richtige getan haben. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Frau Abgeordnete Vopel, erlauben Sie eine Nachfrage?

Aber ja doch, Herr Ramelow.

Frau Kollegin Vopel, ich würde Ihnen zustimmen, was Ihre Aussagen zum produzierenden Gewerbe auf dem Gewerbegebiet UNO angeht. Würden Sie mir aber auch zustimmen, dass es besser wäre, wenn wir ein Gewerbegebiet dort ausgelastet hätten, und dass es egal ist, ob es GVZ heißt oder UNO, Hauptsache, dass nicht weitere öffentliche Mittel aufgewendet werden müssen, um dieses viel größere Gewerbegebiet möglicherweise noch doppelt und dreifach stützen zu müssen?

Herr Ramelow, mir wäre lieber, wenn beide Gewerbegebiete ausgelastet wären.

(Beifall bei der CDU)

Danke. Ich hätte eine zweite Nachfrage, Frau Kollegin, wenn Sie gestatten. Zu dem Thema, über das wir diskutieren, hatten wir eine gemeinsame Besprechung mit dem Blinden- und Sehbehindertenverband, Sie erinnern sich. Die haben uns ihre Sorgen vorgetragen, ihre Nöte vorgetragen. Ich erinnere mich, dass Sie zugesagt hatten, sich um das Problem der Blinden und Sehbehinderten zu küm

mern, die sich offenkundig gestern an das Parlament gewendet haben mit ihren Sorgen, dass jetzt genau die Stellen abgebaut werden. Sehen Sie eine Möglichkeit, wie wir das Problem gemeinsam lösen können?

Ich habe davon nichts gewusst. Ich habe vor einiger Zeit einen Brief bekommen, in dem stand, dass das Problem damit gelöst sei, nachdem der Minister gesagt hat, dass diese Stellen fortgeführt würden. Diesen Brief habe ich oben.

Es gibt seit gestern einen neuen Brief an den zuständigen Ausschuss, dass die Probleme nicht gelöst sind.

Setzen Sie doch Ihren Disput ein Stückchen weiter außerhalb der öffentlichen Diskussion fort. Danke schön. Als Nächste hat sich Frau Abgeordnete Heß zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, mit der Ressortzuordnung der Arbeitsmarktpolitik vom Sozial- zum Wirtschaftsministerium wurde der Bock zum Gärtner gemacht.

(Heiterkeit bei der CDU)

(Beifall bei der SPD)

Minister Schuster, in den fünf Jahren der großen Koalition ein großer, aber erfolgloser Kämpfer gegen den zweiten Arbeitsmarkt, wird nun der Totengräber dessen.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der SPD)

Tausende Frauen und Männer in Thüringen, vor allem aber Frauen zwischen 45 und 60, verdanken der Verlegung der Arbeitsmarktpolitik ins Wirtschaftsministerium mit diesem Minister den Verlust der Chance, wieder in den Arbeitsprozess zurückkehren zu können.

(Unruhe bei der CDU)