Meine Damen und Herren, es entbehrt natürlich nicht einer gewissen Pikanterie, dass ausgerechnet mich
der Innenausschuss zum Berichterstatter des Gesetzes über den Verdienstorden des Freistaats Thüringen ernannt hat. Der Gesetzentwurf, vorliegend in Drucksache 3/744, wurde in der 23. Sitzung des Thüringer Landtags am 6. Juli 2000 in erster Lesung beraten. In der Beratung ergriffen neben der Landesregierung zwei Fraktionen das Wort, von denen sich eine gegen den Entwurf und eine Fraktion für den Entwurf ausgesprochen hat. Die dritte Fraktion enthielt sich einer Positionierung.
Der Landtag hat den Entwurf mehrheitlich an den Innenausschuss überwiesen, der sich in seiner Sitzung am 7. September mit dem Gesetz befasste. In der Innenausschuss-Sitzung wiederholte der Thüringer Innenminister das Anliegen der Landesregierung: Mit dem Gesetz und der damit beabsichtigten Schaffung eines Verdienstordens soll eine Lücke geschlossen werden, weil es neben Auszeichnungsmöglichkeiten beispielsweise bei der Feuerwehr oder im sozialen Bereich durch die Thüringer Rose keine Anerkennungsmöglichkeiten für Leistungen allgemeiner Art gebe. In der darauf folgenden kurzen Diskussion wiederholte die eine Fraktion ihre grundsätzliche Ablehnung und verwies auf die in der benannten Landtagssitzung dargestellte Position. Folgende Detailfragen waren aber mehrheitlich im Innenausschuss für diskussionswürdig befunden:
1. Die Frage nach der Möglichkeit einer postumen Verleihung des Ordens wurde seitens der Landesregierung derart beantwortet, dass es durch den gegenwärtigen Gesetzestext nicht explizit ausgeschlossen sei.
2. Übereinstimmend verabredeten die Innenausschussmitglieder, dass aktive Mitglieder von der Verleihung ausgeschlossen sein sollten; auch wenn dies nicht im Gesetzestext ausdrücklich so formuliert ist.
3. Durch die Landesregierung wurde dem Innenausschuss auf dessen Wunsch das derzeit vorliegende Muster des Thüringer Verdienstordens präsentiert. Durch eine Fraktion wurde daraufhin die Ablehnung des Ordens auch damit begründet, dass der Orden allein von der Gestaltung her politisch bedenklich sei.
Der Innenausschuss, meine Damen und Herren, empfiehlt mehrheitlich bei zwei Gegenstimmen und einer Stimmenthaltung die Annahme des Gesetzentwurfs.
Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin, erstens will ich keinen Orden, ich kann Sie beruhigen. Zweitens sind wir uns einig, dass aktive Politiker diesen Orden nicht bekommen sollten. Ich glaube, das ist Konsens von der mittleren Seite und von der linken Seite von mir aus gesehen.
Meine Damen und Herren, wir haben zur ersten Lesung dazu gesprochen, der Berichterstatter hat es dargestellt; der Orden sieht vernünftig aus, an dem Orden ist nichts auszusetzen. Der Inhalt und die Ziele - Kollege Pohl, Sie waren doch auch damit einverstanden
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es ist durchaus angemessen, herausragende individuelle Leistungen für das Gemeinwesen besonders herauszuheben und das kann selbstverständlich auf vielfältige Weise erfolgen. Wir haben auf dem Gebiet der Bundesrepublik das Bundesverdienstkreuz und bei den verschiedenen Verbänden und Vereinen gibt es auch die entsprechenden Orden oder Ehrenzeichen. Deshalb halten wir es auch für gegeben, diesen Verdienstorden für besondere Leistungen im Freistaat gesetzlich zu verankern. Unsere Fraktion wird der Drucksache 3/744 zustimmen.
Ein Wort im Nachgang: Angesichts der Beschränkung dieser Orden auf 300 bitte ich natürlich die Landesregierung, bei der Ausgabe oder bei der Verleihung maßvoll umzugehen, damit die späteren Jahrgänge dann auch noch berücksichtigt werden können.
Meine Damen und Herren, Ihnen dürfte meine Kritik, meine grundsätzliche und prinzipielle Kritik aus der ersten Lesung an dem vorliegenden Gesetzentwurf und an dem Anliegen selbst sicherlich noch bekannt sein. Aber ich muss mich in zwei Dingen zu meinem Redebeitrag im Juli dieses Jahres korrigieren.
Die Nachfrage des Abgeordneten Schemmel, ob ich denn dieses in Bronze erhalten hätte und Gespräche mit Mitgliedern der SPD- und auch der CDU-Fraktion, die selbst im Besitz des Abzeichens für gutes Wissen waren oder noch sind, vergegenwärtigen mir meinen Irrtum. Ich hatte nur das Abzeichen für gutes Lernen. Und lassen Sie sich versichert sein, ich wollte mich hier nicht über Wert verkaufen.
Ich habe mich in einem weiteren Punkt in meinem Redebeitrag geirrt, als ich auf ein mögliches Dilemma hingewiesen habe, wenn der künftige Inhaber des Thüringer Verdienstordens gleichzeitig das Tragen des früher erhaltenen Vaterländischen Verdienstordens beabsichtigt. Meine Damen und Herren, dies ist im Ergebnis der mit Einigungsvertrag erfolgten Änderungen des Bundesgesetzes über Titel, Orden und Ehrenzeichen ausgeschlossen. Es ist aber nicht ausgeschlossen, den Thüringer Verdienstorden und auch das Bundesverdienstkreuz neben einem anderen Orden zu tragen. Das ist dann im Hinblick auf die heutige Debatte am Vormittag auch überhaupt nicht mehr lustig, meine Damen und Herren. Ich komme darauf zurück.
Der Abgeordnete Sonntag hat an meinem Redebeitrag nicht ganz zutreffend kritisiert, dass ich in meinem historischen Rückblick nicht auf die Orden eingegangen bin, an denen Blut hing, so wie er es ausdrückte. Als in der vergangen Woche dem Innenausschuss das Muster des Verdienstordens präsentiert wurde, drängte sich nicht nur bei mir die Ähnlichkeit in der Form, trotz seiner etwas schlankeren Art, mit dem Eisernen Kreuz auf.
Es stellt sich natürlich die Frage: Warum begibt man sich allein von der Gestaltung des Ordens in die Tradition des Eisernen Kreuzes und vor allem, in welche politische Tradition begibt man sich damit? Diese notwendig zu stellende Frage wird nicht dadurch überflüssig, dass man auf die Kennzeichnung an Panzern, Flugzeugen und Schiffen der Bundeswehr oder andere Orden der Bundesrepublik verweist. Sie erhält dadurch nur zusätz
liche Brisanz. Das Eiserne Kreuz, meine Damen und Herren, wurde das erste Mal 1813 durch König Friedrich Wilhelm III. von Preußen gestiftet und wurde insgesamt dreimal erneuert. Allein die Aufzählung der Jahre, in denen das Eiserne Kreuz erneuert wurde, dürfte den ersten Aufschluss über die Tradition geben: 1870, 1914 und 1939. Friedrich Wilhelm der III. bezeichnete den während der Napoleonischen Befreiungskriege gestifteten Orden als eingentümliches Monument. Auch wenn, meine Damen und Herren, diese Worte vor 187 Jahren eine etwas andere Bedeutung hatten, sie treffen ganz genauso auf den Verdienstorden des Freistaats Thüringen zu. Entsprechend dem Willen des damaligen preußischen Königs sollte das Eiserne Kreuz nur für die Dauer des Krieges Bestand haben, eine Regel, die allen späteren Erneuerungen ebenso gemein war, ob im Deutsch-Französischen Krieg, im Ersten oder im Zweiten Weltkrieg.
Meine Damen und Herren, das Eiserne Kreuz ist also ein Orden in der Tradition des preußischen und deutschen Militarismus und auch Nationalismus. Die Übernahme eines solchen Zeichens in die bundesrepublikanische Wirklichkeit war ebenso ein politischer Fehlgriff wie die Benennung von Bundeswehrkasernen nach hochrangigen Wehrmachtsoffizieren und -angehörigen. Letzteres hat man in der Zwischenzeit zumindest zum Teil korrigiert. Warum aber nunmehr der Freistaat Thüringen im Jahr 2000 diese politisch höchst bedenkliche Traditionslinie durch die Verwendung des Symbols fortsetzen muss, welches in diesem Jahrhundert Deutschland schon auf sehr verbrecherische Weise in der Welt präsentierte, ist vor diesem Hintergrund, mir zumindest, nicht mehr beantwortbar. Aber dass man sich in der Bundesrepublik ohnehin nicht schwer tut, auch offiziell diese Traditionslinie zu verankern und die festgestellte Ähnlichkeit durchaus kein Zufall ist, wird im bereits erwähnten Bundesgesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen sichtbar. In einer Dokumentation des Panzermuseums Munster in Niedersachsen heißt es zu diesem Gesetz, ich zitiere:
"Mit dem Gesetz wurde die Rechtsgrundlage für das gesamte Auszeichnungswesen der Bundesrepublik einschließlich der Behandlung der Auszeichnung des Dritten Reiches geschaffen. Das Ordensgesetz regelt die Wiederzulassung der meisten Auszeichnungen des Zweiten Weltkrieges in einer geänderten Form, bei der das Hakenkreuz als nationalsozialistisches Emblem fehlt." Nicht zugelassen, meine Damen und Herren, wurden u.a. Friedensauszeichnungen, Parteiauszeichnungen und die Auszeichnungen, die an den Spanischen Bürgerkrieg erinnerten. Weiter heißt es in der Dokumentation: "Soldaten der Bundeswehr dürfen die zugelassenen Kriegsauszeichnungen in der geänderten Form tragen." Soweit die Dokumentation.
Meine Damen und Herren, den Orden, den Hitler 1939 geschaffen hat, dürfen Soldaten der Bundeswehr tragen, lediglich das Erscheinungsbild soll geändert werden. Und ich bin Ihnen, meine Damen und Herren der Landesregierung, durchaus für diesen Gesetzentwurf dankbar, weil Sie mich mit diesem Entwurf auf einen politischen Skandal aufmerksam gemacht haben, der weit mehr als nur eine politische Entgleisung darstellt, auch wenn diese schon mehrere Jahrzehnte zurück liegt. Meine nicht ganz freiwillige Beschäftigung, das gebe ich zu, mit dieser Thematik war aber ein hervorragender Beitrag zu meiner politischen Bildung über die politische Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschland. Und um Ihnen nochmals zu verdeutlichen, welche Auszeichnung hier getragen werden darf, auch durch Soldaten und Angehörige der Bundeswehr, konfrontiere ich Sie mit der Verordnung über die Erneuerung des Eisernen Kreuzes in der Fassung vom 29. Dezember 1944, dort heißt es einleitend: "Nachdem ich mich entschlossen habe, das deutsche Volk zur Abwehr gegen die ihm drohenden Angriffe zu den Waffen zu rufen, erneuere ich eingedenk der heldenmütigen Kämpfe, die Deutschlands Söhne in früheren großen Kriegen zum Schutze der Heimat bestanden haben, den Orden des Eisernen Kreuzes."
Meine Damen und Herren, aber dieser skandalträchtigen politischen Geschmacklosigkeit nicht genug, in § 12 des noch gültigen Bundesgesetzes über Titel, Orden und Ehrenzeichen wird auch noch die Tragweise dieses Ordens geregelt, und zwar in welcher Reihenfolge Orden in der Bundesrepublik zu tragen sind: Dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland und der Rettungsmedaille am Band folgen das Eiserne Kreuz von 1914, das Eiserne Kreuz von 1939 sowie weitere Auszeichnungen für Verdienste im Ersten und Zweiten Weltkrieg, bevor weitere staatlich genehmigte deutsche und ausländische Auszeichnungen folgen.
Ihr Thüringer Verdienstorden, meine Damen und Herren, kann sich also in einer Nachbarschaft mit den Orden befinden, die deutsche Soldaten für ihre Teilnahme an einem Vernichtungskrieg erhalten haben.
(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für So- ziales, Familie und Gesundheit: Das ist eine Beleidigung.)
Meine Damen und Herren, ich habe nur die gesetzlichen Grundlagen hier wiedergegeben. Und auch, meine Damen und Herren, der Hinweis auf die altersbedingte Unwahrscheinlichkeit des Tragens beider Orden entkräftet meinen Vorwurf nicht. Dafür, meine Damen und Herren, trägt das Thüringer Verdienstordensgesetz freilich keine Verantwortung, das ist richtig. Aber für das zumin
dest ähnliche Erscheinungsbild tragen dieses Gesetz und die das Gesetz tragenden Abgeordneten die volle Verantwortung.
Meine Damen und Herren, von uns werden Sie keinerlei Zustimmung erfahren und wir erneuern unsere deutliche Kritik aus der ersten Lesung an dieser Stelle. Orden und der uns hier vorliegende Thüringer Verdienstorden insbesondere sind überholte Relikte einer Zeit, die wir eigentlich überwunden glaubten. Sie bedienen die Interessen der politischen Machthaber viel mehr als die Bedürfnisse derer, die sich gesellschaftlich engagieren.
Ich fordere Sie nochmals auf, meine Damen und Herren, verzichten Sie auf Status und Symbole, schaffen Sie tatsächliche Anerkennung gesellschaftlichen Engagements und setzen Sie keinesfalls eine Traditionslinie fort, die Sie auch an jeder Stelle immer wieder bestreiten. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung hatte ursprünglich nicht beabsichtigt, noch einmal zu diesem Gesetzentwurf, den Sie Ihnen in der 23. Sitzung des Thüringer Landtags am 6. Juli zum Thüringer Verdienstordensgesetz zur Beratung vorgelegt hat, das Wort zu nehmen. Ich denke aber, dass gerade der Beitrag, den der Abgeordnete Dittes geleistet hat, es dringend erforderlich macht, einige Dinge noch einmal zurechtzurücken.
Vorausgegangen, meine sehr verehrten Damen und Herren, war die Überlegung der Landesregierung, dass es zehn Jahre nach der Wiedervereinigung des Landes Thüringen an der Zeit sei, mit diesem Gesetz die Möglichkeit zu schaffen, Bürgerinnen und Bürger zu würdigen, die sich in herausragender Weise Verdienste um unser Land erworben haben.
Es sollen dabei außergewöhnliche Verdienste in den verschiedensten Bereichen des öffentlichen Lebens gewürdigt werden, die vorrangig für den Freistaat Thüringen und seine Bevölkerung erbracht worden sind, so z.B. innovative Leistungen in Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst und Kultur, aber auch langjähriges Engagement im Stillen, so etwa im sozialen Bereich. Dabei, Herr Abgeordneter Dittes, sollen nicht in erster Linie die Personen bedacht werden, die ohnehin im Licht der Öffentlichkeit
stehen, und ich möchte noch einmal betonen, dass eine Verleihung an aktive Politiker nicht unser Ziel ist, sondern grundsätzlich erst nach Abschluss der aktiven Tätigkeit eine Auszeichnung in Betracht gezogen werden sollte. Ich wünsche mir aber, Herr Abgeordneter Dittes, dass viele Menschen im Freistaat Thüringen Ihren aus meiner Sicht höchst unqualifizierten Beitrag im Thüringer Landtag gehört haben.