Was ist nun zu tun? Was kann die Justiz für einen Beitrag leisten? Die Justiz hat Überlegungen angestellt, wie man diesem scheinbaren Teufelskreis entgehen kann, wie er durchbrochen werden kann, d.h. Wege zu finden, wie dem gewalttätigen Ehemann Einhalt geboten werden kann, ohne dass die übrigen Familienangehörigen darunter leiden und ohne dass die Familie endgültig zerbricht.
1. Das wurde bereits von Frau Dr. Bauer erwähnt, wir haben bei den Staatsanwaltschaften Erfurt, Gera und Meiningen Sonderdezernate eingerichtet, die Ermittlungsverfahren wegen Gewalt im sozialen Nahraum bearbeiten. Bei der Staatsanwaltschaft Mühlhausen befindet sich ein solches Dezernat im Aufbau. Infolge dieser Sonderzuständigkeiten sind die jeweiligen Staatsanwälte bereits sensibilisiert für die spezielle Familienproblematik, was letztlich den Opfern zugute kommt. Das ist bereits in Thüringen geschehen. Darüber hinaus wird das Thüringer Justizministerium
gemeinsam mit der Frauenbeauftragten, zunächst begrenzt auf den Bereich einer Staatsanwaltschaft, ein Pilotprojekt beginnen, ähnlich dem so genannten Passauer Modell. Was verbirgt sich hinter dem Passauer Modell? Folgendes: Wenn der Staatsanwalt z.B. durch Anzeige der Betroffenen davon Kenntnis erlangt, dass ein Mann gegen Familienangehörige gewalttätig ist, lädt er diesen zu einer Vernehmung vor. Im Rahmen dieses persönlichen Gesprächs bietet der Staatsanwalt an, das Verfahren nach § 153 a der Strafprozessordnung vorläufig ohne Bestrafung einzustellen, wenn der Beschuldigte z.B. eine Gewaltkonfliktberatungsstelle aufsucht und dort an regelmäßigen Beratungen, ggf. auch gemeinsam mit den übrigen Familienangehörigen, teilnimmt. Geht der Beschuldigte auf dieses Angebot ein und erfüllt er seine Beratungsauflage, wird das gegen ihn eingeleitete Strafverfahren endgültig und folgenlos eingestellt. Bricht der Beschuldigte hingegen die Therapie vorzeitig ab oder verweigert er sich dieser von vornherein, nimmt das Strafverfahren wie bisher seinen normalen Verlauf. Ziel einer solchen Verfahrensweise ist eine Konfliktlösung zwischen Täter und Opfer. Dies wurde heute bereits wiederholt eingefordert. Der gewalttätige Ehepartner wird unter dem Druck des Strafverfahrens dazu gebracht, sich einer Beratung und Therapie zumindest zu öffnen. Strafrechtliche Sanktionen, unter denen letztendlich die Opfer zu leiden hätten, unterbleiben. Was ist noch weiter zu tun? Wie bereits ausgeführt, sind auf Seiten der Staatsanwaltschaft die personellen und organisatorischen Voraussetzungen für die Durchführung eines solchen Modellversuchs geschaffen. Zurzeit sind wir dabei, eine geeignete Beratungsstelle für ein solches Projekt zu schaffen. Selbstverständlich wird durch einen Modellversuch das Problem der Gewalt im sozialen Nahraum nicht gelöst, zumal viele Männer - und das ist bedauerlicherweise auch eine Tatsache - behandlungsresistent sein dürften. Gleichwohl dürfen Gewaltopfer im familiären Bereich, die sich Hilfe suchend an die Strafverfolgungsbehörden wenden, nicht allein gelassen werden. Es darf nichts unversucht bleiben, zumindest in einigen Fällen, deren ausweglos erscheinende Situation mit staatlicher Hilfe zu verbessern. Dies ist ein konkretes Projekt, von der Justiz aus initiiert. Die anderen Maßnahmen, die in dem breiteren Gesamtzusammenhang Gewalt gegen Frauen von der Justiz erbracht werden, hat bereits die Frauenbeauftragte Frau Dr. Bauer dargestellt. Ich denke, Frau Abgeordnete Bechthum, wir haben hier für den Bereich der Justiz in Thüringen einen sehr konkreten Ansatzpunkt gefunden, der sicherlich erfolgreich sein kann im konkreten Fall. Das ist genau der Punkt, den ich bei "BIG" - deshalb habe ich es eingangs erwähnt - vermisse und das ist in der Tat auch die Schwierigkeit, konkret vor Ort an die Menschen heranzukommen und sie zu bewegen, sich auf eine solche Behandlung einzulassen. Ich glaube, dass wir hier in Thüringen mit diesem Projekt "Passauer Modell", was wir ebenfalls versuchen wollen, auf dem richtigen Weg sind. Wenn sich dies bewährt, werden wir dies sicherlich an vielen anderen Stellen - ich habe die vier Staatsanwaltschaften insgesamt genannt, auch noch ausweiten. Schönen Dank.
Möchte eine Fraktion die Aussprache zu diesem Bericht eröffnen? Die PDS-Fraktion signalisiert, dass sie die Aussprache zu diesem Bericht eröffnen möchte. Demzufolge rufe ich auf in der Aussprache Frau Ursula Fischer, PDSFraktion.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, der Passauer Modellversuch ist das älteste und erste Interventionsprojekt in Deutschland. 1992 wurde es in Kooperation einer engagierten Staatsanwältin mit der Universität Passau initiiert. Im Vordergrund dieses Modellversuchs stand das Prinzip "Hilfe statt Bestrafung". Dem können wir folgen. Herr Minister Birkmann, ich werde jetzt auch noch versuchen, ein bisschen juristisch mit der Sache umzugehen, weil Sie ja auch dazu gesprochen haben, was ja auch richtig ist an der Stelle. Das Strafrecht insgesamt bietet weder die Möglichkeit noch ist es geeignet, die Verhältnisse zu ändern, ich glaube, da sind wir uns einig. Eine Zwangstherapie, sagt Herr Birkmann - ich glaube, man kann hier von Therapie überhaupt nicht reden; ich werde auch noch einmal darauf eingehen; fünf Behandlungstermine sind das wohl nicht, aber wie gesagt, darüber muss man reden - als Sanktion ist vor der Feststellung durch ein Gericht, dass ein Unrechtstatbestand erfüllt ist, in einem rechtsstaatlichen Strafverfahren weder zulässig noch wäre sie geeignet, dem sozialen Phänomen der Ausübung männlicher Gewalt bei Konflikten in der Familie wirksam zu begegnen. Die Wissenschaftler und Staatsanwälte, die sich mit dem so genannten Passauer Modell befassen, das die Möglichkeit vorsieht, in den Fällen leichter bis mittelschwerer Körperverletzung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen das Ermittlungsverfahren nach Beratungsauflage einzustellen, behaupten daher im Gegensatz zu den Ausführungen und den Begründungen des CDU-Antrags nicht, dieses Modell sei der gangbare Ausweg aus der Gewalttätigkeit im sozialen Nahraum. In realistischer Einschätzung der Möglichkeiten des Strafrechts handelt es sich für sie lediglich um eine flexiblere Ausnutzung des im Strafprozessrecht verankerten Opportunitätsprinzips im Sinne einer Verbesserung des Opferschutzes, die darin besteht, dass die Erwartungen des Opfers ernst genommen werden, ihm werde durch das durch seine Anzeige veranlasste Strafverfahren eine Hilfe in seiner persönlichen Krisensituation zuteil. Das ist nicht nichts.
Meine Damen und Herren, wenn man sich vergegenwärtigt, dass, gemessen an dem Gesamtphänomen - das ist das falsche Wort - häuslicher Gewalt die Fälle leichter und mittlerer Körperverletzung im sozialen Nahraum, die Gegenstand eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens werden, allenfalls, wie ich vorhin schon sagte, die Spitze des Eisbergs darstellen, wobei nach den Fallzahlen die an dem
Modellprojekt beteiligten Staatsanwaltschaften nicht nur in Passau, sondern auch in Augsburg nur in etwa 6,5 Prozent dieser Fälle das Ermittlungsverfahren durch Einstellung nach Beratungsauflage beendet werden, so wird deutlich, dass bereits, quantitativ betrachtet, das so genannte Passauer Modell möglicherweise nicht der geeignete Beitrag in Thüringen sein kann, um die Häufigkeit von und in der Familie und im sonstigen sozialen Nahbereich verübter Gewaltkriminalität erheblich zu beeinflussen. Das haben Sie auch nicht behauptet. Hierzu bedarf es ganz anderer Maßnahmen der Sozialpolitik und der Kooperation der mit dem Problem befassten Institutionen.
Meine Damen und Herren, der von dem CDU-Antrag an den Tag gelegte Optimismus ist darüber hinaus auch deshalb unbegründet, weil es auch keine zuverlässigen Zahlen gibt, die belegen, dass in den Fällen, in denen ein Ermittlungsverfahren nach Beratungsfällen eingestellt wurde, danach weniger geschlagen wurde als in den Fällen, in denen das Verfahren ohne weitere Folgen nach § 153 oder § 154 Strafprozessordnung beendet wurde. Es ist durchaus nahe liegend, dass in einem großen Teil der Fälle die Beschuldigten ausschließlich nur deshalb einer Beratungsauflage zustimmen, weil sie befürchten, dass anderenfalls Anklage erhoben oder ein Strafbefehl erlassen wird. Dass in diesen Fällen die Wahrnehmung von maximal fünf Beratungsterminen zu einer Verhaltensänderung führen kann, erscheint mir mehr als zweifelhaft - und ich würde schon gar nicht von Therapie reden - und wird selbst im Bericht über das Passauer Modell lediglich als ein erster Einstieg in eine gezielte längerfristige Beratung oder Therapie des Täters angesehen, sofern sich eine solche Therapie, die natürlich freiwillig sein muss, als erforderlich erweist. Dieser Feststellung im Bericht zum Passauer Modell können wir absolut folgen. Das so genannte Passauer Modell sieht die Einstellung nach Beratungsauflagen in einzelnen für die Beratung geeigneten Fällen vor, in denen sonst entweder nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt worden wäre, weil das Opfer im Laufe des Verfahrens seinen Strafantrag zurückgenommen hätte - das kommt ja des Öfteren vor -, oder eingestellt werden muss, weil das Opfer von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hätte oder wegen Geringfügigkeit nach § 153 oder § 154 Strafprozessordnung eingestellt worden wäre und/oder das Ermittlungsverfahren durch Verweis auf den Privatklageweg sein Ende gefunden hätte. Diese von mir genannten Fälle machen die bereits erwähnten 6,5 Prozent an der Gesamtzahl der Ermittlungsverfahren wegen leichter und mittlerer Körperverletzung im sozialen Nahraum aus.
Meine Damen und Herren, es wird von mir nicht in Abrede gestellt werden, dass die vom Passauer Modell vorgeschlagene Reaktionsweise eine sinnvolle Alternative darstellt, die im Einzelfall dem Interesse des Opfers besser gerecht wird, weil das Opfer eine Hilfe bei der Konfliktlösung, aber keine Strafe des Täters erwartet und bei einer folgenlosen Einstellung des Verfahrens in dieser Erwartung enttäuscht würde. Ich muss aber ganz entschieden
der von diesem Antrag hervorgerufenen Illusion entgegentreten, mit der Schaffung der Voraussetzungen zur Umsetzung des Passauer Modells sei bereits der entscheidende Beitrag geleistet, um dem Problem der Gewalt in der Familie und im sonstigen sozialen Nahraum zu begegnen. Ich weiß natürlich, Frau Tasch, dass auch Sie das lediglich als einen ersten Schritt ansehen. Aber, Frau Tasch und Frau Bechthum, besteht nicht die Gefahr, dass dies dann auch der einzige Schritt auf Jahre hinaus bleiben wird, wenn wir jetzt ohne Ausschussüberweisung und die entsprechende Anhörung, die bereits im Ausschuss beschlossen wurde, über diesen Antrag entscheiden? In dieser Anhörung könnten durchaus auch andere Initiativen und andere Modelle zu Wort kommen, die uns in die Lage versetzen, das Passauer Modell so zu modifizieren, dass es auf unsere hiesigen lokalen Verhältnisse passt.
Meine Damen und Herren von der CDU, wir denken, es ist weder klug noch demokratisch, eine Anhörung zu diesem Thema im Ausschuss zu initiieren, wo von vornherein das Ergebnis feststeht. Ich bitte Sie daher und auch die SPD, einer Ausschussüberweisung zuzustimmen. Sollten wir dennoch heute hier über diesen Antrag abstimmen müssen, den mit Sicherheit hier so keiner genau kennt, kann sich die PDS, wie aus dem Beitrag sicher deutlich geworden ist, lediglich enthalten oder muss dagegen stimmen. Wir denken, das müsste nicht sein. Ich bedanke mich.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich werde mich ganz kurz halten. Erst einmal ist mit Freude festzustellen, dass es in diesem Landtag fraktionsübergreifend das Bedürfnis gibt und auch eine Übereinstimmung, Gewalt im sozialen Nahraum anzugehen und dagegen anzukämpfen. Das ist sehr gut und darüber können wir uns auch wirklich freuen. Ich möchte etwas zu diesem Forschungsauftrag "Gewalt im sozialen Nahraum" sagen. Ich weiß noch, wir hatten 1996 die große Kampagne - Frau Dr. Bauer hatte sie mit erwähnt - "Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter" und mir fiel das nachher ein und ich schaute in die Unterlagen. Da wurden alle Projekte, Erfahrungen aus der ganzen Bundesrepublik, unter anderem auch das Passauer Modell, vorgestellt. Und aus dem Hause der damaligen Ministerin Frau Nolte lag eine Pressemitteilung zum Passauer Modell und bereits zu dem von ihr initiierten Berliner Interventionsprojekt, in der es hieß, es ist weitergehend. Ich kann Ihnen das auch zukommen lassen. Deshalb sind wir damals hellhörig geworden. Das Passauer Modell wurde damals als das erstmals vorbildliche und schon funktionierende vorgestellt. Der Forschungsauftrag
"Gewalt im sozialen Nahraum", oder auch als Passauer Modell bekannt, wurde von November 1991 bis Mitte 1994 durchgeführt und durch Prof. Beucke von der Universität Passau wissenschaftlich begleitet. Dieses Projekt hatte zur Aufgabe, Formen des Ausgleichs - Herr Birkmann hat das alles richtig gesagt - zwischen der Forderung nach der Bestrafung des Täters und gleichzeitiger Hilfe statt Strafe, die hier meistens von den Opfern gefordert wird, anzuwenden. Auf Erfahrungen eben dieses Projekts wurde dieses Berliner Interventionsmodell dann hier initiiert und auch bis 1999 wissenschaftlich begleitet. Sicherlich werden wir uns damit noch befassen müssen, was ist da nun das Neue daran, weil Herr Birkmann sagte, es wäre nicht weiter gehend oder es würde da Probleme geben, man muss sich damit befassen. Dieses Passauer Modell ist ein Modell, das in erster Linie nicht auf Prävention ausgerichtet ist, sondern erst beim staatsanwaltschaftlichen Eingreifen zum Tragen kommt. Der präventive Anteil besteht darin, dass eine Wiederholung der Gewalttätigkeit durch den Täter im häuslichen Bereich durch Beratung und Training von sozialem Verhalten verhindert werden soll. Allerdings ist dieses Ziel in fünf Beratungsstunden wohl nur in den seltensten Fällen erreichbar. In den Städten Passau und Augsburg wurden die bestehenden Ehe-, Familien-, Erziehungs- und Alkoholberatungsstellen genutzt. Die Hemmschwelle der Opfer, eine Anzeige gegen Familienangehörige zu erstatten, ist generell sehr hoch. Wir haben darüber auch in Thüringen gesprochen. Ein Ergebnis des Projekts ist, dass diese Hemmschwelle für eine Anzeige in den Modellgebieten Passau und Augsburg herabgesetzt wurde. Die Ergebnisse des Projekts liegen nun schon über fünf Jahre vor. Damals wurde durch die bayerische Landesregierung verkündet, dass sie dieses Modell nach und nach flächendeckend einführen will. Hier müsste man fragen, ist das erfolgt? Wir sind der Auffassung, dass alle Wege, die zur Verhinderung von Gewalt in der Familie, im sozialen Nahraum, wie es dann auch umbenannt wurde, geprüft und wenn sie erfolgversprechend sind, auch gegangen werden müssen. Aber ich möchte noch einmal betonen, präventive Maßnahmen haben für uns den Vorrang. Und festgelegt werden soll, ich weiß nicht, war das der Prüfbericht der Landesregierung schon? Ich schlage auch vor im Namen unserer Fraktion, dass wir im Gleichstellungsausschuss mehrere Projekte beraten oder zumindest die beiden - das Passauer und das von Ihrer eigenen damaligen Ministerin initiierte, das war mit ihre Idee. Da können Sie jetzt nicht sagen, das ist nichts. Das kann nicht sein. Diese beiden Projekte sollen verglichen und beraten werden und auch Fachleute hierzu gehört werden. Ich bedanke mich.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, Frau Fischer, wir sind nicht so optimistisch und auch nicht so blauäugig, um zu glauben, dass, wenn wir heute unserem Antrag zustimmen, morgen die Gewalt im sozialen Nahraum so zurückgedrängt wird, dass sie nicht mehr vorkommt. So blauäugig und optimistisch sind wir auch nicht und wir geben uns auch nicht der Illusion hin, dass es in absehbarer Zeit keine Gewalt im sozialen Nahraum mehr gibt. Frau Neudert, Sie hatten vorhin gesagt, auch wir in Thüringen müssten das nationale Aktionsjahr mit Leben erfüllen und genau das ist das Ergebnis dieses Antrags. Wir haben innerhalb unserer Fraktion nach Möglichkeiten gesucht, der Gewalt im sozialen Nahraum Herr zu werden, sie einzudämmen. Dass es kein Allheilmittel, sondern ein kleiner Schritt ist, wird von uns überhaupt nicht in Abrede gestellt. Aber ich denke mal, man sollte anfangen und nicht nur immer alles aufzählen - es gibt viel - aber jede Fraktion kann hier auch etwas einbringen. Wir sind die Ersten, die hier ein konkretes Modell einbringen und ich denke, das ist ein Fortschritt in diesem Bereich.
Sie hätten das schon längst auch machen können, Herr Buse. Sie hätten längst ein BIG-Modell hier einbringen können, in Osnabrück gibt es ein Modell und überall, das hätten Sie als Antrag längst formulieren können.
Meine Damen und Herren, Gewalt im sozialen Nahraum ist in unserer Gesellschaft die am weitesten verbreitete Gewaltform. Jede siebte Frau war mindestens einmal in ihrem Leben Opfer einer Vergewaltigung. Zu körperlicher Gewalt gegen Frauen kommt es in jeder dritten Partnerschaft. Aber nicht nur die körperliche Gewalt, sondern auch die Missachtung, die Herabwürdigung und die gezielte Zerstörung der Selbstachtung sind Formen der Gewalt gegen Frauen. Gewalt gegen Frauen, insbesondere die Gewalt gegen Frauen in der Privatsphäre, im so genannten sozialen Nahraum, ist noch immer ein Tabuthema. Und wie wenig dieses Thema auch dem öffentlichen Interesse gilt, das zeigt, dass die Anträge heute von SPD und CDU zum Thema "Gewalt im sozialen Nahraum" lediglich in einer Tageszeitung eine Rolle gespielt haben. Das ist für mich auch ein Ausdruck, wie doch gerade das Thema nicht wahrgenommen werden will. Deshalb ist es auch so schwer, dieses Thema öffentlich zu ächten und zu bekämpfen.
Von Gewalt im sozialen Nahraum sind neben Frauen auch besonders Kinder betroffen. Die Familie ist die erste Sozialisationsinstanz. Lebenslange Verhaltensmuster werden hier aufgebaut und können später nur schwer geändert werden. Die Familie gilt als Privatsphäre - ein Ort in den sich niemand einmischt. Gerade hier liegt für mich auch eine der Ursachen für die anhaltende Gewalt gegen Frauen. Das hat sicher jeder schon erlebt, keiner weiß, wie er sich ver
halten soll, wenn er weiß, in Familien herrscht Gewalt. Soll man sich einmischen, soll man es nicht - man tut sich schwer damit. Die Gewalt in der Familie, ich habe es schon gesagt, ist noch ein gesellschaftliches Tabu. Ähnlich wie es noch vor einigen Jahren beim sexuellen Missbrauch von Kindern war, wird über dieses Thema in der Familie nicht gesprochen. Viele meinen auch, das Thema sei ein Problem sozialer Randgruppen. Aber das ist eben nicht so. Gewalt gegen Frauen gibt es in allen Schichten. Der daraus resultierende Lernprozess für die Kinder kann eindeutiger nicht sein - leider. Kinder, die in einem solchen Gewaltklima aufwachsen, lernen je nach Geschlecht verschiedene Dinge. Männer drohen, Frauen lassen sich einschüchtern und schlagen. Männer sind in ihrer Macht siegreich, Frauen haben sich anzupassen. Die individuellen Grundlagen für Täter und Opfer von häuslicher Beziehungsgewalt werden in Familien geschaffen. Es ist plausibel anzunehmen, dass gerade für Jungen ein Lernen am familiären Gewaltmodell die Einstellung fördert, dass Gewalt ein angemessener und erfolgreicher Wert ist. Und gerade Jugendliche, die so aufgewachsen sind, üben diese Gewalt dann nicht nur zu Hause aus, sondern auch in der Öffentlichkeit, nach Fußballspielen usw. Wir aber meinen, wenn wir den Gewaltkreislauf im Falle der häuslichen Gewalt stoppen, dann müssen auch die Täter mit einbezogen werden. Wir brauchen Angebote für Täter mit dem Ziel, sein Verhalten zu verbessern und zu verändern. Hier setzt eben dieses Passauer Modell ein. Ich hatte mir aufgeschrieben, was es alles beinhaltet, aber das wurde von Frau Bechtum und Herrn Minister Birkmann schon vorgetragen. Wir finden, dieses Passauer Modell ist ein Schritt, es ist ermutigend. Die Resonanz war verschieden, aber auch gut. Das Berliner Modell, welches Frau Bechthum angesprochen hat, hat doch eine etwas andere Zielsetzung als das Passauer. Im Passauer wird versucht, im Rahmen justizieller Zuständigkeit im relativ engen Bereich der einstellungsfähigen Gewaltdelikte unkonventionelle Wege zu beschreiten. Das finden wir gut und das ist für uns der erste Schritt. Ich hatte zu Beginn gesagt, wir sind uns dessen voll bewusst, dass dieses kein Allheilmittel ist und wir sind uns auch bewusst, dass es vieler kleiner Schritte bedarf. Wir werden uns weiter mit diesem Thema beschäftigen und auch Lösungsvorschläge dem Plenum in den nächsten Jahren vorlegen. Aber ich sage, wie immer im Leben gibt es zwei Möglichkeiten: Ich kann jammern, ich kann beklagen und kann immer aufzeigen, was alles nicht geht. Die CDUFraktion hat ihren Weg aufgezeigt, wie es einen Ausweg aus der Gewalt geben kann und wir bieten an, gehen Sie diesen Weg mit uns, um Frauen, Kindern und Männern zu helfen, mit ihrer familiären Situation fertig zu werden. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. Vielen Dank.
Aus der Mitte des Hauses werden keine weiteren Redewünsche signalisiert. Es ist aber beantragt worden, dass der Bericht im Ausschuss fortberaten wird. Die PDS-Frak
tion als die Fraktion, die auch die Aussprache beantragt hat, hat diese Fortberatung im Ausschuss beantragt. Ist das richtig so? Ja. Über den Antrag auf Fortberatung im Gleichstellungsausschuss stimmen wir jetzt ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Danke schön. Stimmenthaltungen? Es gibt keine Stimmenthaltungen und eine Mehrheit von ablehnenden Stimmen. Damit ist die Fortberatung im Ausschuss abgelehnt. Ich stelle nun fest, dass gemäß § 106 Abs. 2 der Geschäftsordnung, das Berichtsersuchen erfüllt ist, falls keiner widerspricht. Es wird nicht widersprochen und demzufolge gilt das Berichtsersuchen als erfüllt. Ich schließe den Tagesordnungspunkt.
a) Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit in Thüringen Antrag der Fraktion der PDS - Drucksache 3/923
b) Sofortprogramme zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit in Thüringen Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 3/925
Die einreichenden Fraktionen muss ich jetzt noch mal fragen, wollen Sie Begründung? Die PDS-Fraktion nicht, die SPD-Fraktion auch nicht. Wir kommen damit zur Aussprache über den Antrag. Für die CDU-Fraktion hat sich zu Wort gemeldet Frau Abgeordnete Wackernagel.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Jugendarbeitslosigkeit ist ein Problem und wir stehen immer wieder an dieser Stelle, um uns damit zu befassen. Das ist nicht nur in Thüringen so, sondern in allen neuen Ländern. Die Arbeitslosenquote der unter 25-Jährigen ist höher als im August des Vorjahres, und das auch nicht nur in Thüringen, sondern in allen neuen Ländern. Der Grund hierfür ist auch kein thüringenspezifischer Grund, sondern der Wegfall von Bundeszuschüssen begründet dies. So wurden im Jugendsofortprogramm des Bundes vor einem Jahr rund 1.300 Jugendliche mehr gefördert. Durch die Reduzierung der Lohnkostenzuschüsse durch den Bund wurden in Thüringen über 17.000 Personen weniger in SAM, OFW gefördert als vor einem Jahr. Hiervon sind in erheblichem Maße auch Jugendliche betroffen.
Meine Damen und Herren, Jugendliche, die Schwierigkeiten haben, sich in das Berufsleben zu integrieren..., das war auch der Wunsch der Landesregierung in den Jahren 1997 und 1999 und ist es auch noch heute. Aus diesem Grund wurde im Jahr 1997 das Programm "JANA" aufgelegt, mit dem insgesamt 857 Personen gefördert wurden; im Jahr 1998 das Programm "Job" mit ca. 2.000 zu fördernden Jugendlichen. Die Programme sind nacheinander und auch gleichzeitig gelaufen und haben einer begrenzten Anzahl
Diese Hilfe war sehr teuer, bei "JANA" gab es 27.000 Mio. DM, wie gesagt, für 857 Jugendliche, bei "Job" über 50.000 Mio. DM für ca. 2.000 Jugendliche. Bei "Job" lag die Integrationsquote nach einem halben Jahr bei 61 Prozent, das ist doch schon gut, würde ich sagen. Was ich Ihnen hier sagen möchte, ist, dass es sich um zwei recht teure Programme gehandelt hat, welche nicht zuletzt wegen der hohen Kosten zwar einen gewissen Erfolg hatten, aber nicht das Allheilmittel waren, um die Jugendarbeitslosigkeit zu beseitigen. Es ist auch nicht möglich, den durch die Kürzung des Bundes verursachten Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit allein mit Landesprogrammen abzufangen.
Meine Damen und Herren, das soll natürlich nicht dazu führen, die Hände in den Schoß zu legen und abzuwarten, nein; wir brauchen ein Sofortprogramm und ich bin froh, dass die Landesregierung schnell reagiert und ein solches aufgelegt hat, und zwar ein Sofortprogramm im Sinne des Wortes, welches schnell anlaufen konnte, leicht handhabbar und auch effizient ist, denn es bringt Jugendliche ohne Umwege über Qualifizierung und Betreuung in die Betriebe.
Meine Damen und Herren, ich weiß, dass eine entsprechende Betreuung bei manchen Jugendlichen notwendig ist, aber hierfür sollten zielgruppenorientierte Projekte hinzukommen, wenn das operationelle Programm genehmigt ist. Bei den jetzt aufgelegten Sofortprogrammen handelt es sich nach meiner Auffassung um das bessere Konzept und ich kündige an, dass wir uns für eine weitere Umschichtung von Mitteln des Programms einsetzen werden, wenn die 7 Mio. DM ausgeschöpft sind und weiterer Bedarf besteht.
Wir haben ein Sofortprogramm, welches eine sehr gute Resonanz hat. Es bedarf nicht einer Neuauflage von "JANA" und "Job". Aus diesem Grunde beantrage ich für meine Fraktion, den Antrag der PDS und den Antrag der SPD abzulehnen. Danke.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Wackernagel, Ihre Begründung für die hohe Jugendarbeitslosigkeit hat ein Argument zum Vorschein gebracht, und zwar die sinkenden Mittel zum einen aus "JUMP" und zum Zweiten die SAM-Problematik, jeweils verursacht durch die Bundesregierung, wenn ich das so sagen kann. Ein anderes wichtiges Argument haben Sie natürlich außer Acht gelassen und das ist, dass wir in diesem Jahr mehrere Tausend junge Leute aus vollzeitschulischen Maßnahmen haben, aus außerbetrieblichen Maßnahmen, die auf den Arbeitsmarkt drängen und nach wie vor schlechtere Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt haben als betrieblich ausgebildete Jugendliche. Das, denke ich, begründet auch den besonderen Handlungsbedarf hier für uns in Thüringen. Ich denke, wir können es uns nicht so einfach machen, die Jugendarbeitslosigkeit mehr oder weniger auf die Bundesebene zu schieben. Darum habe ich schon im Juni an Sie appelliert, dass Sie sich das nicht so einfach machen.
Sie haben gesagt, dass "JANA" und "Job" sehr teure Programme waren. Ich lege Wert darauf zu sagen, es waren teure Programme, aber erfolgreiche Programme. Ich meine, dass auch der Antrag unserer Fraktion so viel Spielraum lässt, der sagt nämlich nicht "JANA" und "Job" wieder aufzulegen, sondern an "JANA" und "Job" orientierte Programme, und ich denke, wir hätten auch in den nächsten Tagen und Wochen Zeit, uns gemeinsam was einfallen zu lassen, was den Jugendlichen hier wirklich hilft. Warum wir es für so wichtig halten, neben diesem 7 Mio. DMProgramm von Minister Schuster - das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber nicht ausreichend - zusätzliche Programme aufzulegen, will ich noch einmal ganz kurz begründen. Wir werden auch nach der so genannten Herbstbereinigung, über die Herr Schuster im Juni hier gesprochen hat, einen höheren Sockel an jugendlichen Arbeitslosen haben als in den letzten Jahren. Das hängt zum Teil mit den im Wesentlichen gebundenen JUMP-Mitteln zusammen und es hängt aber auch damit zusammen, dass mehr Jugendliche aus diesen schon vorhin benannten Maßnahmen auf den Arbeitsmarkt drängen. Vor dem Hintergrund der steigenden Abwanderung, das haben wir in den letzten beiden Plenartagungen immer wieder diskutiert, denke ich, gibt es schnellen Handlungsbedarf.
Ich meine - ich will das hier wirklich kurz machen, um es nicht unnötig in die Länge zu ziehen -, wir hätten jetzt die Möglichkeit zu handeln, wie gesagt, wir unterstützen das, was Herr Schuster aufgelegt hat. Wir meinen aber, es muss schnell weiter gehandelt werden. Wir brauchen auch Signale an die jungen Leute draußen, dass wir ihnen hier vernünftige Arbeits- und Lebensperspektiven in Thüringen bieten. Das war es, danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es liegen Ihnen zwei Anträge vor, in denen es um Sofortprogramme zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit geht mit zwei Aspekten. Einmal geht es um die Fortführung der bewährten Programme "JANA" und "Job". Wir halten es für notwendig, dass diese Programme fortgeführt werden. Ich komme noch einmal kurz auf die Inhalte dieser beiden Programme zurück bzw. es bestünde auch die Möglichkeit, wenn man sich an den beiden Namen stößt oder wenn man Projekte nicht fortsetzen will, weil sie aus der ehemaligen großen Koalition sind, diese Programme auch anders zu benennen, das ist dann im PDS-Antrag beschrieben. Herr Minister Schuster, wir erkennen Ihre Initiative an, die 7 Mio. DM für ein Sofortprogramm zur Verfügung zu stellen, wenngleich wir sagen, es wird zu wenig sein, und wenngleich wir sagen, dieses Geld ist nicht zusätzlich bereitgestellt worden, es ist umgeschichtet worden und das Anliegen der SPD-Fraktion geht dahin, zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen. Sie selber haben ja auch immer auf den Aspekt nicht nur speziell der Ausbildungssituation, sondern der Jugendarbeitslosigkeit Wert gelegt. Das Problem an der zweiten Schwelle ist allen bekannt und genau hier muss etwas getan werden. Im Programm "JANA" waren die Zielgruppe der Modellmaßnahme, die 1997 begann, Jugendliche, die nach ihrer meist außerbetrieblichen Ausbildung arbeitslos wurden und ohne Berufserfahrung nur geringe Chancen auf dem Arbeitsmarkt hatten. Die Teilnehmer wurden nach einer einmonatigen Orientierungsphase entsprechend ihrer Ausbildung in Arbeitsverhältnisse von mindestens einjähriger Dauer vermittelt. Dort erfolgte dann eine arbeitsplatzspezifische Qualifizierung. Die Arbeitgeber erhielten für den Teilnehmer einen Lohnkostenzuschuss von 1.800 DM monatlich, den Trägern wurden die erforderlichen Personal- und Sachkosten erstattet. Im Frühjahr 1998 ist "JANA 2" mit 100 Teilnehmern gestartet. Die Resonanz auf das Projekt war groß, zum 30.10.1997 waren 758 Jugendliche im Projekt und davon, und das ist auch ein ganz wichtiger Aspekt, wir hatten eben auch frauenspezifische Diskussionen, waren 73 Prozent weiblich. Die jungen Menschen haben in den Projekten Berufserfahrung erworben, Geld verdient und damit wurde Motivation und Selbstwertgefühl gesteigert. Mit dem Programm 1997 und 1998 wurden insgesamt 857 jugendliche Teilnehmer an der zweiten Schwelle gefördert. Das Mittelvolumen betrug rund 27 Mio. DM. Das ist korrekt. Das Programm ging ja auch über mehrere Jahre. Ich denke, die Mittel waren ordnungsgemäß und richtig eingesetzt. Das Nachfolgeprojekt "Job" begann im Oktober 1998. An diesem Programm haben sich mehr als 2.000 Jugendliche beteiligt, von denen 1.933 junge Frauen und