Protokoll der Sitzung vom 11.10.2000

(Beifall Abg. Gentzel, SPD)

und ich befürchte, dass in den 15 Akten der Koordinierungsrunde diese und ähnliche Sachen alle wieder drin sind. Und, meine Damen und Herren, lassen Sie es mich sagen, auch der Vorgang, der mich vor zehn Monaten hier der Beschimpfung der Schmutzecken unterzogen hat,

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: LEG.)

ja, LEG, Entschuldigung, Herr Wetzel, das sage ich Ihnen, die Angelegenheit Thüringer Motorenwerk - und da empfehle ich Ihnen den Bericht des Rechnungshofs, den aktuellen, da sind alle diese Vorwürfe, die in dem Prüfungsbericht staatliche Rechnungsprüfungsstelle drin waren, wiederholt und nicht zurückgenommen worden, nicht relativiert worden sind. Da sind ähnliche Tricksie-Vorgänge drin, bei denen Aufträge geschrieben worden sind, Briefe vorgefertigt worden sind, die anschließend von Ministerien umgesetzt und vollzogen worden sind, alles das, was ich heute vom Hauptrichterrat gehört habe. Die Leseart ist nicht neu, die Leseart ist nicht anders, meine Damen und Herren, ich stelle für mich fest, dass es hier ein mangelndes Unrechtsbewusstsein gibt. Noch eine letzte Bemerkung, Herr Gnauck, Sie sagen immer wieder,

(Zwischenruf Abg. B. Wolf, CDU: Das ist die Legende.)

wir wären die 5. Kolonne von Reiner Pilz und das alles sei eine Intrige. Wollen Sie damit wirklich sagen, dass an einer Intrige der Hauptrichterrat beteiligt ist? Wollen Sie damit sagen, dass alle, die anderer Meinung sind, alle, die anders die Dokumente lesen, die 5. Kolonne von Reiner Pilz sind? Und im Übrigen, Herr Gnauck, es ist einfach unzutreffend, ich habe es noch nicht gefunden, den Vorwurf, dass Reiner Pilz sich damit verteidigt, dass die Lan

desregierung der Mitwisserschaft bezichtigt werden kann. Das behaupten die anderen Angeklagten dort. Von Reiner Pilz weiß ich es nicht. Ich habe es zumindest in keinem der Dokumente gefunden. Er behauptet immer noch hartnäckig, dass alles in Ordnung war. Ich bleibe aber trotzdem dabei, dass vieles nicht in Ordnung war und dass ich der Auffassung bin, dass es aufgeklärt gehört. Nur der Punkt ist, Sie verwechseln die Anträge der Hofäcker-Anwälte mit den Anträgen dessen, was Reiner Pilz dort macht. Sie schmeißen das alles in einen Topf und das alles geht nach der Lesart, es ist alles eine Intrige, es ist alles nur gegen die Landesregierung, es ist alles nur zum Beschmutzen der Landesregierung und der CDU geeignet und nur deswegen so gemacht, weil wir ansonsten ja nichts zu bieten hätten. Das kommt schon ein bisschen vor, als wenn Sie hier nicht die Wahl gewonnen hätten, sondern als ob hier eine Krönungsmesse in dem hohen Haus stattgefunden hat und

(Beifall bei der PDS, SPD)

dass die Landesregierung beschlossen hat, die Erde ist eine Scheibe und jeder, der es wagt, auch nur Kritik daran zu üben, und jeder der es nur wagt zu sagen, die Erde könnte eine Kugel sein oder es gibt Indizien, dass sie rund sein könnte, der gehört nach Ihrer Lesart immer noch auf den Scheiterhaufen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Hören Sie doch auf mit der Strategie, das ist zu durchschauen. Ich denke, es wird langsam Zeit, dass Ordnung geschaffen wird, was die ganzen Förderinstrumente TIB TAB, LEG angeht, aber genauso auch, wenn Sie dem Justizminister einen Gefallen tun möchten. Ich unterstützte das nicht, was Otto Kretschmer hier verlangt hat, es würde genügen, ein formelles Verfahren nach § 353 b Strafgesetzbuch in Gang zu setzen, damit auch der Justizminister eine Chance hat, dass alles Be- und Entlastende auf den Tisch gehört. Im Justizausschuss ist es nicht auf den Tisch gekommen, da haben Sie mit Ihrer Mehrheit einfach nur beschlossen, die Erde ist eine Scheibe. Hören Sie auf damit!

(Beifall bei der PDS, SPD)

Herr Abgeordneter Lippmann, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, im Vorfeld habe ich mir überlegt, was denn bei diesem Thema von der CDU kommen könnte, und habe mir gedacht, Sie werden sagen, Angriff ist die beste Verteidigung, das heißt also, Sie werden versuchen, uns als die parlamentarischen Anwälte von Pilz hinzustellen, zum einen, und Sie könnten versuchen wollen,

(Zwischenruf Abg. B. Wolf, CDU)

uns vorzuwerfen, wir hätten keine Wirtschaftsförderung, vor allen Dingen in dieser Zeit, betreiben wollen. Das Thema Pilz hat einen beihilferechtlichen Teil und hat einen strafprozessualen Teil, zu dem letzteren ist jetzt sehr viel gesagt worden. Ich möchte noch ein paar Bemerkungen zu dem beihilferechtlichen Teil machen und dabei ein Teilstück in diesem Bereich berühren, das heute noch nicht zur Sprache gekommen ist. Was liegt vor uns? Vor uns liegt ein ungewisser Ausgang in der Strafsache gegen Pilz und andere mit den für die Landesregierung so beschämenden Begleitumständen, die nicht nur der Landesregierung Schaden bereiten, sondern auch dem Land Schaden zufügen.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens, was liegt noch vor uns? Wir wissen nicht, wie wir mit der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 21.06.2000 umgehen wollen, wo eine erstaunlich hohe dreistellige Millionensumme von Deutschland zurückgefordert wird. D.h., Deutschland wird aufgefordert, diese Rückforderung zu betreiben. Der Prozessausgang in Mühlhausen wird freilich die Entscheidung der Europäischen Kommission nicht mehr beeinflussen und auch nicht mehr rückgängig machen können. Die Kommission hat beanstandet, und jetzt komme ich auf den Fall, der - so glaube ich - auch für die Beurteilung der Situation wichtig ist, zu sprechen: Was hat die Kommission beanstandet? Und wenn ich heute etwas zitiere, dann sind dieses nur EUMaterialien und der Schriftverkehr aus dem Wirtschaftsministerium, von der TAB und von der Thüringer Industriebeteiligungsgesellschaft. Das sage ich hier gleich einmal im Vorfeld. Die Kommission hat erstens beanstandet, die Gewährung von Investitionszuschüssen entspreche nicht den Gemeinschaftsleitlinien für regionale Beihilfen, da sie zum großen Teil dem Verlustausgleich innerhalb der Pilz-Gruppe dienten. Das ist unstrittig, damit hatten wir uns ja auch kürzlich schon befasst. Die Europäische Kommission hat zweitens beanstandet, dass die Voraussetzungen und Auflagen bei staatlichen Bürgschaften nicht eingehalten worden seien. Die Kommission hat drittens beanstandet, dass Beihilfemissbrauch durch den Empfänger vermutet wird. In der Zwischenzeit kann man nicht mehr von Vermutung sprechen, sondern der Tatbestand kann als erfüllt betrachtet werden. Die Kommission hat viertens beanstandet, dass zu keiner Zeit ein Umstrukturierungsplan existiert hat, der die Rentabilität des Unternehmens hätte wiederherstellen können. Und letztlich hat die Kommission beanstandet, dass die Beihilfen zum überwiegenden Teil vor Anmeldung bei der Kommission und vollständig vor der Entscheidung der Kommission gewährt worden sind. Das sind ernst zu nehmende Vorwürfe. Der letzte Punkt ist im Übrigen auch der zentrale Punkt, zu dem es noch etwas zu sagen gelte in diesem Land. Wir wollen ja auch etwas prophylaktisch wirken.

Ich sage es ausdrücklich, Herr Kretschmer, Sie hatten vorhin, und auch Herr Gnauck hat davon gesprochen, so den Eindruck zu erwecken versucht, wir hätten damals ja für den Erhalt der Unternehmen gekämpft und hätten uns dafür eingesetzt. Ich glaube, da waren wir immer und jederzeit einer Meinung, über die Methoden sicherlich nicht. Ich sage es ausdrücklich, die SPD hat niemals das Gewähren von Beihilfen beanstandet - niemals, zu keiner Zeit, auch bei dem Unternehmen Pilz nicht. Ich sage das ausdrücklich, damit mit dieser Mär endlich aufgeräumt wird. Wir räumen ja heute auf. Herr Gnauck hat vorhin auch einmal aufgeräumt.

Nun ist aber ein Bescheid über eine Rückforderung da und wie ist damit umzugehen. Im Vorfeld, und das ist jetzt der zentrale Punkt, dieser Entscheidung der Europäischen Kommission vom 21.06.2000 hat es, die Angaben liegen uns lückenlos vor, im Laufe von genau fünf Jahren, nämlich vom 06.10.1994 bis zu 19.10.1999, eine Fülle von Anfragen, Auflagen, Anforderungen der Europäischen Kommission an Deutschland, in diesem Fall an die Thüringer Landesregierung, gegeben, in schriftlicher Form, mit der Bitte, in schriftlicher Form Licht in das Dunkel der beihilferechtlichen Maßnahmen zu bringen. Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist zum überwiegenden Teil nicht und wenn, dann nur unvollständig geschehen. Der uns vorliegende Schriftverkehr legt den Verdacht nahe, dass die der Europäischen Kommission zur Verfügung gestellten Informationen bewusst verstümmelt und lückenhaft waren. So war der deutschen Seite beispielsweise seit mindestens 1994, jedoch vermutlich früher, bekannt, dass eine massive Mittelfehlverwendung eingetreten war. Dazu gab es trotz mehrfacher Nachfragen aus Brüssel von deutscher Seite niemals Aufklärung, meine sehr verehrten Damen und Herren. An dieser Stelle gibt es einen direkten Zusammenhang mit der Strafsache gegen Pilz, nämlich insoweit, ob und in welchem Maße die Landesregierung zu einem sehr frühen Zeitpunkt Kenntnis von dieser Mittelfehlverwendung hatte und aus welchem Grunde sie nicht korrigierend eingeschritten ist. Ich rede nicht von dem Antrag, über den hier schon mehrfach geredet worden ist. Schriftverkehr aus dem Wirtschaftsministerium zufolge war sehr wohl bekannt, dass man gegen die Grundsätze des Beihilferechts verstoßen würde und verstoßen hat. Es kann festgestellt werden, meine sehr verehrten Damen und Herren, und jetzt fasse ich das auch einmal ganz schnell zusammen, damit das klar und präzise ist: Es gibt im Europäischen Beihilferecht Spielregeln. An diese Spielregeln hat sich auch die Thüringer Landesregierung zu halten. Sie hat dies in massiver Form nicht getan.

Zweitens: Die Thüringer Landesregierung hat durch einen unglaublich leichtfertigen Umgang nicht mit den Beihilfen - und ich sage es ausdrücklich, nicht mit den Beihilfen -, sondern mit dem Beihilferecht dem Ansehen des Landes Schaden zugefügt. Sie hat keine Beihilfen rechtzeitig oder überhaupt notifizieren lassen.

Drittens: Die Thüringer Landesregierung hat zur Klärung und Schadensabwendung trotz mehrfacher Aufforderung durch die Europäische Kommission nicht die Kooperationsbereitschaft an den Tag gelegt, die notwendig gewesen wäre, um Schaden von dem jetzt letztendlich betroffenen Nachfolgeunternehmen abzuwenden, obwohl dies zweifelsohne möglich gewesen wäre.

(Zwischenruf Trautvetter, Finanzminister: Es gibt kein Nachfolgeunternehmen, Herr Lippmann.)

Es gibt die CDA GmbH.

(Zwischenruf Trautvetter, Finanzminister: Das ist nicht das Nachfolgeunternehmen.)

Dann meine ich dieses, wenn es Ihnen recht ist. Sie hat es versäumt, die Europäische Kommission in das Boot schwerer Entscheidungen zu nehmen. Ich glaube, das muss man in dieser Zeit getan haben. Wir fordern letztendlich die Landesregierung auf, im Zusammenhang mit den bundesdeutschen Behörden und der Europäischen Kommission das in der Rechtsnachfolge zumindest agierende Unternehmen CDA in einer Art und Weise zu schützen, die den Rechtsnormen nicht widerspricht

(Zwischenruf Richwien, Staatssekretär: Es gibt keine Rechtsnachfolge.)

und den Bestand des Unternehmens und seine Arbeitsplätze garantiert. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Althaus.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, wir erleben hier heute, aber auch in den letzten Wochen den Versuch der Opposition, für einen reißerischen Wirtschaftskrimi das Drehbuch zu schreiben. Wer heute die Debatte verfolgt, aber auch das, was in den letzten Wochen geäußert wurde, der spürt, der Inhalt ist sehr dünn. Aber zu einem taugt dieser Inhalt, er schadet dem Ruf des Landes.

(Beifall bei der CDU)

Ich denke, es ist auch nicht Aufgabe der Oppositionspolitik in einem Land, derart rufschädigend auf die Dauer zu wirken. Statt konstruktive Alternativpolitik zur Regierungsfraktion zu entwickeln, geben Sie sich einem oberflächlichen Politikshowgeschäft hin. Sehr geehrter Herr Gentzel, ich weise in aller Entschiedenheit Ihre abenteuerlichen und ungeheuerlichen Unterstellungen im Blick auf

unsere Wahlkämpfe 1994 und 1999 in Bezug auf die Finanzierung zurück.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU: Das war doch eine Büttenrede.)

Ihr Vergleich des Handelns der Landesregierung mit den "Paten", das ist schlicht eine Unverschämtheit. Sie beleidigen die Würde des Hauses und die der Landesregierung.

(Beifall bei der CDU)

Sie wissen besser, dass die "Paten" eine kriminelle Vereinigung sind. Thüringen hat eine sehr erfolgreiche Entwicklung genommen. Und wer in den letzten Wochen die Wirtschaftsdaten, die Arbeitsmarktdaten u.a. auch den "Rheinischen Merkur" vom 20.09.2000 zur Kenntnis nehmen konnte, in dem steht, ich zitiere: "Der Aufschwung Ost ist nirgends so gut vorangekommen wie in Thüringen", dann ist das ein Beweis dafür, dass die Landesregierung sowohl in der 1. Legislaturperiode als auch in der 2. Legislaturperiode mit Ihrer Beteiligung viel dafür getan hat, dass heute diese Entwicklung konstatiert werden kann. Das war gut so und dazu bekennen wir uns auch und da muss es nicht einen Wirtschaftskrimi geben, sondern da muss es weiter auf diesem Weg gehen, Standorte zu sichern und Arbeitsplätze zu schaffen.

(Beifall bei der CDU)

Es scheint so zu sein, dass der Niedergang Ihrer Wahlergebnisse gleichzeitig auch zum Niedergang Ihrer Zielvorstellungen führt.

(Beifall bei der CDU)

Thüringen hätte wahrlich eine bessere Opposition verdient.

(Beifall bei der CDU)

Heute wurden die Begriffe geprägt "Pilz-Skandal" und "Justizaffäre des Freistaats". Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, Pilz ist angeklagt, und das auf Betreiben des Wirtschaftsministeriums. Und Sie sollten die Arbeit des Gerichts oder auch die der Verteidigung schon in diesen professionellen Händen lassen und nicht den Eindruck entwickeln, als würden Sie eine Nebenverteidigung aufbauen.

(Beifall bei der CDU)

Es ging doch, und das wissen Sie viel besser, in den Aufbaujahren Thüringens bis heute, aber insbesondere in den ersten Jahren der Landesregierung, immer darum, alles zu tun, alles zu tun, um Wirtschaftsstandorte und damit Arbeitsplätze zu sichern oder neu zu schaffen. Und wo diese gefährdet waren, wo neue möglich waren, wurde eben

alles unternommen. Das ist auch die Aufgabe der Landesregierung, das Wohl des Landes zu mehren und Schaden abzuwenden. Selbstverständlich gab es damals auch Entscheidungen, die unter rein wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten eine differenzierte Analyse und auch eine differenzierte Entscheidung zugelassen haben. Aber zum Beispiel für den Standort Albrechts war die Entscheidung, sich dort zu engagieren, richtig, denn die Arbeitsplätze sind auch heute noch dort vorhanden.

(Beifall bei der CDU)

Es ging bei dieser Entscheidung eben nicht um Pilz, sondern es ging um den Standort Albrechts und die Arbeitsplätze dort.