Protokoll der Sitzung vom 12.10.2000

Wer der Federführung beim Innenausschuss zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Gibt es Enthaltungen? 1 Stimmenthaltung. Damit ist die Federführung beim Innenausschuss.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 4 und komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 5

Trägerwechsel der Landesfachkrankenhäuser für Psychiatrie und Neurologie Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 3/540 dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Familie und Gesundheit - Drucksache 3/965

Als Berichterstatter wird Abgeordneter Wolf sprechen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, der Thüringer Landtag hat in seiner Sitzung am 14. April 2000 den Antrag der SPD-Fraktion, vorliegend in der Drucksache 3/540, beraten und federführend an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit und mitberatend an den Haushalts- und Finanzausschuss überwiesen. Der Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit hat den Antrag in seiner 7. Sitzung am 4. Mai 2000, in seiner 8. Sitzung am 25. Mai 2000 und in seiner 11. Sitzung am 31. August 2000 beraten. Wir haben dabei mehrmals die Berichte des Ministers über die laufenden Ausschreibungsund Verhandlungsverfahren erhalten. Da der federführende Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit die Ablehnung des vorliegenden Antrags beschlossen hat, ist auch eine Mitberatung im Haushalts- und Finanzausschuss nicht durchgeführt worden. Dies entspricht der Geschäftsordnung § 81 Abs. 4 Satz 1. Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Familie und Gesundheit lautet, den Antrag abzulehnen.

(Beifall bei der CDU)

Nach der Berichterstattung eröffne ich die Aussprache dazu. Es hat sich Frau Abgeordnete Nitzpon, PDS-Frak

tion, zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, im Grunde genommen ist dem Antrag der Fraktion der SPD aus unserer Sicht nur zuzustimmen. Ich hatte dies auch schon im April gesagt. Doch genau das ist es eigentlich, was Sie, meine Damen und Herren von der CDU, nicht tun werden. Sie werden Ihre knappe Mehrheit nutzen und ausnahmsweise einmal etwas Versprochenes einlösen,

(Unruhe bei der CDU)

nämlich das, was der Ministerpräsident zu Beginn dieser neuen Legislaturperiode hier im Landtag gesagt hat, Struktur und Macht der CDU zementieren.

Herr Minister, auf unsere Frage, aus welchen konkreten Gründen die Landesregierung eine Anstalt des öffentlichen Rechts und der Landeshoheit als eine mögliche Trägerschaft für die Landesfachkrankenhäuser ausschließt, antworteten Sie, weil die Landesregierung einen eigenständigen Träger für die Landesfachkrankenhäuser haben will und nicht einen Träger unter Landeshoheit, denn damit würde sich gegenüber der gegenwärtigen Situation nichts ändern. Wenn man diese Betriebe unter der Trägerschaft des Landes zusammenschließen wolle, hätte man eben nichts Neues geschaffen. Es geht offensichtlich, meine Damen und Herren, nicht vorrangig um die bestmögliche Versorgung von Patienten, sondern um eine geänderte Situation, nämlich etwas Neues zu schaffen. Worin aber, Herr Minister, soll das Neue bestehen? Neue Trägerschaft wird bedeuten, Entlassung der gegenwärtig Beschäftigten in den Landesfachkrankenhäusern aus dem jetzigen Tarif. Das wiederum bedeutet in der Endkonsequenz Senkung der Lohnnebenkosten. Auf welchem Weg auch immer, der Freistaat wird auch mit den Krankenhäusern flott gemacht zum besten Wirtschaftsstandort in Deutschland auf Kosten seiner Bürger.

Meine Damen und Herren, ich werde Ihnen das in meiner laufenden Rede schon noch aufzeigen.

(Unruhe bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Veröffentlichung vom 5. Juni im Thüringer Staatsanzeiger ist im Übrigen keine Ausschreibung des Fachministeriums, sondern ganz einfach eine Interessenabfrage. Eine Ausschreibung ist wohl ihrer Auffassung nach nicht nötig gewesen. Das Ministerium lässt sich Angebote machen und ist in der komfortablen Situation, dass es sich aus seiner Sicht die günstigsten Angebote auswählen kann. Welches, Herr Minister, sind denn nun die günstigsten Angebote, die dem Ministerium vorliegen? "Da" - und ich zitiere aus der Interessenabfrage des Ministeriums - "im Wege eines öffentlichen Teilnahmewettbewerbs geeignete Träger gesucht werden", interessiert uns, die PDS-Fraktion, nicht nur die Anzahl der

Interessenten, sondern auch die konkreten geeigneten Bewerber. Darüber hinaus ist es für uns durchaus auch von Interesse, mit welchen - wie es in dieser Interessenabfrage heißt - entsprechenden Referenzen die Bewerber für die neue Trägerschaft ausgestattet sind. Wie heißen sie? Wenn wir uns in unseren auch wiederholten Fragen so unnachgiebig geben, dann hat das natürlich Ursachen. Mit Schreiben Ihres Fachministeriums, Herr Minister Dr. Pietzsch, sind unter anderem folgende Fragen an die Bewerber gegangen: "Inwieweit besteht Bereitschaft, sich bei anstehenden Investitionen zu beteiligen - Krankenhausbereich oder Maßregelvollzug? Wie beabsichtigen Sie, die Investitionen zu refinanzieren? Wie stellen Sie sich die Vorgaben der Psychiatriepersonalverordnung vor und wie stellen Sie sich den Fortbestand und das Aufgabenprofil, die Weiterentwicklung für die vorhandenen neurologischen Abteilungen vor?" Aus diesem Schreiben Ihres Hauses könnte ich weitere Fragen anführen. Sie zielen aber alle insgesamt auf eine voll privatisierte Strategie der Landesregierung ab. Mit der Frage nach dem Tarifkonzept bringen Sie dann eigentlich Ihr Anliegen voll auf den Punkt. Mit diesem Schreiben wird deutlich, dass sich das Land aus seiner Planungshoheit zurückziehen will. Offensichtlich ist das der Einstieg in den Ausstieg, auch aus der gegenwärtigen Förderpraxis des Landes Thüringen.

Herr Minister, dass in privatrechtlich geführten Thüringer Krankenhäusern gute Arbeit geleistet wird, erkennen wir nicht nur an, wir wissen dies auch zu schätzen, was die Beschäftigten in diesen Häusern leisten, aber ihre Entlohnung ist in der Regel oder zum Teil sogar weit unter dem Niveau der Beschäftigten in anderen Häusern. Damit werden Ungleichheiten geschaffen - für gleiche Arbeit unterschiedliche Entlohnung. Oder die Landesregierung gibt sich bewusst mit der Entwicklung zufrieden, dass es vielleicht in absehbarer Zeit kein tarifgerecht bezahltes Personal an Thüringer Krankenhäusern geben wird. Alle sollen schön gleichmäßig entlohnt werden, möglichst niedrig.

(Zwischenruf Abg. Arenhövel, CDU: Das ist doch dummes Zeug. So ein Quatsch.)

Die Landesregierung schafft die Bedingungen dafür. Im Wettbewerb, Frau Arenhövel, der Krankenhäuser jedenfalls haben die privatrechtlich geführten Häuser die Nase vorn. Sie arbeiten billiger. Und nicht nur das - die Rhön Klinikum AG heißt Sie auf ihrer Homepage willkommen und gibt freimütig Auskunft über Aktienkurs und Umsatzverlauf. Sie ist einer der größten Konzerne und agiert in fünf Bundesländern.

Meine Damen und Herren, nicht der Mensch, der Patient steht im Mittelpunkt eines solchen Konzerns, sondern - ich zitiere den Geschäftsführer Elmar Keller - er sagte wohl treffend aus Sicht des Konzerns: "Die Besetzung einer Machtposition ist wichtig." Damit ist nichts anderes gemeint, als eine ordentliche Dividende. Diese sich abzeichnende Entwicklung macht den Verwertungsprozess des Kapitals deutlich, vor nichts wird Halt gemacht. Kapital wird

auch aus Krankheit gemacht, vor der Ethik kommt in diesem System eben die Monetik.

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Das ist eine Frechheit.)

Die Zweifel vieler Menschen sind berechtigt. Meine Damen und Herren, wenn Sie fragen, was wird aus der Psychiatrie, kommen vielleicht amerikanische Verhältnisse auf uns zu und was wird aus dem Maßregelvollzug? Beleihungsvertrag ist dann das Schlagwort des Fachministeriums. Die Privatisierung des Maßregelvollzugs außerhalb öffentlich-rechtlicher Trägerschaft dürfte aber auch noch erhebliche rechtliche Probleme schaffen. Und, Frau Arenhövel, im April haben Sie in Ihrer Rede gesagt, in anderen Ländern, mit SPD- oder mit PDS-Hilfe geführt, gibt es auch nur privatisierte Kliniken.

(Zwischenruf Abg. Arenhövel, CDU: Das habe ich nie gesagt.)

In Mecklenburg-Vorpommern, vielleicht kann ich Sie aufklären, vielleicht wissen Sie es in der Zwischenzeit auch selbst, gibt es einen kommunalen Träger in Stralsund und in Ückermünde mit der Diakonie einen gemeinnützigen Träger und in Sachsen-Anhalt ist die Salus GmbH eine hundertprozentige Tochter des Landes.

Sehr geehrte Damen und Herren, jedes Landesfachkrankenhaus in Thüringen hat den Bereich Neurologie und die Neurologie ist es auch, die für die Bewerber von besonderem Interesse ist. Damit nämlich kann richtig Geld gemacht werden, nämlich mit Schlaganfallpatienten oder schwer geschädigten Hirnverletzten, da kann schon mal ein ordentliches Budget von den Kassen erwartet werden. Aber es gibt nicht nur reichlich Interessenten für die Landesfachkrankenhäuser, es gibt auch genügend Interessenkonflikte. Während der eine Träger mit der Übernahme wenigstens des Landesfachkrankenhauses Hildburghausen seinen Standort in Meiningen schützen will, will der andere Träger eben wegen der Neurologie und eines höheren in Aussicht stehenden Budgets auch das Landesfachkrankenhaus Hildburghausen. Wer wird hier was bekommen und warum? Sollte aber nicht vorrangig die Frage der gesundheitspolitischen Zielstellung im Freistaat Thüringen im Mittelpunkt der Entscheidung stehen und damit auch der Sicherstellungsauftrag? Sollte nicht auch der beschäftigungspolitische Aspekt in Entscheidungen einbezogen werden? Das sind Fragen, die meine Fraktion als die primär dringenden ansieht. Hier erwarten wir zur Strukturpolitik im Krankenhaussektor unseres Landes klare Antworten von der Landesregierung. Die Zukunft der Thüringer Krankenhäuser liegt in der regionalen Zusammenarbeit, in Strukturkonzepten und in der integrativen Versorgung von Patienten. Hier liegt ein großer Handlungsbedarf und hier sehen wir auch die Verantwortung der Landesregierung.

Sehr geehrte Damen und Herren, es geht in diesen Einrichtungen, und ich hatte das schon im April gesagt, um 1.700

Beschäftigte. Die Kliniken sind die größten Arbeitgeber ihrer Region. Bei Privatisierungen würde die Psychiatrie die Verliererin sein. Eine Zweiklassenpsychiatrie wie in den USA muss verhindert werden. Die Psychiatrie darf in Thüringen nicht den Marktgesetzen überlassen werden. Und wenn dann schon eine neue Form gesucht wird, dann wäre doch wohl im Rahmen von Struktur- und Beschäftigungspolitik die Form einer kommunalen Trägerschaft mehr als eine Diskussion würdig. Aufgrund der regionalen Nähe und der Einbindung in die kommunalen Strukturen sind in einer gGmbH erhebliche Synergie- und auch Rationalisierungseffekte zu erwarten. Diese könnten teils die Kosten aller drei Häuser senken, teils die Versichertengemeinschaft entlasten. Bei einer solchen Vorgehensweise, Herr Minister, würden Sie auch ein Stück erlebbare Demokratie mit gestalten, indem Sie den politischen Willen der Kommunalpolitiker respektieren würden, die sich in ihren Regionen für eine kommunale Trägerschaft ausgesprochen haben. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Frau Abgeordnete, gestatten sie eine Frage? Nein. Als nächste Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Arenhövel, CDU-Fraktion, zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Nitzpon, zu Beginn meiner Rede muss ich doch Ihre Äußerungen auf das Schärfste zurückweisen. Das, was Sie hier vorgetragen haben, entspricht überhaupt nicht den Tatsachen und wissen Sie, wenn Sie sich ein wenig im Klinikbereich auskennen würden, dann würden Sie ganz genau wissen, dass man sowohl ein öffentliches als auch ein privates Krankenhaus sehr gut zum Wohle der Patienten und Gewinn bringend führen kann. Diese pauschale Verurteilung von privat geführten Krankenhäusern, das kann ich hier so nicht stehen lassen

(Beifall bei der CDU)

und auch nicht, was die Frage der Bezahlung der Mitarbeiter anbetrifft, denn ich kenne Haustarifverträge, da bekommen Beschäftigte unter Umständen mehr als im öffentlichen Dienst, nämlich dann, wenn sie ihre Leistung bringen,

(Beifall bei der CDU)

und dann ist das ja wohl auch gerecht. Sie hören dort nämlich überhaupt nichts, wo die ÖTV mit im Aufsichtsrat sitzt und die Tantiemen kassiert, und auch das muss hier mal an dieser Stelle deutlich gesagt werden.

(Beifall bei der CDU)

Außerdem verfügt die CDU-Fraktion hier nicht über eine knappe, sondern über eine qualifizierte Mehrheit, aber darüber

(Beifall bei der CDU)

gibt es ja auch immer die eine oder andere Debatte.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Frage von Herrn Schwäblein?

Aber bitte sehr.

Frau Abgeordnete, kann es sein, dass die Thüringer ÖTVVorsitzende im Aufsichtsrat der Rhönklinik sitzt?

Meines Wissens nach, ja.

(Unruhe bei der CDU)

Deshalb sind wir auch bei den Protesten, die landauf, landab hier losgehen doch auch sehr kritisch und sehr skeptisch und, Frau Heß, Sie wissen das ja auch ganz genau, über dieses Thema ist im Ausschuss lang und breit debattiert worden. Der Minister hat die Vorgehensweise erläutert, die Ausschreibung ist gelaufen und es liegen zahlreiche Bewerbungen vor. Die Landesregierung und die CDU-Fraktion, wir sind offen dafür, welche Träger hier diese Krankenhäuser übernehmen werden. Für uns ist ganz entscheidend das fachliche Konzept, das steht an erster Stelle und an zweiter Stelle muss natürlich auch über den Preis verhandelt werden und hier hat der Minister ausführlich berichtet, so dass ich keine Notwendigkeit sehe, dieses hier noch einmal darzustellen. Der SPD-Antrag würde uns in unserer Entscheidung einengen, weil er nur auf eine öffentlichrechtliche Anstalt abzielt, und deswegen wird er unsererseits abgelehnt. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD hat sich Frau Abgeordnete Heß zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind grundsätzlich nicht gegen eine andere Trägerform

der Landesfachkrankenhäuser. Sie wissen, diskutiert wird der Trägerwechsel ja schon seit der ersten Wahlperiode und in der zweiten Wahlperiode hat eine Arbeitsgruppe, bestehend aus verschiedensten Vertretern vom TMSG, vom Justizministerium, Landesverwaltungsamt und den Landesfachkrankenhäusern, Personalräten, einen umfangreichen Bericht zur Neuordnung der Landesfachkrankenhäuser mit den Maßregelvollzügen erarbeitet. Das Ergebnis war als optimale Form eine Anstalt des öffentlichen Rechts. In all Ihren Reden, Herr Minister, haben Sie nicht ein einziges Mal auch nur ein einziges sachliches Argument gegen diesen Vorschlag gebracht oder bringen können. Auch Ihre Fachleute aus den Ministerien sind uns derartige Argumente schuldig geblieben. Während meiner Besuche in den Kliniken wurde deutlich, dass auch dort die Vorzugsvariante die Anstalt des öffentlichen Rechts ist und bleibt. Der Trägerwechsel hin zu einem gut zahlenden Träger scheint gewollt. Eine kurzfristige Einnahmeverbesserung des Landes erfolgt hier auf Kosten der Patienten und des Personals. Gerade bei diesem Patientengut ist das oft mühsam aufgebaute Vertrauensverhältnis ungeheuer wichtig. Die Patienten reagieren erfahrungsgemäß sehr sensibel auf Veränderungen in ihrem Milieu. Auch die Bevölkerung, die mit dieser Struktur lebt, akzeptiert die Klinik, kennt ihre Stärken und pflegt die Kontakte dorthin. Die bisher guten Erfahrungen schlagen um in Sorgen um die Sicherheit, Sorgen um die Qualität und Sorgen um ausreichende Kontrolle. Ob hier ein auf Gewinn ausgerichteter privater Träger der richtige Partner für beide ist, darf bezweifelt werden. Der Maßregelvollzug, der ja eine hoheitliche Aufgabe ist, darf nicht innerhalb des Krankenhauses zu einer bloßen Verwahranstalt verkommen.

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Waren Sie schon mal dort; dann wüssten Sie, wovon Sie reden.)