Der Innenminister, unser Geburtstagskind, stellte damals fest: "Das Landesamt ist momentan in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt." Wenn das ein Innenminister eines Staates sagt, da können Sie sich ein Bild machen und da liegt die Beurteilung unter der Berücksichtigung, dass dies eine der Innenminister sagt, das andere der Oppositionsführer, da liegt die Beurteilung meiner Meinung nach sehr nahe beieinander. Dann ging es drunter und drüber in diesem Amt.
Dieses muss uns Parlamentarier natürlich auf den Plan rufen. Wir brauchen - und ich bekenne mich zur Existenz des Landesamts für Verfassungsschutz - insbesondere im jetzt anstehenden Kampf gegen Rechtsextremismus funktionierende Strukturen und dafür haben wir in diesem Hause Sorge zu tragen. Da gibt es ein Gremium, die Parlamentarische Kontrollkommission; die wird von uns nicht als ausreichend betrachtet, aber wenn diese nicht mal informiert wird, dann ist es ein Skandal sondergleichen, da werden die Rechte des Parlaments hier absolut ausgehebelt.
Der vorliegende Bericht des Staatssekretärs a.D. Gasser kann naturgemäß kaum geheimschutzwürdige Fakten enthalten, insbesondere auch keine schutzwürdigen Personaldaten. Er kann also dann insgesamt auch nicht als geheimschutzwürdig eingeschätzt werden. Wenn er zurückgehalten wird, dann wird er natürlich nur zurückgehalten, um eigene Fehler unter die Decke zu kehren, um eigene Unfähigkeit zu verbergen.
Ich rede vom Amt für Verfassungsschutz und das ist für mich eine Institution, die gibt es seit 1990 in Thüringen und da rede ich in der Kontinuität dieses Amts - oder seit 1992, bitte schön. Wenn unser Minister Fehler gemacht hätte, dann würden wir diese Fehler genauso kritisieren.
Herr Minister, Sie sprachen von grundlegenden Fehlern und von fehlender Fachaufsicht durch das Ministerium. Fehlende Fachaufsicht durch das Ministerium, das ist durchaus eine Sache, die in dieses Haus gehört. Deswegen sind wir nämlich da, um die Ministerien zu kontrollieren. Deswegen kann es nicht angehen, dass dieser Bericht nicht veröffentlicht wird, nicht in diesem Gremium des Parlaments, aber zuallerletzt nicht in der Parlamentarischen Kontrollkommission.
Ich habe hier eine Passage stehen, wenn Sie die lesen würden, würden Sie vielleicht schmunzeln; da steht: "Ich bin überzeugt, dass dieser Bericht gründlich in der Parlamentarischen Kontrollkommission ausgewertet worden ist." Diese Passage kann ich nun getrost beiseite legen und ich muss noch mal das Unverständnis meiner Fraktion zum Ausdruck bringen, dass dieser Bericht
nicht in der Parlamentarischen Kontrollkommission behandelt worden ist. Ich bedaure die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission aus den Reihen der CDU, die sich mit so etwas abfinden müssen, an dieser Stelle.
dass dieses Unwissen uns gemeinsam ist. Ja, ja, und Sie haben den Bericht nicht bekommen. Das hat der Innenminister ausgesagt. Es wäre Ihre traurige Pflicht gewesen, sich
Wenn Sie das versäumt haben, dann können Sie eigentlich Ihr Mandat in der Parlamentarischen Kontrollkommission hier über den Haufen werfen.
Herr Stauch, denken Sie etwa, Sie haben Ihre Pflicht in der Parlamentarischen Kontrollkommission erfüllt, wenn Sie das Berichtsersuchen - ich unterstelle mal, dass Sie das dort gestellt haben, sonst wäre es ja noch schlimmer, aber so weit wollen wir gar nicht mal denken -, wenn Sie sich haben von dem Minister abspeisen lassen. Der hat gesagt: Der Parlamentarischen Kontrollkommission gebe ich jetzt mal den Bericht nicht.
Ich denke, wir führen jetzt keine Dialoge, sondern der Abgeordnete Schemmel fährt in seiner Rede fort.
Herr Fraktionsvorsitzender, Sie hatten gestern eine Bemerkung unter der Gürtellinie gegen einen Staatssekretär a.D. gemacht. Aber ich muss sagen, auch Minister a.D. sind nicht gefeit vor Unfähigkeit.
Verändert werden muss die Arbeit des Landesamts für Verfassungsschutz, da sind sich alle einig. Da diese gravierenden Mängel aufgetaucht sind, da es auch Mängel sind, die in Verbindung zwischen Amt und Ministerium wirksam sind, halten wir es für notwendig, dass dieser Bericht dem Parlament zugeleitet wird, dass wir als Parlamentarier die entsprechende Analyse daraus treffen können und auch die entsprechende Entscheidung zur Änderung dieses Amts.
Aber es wäre dann zumindest die Aufgabe der PKK gewesen. Wenn dieser Antrag vielleicht auch ein paar Millimeter zu hoch angesetzt ist, dann hat er doch eigentlich das zu Tage gebracht, was wir mit diesem Antrag eigentlich beweisen wollten, dass der Innenminister des Frei
staats Thüringen nicht die Arbeit der Parlamentarischen Kontrollkommission richtig bewertet, dass er sie nicht richtig einbezieht in die Arbeit und dass die parlamentarische Kontrolle über das Landesamt für Verfassungsschutz in Thüringen nicht gewährleistet ist. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich werde erwartungsgemäß im Unterschied zu Herrn Schemmel etwas mehr zum Verfassungsschutz reden. Aber auch in Anbetracht der Tatsache, dass Sie, Herr Minister, heute Geburtstag haben, muss ich Ihnen sagen: Ihr Bericht über Funktionsstörungen, über Klimaprobleme, über Personalquerelen erhellt nicht, was im Verfassungsschutz tatsächlich los war und los ist. Nun gebe ich zu, ich habe das auch nicht erwartet, weil ich um das Problem der Geheimhaltung in und um den Verfassungsschutz weiß, aber wenn ich jetzt erfahre, dass die Kollegen in der PKK genauso schlau sind wie wir,
dann seien Sie mir bitte nicht böse, wenn sich eine bestimmte Anzahl von Abgeordneten in diesem Hause als verdummt betrachtet. Der Auslöser dieser Diskussion, die auch letztlich zur Suspendierung von Helmut Roewer führte, war ein handfester Skandal. "Kennzeichen D" informierte, dass der Neonazi Thomas Dienel jahrelang vom Thüringer Verfassungsschutz für Spitzeldienste bezahlt worden ist mit immerhin insgesamt 25.000 DM. Derweil ist der Skandal verraucht, ohne dass sich die wesentlichen Fragen öffentlich geklärt hätten. Hier trifft zu, was Michael Scharang über die Fraktion von Skandalen aussagt, Zitat: "Die Skandale schützen den Staat, denn Sie lenken von dessen skandalösem Charakter ab." Zum Beispiel davon, dass Verfassungsschutzämter sich bereits mehrfach einen Bärendienst mit Anwerbung von Vertretern der extremen Rechten erwiesen haben. Man muss ja beinahe schon den Vorwurf der Unterstützung dieser Strukturen erheben, gegen den Sie versucht haben sich zu verwahren, Herr Minister. Aber Sie werden sich dagegen nicht erfolgreich verwahren können. Sogar Sie, Herr Innenminister, bezeichneten die Anwerbung Dienels im Rahmen einer Pressekonferenz und auch heute wieder als einen Fehler. Die Begründung: Neben der Persönlichkeitsstruktur von Dienel sei die Anwerbung eines oberen Neonazifunktionärs ein fachlicher Fehler. Man setzte sich schließlich dem Vorwurf aus, die Deutsche Nationale Partei selbst geführt zu haben, da der Spitzel zu dieser Zeit innerhalb der DNP als Führungsfigur agierte. Neonazis mit Verfassungsschutz
bekämpfen zu wollen ist aber, wie einen Tankstellenbrand mit einer Zapfpistole löschen zu wollen. In den vergangenen Jahren haben bundesweit mehrfach Verfassungsschutzspitzel aus der rechtsextremen Szene mit Waffen gehandelt, Bomben gebaut und Anschläge auf Flüchtlingsheime verübt. Die Brandstifter von Solingen trainierten in einer durch einen Verfassungsschutzmann geführten Kampfsportschule.
Meine Damen und Herren, dass ein führender Neonazi jahrelang gut bezahlt für das Amt spitzelte, dies ohne im Sinne der Auftraggeber tatsächliche Ergebnisse zu liefern, war nicht das Problem des zuständigen Ministeriums. Auch war für das Ministerium nicht das Problem, dass Dienel angab, Verfassungsschutzgelder zur Herstellung von Propagandamaterial benutzt zu haben oder von seinen Mentoren im gegen ihn laufenden Verfahren zur Aberkennung der bürgerlichen Rechte, das seit 1992 beim Verfassungsgericht in Karlsruhe lief, protegiert zu werden. Unaufgeklärt ist auch bis heute, wie es zur Anschlussbeschäftigung Dienels beim extremen rechten Verlag "Neues Denken" - man höre, "Neues Denken" - mit Fördermitteln des Sozialministeriums kam. Wieso erhielt der Verlag dabei Fördermittel für Dienels Stelle, die eigentlich nur für unter 25-Jährige vorgesehen war, obwohl er bereits deutlich über 25 Jahre alt war? Insgesamt erhielt der Verlag vom Sozialministerium für Dienels Stelle 23.000 DM. Unklar ist zudem, wann und wie das Ministerium schließlich davon erfahren hat und welche Rolle das Amt für Verfassungsschutz dabei spielte, denn es erscheint unwahrscheinlich, dass ein Amt, das einem Spitzel erkleckliche Summen zahlt, ihn nach Beendigung der bezahlten Beschäftigung sofort aus den Augen lässt und damit nicht feststellt, wo dieser anschließend bleibt oder arbeitet. Und insofern ist der Vorwurf an Frau Ellenberger allein einfach unberechtigt. Unklar ist ebenfalls, ob z.B. Dienel vorab über Razzien in der rechten Szene Bescheid wusste. Aber auch die Verstrickung von Amt und Spitzel ist nicht das Problem des Innenministeriums; all dies ist nicht das Problem der Landesregierung, meine Damen und Herren. Problematisch war für die Landesregierung in erster Linie, dass internes Wissen nach außen gelangt war und Leute wie Herr Roewer aus ihrem internen Wissen missbräuchlichen Nutzen ziehen konnten, was die öffentliche Diskussion nur noch mehr anheizte. Dementsprechend gibt Herr Minister Köckert an, die Beschäftigung Dienels habe im Bericht wie auch in der Entscheidung für eine Suspendierung Roewers keine oder nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Er hat mit der Vorstellung des Berichts dargelegt, dass die Ankündigung von Richard Dewes 1996, das Amt eventuell auflösen zu wollen und in der Folge eine neue Linie der Verwissenschaftlichung und der Transparenz der Grund für die Verstimmung in dem Amt gewesen seien.
Ein Grund. Die PDS-Fraktion könnte eine solche Linie im Sinne ihrer immer wieder erhobenen Forderung nach Auflösung des Amts als positiv, aber als wesentlich zu kurz gegriffen bewerten. Uns interessiert nicht der Geheimnisverrat, nicht die Großwetterlage im Amt in Bezug auf "Verfassungsschutz 2000", nicht die Multifunktionsbeamten, nicht die Zusammenarbeit mit der Fachaufsicht, nicht die Frage, wem Aufgabenfelder übertragen werden oder die Querelen im Amt, die schließlich aus dem Geheimorgan ein Pulverfass machten. Eine umgehende Auflösung des Amts oder die Umwandlung in ein öffentlich arbeitendes wissenschaftliches Forschungsinstitut ähnlich einer Landeszentrale für politische Bildung hielten wir für den richtigen Weg.
Meine Damen und Herren, Herr Dienel erklärte derweil, er habe die Behörden abgeschöpft und nicht umgekehrt. Und ob das eine Schutzbehauptung ist, Herr Innenminister, das müssen Sie erst noch beweisen. Die Äußerungen Dienels aber verwundern nicht angesichts dessen, was man über seine gehaltvollen Hinweise an das Thüringer Landesamt weiß. Nach OTZ vom 09.06. erklärte der Innenminister, Dienel habe Hinweise auf den so genannten Metromörder und Informationen über einen Neonazimörder und dessen Fluchtwege gegeben. Ebenso habe er Einzelheiten zu einer geplanten Heß-Aktionswoche geliefert; die Polizei habe den Gedenktag daraufhin unterbunden. Kurz darauf aber dementierte die Staatsanwaltschaft Halle die Meldung, dass Dienel in Bezug auf die Fahndung nach dem so genannten Metromörder und seiner Frau wertvolle Beiträge geleistet habe. Dienel selbst gibt an, keine Informationen zur Vorbereitung der neonazistischen HeßWoche weitergegeben oder Hinweise, die zur Ergreifung des Nazimörders führten, geliefert zu haben. Das Aktionskomitee übrigens, dass die Heß-Woche 1996 vorbereitete, hatte Dienel nach unseren Informationen zur unerwünschten Person erklärt und der Vorstand der neofaschistischen so genannten Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige leitete zur selben Zeit juristische Schritte gegen Dienel ein. Beides Hinweise, sich von Dienel eigentlich fernzuhalten. Welches also sind die Erfolge, für die Dienel über Jahre hinweg für 25.000 DM beschäftigt wurde? Das bleibt unklar.
Die Einsetzung des internen Ermittlers Dr. Gasser für die Untersuchungsarbeiten im Amt könne als Resultat des öffentlichen Drucks auf das Innenministerium und das Verfassungsschutzamt verstanden werden, muss aber auch verstanden werden als der Versuch, einer Beantragung von Untersuchungsausschüssen durch die Opposition wohl zuvorzukommen. Nach zweieinhalb Monaten schließlich überreicht Herr Gasser dem Innenminister einen nur 35 Seiten starken Bericht, nicht öffentlich, versteht sich. Öffentlich bekannt jedoch wurden im Vorfeld die nicht gerade von Kompetenz strotzenden Fragen des Ermittlers an Helmut Roewer. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Beauftragung von Dr. Gasser neben der Tatsache, dass sie einen Befreiungsschlag für den Innenminister darstellte,
auch eine notwendig nutzlose Angelegenheit sein musste. Bis zur Beauftragung war Dr. Gasser Vertragsjurist des Landesamts und offensichtlich nicht in der Lage, den Skandalen im Landesamt für Verfassungsschutz etwas entgegenzusetzen.
(Zwischenruf Köckert, Innenminister: Sie haben keine Ahnung, was die Aufgabe einer rechtsanwaltlichen Vertretung ist.)