Protokoll der Sitzung vom 17.11.2000

(Beifall bei der CDU)

Die Bundesanstalt für Arbeit hat sich unserem Vorschlag angeschlossen. Sie hat zugesagt, dass wir dieses Programm "Zweite Karriere" nunmehr fahren können. Das Programm ist schon gestartet. Wir gehen davon aus, dass es nicht dabei bleibt, dass es in den Arbeitsamtsbezirken Erfurt, Jena und Suhl durchgeführt wird. Wir wollen darauf hinwirken, dass nach einer gewissen Erprobungsphase dieses sehr schnell flächendeckend ausgebaut wird.

Ich komme zu einer weiteren Maßnahme im Zuge der Umstrukturierung, zu dem Programm "50 PLUS". Sie kennen dieses. Es steht auf zwei Säulen, wobei die Zuschüsse an die Unternehmen für die Einstellung älterer Arbeitsloser eine Säule ist und die so genannten Maßnahmen die zweite Säule ist. Und was diese Maßnahmen anbelangt wissen Sie sicher, dass wir einen Ideenwettbewerb durchgeführt haben, um noch praxisrelevantere, um noch industrienähere Maßnahmen zu entwickeln.

Die Bilanz ist die, dass seit Anfang Juni bis Oktober 2000 Zuschüsse für 734 Arbeitnehmer bewilligt worden sind. Die Förderung wird zu 94 Prozent von Unternehmen der Wirtschaft in Anspruch genommen. Dazu kommen im Programmteil SAM für Arbeitnehmer mit Vollendung des 55. Lebensjahres 682 Arbeitnehmer in 369 SAM-Maßnahmen, so dass bisher insgesamt 1.416 ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen gefördert wurden. Als wir dieses Programm gestartet haben, haben wir versprochen, im Jahr 2000 1.000 Arbeitsplätze auf diese Weise zu mobilisieren. Wir sind über dieses Ziel schon beachtlich hinaus.

Meine Damen und Herren, und eines haben wir bewirkt: Die Bundesanstalt für Arbeit hat unser Programm übernommen und führt nun eine bundesweite Aktion unter dem Namen "50 PLUS - die können es" durch. Es ist dies die Übernahme unseres Programms bundesweit, meine Damen und

Herren.

(Beifall bei der CDU)

Und wenn es nun schon bundesweit übernommen wird, kann es so schlecht wohl nicht sein.

(Beifall bei der CDU)

Ich komme nun zu den Sondermaßnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Wir haben in diesem hohen Haus über dieses Thema nun wahrhaft oft gesprochen. Es wurde oft gefordert, an die Maßnahmen anzuknüpfen, die es schon einmal gegeben hat. Wir haben am 17. August 2000 die Sondermaßnahme "Jugendarbeitslosigkeit" gestartet, um ad hoc etwas zu tun gegen den Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit, gegen die zweite Schwelle, die in diesen Monaten sich deutlich erhöht hat, gar keine Frage. Wir gehen davon aus, dass wir mit dieser Sondermaßnahme über 500 zusätzliche Arbeitsplätze für junge Leute bis Ende des Jahres geschaffen haben werden. Aber es bleibt ja nicht bei dieser Sondermaßnahme, Sie wissen, dass ESF ebenfalls neue Maßnahmen vorsieht, neue Ziele vorgibt, neue Vorgaben macht mit Blick auf diese Gruppe. Und das ist gut so, weil hier einiges noch zu tun ist, insbesondere für solche Gruppen von Jugendlichen, die zwar eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, aber eine Ausbildung mit deutlichen Defiziten - eine Ausbildung, die nicht garantiert, dass man mit Kusshand übernommen wird in den Betrieben, eine Ausbildung, die zu komplettieren ist. Das ist die eigentliche Zielgruppe, mit der wir es dabei zu tun haben und für die etwas geschehen muss. Es ist Handlungsbedarf gegeben und wir werden im Rahmen von ESF reagieren.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auch noch etwas bemerken zu dem Thema soziale Maßnahmen im Bereich von SAM. Die Realität ist die, dass wir praktisch alle vorliegenden Anträge auch aus diesem Bereich im Rahmen der Quoten, im Rahmen unserer Prioritäten haben bedienen können. Dies können wir heute feststellen, so dass die ganze Diskussion, die geführt wurde über das Thema sozialer Kahlschlag, in sich zusammengefallen ist;

(Beifall bei der CDU)

es ist nichts übrig geblieben von dieser Diskussion, weil wir die Anträge haben komplett bedienen können.

Lassen Sie mich zu ABM noch einiges sagen: Hier betreiben wir ja eine ergänzende Förderung zur Arbeitsverwaltung. Auch hier haben wir beachtliche Förderzahlen erreicht, die auf unsere Landesförderung zurückzuführen sind. 10.800 Arbeitnehmer wurden durch unsere ergänzende Landesförderung bei ABM gefördert.

(Beifall bei der CDU)

Sie alle wissen, dass das Programm ABM in der Diskussion ist. Die Wirtschaftsforschungsinstitute haben sich sehr kri

tisch zu ABM geäußert, Herr Dr. Heß, der Direktor des Landesarbeitsamtes Sachsen-Anhalt-Thüringen in gleicher Weise. Das heißt, die Frage muss schon erlaubt sein und gestellt werden, wie es weitergehen soll mit ABM. Meine Damen und Herren, wir werden dieses Thema weiter verfolgen.

Ich komme nun zu anderen Themen - Regionalisierung: Wir haben angekündigt, an der Regionalisierung festzuhalten, sie aber anders auszugestalten. Der Landesregierung geht es darum, den regionalen Konsens herbeizuführen, was die Maßnahmen auf dem zweiten Arbeitsmarkt anlangt. Unser Ziel ist es, in diesen Regionalbeiräten eine Drittelparität hinsichtlich der Stimmberechtigung zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und anderen kommunalen Körperschaften herzustellen. Auch die Kirchen sollen in dem Regionalbeirat und im Landesbeirat beratend mitwirken. Auch sie haben hier eine wichtige Rolle wahrzunehmen.

Zum Dritten wurde angekündigt, auch die Umsetzungsstrukturen der Arbeitsmarktpolitik zu überprüfen. Sie wissen, es gibt bei uns externe Umsetzungseinrichtungen. Es geht um die so genannten Consulter und damit um die Frage, welche Einrichtungen für die Programmdurchführung und -beratung künftig zuständig sein sollen. Hierbei wurden verschiedene Lösungsmodelle bisher untersucht. Es ist davon auszugehen, dass eine weiter gehende Beleihung der GFAW angestrebt und vollzogen wird bei allen Programmen, die mit Landesmitteln finanziert werden. Bezüglich der EU-finanzierten Umsetzungsleistungen, etwa bei ESFProgrammen, ist diese etwas anders, hier sind wir gehalten, über Ausschreibungen die Vergabe, die Beauftragung zu regeln.

Umsetzungsstrukturen führen auch zu dem Thema "Zukunft der ABS". Sie wissen alle, dass schon in den vergangenen Jahren über Qualitätswettbewerbe erreicht wurde, dass die Anzahl der geförderten ABS deutlich reduziert wurde, es wurde die Grundfinanzierung durch Zuwendungsbescheide bereits in dem vergangenen Jahr bis Ende 2000 aus Verpflichtungsermächtigungen gesichert. Hierbei geht es allerdings nicht um eine umfassende Finanzierung, die in der Regel aus durchgeführten Maßnahmen erfolgt, sondern um deren Grundfinanzierung. Meine Damen und Herren, wir werden auch Vorstellungen entwickeln zur zukünftigen Förderung der Grundfinanzierung von ABS. Es muss erreicht werden, dass die kommunalen Gebietskörperschaften ihrer Aufgabe im Bereich dieser ABS stärker Rechnung tragen, als dies bisher der Fall ist. Es gibt schon viele ABS'en, in denen die Kommunen mitfinanzieren, aber dies ist leider noch nicht die Regel. Es muss auch darüber gesprochen werden, wie viel ABS'en und welche Grundfinanzierungen notwendig sind in einer Zeit, wo die Zahl der Maßnahmen auf dem zweiten Arbeitsmarkt zurückgeht.

(Beifall Abg. Vopel, CDU)

Es gilt neben den ABS natürlich auch das Thema zu erörtern, wie die Zukunft der Beschäftigungs- und Bildungsträger in diesem Bereich gestaltet werden soll, im Bereich des zweiten Arbeitsmarkts. Hier gibt es keine Grundfinanzierung, sondern "nur" die Maßnahmenfinanzierung, aber hier ist sicherzustellen, dass die Mittelverwendung und die Abrechnung ordnungsgemäß erfolgt und dass ein effizienter Mitteleinsatz gesichert ist. Wir werden also Wirkungskontrollen verstärkt durchführen, nicht um zu reglementieren, sondern um Effektivität, um Effizienz sicherzustellen.

Ich komme zum Schluss: Mit Umstellungen unserer Arbeitsmarktpolitik wurden die Erstausbildung, Fortbildung und Weiterentwicklung der Beschäftigungsförderung deutlich besser aufeinander abgestimmt, um mehr Beschäftigung, insbesondere durch zielgerichtete Qualifizierung zu erreichen. Nach wie vor wird deshalb auch der beruflichen Erstausbildung und damit einer qualifizierten Lehre eine grundlegende und wichtige Bedeutung in der Arbeitsmarktund Berufspolitik beigemessen.

Die Arbeitsmarktpolitik wurde stärker auf den ersten Arbeitsmarkt und die Beschäftigung in den Betrieben ausgerichtet. Wirtschaft und arbeitsmarktpolitische Ansätze wurden stärker verknüpft, um letztendlich Dauerarbeitsplätze zu schaffen. Die Förderung von Zielgruppen der Arbeitsmarktpolitik wurde nicht aus den Augen verloren und sogar durch neue Initiativen noch untersetzt. Um der Fachkräftenachfrage der Unternehmen stärker gerecht zu werden, wird u.a. das Programm "Zweite Karriere" durchgeführt. Die Förderung der beruflichen Qualifizierung und entsprechender Modellprojekte im Sinne der arbeitsplatzbezogenen Qualifizierung nimmt einen deutlich größeren Stellenwert ein als vormals. Die qualifizierte Förderung von Existenzgründern wurde mit der neuen Richtlinie und in Abstimmung mit der Wirtschaft verbessert. Der regionale Konsens wird gesucht und durch den neuen Leitfaden und die vorgesehene Drittelparität in den Regionalbeiräten gestärkt. Die neue Ordnung und die neue Ausrichtung greift und eine wirtschaftsnähere Gestaltung der Arbeitsmarktpolitik ist erfolgt. Dieser erfolgreiche Weg wird fortgesetzt, gerade um die Politikfelder im Wirtschafts- und Arbeitsressort noch stärker zu verknüpfen, um damit mehr Arbeitsplätze zu schaffen bzw. zu stabilisieren. Das ist das Ziel und diesen Weg werden wir weitergehen. Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Das war der Sofortbericht der Landesregierung. Gibt es einen Antrag auf Aussprache? Ja, das ist der Fall.

Ja, die PDS beantragt Aussprache.

Gut, danke, dann haben wir auch das formal geklärt. Ich würde dann als Erste aufrufen in der Aussprache die Abgeordnete Heß, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, nach einem Jahr Arbeitsmarktpolitik der CDU-Alleinregierung zeigen die Zahlen der Arbeitsmarktstatistik nur ernüchternde Ergebnisse.

(Heiterkeit bei der CDU)

Im Oktobervergleich haben wir zwar einen geringfügigen Rückgang um 5.025 Arbeitslose, aber die Struktur, das heißt die Anteile der von Arbeitslosigkeit Betroffenen, hat sich erschreckend negativ entwickelt. Bei der Zukunft unseres Landes, und zwar bei unseren Jugendlichen unter 25 Jahre, ist eine Zunahme der Arbeitslosigkeit um 13,5 Prozent zu verzeichnen. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen stieg auf 15,7 Prozent. Das sind 7.847 Personen mehr. Noch deutlicher gesagt: Es sind insgesamt rund 58.000 Menschen, die länger als ein ganzes Jahr arbeitslos sind und vermutlich kaum noch eine Chance haben auf Rückkehr in das Arbeits- und Berufsleben.

Was hat hier die Landesregierung getan? Aufgabe der Politik ist es doch, durch entsprechende Maßnahmen korrigierend einzugreifen. Hat sie versucht, durch ABM und SAM diesen Anteil der davon Betroffenen wenigstens etwas zu senken? Nein, Herr Schuster, im Gegenteil, sie hatte nichts Eiligeres zu tun, als an der Richtlinie für Strukturanpassungsmaßnahmen herumzubasteln, so dass alle Träger verunsichert waren - ich erinnere an die Aktion zu Beginn des Jahres

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Sind Sie von gestern?)

und Neubewilligungen erst Mitte des Jahres getätigt werden konnten. Auch in Zukunft will die Landesregierung nichts dagegen tun, denn es stehen im Titel "Förderung der Arbeit für Thüringen" in den Jahren 2001 und 2002 Kürzungen um insgesamt 53 Mio. an.

Noch einen Satz zu den ABM: Herr Minister Schuster, ich fordere Sie auf, sich beim Landesarbeitsamt dafür einzusetzen, dass die von der Bundesregierung verlängerte 100-Prozent-Förderung auch bei ABM in Thüringen voll wirksam wird.

Die aktuell verfügbaren Zahlen von SAM zeigen, dass wir seit Antritt der Landesregierung einen Rückgang um 45 Prozent zu verzeichnen haben.

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Ja warum denn?)

Das sind 17.431 Personen weniger.

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Die Lohn- kostenzuschüsse sind gesenkt worden. Das war doch nicht die Landesregierung, Frau Heß.)

Durch die SAM-Ost für Wirtschaftsbetriebe eröffnete sich die Chance einer besseren Verzahnung von Wirtschaft und zweitem Arbeitsmarkt. Leider zeigt sich auch hier, dass nur ein reiner Mitnahmeeffekt durch die Wirtschaft erfolgte.

(Heiterkeit Abg. Wunderlich, CDU)

Ich frage Sie, Herr Minister Schuster, wie viele dieser Maßnahmeteilnehmer sind denn durch die so geförderten Betriebe tatsächlich übernommen worden? Dazu gab es keine Zahlen heute.

Wie schafft es das Wirtschaftsministerium, die Möglichkeiten des zweiten Arbeitsmarkts für Strukturentwicklung in Thüringen sinnvoll und effizient einzusetzen? Eine Möglichkeit dafür ist die direkte Arbeit mit den Akteuren vor Ort. Dazu sind in der 2. Wahlperiode die Regionalbeiräte geschaffen worden. Und dazu habe ich auch eine Frage: Wie sieht bei den Regionalbeiräten die konstruktive Zusammenarbeit mit den Vertretern der Wirtschaft aus und wie soll sie weiterentwickelt werden?

Meine Damen und Herren, ein weiterer aussagekräftiger Indikator für den Zustand des Arbeitsmarkts ist die Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Thüringen. Seit dem III. Quartal 1999 sank die Zahl von 846.133 Personen auf - letzte verfügbare Zahl vom Juli 2000 - 816.700. Die Landesregierung argumentiert, bei diesem Rückgang der Zahl der geförderten Arbeitsmarktmaßnahmen müsste ja entsprechend die Arbeitslosigkeit steigen, wenn nicht der so genannte erste Arbeitsmarkt diese aufgefangen hätte. Aber die Tatsache, dass wir aufgrund der demografischen Entwicklung einen Rückgang des Arbeitskräftepotenzials haben und dass durch die Konjunktur der alten Länder die Zahl der Pendler - machen Sie sich hier bitte mal sachkundig - in den Randgebieten wieder zugenommen hat, wird geflissentlich ignoriert. Es ist also nicht so, dass wir durch eine bessere Verzahnung vom ersten und zweiten Arbeitsmarkt weniger Arbeitslose in Thüringen haben.

Um bei dem Text des CDU-Antrags zu bleiben: Wo ist die seit Oktober letzten Jahres begonnene Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik in Thüringen?

(Zwischenruf Abg. Arenhövel, CDU: Sie haben nicht zugehört.)

Oder bedeutet Abbau bei Ihnen von der CDU gleich Neuausrichtung?

(Beifall Abg. Dr. Pidde, SPD)

Die Landesregierung fordern wir auf nachzuweisen, wo sie wirklich neue arbeitsmarktpolitische Schwerpunkte gesetzt hat. Viel wichtiger wäre die nachprüfbare Aussage, mit welchen positiven Erfolgen sind denn Ihre Programme "50 PLUS" und das "Zweite Karriereprogramm" hinsichtlich der Teilnehmerzahl wirklich effektiv gewesen. Die Zahlen von Ihnen sprechen eine andere Sprache. Wie hoch ist die Zahl der Übernahme durch die Wirtschaft? Worin unterscheidet sich denn überhaupt Ihr Programm zur "Zweiten Karriere" von der normalen Förderung der Arbeitsämter hinsichtlich des SGB III? Welche anderen Schwerpunkte werden gesetzt und wie werden sie finanziell untersetzt? Ich muss Ihnen sagen, was ich heute und hier gehört habe, war mehr als dünn und dürftig.

(Heiterkeit Abg. Wunderlich, CDU)

Meine Damen und Herren, ein wichtiger Aspekt darf bei der Verzahnung von Wirtschaft und Arbeitsmarktpolitik nicht außer Acht gelassen werden. Welchen Beitrag leistet eigentlich die Wirtschaft dazu? 1999 wurde sie in Thüringen aus den Finanztöpfen der Bundesanstalt für Arbeit mit 687 Mio. in den Personalkosten subventioniert. Wie viele Aufträge hat sie denn in Vergabe-ABM in den letzten 12 Monaten überhaupt übernommen und wie wurde sie da von der Landesregierung unterstützt? Bei dem Problem der Berufsausbildung ist zu fragen: Wo bleibt die Wirtschaft mit ihren Versprechungen zur Schaffung betrieblicher Ausbildungsplätze?